142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 98

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»Was Ihr da sagt, ist außerordentlich ernst und dem König wie Euch selbst abträglich«, sagte Masseneau in ruhigem Ton.

Bourié fuhr auf.

»Herr Präsident, als Mitglied dieses Gerichts erhebe ich gegen die allzu nachsichtige Art Widerspruch, in der Ihr hinzunehmen scheint, was nach meiner Ansicht als erwiesene Majestätsbeleidigung festgehalten werden müßte.«

»Monsieur Bourié, wenn Ihr so fortfahrt, sehe ich mich genötigt, den Vorsitz in diesem Verfahren niederzulegen. Daß unser König eine bereits geäußerte diesbezügliche Bitte abgelehnt hat, dürfte beweisen, daß ich sein volles Vertrauen genieße.«

Bourié wurde rot und setzte sich wieder, während der Graf mit müder, aber beherrschter Stimme erklärte, daß jeder Mensch seine eigene Pflichtauffassung habe. Da er kein Höfling sei, fühle er sich nicht imstande, seine Ansichten bei allen und gegen alle durchzusetzen. Sei es nicht genug, daß er aus seiner entlegenen Provinz der königlichen Schatzkammer jährlich mehr als ein Viertel dessen zufließen lasse, was das Languedoc insgesamt für Frankreich aufbringe? Wenn er so für das allgemeine - und natürlich auch für das eigene - Wohl wirke, ziehe er es dennoch vor, seine Entdeckungen nicht der Öffentlichkeit preiszugeben, aus Angst, ins Ausland fliehen zu müssen wie so viele mißverstandene Gelehrte und Erfinder.

»Immerhin gebt Ihr damit zu, dem Königreich gereizte und verächtliche Gefühle entgegenzubringen«, bemerkte der Präsident gelassen.

Angélique erschauerte aufs neue, und der Verteidiger hob den Arm.

»Vergebt mir, Herr Präsident. Ich weiß, dies ist noch nicht der Augenblick für mein Plädoyer, aber ich möchte Euch in Erinnerung bringen, daß mein Mandant einer der treuesten Untertanen Seiner Majestät ist, die ihn mit einem Besuch in Toulouse geehrt und ihn darauf persönlich zu seiner Hochzeit geladen hat. Ihr könnt nicht behaupten, ohne Seine Majestät selbst zu kränken, daß Graf Peyrac gegen sie und das Königreich gearbeitet habe.«

»Schweigt, Maître! Ich habe Euch aussprechen lassen, und Ihr könnt versichert sein, daß wir es zur Kenntnis genommen haben. Aber ich werde nicht mehr dulden, daß Ihr in die Vernehmung eingreift, die dem Gericht einen Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten und seinen Angelegenheiten vermitteln soll.«

Desgray setzte sich wieder. Der Präsident erinnerte daran, daß das Gerechtigkeitsgefühl des Königs verlange, daß alles ausgesprochen werden müsse, auch gerechtfertigte Kritik, daß es aber einzig dem König zustehe, sein eigenes Verhalten zu beurteilen.

»Es liegt Majestätsbeleidigung vor ...«, rief Bourié abermals.

»Ich sehe keinen Fall von Majestätsbeleidigung«, erklärte Masseneau kühl.

Es war nicht zu übersehen, daß der Schatten, den dieser Prozeß auf den König werfen konnte, das hauptsächlich aus Beamten zusammengesetzte Publikum weniger berührte als die allgemeine Voreingenommenheit, die der schon fast legendäre, unbefriedigend geteilte Reichtum des Angeklagten hervorrief.

Masseneau setzte die Vernehmung mit der Feststellung fort, »abgesehen von der Transmutation des Goldes, die vom Angeklagten nicht geleugnet würde, die nach seiner Behauptung jedoch ein natürliches und keinesfalls teuflisches Phänomen sei, versicherten zahlreiche Zeugenaussagen, er habe eine gewisse Gabe, Menschen zu behexen, insbesondere ganz junge Frauen. Beiden von ihm veranstalteten gottlosen und ausschweifenden Zusammenkünften seien auch die Frauen gewöhnlich weitaus in der Mehrzahl gewesen, >ein sicheres Zeichen für die Dazwischenkunft des Satans, denn beim Hexensabbat übersteige die Zahl der Frauen stets die der Männer<.«

Als Peyrac stumm und wie in einem fernen Traum verloren blieb, wurde Masseneau ungeduldig.

»Was habt Ihr auf diese präzise, durch das Studium der Fälle des kirchlichen Offizialats angeregte Frage zu erwidern, die Euch sehr in Verlegenheit zu setzen scheint?«

Joffrey zuckte zusammen, als ob er erwache.

