142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 68

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»Schau nach, ob du etwas Passendes für sie findest und auch für dich selbst. Du bist größer als ich, aber es dürfte keine Schwierigkeiten bereiten, einen Rock durch eine Spitze oder ein Volant zu verlängern.«

Mit leuchtenden Augen trat Hortense herzu. Sie konnte ihr Staunen nicht verbergen, während Angélique die prächtigen Toiletten auf dem Bett ausbreitete. Angesichts des Kleides aus Goldstoff stieß sie einen bewundernden Schrei aus.

»Ich glaube, das wäre für unser Dachfenster nicht ganz passend«, erklärte Angélique.

»Na ja, du bist bei der Hochzeit des Königs gewesen. Da steht es dir natürlich an, die Hochnäsige zu spielen.«

»Ich versichere dir, daß ich vollkommen zufrieden bin. Niemand erwartet mit größerer Ungeduld den Einzug des Königs als ich. Aber dieses Kleid möchte ich behalten, um es später verkaufen zu können, falls Andijos mir kein Geld mitbringt, wie ich allmählich fürchte. Über die andern kannst du nach Gutdünken verfügen. Es ist nur billig, daß du dich für die Kosten schadlos hältst, die mein Aufenthalt dir verursacht.«

Nach langem Zögern entschloß sich Hortense endlich zu einem Kleid aus himmelblauem Satin für ihre Freundin. Für sich selbst wählte sie ein apfelgrünes, das ihren ein wenig verwaschenen brünetten Typ betonte.

Als Angélique am Morgen des 26. August die magere, durch die Polster der Mantille ein wenig ausgestopfte Gestalt ihrer Schwester musterte, den matten, durch das kräftige Grün hervorgehobenen Teint, das etwas spärliche, aber weiche und feine kastanienbraune Haar, stellte sie kopfschüttelnd fest: »Wirklich,

Hortense, du wärest geradezu hübsch, wenn du nicht eine so gallige Art hättest.«

Zu ihrer großen Überraschung wurde Hortense nicht zornig. Sie seufzte, während sie fortfuhr, sich im großen Stahlspiegel zu betrachten.

»Ich glaube es auch«, sagte sie. »Weißt du, ich habe nie etwas für Mittelmäßigkeit übrig gehabt und doch nichts anderes kennengelernt. Es macht mir Freude zu reden, mit geistreichen und gut gekleideten Leuten zusammen zu sein, ich liebe das Theater. Aber es ist so schwer, sich von den häuslichen Pflichten freizumachen. Im vergangenen Winter konnte ich zu den Leseabenden eines satirischen Schriftstellers gehen, des Dichters Scarron. Ein gräßlicher Mensch, verkrüppelt, böse, aber was für ein Geist, meine Liebe! Diese Abende sind mir eine kostbare Erinnerung. Leider ist Scarron kürzlich gestorben. Da muß ich eben wieder mit der Mittelmäßigkeit vorliebnehmen.«

»Im Augenblick flößt du mir kein Mitleid ein. Ich versichere dir, du wirkst ungemein vornehm.«

»Natürlich hätte ein solches Kleid bei einer >rich-tigen< Staatsanwaltsgattin nicht die gleiche Wirkung. Man kann die Vornehmheit nicht kaufen. Man hat sie im Blut.«

Während sie sich auswählend über die Schmuckkästchen beugten, gewannen sie den Stolz ihres Standes zurück. Sie vergaßen das düstere Zimmer, die geschmacklosen Möbel und die faden bergamas-kischen Wandteppiche, die in der Normandie für die Kleinbürger gewebt wurden.

Im Morgengrauen des großen Tages brach der Herr Staatsanwalt zu Pferd nach Vincennes auf, wo die Vertreter des Staats sich zur Begrüßung des Königs versammeln mußten.

