142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 77

Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 77

Als sie das Glas an die Lippen führte, bemerkte sie, daß sich auf dem Grund ein metallisch schimmernder Satz gebildet hatte. Sie bemühte sich, während des Trinkens die Flüssigkeit nicht aufzurühren. Sie schmeckte scharf und bitter.

»Und nun laßt mich allein«, sagte sie, nachdem sie das Glas auf das Tischchen zurückgestellt hatte.

Doch der Prinz hatte den Satz bemerkt, der auf dem Grund zurückgeblieben war. Er nahm eine silberne Zange, scharrte die Reste zu einer kleinen Kugel zusammen und hielt sie der Unglücklichen hin.

»Ihr werdet dies schlucken«, befahl er böse.

Der Chevalier packte Angélique an beiden Händen und hielt sie fest, während Monsieur versuchte, das konzentrierte Gift gewaltsam zwischen ihre Lippen zu schieben. Schließlich gab sie nach, warf sich in gespielter Verzweiflung aufs Bett, und es gelang ihr, die tödliche Pille zwischen die Falten des Lakens zu spucken. Sie verspürte keinerlei Schmerz. Zweifellos schützte die Nahrung, die sie bei der Prinzessin Henriette zu sich genommen hatte, vorläufig noch ihre Magenwände vor der ätzenden Wirkung des Giftstoffes. Auch jetzt verlor Angélique noch nicht alle Hoffnung, ihren Peinigern und einem grausigen Tod zu entrinnen.

Sie glitt vor dem Prinzen auf die Knie.

»Monseigneur, erbarmt Euch meiner Seele. Schickt mir einen Priester. Ich werde sterben. Ich habe schon nicht mehr die Kraft, mich fortzuschleppen. Ihr habt jetzt die Gewißheit, daß ich Euch nicht mehr entkommen kann. Laßt mich nicht ohne Beichte sterben. Gott würde Euch die Schändlichkeit nicht vergeben, mich des Trostes der Religion beraubt zu haben.«

Mit gellender Stimme schrie sie:

»Einen Priester! Einen Priester! Gott wird Euch nicht vergeben.«

Sie sah, daß Clément Tonnel sich erblassend bekreuzigte.

»Sie hat recht«, sagte der Prinz mit bewegter Stimme. »Wir gewinnen nichts, wenn wir sie der Tröstungen der Religion berauben. Madame, beruhigt Euch. Ich habe Eure Bitte vorhergesehen. Ich werde Euch einen Geistlichen schicken, der in einem Nachbarraum wartet.«

»Meine Herren, zieht Euch zurück«, bat Angélique beschwörend, indem sie die Schwäche ihrer Stimme übertrieb und die Hand auf den Magen hielt, als sei sie von Krämpfen befallen, »ich will nur noch mein Gewissen befrieden. Ich spüre deutlich, daß ich, wenn auch nur einer von Euch vor meinen Augen bleibt, nicht fähig sein werde, meinen Feinden zu vergeben. O diese Schmerzen! Mein Gott, hab Erbarmen!«

Mit einem fürchterlichen Schrei ließ sie sich zurückfallen. Philippe d’Orléans zog den Chevalier hinaus.

»Gehn wir rasch. Sie macht es nur noch ein paar Augenblicke.«

Der Haushofmeister hatte den Raum schon vor ihnen verlassen.

Doch kaum waren sie verschwunden, als Angélique auch schon aufsprang und zum Fenster lief. Es gelang ihr, es zu öffnen; der Regen schlug ihr ins Gesicht, und sie beugte sich über den dunklen Abgrund.

Sie sah absolut nichts und konnte nicht berechnen, wie weit es bis zum Boden war, aber ohne zu zögern kletterte sie auf das Fenstersims.

In diesem Augenblick betrat der Priester den Raum. Als er sah, daß die junge Frau im Begriff war hinauszuspringen, stürzte er hinzu und packte sie am Rockschoß, aber der Stoff zerriß. Angélique war bereits ins Leere gesprungen.