»Da Ihr darauf besteht, Herr Präsident, werde ich zweierlei antworten. Erstens bezweifle ich, daß Ihr mit der Prozeßführung des Offizialats von Rom gründlich vertraut seid, deren Einzelheiten Geheimnis der Kirchentribunale bleiben; zweitens muß ich annehmen, daß Ihr Euch Euer Wissen um diese seltsamen Dinge durch persönliche Erfahrung erworben habt, das heißt, daß Ihr zumindest einem solchen Hexensabbat beigewohnt habt - ich für mein Teil gestehe, daß ich in meinem immerhin abenteuerreichen Leben noch nie dergleichen begegnet bin.«

Dem Präsidenten hatten diese Worte die Rede verschlagen. Eine gute Weile saß er mit offenem Munde da, dann äußerte er in beängstigend ruhigem Ton:

»Angeklagter, ich wäre berechtigt, das Verhör abzubrechen und Euch >stumm< zu richten, ja Euch sogar jeglicher Verteidigungsmöglichkeit durch einen Dritten zu berauben. Aber ich möchte verhindern, daß Ihr in den Augen irgendwelcher Übelwollenden als Märtyrer erscheint. Deshalb lasse ich andere Mitglieder dieses Gerichts dieses Verhör fortsetzen, in der Hoffnung, daß Ihr ihnen nicht auch die Lust nehmt, Euch anzuhören. Bitte, Herr Vertreter der Protestanten!«

Ein großer Mann mit strengen Gesichtszügen erhob sich. Der Präsident der Jury wies ihn zurecht.

»Ihr seid heute Richter, Monsieur Delmas. Ihr seid es der Majestät der Justiz schuldig, den Angeklagten sitzend anzuhören.«

Delmas sank wieder auf seinen Platz zurück.

»Bevor ich das Verhör des Angeklagten übernehme«, sagte er, »möchte ich an den hohen Gerichtshof eine Bitte richten, wobei ich mich hinsichtlich des Angeklagten nicht etwa von parteiischer Nachsicht leiten lasse, sondern einzig von allgemein menschlichen Gefühlen. Jedermann weiß, daß der Angeklagte seit seiner Kindheit verkrüppelt ist, infolge der Bruderkriege, die so lange unser Land und insbesondere die südwestlichen Provinzen, aus denen er stammt, verheerten. Da die Verhandlung sich in die Länge zu ziehen scheint, bitte ich das Gericht, dem Angeklagten zu erlauben, sich zu setzen, da er zusammenzubrechen droht.«

»Das geht nicht an«, versetzte der hämische Bourié. »Der Angeklagte hat der Verhandlung in kniender Haltung beizuwohnen, so verlangt es die Tradition. Man ist ihm schon genügend entgegengekommen, indem man ihm erlaubte, stehenzubleiben.«

»Ich wiederhole meinen Antrag«, erklärte Delmas.

»Natürlich«, kläffte Bourié, »jedermann weiß, daß Ihr den Angeschuldigten als so etwas wie einen Glaubensgenossen betrachtet, weil er die Milch einer hugenottischen Amme eingesogen hat und behauptet, in seiner Kindheit von Katholiken mißhandelt worden zu sein, was erst noch zu beweisen wäre.«

»Ich wiederhole, daß es eine Frage der Menschlichkeit und der Vernunft ist. Die Verbrechen, deren man diesen Mann beschuldigt, erfüllen mich genauso mit Abscheu wie Euch, Monsieur Bourié, aber wenn er zusammenbricht, werden wir mit diesem Prozeß nie zu Ende kommen.«

»Ich werde nicht zusammenbrechen, und ich danke Euch, Monsieur Delmas. Fahren wir fort, ich bitte darum«, erklärte der Angeklagte in so gebieterischem Ton, daß das Gericht nach kurzer Unschlüssigkeit zustimmte.

»Monsieur de Peyrac«, begann Delmas von neuem, »ich vertraue Eurem Eid, die Wahrheit zu sagen, und auch Eurer Versicherung, daß Ihr nicht mit dem bösen Geist in Verbindung gestanden habt. Indessen sind da noch zu viele dunkle Punkte, als daß Eure Aufrichtigkeit über jeden Zweifel erhaben wäre. Deshalb fordere ich Euch auf, mir alle Fragen zu beantworten, die ich Euch in der einzigen Absicht stellen werde, die furchtbaren Zweifel zu zerstreuen, die über Euren Handlungen schweben. Ihr behauptet, Gold aus Gestein extrahiert zu haben, in dem Fachleute keines finden können. Lassen wir das auf sich beruhen. Aber weshalb habt Ihr Euch einer seltsamen und mühseligen Arbeit hingegeben, für die Euch Euer Adelstitel nicht bestimmt hat?«

»In erster Linie hatte ich den Wunsch, mich durch Arbeit und Nutzung der geistigen Gaben zu bereichern, die ich mitbekommen habe. Andere fordern Renten oder leben auf Kosten des Nachbarn oder bleiben Bettler. Da keine dieser Möglichkeiten mir zusagte, bemühte ich mich, aus meinen geringen Ländereien den größtmöglichen Gewinn zu ziehen. Wobei ich, wie ich meine, nicht gegen Gottes Gebot verstoßen habe, das da besagt: >Du sollst dein Licht nicht unter den Scheffel stellen.< Das bedeutet, glaube ich, daß wir, falls wir eine Gabe oder ein Talent besitzen, nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, es zu nutzen.«

Das Gesicht des Richters erstarrte.