Die Kanonen antworteten donnernd den Kirchenglocken. Die Bürgerwehr in Galauniform, von Lanzen, Hellebarden und Musketen starrend, belegte die Straßen mit Beschlag, die die Ausrufer mit ohrenbetäubendem Geschrei erfüllten, während sie Heftchen verteilten, die das Festprogramm, die Beschreibung der Triumphbogen und der Route des königlichen Geleitzugs enthielten.

Gegen acht Uhr hielt die durch die Zeit längst ihres Goldglanzes beraubte Kutsche Mademoiselle Athénaïs de Rochechouarts vor dem Haus. Es war ein bildhübsches Mädchen mit frischen Farben: goldblondem Haar, rosigen Wangen, einer perlmutterglänzenden, durch ein Schönheitspflästerchen belebten Stirn. Das blaue Kleid paßte wundervoll zu ihren saphierfarbenen, lebhaften und klugen Augen.

Sie fand für Angélique kaum ein Wort des Dankes, obwohl sie außer dem Kleid einen sehr schönen Diamantenschmuck von ihr trug. Ihrer Überzeugung nach war es eine Ehre, Mademoiselle de Rochechouart dienen zu dürfen, und trotz der heiklen Situation ihrer Familie war sie der Ansicht, daß ihr alter Adel ein Vermögen aufwog. Ihre Schwester und ihr Bruder schienen die gleiche Einstellung zu haben. Allen dreien war übersprudelnde Vitalität, beißender Witz, seltene Begeisterungsfähigkeit und hemmungsloser Ehrgeiz eigen, so daß der Umgang mit ihnen eine ebenso amüsante wie beängstigende Angelegenheit war.

Es war ein lustiges Völkchen, das die knarrende, altersmüde Kutsche durch die verstopften Straßen führte.

Inmitten der immer dichter werdenden Volksmenge sah man Reiter und endlose Wagenkolonnen der Porte Saint-Antoine zustreben, wo der Festzug sich aufstellen sollte.

»Wir werden einen Umweg machen müssen, um die arme Françoise abzuholen«, sagte Athénaïs. »Das wird nicht einfach sein.«

»Gott behüte uns vor Madame Scarron, der Witwe des beinlosen Krüppels!« rief ihr Bruder aus.

Er saß neben Angélique und drückte sie ungeniert an sich, obwohl sie ihn mehrmals aufforderte abzurücken, weil er ihr den Atem benahm.

»Ich habe Françoise versprochen, sie mitzunehmen«, erklärte Athénaïs. »Sie ist ein tapferes Mädchen und hat wenig Zerstreuung, seitdem ihr Krüppel von Mann tot ist. Ich glaube fast, sie vermißt ihn noch immer.«

»Nun, so abstoßend er auch gewesen sein mag - jedenfalls hat er Geld ins Haus gebracht. Die KöniginMutter hatte ihm eine Rente ausgesetzt.«

»War er denn schon verkrüppelt, als sie ihn heiratete?« fragte Hortense. »Über dieses Paar habe ich mir immer Gedanken gemacht.«

»Freilich war er ein Krüppel. Er nahm die Kleine zu sich, um Pflege zu haben. Da sie Waise war, willigte sie ein: Sie war fünfzehn Jahre alt.«

»Glaubt Ihr, daß sie eine richtige Ehe geführt haben?« fragte die junge Schwester.

»Wer kann das wissen? Scarron erklärte jedem, der es hören wollte, daß sein Leiden ihn impotent gemacht habe. Aber er war nichtsdestoweniger reichlich lasterhaft. Er hat ihr sicher allerlei beigebracht. Im übrigen kamen eine Menge Leute zu ihnen ins Haus, so daß sich vermutlich der eine oder andere junge Mann ihrer angenommen hat.«

»Man muß anerkennen«, sagte Hortense, »daß Madame Scarron hübsch ist und stets ein bescheidenes Wesen an den Tag gelegt hat. Sie ist nicht vom Rollstuhl ihres Mannes gewichen, hat ihm beim Aufrichten geholfen, ihm seinen Kräutertee gereicht. Auf diese Weise hat sie sich mancherlei Wissen und große Redegewandtheit angeeignet.«

Die Witwe wartete schon auf dem Trottoir vor einem unscheinbaren Hause.