Der Fall kam ihr endlos vor. Sie landete unsanft in einer Art Kloake, in der sie einsank und der sie es zu danken hatte, daß sie sich nicht ernstlich verletzte. Sie verspürte zwar einen Schmerz am Knöchel und glaubte im ersten Augenblick, sich den Fuß gebrochen zu haben, aber es war lediglich eine Verstauchung.

Als sie aufstand, streifte sie ein schwerer Gegenstand, der splitternd und spritzend neben ihr zerbarst. Offenbar war es der auf die Rufe des Geistlichen hinzugeeilte Chevalier, der sie mit dem vollen Wasserkrug vom Waschtisch zu treffen versucht hatte.

Dicht an der Mauer entlangstreifend, tat Angélique ein paar Schritte, dann steckte sie den Finger in den Hals, und es gelang ihr, sich einige Male zu erbrechen.

Sie wußte nicht, wo sie sich befand, tastete sich an den Mauern entlang und stellte mit Entsetzen fest, daß sie in einen mit Unrat und Abfällen angefüllten kleinen Innenhof gesprungen war, aus dem es keinen Ausgang zu geben schien.

Glücklicherweise begegneten ihre Finger einer Tür, die sich öffnen ließ. Dahinter war es dunkel und feucht. Ein Geruch nach Wein und Nahrungsmitteln strömte ihr entgegen. Sie mußte sich in einem Nebengebäude des Louvre befinden, in der Nähe der Keller.

Sie beschloß, in die oberen Stockwerke hinaufzuflüchten und bei der ersten Wache Schutz zu suchen, der sie begegnen würde ... Aber der König würde sie verhaften und ins Gefängnis werfen lassen. Ach, wie sollte sie nur aus dieser Mausefalle entkommen?

Gleichwohl stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus, als sie in die bewohnten Galerien gelangte. Einige Schritte entfernt erkannte sie den vor der Tür der Prinzessin Henriette postierten Schweizer wieder, den sie vorhin nach dem Weg gefragt hatte. Im gleichen Augenblick verließen sie die Nerven, und sie stieß einen Schrei des Entsetzens aus, denn am andern Ende des Ganges sah sie den Chevalier de Lorraine und Philippe d’Orléans auftauchen. Sie kannten den einzigen Ausgang des Höfchens, in das ihr Opfer gesprungen war, und sie versuchten, ihr den Rückweg abzuschneiden.

Angélique stieß den Posten beiseite, stürmte in den Salon und warf sich der Prinzessin Henriette zu Füßen.

»Erbarmen, Madame, Erbarmen! Man will mich ermorden!«

Ein Kanonenschlag hätte die glänzende Versammlung nicht mehr verblüffen können. Die Spieler waren aufgesprungen und starrten entgeistert auf die zerzauste, durchnäßte junge Frau im beschmutzten und zerrissenen Kleid, die da mitten zwischen ihnen zu Boden gestürzt war.

Am Ende ihrer Kräfte warf Angélique gehetzte Blicke um sich und erkannte die verlegenen Gesichter von Andijos und Péguillin de Lauzun.

»Ihr Herren, steht mir bei!« rief sie beschwörend. »Man hat versucht, mich zu vergiften. Man verfolgt mich, um mich umzubringen.«

»Aber wo sind sie denn, Eure Mörder, mein armes Kind?« fragte die sanfte Stimme Henriettens von England.

»Dort!«

Unfähig, mehr zu sagen, deutete Angélique auf die Tür. Man wandte sich um. Der kleine Monsieur, der Bruder des Königs, und sein Günstling, der Chevalier de Lorraine, standen auf der Schwelle.

