142424.fb2 Ang?lique - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 99

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Eine weitere Stunde verging, in deren Verlauf verschiedene Richter dem Angeklagten überaus törichte Fragen stellten, etwa die, mit wie vielen Frauen er zu gleicher Zeit geschlechtlich verkehren könne.

Graf Peyrac reagierte auf solche Albernheiten entweder mit Verachtung oder einem ironischen Lächeln. Offensichtlich glaubte ihm niemand, als er versicherte, daß er immer nur eine Frau liebe.

Bourié, den die anderen Richter diese delikate Debatte allein führen ließen, bemerkte höhnisch:

»Eure amouröse Potenz ist so berühmt, daß wir nicht überrascht waren zu erfahren, daß Ihr Euch so schändlichen Vergnügungen hingabt.«

»Wäre Eure Erfahrung ebenso groß wie meine amouröse Potenz«, erwiderte Graf Peyrac mit bissigem Lächeln, »dann wüßtet Ihr, daß das Verlangen nach solchen Vergnügungen eher die Folge einer Impotenz ist, die die erwünschte Erregung in anomalen Freuden sucht. Was mich betrifft, meine Herren, so gestehe ich, daß mir das Zusammensein mit einer einzigen Frau zu verschwiegener nächtlicher Stunde genügt, um meine Begierde zu stillen. Ich möchte noch dieses hinzufügen«, sagte er in ernsterem Ton: »Ich fordere die Gerüchtemacher der Stadt Toulouse und des Languedoc heraus zu beweisen, daß ich, wie sie behaupten, seit meiner Hochzeit der Liebhaber einer anderen Frau als der meinigen gewesen bin.«

»Die Voruntersuchung erkennt diesen Einzelumstand tatsächlich an«, stimmte der Richter Delmas zu.

»Ein sehr nebensächlicher Umstand!« sagte Joffrey ironisch.

Der Gerichtshof geriet in verlegene Unruhe. Masseneau bedeutete Bourié, darüber hinwegzugehen, doch dieser, der die systematische Verwerfung der von ihm so sorgfältig gefälschten Akten nicht verwinden konnte, gab sich noch nicht geschlagen.

»Ihr habt Euch noch nicht zu der gegen Euch erhobenen Beschuldigung geäußert, erregende Drogen in die Getränke Eurer Gäste geschüttet zu haben, die sie dazu verleiteten, sich gegen das sechste Gebot zu versündigen.«

»Ich weiß, daß es zu diesem Zweck bestimmte Drogen gibt, das Kantharidium beispielsweise. Aber es war nie meine Art, durch künstliche Mittel zu erzwingen, was nur die natürlichen Eingebungen des Verlangens gewähren können.«

»Gleichwohl hat man uns berichtet, daß Ihr mit großer Sorgfalt die Speisen und Getränke ausgewählt habt, die Ihr Euren Gästen vorsetztet.«

»War das nicht selbstverständlich? Tut das nicht jeder, der darauf bedacht ist, seine Gäste zu erfreuen?«

»Ihr habt behauptet, wenn man die Absicht habe, einen Menschen für sich zu gewinnen, sei es von großer Bedeutung, was man ihm zu essen und zu trinken vorsetze. Ihr habt Zauberformeln gelehrt .«

»Keineswegs. Ich habe gelehrt, daß man die Gaben genießen soll, die die Erde uns beschert, daß man aber in allen Dingen die Hilfsmittel beherrschen muß, die zu dem ersehnten Ziele führen.«

»Nennt uns einige Eurer Lehren.«

Joffrey blickte um sich, und Angélique sah das flüchtige Aufleuchten eines Lächelns.

