142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 74

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»Wie könnt Ihr so reden«, rief sie hitzig aus. »Ihr habt ihn doch gehört, Sire! Ihr habt die Goldene Stimme Frankreichs gehört!«

»Sie hatte allerdings einen Reiz, dem man sich schwerlich verschließen konnte.«

Er näherte sich ihr und fuhr mit einschmeichelnder Stimme fort:

»Es trifft doch wohl zu, daß Euer Gatte die Macht besaß, alle Frauen, selbst die kühlsten, zu behexen. Man hat mir berichtet, er sei auf diese Gabe so stolz gewesen, daß er daraus so etwas wie eine Lehre entwickelte und Feste gab, bei denen die schamloseste Zügellosigkeit Brauch war.«

»Weniger schamlos als das, was bei Euch im Louvre vorgeht«, verlangte es Angélique zu sagen. Sie beherrschte sich nach bestem Vermögen.

»Man hat Eurer Majestät gegenüber den Sinn dieser Zusammenkünfte falsch ausgelegt. Meinem Gatten machte es Freude, in seinem Palais die mittelalterlichen Traditionen der Troubadours aus dem Süden Wiederaufleben zu lassen, die die Galanterie gegenüber den Frauen zur Höhe eines Kults erhoben. Gewiß waren die Unterhaltungen ungezwungen, da man ja über die Liebe sprach, aber der Anstand blieb gewahrt.«

»Wart Ihr nicht eifersüchtig, Madame, als Ihr saht, wie dieser Gatte, den Ihr so angebetet habt, sich Ausschweifungen hingab?«

»Ich habe nie erlebt, daß er sich Ausschweifungen in dem Sinne hingab, in dem Ihr es meint, Sire. Jene Lehren schreiben die Treue zu einer einzigen Frau vor, der legitimen Gattin oder der Geliebten. Und ich war diejenige, die er erwählt hatte.«

»Immerhin habt Ihr lange gezögert, bis Ihr Euch dieser Wahl beugtet. Wie kam es, daß Eure anfängliche Abneigung sich plötzlich in verzehrende Liebe verwandelte?«

»Ich sehe, daß Eure Majestät sich für die intimsten Einzelheiten im Leben seiner Untertanen interessiert«, sagte Angélique, die sich diesmal der Ironie nicht enthalten konnte. Der Zorn kochte in ihr. Sie brannte danach, ihm die bissigen Erwiderungen ins Gesicht zu schleudern, die ihr auf der Zunge lagen. Doch beherrschte sie sich mühsam und senkte den Kopf in der Befürchtung, man könne ihr die Gefühle vom Gesicht ablesen.

»Ihr habt meine Frage nicht beantwortet, Madame«, sagte der König in eisigem Ton.

Angélique fuhr sich mit der Hand über die Stirn.

»Weshalb habe ich begonnen, diesen Mann zu lieben?« murmelte sie. »Wahrscheinlich, weil er alle Eigenschaften besitzt, die bewirken, daß eine Frau sich glücklich schätzt, Sklavin eines solchen Mannes zu sein.«

»Ihr gebt also zu, daß Euer Gatte Euch behext hat?«

»Ich habe fünf Jahre an seiner Seite gelebt, Sire. Ich bin bereit, auf das Evangelium zu schwören, daß er weder Hexenmeister noch Magier war.«

»Ihr wißt, daß man ihn der Hexerei anklagt?«

Sie nickte stumm.

»Es handelt sich nicht allein um den seltsamen Einfluß, den er auf die Frauen ausübt, sondern auch um die verdächtige Herkunft seines riesigen Vermögens. Es heißt, er habe das Geheimnis der Transmutation unedler Metalle in Gold durch den Umgang mit dem Satan empfangen.«

»Sire, man stelle meinen Gatten vor ein Tribunal. Er wird mühelos beweisen, daß er das Opfer falscher Vorstellungen in überwundenen Traditionen befangener Alchimisten geworden ist, Traditionen, die in unserer Zeit mehr Schaden als Nutzen stiften.«

Der König wurde ein wenig umgänglicher.

»Ihr werdet zugeben, Madame, daß wir, Ihr und ich, von der Alchimie nicht allzuviel verstehen. Dennoch muß ich gestehen, daß die Schilderungen, die man mir von den teuflischen Praktiken des Monsieur de Peyrac gemacht hat, reichlich unbestimmt sind und der Präzisierung bedürfen.«

Angélique unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung.

»Wie bin ich glücklich, Sire, daß Ihr ein so mildes und verständnisvolles Urteil fällt!«

Auf dem Gesicht des Königs erschien ein winziges Lächeln, in das sich leise Verärgerung mischte.