»Es steht Euch nicht zu, Monsieur, uns von göttlichen Verpflichtungen zu reden. Doch weiter ...

Weshalb habt Ihr Euch mit ausschweifenden und auch absonderlichen Menschen umgeben, die aus dem Ausland kamen und, ohne der Spionage gegen unser Land überführt zu sein, immerhin keine ausgesprochenen Freunde Frankreichs oder auch nur Roms sind, wie ich höre?«

»Die nach Eurer Ansicht absonderlichen Menschen sind zumeist ausländische Gelehrte - Schweizer, Italiener oder Deutsche -, deren Arbeiten ich mit den meinigen vergleiche. Diskussionen über die Schwerkraft der Erde sind ein harmloser Zeitvertreib. Was die Ausschweifungen betrifft, die man mir vorwirft, so haben sich in meinem Palais kaum skandalösere Dinge zugetragen als in der Zeit, da die höfische Liebe nach den Worten der Gelehrten selbst >die Gesellschaft verfeinerte<, und gewiß weniger, als heutzutage und allabendlich am Hof und in allen Schenken der Hauptstadt geschehen.«

Angesichts dieser gewagten Äußerung runzelten einige der Richter die Stirn. Doch Joffrey de Peyrac hob die Hand und rief:

»Meine Herren Beamten und Juristen, die Ihr zum großen Teil diese Versammlung ausmacht, ich weiß sehr wohl, daß Ihr dank Eurer Sittenstrenge und vernünftigen Lebensführung eines der gesündesten Elemente der Gesellschaft darstellt. Laßt Euch nicht durch eine Äußerung verstimmen, die von anderen Vorstellungen ausgeht als von den Eurigen, und durch Worte, die Ihr oft selbst in Eurem Herzen geflüstert habt.«

Diese geschickte, in aufrichtigem Ton geäußerte Bemerkung brachte Richter und Kanzlisten, die sich insgeheim durch die Anerkennung ihrer ehrsamen und wenig vergnüglichen Existenz geschmeichelt fühlten, ein wenig aus der Fassung.

Delmas hüstelte und blätterte angelegentlich in seinen Akten.

»Man sagt, daß Ihr acht Sprachen beherrscht.«

»Pico della Mirandola im vergangenen Jahrhundert beherrschte deren achtzehn, und niemand hat ihm damals unterstellt, es sei der Teufel in Person gewesen, der sich die Mühe gemacht habe, sie ihm beizubringen.«

»Außerdem ist erwiesen, daß Ihr die Frauen behext habt. Ich möchte ein von Unglück und Mißgeschick ohnehin genug verfolgtes Menschenwesen nicht unnötig demütigen, aber wenn man Euch anschaut, kann man sich schwerlich vorstellen, daß es Euer Äußeres war, das die Frauen in solchem Maße anzog, daß sie sich allein bei Eurem Anblick umbrachten oder in einen Trancezustand versetzt wurden.«

»Man sollte nichts übertreiben«, sagte der Graf lächelnd. »Nur diejenigen haben sich behexen lassen, wie Ihr es nennt, die dazu willens waren; daß es überspannte Mädchen gibt, wissen wir alle. Das Kloster oder besser noch das Spital ist der ihnen gemäße Aufenthaltsort, und man soll die Frauen nicht nach ein paar Närrinnen beurteilen.«

Delmas setzte eine noch feierlichere Miene auf.

»Es ist allgemein bekannt, und zahlreiche Berichte bestätigen es, daß Ihr bei Euren >Minnehöfen< - einer an sich schon gottlosen Einrichtung, denn Gott hat gesagt: >Du sollst lieben, um dich fortzupflanzen<

- öffentlich die körperliche Liebe verherrlicht.«

»Der Herr hat nie gesagt: >Du sollst dich wie ein Hund oder eine Hündin fortpflanzen<, und ich sehe nicht ein, weshalb das Lehren der Liebeskunst etwas Teuflisches sein soll.«

»Eure Hexenkünste sind es!«

»Wenn ich in der Hexenkunst wirklich so bewandert wäre, würde ich gewiß nicht hier sein.«