»Mein Gott, dieses Kleid!« flüsterte Athénaïs und fuhr sich mit der Hand an den Mund. »Ihr Rock ist ja ganz fadenscheinig.«

»Warum habt ihr mir nichts gesagt?« fragte Angélique. »Ich hätte doch etwas für sie herausgeben können.«

»Meiner Treu, ich habe nicht daran gedacht. Steigt doch ein, Françoise!«

Die junge Frau drückte sich in eine Ecke, nachdem sie die Gesellschaft anmutig nickend begrüßt hatte. Sie besaß schöne braune Augen, die sie häufig mit ihren langen Wimpern verschleierte. In Niort geboren, hatte sie in Amerika gelebt und war als Waise nach Frankreich zurückgekehrt.

Mit einiger Mühe gelangten sie schließlich in die nicht allzu verkehrsreiche Rue Saint-Antoine. Die Kutschen stauten sich in den benachbarten Gassen. Vor dem Palais Beauvais herrschte jedoch ein geschäftiges Treiben. Ein Baldachin aus dunkelrotem Samt mit goldenen Borten und Fransen zierte den Mittelbalkon. Teppiche verschönten die Fassade.

Von der Türschwelle aus dirigierte eine alte, einäugige, wie ein Reliquienschrein mit Juwelen geschmückte Dame mit beträchtlichem Stimmaufwand die Dekorateure.

»Was macht denn diese schreckliche Megäre da?« fragte Angélique, während die Gruppe auf das Palais zuschritt.

Hortense bedeutete ihr zu schweigen, aber Athénaïs prustete hinter ihrem Fächer.

»Es ist die Hausherrin, meine Liebe, Catherine de Beauvais. Sie war Kammerzofe bei Anna von Österreich, die ihr den Auftrag erteilte, unsern jungen König aufzuklären, als er fünfzehn wurde. Das ist das Geheimnis ihres Reichtums.«

Angélique mußte lachen.

»Vermutlich hat ihre Erfahrung den fehlenden Charme ersetzt ...«

»Das Sprichwort sagt, daß es für Jünglinge und Mönche keine häßlichen Frauen gibt«, versetzte der junge Rochechouart.

Ihre ironische Stimmung hinderte sie nicht, sich vor der ehemaligen Kammerzofe tief zu verbeugen, die ihnen aus ihrem einzigen Auge einen strengen Blick zuwarf.

»Aha, die Leutchen aus dem Poitou. Kinder, haltet mich nicht auf. Macht, daß Ihr hinaufkommt, bevor sich meine Dienstboten die guten Plätze weggeschnappt haben. Aber die da, wer ist das?« fragte sie und deutete mit dem gekrümmten Zeigefinger auf Angélique.

Mademoiselle de Rochechouart stellte vor: »Eine Freundin, die Gräfin Peyrac de Morens.«

»Sieh einer an! Hähä!« kicherte die alte Dame spöttisch.

»Ich bin überzeugt, sie weiß etwas über dich«, flüsterte Hortense auf der Treppe. »Es wäre naiv zu glauben, daß es nicht über kurz oder lang zum Skandal kommen wird. Ich hätte dich niemals mitnehmen dürfen. Am besten, du gehst sofort nach Hause.«

»Schön, aber dann gib mir das Kleid zurück«, sagte Angélique und griff nach dem Mieder ihrer Schwester.

»Laß das sein, dumme Gans!« zischte Hortense, indem sie sich losriß.

Kurz entschlossen hatte Athénaïs de Rochechouart das Fenster eines Mägdezimmers mit Beschlag belegt und ließ sich in Gesellschaft ihrer Freunde häuslich nieder.