»Wir wollen nichts vorwegnehmen, Madame. Ich habe nur gesagt, daß ich nähere Einzelheiten über diese Transmutationsgeschichte verlange.«

»Sire, eine Transmutation hat es nie gegeben. Mein Gatte hat lediglich ein Verfahren ausgearbeitet, durch das man mit Hilfe geschmolzenen Bleis sehr feines Gold ausscheiden kann, das in einem bestimmten Gestein enthalten ist. Durch Anwendung dieses Verfahrens hat er sein Vermögen erworben.«

»Wäre es ein unantastbares und lauteres Verfahren gewesen, hätte er dessen Ausnützung normalerweise seinem König angeboten, während er in Wirklichkeit zu niemand darüber gesprochen hat.«

»Sire, ich bin Zeuge, daß er sein Verfahren vor einigen Edelleuten und dem Abgesandten des Erzbischofs von Toulouse demonstrierte, aber das Verfahren ist nur auf ein bestimmtes Gestein anwendbar, das man die unsichtbaren Goldadern der Pyrenäen nennt, und man braucht ausländische Spezialisten, um es durchzuführen. Es ist also keine kabalistische Formel, die er verraten könnte, sondern etwas, das ein Spezialwissen und ein beträchtliches Kapital erfordert.«

»Zweifellos zog er es vor, sich die Ausnutzung eines solchen Verfahrens vorzubehalten, das ihn nicht nur reich machte, sondern ihm auch den Vorwand lieferte, Ausländer bei sich zu empfangen, Spanier, Deutsche, Engländer und aus der Schweiz kommende Ketzer. So konnte er in aller Bequemlichkeit die autonomisti-sche Revolte des Languedoc vorbereiten.«

»Mein Gatte hat niemals Komplotte gegen Eure Majestät geschmiedet.«

»Immerhin hat er beachtliche Arroganz und Selbstbewußtheit an den Tag gelegt. Ihr müßt zugeben, Madame, daß es wider die Üblichkeit ist, wenn ein Edelmann vom König nichts verlangt. Wenn er sich aber auch noch rühmt, ihn nicht zu brauchen, überschreitet das jedes Maß.«

Angélique fühlte sich wie vom Fieber geschüttelt. Sie tat bescheiden, gab zu, daß Joffrey ein Sonderling sei, der, infolge seiner physischen Defekte von seinesgleichen isoliert, alles ans Werk gesetzt habe, um mittels seiner Philosophie und seines Wissens über sie zu triumphieren.

»Euer Gatte wollte einen Staat im Staate schaffen«, sagte der König hart. »Ob Schwarzkünstler oder nicht - er wollte mittels seines Reichtums herrschen. Seit seiner Verhaftung brodelt es in Toulouse, und das Languedoc befindet sich in Unruhe. Glaubt nicht, Madame, daß ich jenen Verhaftbefehl aus keinem stichhaltigeren Grunde als wegen des Verdachts der Hexerei unterschrieben habe, der zwar beunruhigend ist, aber gegen die schwerwiegenden Vergehen in seinem Gefolge wenig zu bedeuten hat. Ich habe schlagende Beweise für seinen Verrat bekommen.«

»Die Verräter wittern überall Verrat«, sagte Angélique ruhig, und ihre grünen Augen schossen Blitze. »Wenn Eure Majestät mir diejenigen nennen würden, die in solcher Weise den Grafen Peyrac verleumden, würde ich unter ihnen zweifellos Persönlichkeiten finden, die sich in nicht allzu ferner Vergangenheit tatsächlich gegen die Macht und sogar das Leben Eurer Majestät verschworen haben.«

Ludwig XIV. blieb gelassen, nur sein Gesicht färbte sich ein wenig dunkler.

»Ihr seid recht kühn, Madame, daß Ihr Euch zu bestimmen anmaßt, in wen ich mein Vertrauen setzen soll. Die gezähmten und angeketteten Raubtiere sind mir nützlicher als der stolze und freie Vasall, der gar leicht zum Rivalen werden kann. Möge der Fall Eures Gatten anderen Edelleuten als Beispiel dienen, die gerne das Haupt erheben möchten. Man wird ja sehen, ob er mit all seinem Geld seine Richter kaufen kann und ob der Satan ihm zu Hilfe kommt. Meine Pflicht ist es, das Volk vor den verderblichen Einflüssen jener großen Adligen zu schützen, die sich zu Beherrschern der Körper und der Seelen und des Königs selbst erheben möchten.«

»Ich müßte mich ihm weinend zu Füßen werfen«, dachte Angélique, aber sie war dessen nicht fähig. Die Gloriole des Königs verflüchtigte sich vor ihren Augen. Sie sah nur noch einen jungen Mann ihres Alters - zweiundzwanzigjährig -, den sie am liebsten an seinem Spitzenkragen gepackt und wie einen Pflaumenbaum geschüttelt hätte.