»Liebste Henriette«, sagte Philippe d’Orléans heuchlerisch, während er sich mit zierlichen Schritten seiner Kusine näherte, »ich bin untröstlich über diesen Zwischenfall. Diese Unglückliche ist närrisch.«

»Ich bin nicht närrisch. Ich sage Euch, sie wollen mich umbringen.«

»Aber meine Liebe, was redet Ihr für törichte Dinge«, versuchte die Prinzessin sie zu beruhigen. »Derjenige, den Ihr als Euren Mörder bezeichnet, ist kein anderer als Monseigneur d’Orléans. Schaut ihn doch richtig an!«

»Ich habe ihn nur zu genau angeschaut«, rief Angélique. »Nie in meinem Leben werde ich sein Gesicht vergessen. Ich sage Euch, er hat mich vergiften wollen. Monsieur de Préfontaines, Ihr, der Ihr ein ehrbarer Mann seid, bringt mir eine Medizin, Milch,

was weiß ich, damit ich die Wirkung dieses entsetzlichen Gifts bekämpfen kann. Ich beschwöre Euch ... Monsieur de Préfontaines!«

Stammelnd, völlig verdutzt, stürzte der gute Mann zu einem Schränkchen und brachte der jungen Frau eine Schachtel mit Orvietan, von dem sie rasch einige Stückchen aß.

Die allgemeine Bestürzung hatte den Höhepunkt erreicht. Mit ärgerlich verkniffenem Mund versuchte Monsieur abermals, sich Gehör zu verschaffen. »Ich versichere Euch, meine Freunde, daß diese Frau den Verstand verloren hat. Jeder von Euch weiß, daß ihr Gatte derzeitig eines entsetzlichen Verbrechens wegen in der Bastille ist. Die Unglückliche, von dem verrufenen Edelmann umgarnt, macht nun den hoffnungslosen Versuch, seine Unschuld darzutun. Vergeblich hat Seine Majestät sich heute im Verlaufe einer Unterhaltung in aller Güte bemüht, sie zu überzeugen .«

»Oh, die Güte des Königs! Die Güte des Königs .!« rief Angélique verzweifelt.

Sie spürte, daß sie im Begriff stand, törichte Dinge zu reden, in welchem Falle es um sie geschehen gewesen wäre! So verbarg sie ihr Gesicht in den Händen und bemühte sich, ihre Ruhe zurückzugewinnen.

Wie von fern hörte sie die treuherzige Jünglingsstimme des kleinen Monsieur:

»Plötzlich wurde sie von einer wahrhaft teuflischen Nervenkrise befallen. Sie ist vom Teufel besessen. Der König schickte sofort nach dem Abt des Augustinerklosters, um sie wegzubringen und durch Gebete beruhigen zu lassen. Aber es ist ihr gelungen, zu entkommen. Um den Skandal zu vermeiden, sie von der Wache in Gewahrsam nehmen zu lassen, hat Seine Majestät mich beauftragt, sie abzufangen und bis zum Eintreffen der Ordensgeistlichen festzuhalten. Ich bin wahrhaftig untröstlich, Henriette, daß sie Eure Abendgesellschaft gestört hat. Ich glaube, es ist am vernünftigsten, Ihr zieht Euch alle mit Euren Spielen in einen Nachbarraum zurück, während ich mich hier des Auftrags meines Bruders entledige.«

Wie in einem Nebel sah Angélique, wie sich rings um sie her die dichtgedrängten Reihen der Damen und Edelleute auflösten. Tief bewegt und ängstlich darauf bedacht, dem Bruder des Königs nicht zu mißfallen, zog sich die Gesellschaft zurück.

Angélique hob die Hände und berührte den Stoff eines Kleides, an dem ihre kraftlosen Finger sich nicht festklammern konnten.

»Madame«, sagte sie mit tonloser Stimme, »wollt Ihr mich denn sterben lassen?«

Die Prinzessin zögerte. Sie warf einen ängstlichen Blick auf ihren Vetter. »Wie, Henriette«, protestierte dieser schmerzlich, »Ihr zweifelt an meinen Worten, obwohl wir uns gegenseitig Vertrauen gelobten und heilige Bande uns in Kürze vereinigen werden?«

Henriette senkte ihren blonden Kopf.

»Habt Vertrauen zu Monseigneur, meine Freundin«, sagte sie zu Angélique. »Ich bin überzeugt, daß man es gut mit Euch meint.«