»Das also ist die Gerechtigkeit des Königs«, sagte sie in einem harten Ton, der ihr fremd vorkam. »Ihr seid von gepuderten Mördern umgeben, von federgeschmückten Banditen, von Bettlern, die sich in den elendesten Schmeicheleien ergehen. Einem Fouquet, einem Condé, den Conti, Longueville, Beaufort ... Der Mann, den ich liebe, hat nie Verrat begangen. Er hat die schlimmsten Schicksalsschläge überwunden, hat die königliche Schatzkammer um einen Teil seines Vermögens bereichert, das er sich durch seine Genialität, sein unermüdliches Arbeiten erworben hatte. Er hat von niemandem etwas gefordert, und das wird man ihm nie verzeihen .«

»Das wird man ihm nie verzeihen«, wiederholte der König.

Er trat auf Angélique zu und packte sie mit einer Heftigkeit am Arm, die den Zorn verriet, den das Gesicht zu verbergen suchte.

»Madame, Ihr werdet diesen Raum ungehindert verlassen, obwohl ich Euch verhaften lassen könnte. Erinnert Euch daran, falls Ihr in Zukunft einmal an der Hochherzigkeit des Königs zweifeln solltet. Aber seht Euch vor! Ich will nie mehr etwas von Euch hören, sonst wäre ich unbarmherzig. Euer Gatte ist mein Vasall. Laßt die Gerechtigkeit des Staates ihren Lauf nehmen. Adieu, Madame!«

»Alles ist verloren! Durch meine Schuld! Ich habe Joffrey verloren«, sagte sich Angélique immer wieder.

Verstört suchte sie in den Gängen des Louvre nach Kouassi-Ba! Sie wollte zur Grande Mademoiselle. Vergebens rief ihr angstbeklommenes Herz nach einer mitfühlenden Seele. Die Gestalten, denen sie in diesem düsteren Labyrinth begegnete, waren taub und blind, marklose Marionetten, die aus einer anderen Welt kamen.

Die Nacht brach herein und brachte ein Oktoberunwetter mit, das an die Fenster peitschte, die Kerzenflammen niederdrückte, durch die Türritzen pfiff, die Wandteppiche bewegte.

In der Hoffnung, Kouassi-Ba zu finden, stieg sie eine Treppe hinunter und erreichte einen der Höfe. Angesichts des Platzregens, der mit großem Getöse aus den Dachrinnen herabstürzte, mußte sie jedoch ins Innere zurücktreten.

Unter der Treppe hatte eine Gruppe italienischer Komödianten, die am Abend vor dem König tanzen sollte, an einem Kohlenbecken Zuflucht gesucht. Der rote Schein des Herds erhellte das bunte Farbengemisch der Harlekinkostüme, die schwarzen Masken, die weißen Vermummungen Pantalons und seiner Hanswurste.

Nachdem sie wieder ins obere Stockwerk hinaufgestiegen war, entdeckte sie endlich ein bekanntes Gesicht: Brienne. Er sagte ihr, er habe Monsieur de Préfontaines bei der jungen Prinzessin Henriette von England gesehen; vielleicht könne er ihr Auskunft geben, wo Mademoiselle de Montpensier sich befinde.

Bei der Prinzessin Henriette saß man in der traulichen Wärme der Wachskerzen, die den großen Salon freundlich erleuchteten, beim Kartenspiel. Angélique entdeckte Andijos, Péguillin, d’Humières und de Guiche. Sie schienen völlig vom Spiel absorbiert oder taten vielleicht nur so, als sähen sie sie nicht.

Monsieur de Préfontaines, der beim Kamin an einem Gläschen Likör nippte, berichtete ihr, Mademoiselle de Montpensier habe sich mit der jungen Königin zum Kartenspiel ins Appartement Anna von Österreichs begeben. Ihre Majestät die Königin Maria Theresia fühle sich unsicher, da sie die französische Sprache nicht beherrsche, und mische sich deshalb nicht gern unter die wenig duldsame Jugend des Hofs. Mademoiselle spiele allabendlich eine Partie mit ihr, doch da die kleine Königin früh zu Bett gehe, sei es leicht möglich, daß Mademoiselle noch auf einen Sprung bei ihrer Kusine Henriette erscheine. Auf jeden Fall werde sie Monsieur de Préfontaines rufen lassen, denn sie schlafe nie ein, bevor sie mit ihm abgerechnet habe.