»Ich stelle fest, daß Ihr Euch für diese Dinge ebenso brennend zu interessieren scheint, meine Herren Richter, wie weniger bejahrte Jünglinge auch. Ob Student oder Beamter - träumt man nicht immer davon, sein Liebchen zu erringen? Ach, meine Herren, ich fürchte sehr, Euch zu enttäuschen! Genausowenig wie für das Gold besitze ich hierfür eine Zauberformel. Meine Lehre ist von der menschlichen Vernunft inspiriert. Als Ihr als angehender Richter diesen ehrwürdigen Bezirk betratet, Herr Präsident, bedeutete es da für Euch nicht eine Selbstverständlichkeit, Euch all das Wissen anzueignen, das Euch dazu befähigen würde, eines Tages das Amt zu erlangen, das Ihr heute bekleidet? Ihr hättet es als unsinnig empfunden, die Tribüne zu besteigen und das Wort zu ergreifen, ohne Euch vorher mit dem Prozeß genau vertraut gemacht zu haben. Lange Jahre hindurch habt Ihr Euer Augenmerk darauf gerichtet, den Fallstricken auszuweichen, die man auf Euren Weg legte. Warum sollten wir nicht die gleiche Sorgfalt auf die Dinge der Liebe verwenden? Auf allen Gebieten ist Unwissenheit schädlich, um nicht zu sagen strafbar. Meine Lehre hatte nichts Okkultes. Und da Monsieur Bourié von mir gern Einzelheiten wissen möchte, würde ich ihm beispielsweise empfehlen, nicht in die Schenke zum >Schwarzen Kopf< einzukehren und dort einen Krug hellen Biers nach dem andern zu trinken, wenn er sich in froher Stimmung und zu Zärtlichkeiten geneigt schon auf dem Nachhausewege befindet. Er würde sich bald darauf recht betrübt zwischen seinen Federbetten wiederfinden, während seine enttäuschte Gattin am nächsten Tage der Versuchung nicht widerstehen könnte, die zärtlichen Blicke schmucker Kavaliere nicht weniger zärtlich zu erwidern .«

Hier und dort klang Gelächter auf, und einzelne junge Leute applaudierten. »Freilich gebe ich zu«, fuhr Joffreys klangvolle Stimme fort, »daß solche Reden in meinem kläglichen Zustand nicht eben angebracht erscheinen. Aber da ich mich zu einer Beschuldigung äußern soll, möchte ich zum Schluß dieses wiederholen: Wenn man sich dem Dienst der Venus weihen will, gibt es, meine ich, kein besseres Reizmittel als ein schönes Mädchen, dessen gesunde Leibesbeschaffenheit dazu ermuntert, die sinnliche Liebe nicht zu verachten.«

»Angeklagter«, sagte Masseneau streng, »ich muß Euch abermals zum Anstand mahnen. Denkt daran, daß in diesem Saal heilige Frauen anwesend sind, die unter dem Nonnenkleid ihre Jungfräulichkeit Gott geweiht haben.«

»Herr Präsident, ich darf darauf hinweisen, daß nicht ich die ... Unterhaltung, wenn ich so sagen darf, auf dieses schlüpfrige ... und reizvolle Gebiet gelenkt habe.«

Wieder erklang vereinzeltes Gelächter. Delmas bemerkte, dieser Teil des Verhörs hätte in lateinischer Sprache geführt werden müssen, aber Fallot de Sancé, der zum erstenmal sprach, wandte treffend ein, jeder der sich ausJuristen, Priestern und Ordensangehörigen zusammensetzenden Zuhörerschaft verstehe Latein, und es lohne nicht, sich einzig der keuschen Ohren der Soldaten, Häscher und Hellebardiere wegen Zwang anzutun.

Mehrere Richter ergriffen alsdann das Wort, um gewisse Anschuldigungen kurz zusammenzufassen.

Angélique hatte den Eindruck, daß bei aller Wirrnis der Verhandlung die Anklage immer wieder auf den einzigen Punkt hinauslief: Hexerei, teuflische Bezauberung von Frauen und das »Echtmachen« des durch alchimistische und satanische Mittel gewonnenen Goldes.

Sie seufzte erleichtert auf: Klagte man ihren Gatten nur des Umgangs mit dem Teufel an, hatte er Aussicht, sich den Klauen der königlichen Justiz zu entwinden.

Der Verteidiger konnte die üble Prozedur des betrügerischen Exorzismus enthüllen, deren Opfer Joffrey geworden war, und schließlich würde die Demonstration des alten Sachsen Hauer zeigen, worin die »Vermehrung des Goldes« bestand. Vielleicht gelang es am Ende doch, die Richter zu überzeugen.

Angélique senkte den Blick und schloß die Augen für eine Weile.

Als sie sie wieder aufschlug, glaubte sie eine Vision zu haben: der Mönch Becher war auf der Tribüne erschienen.

Er legte den Eid auf das Kruzifix ab, das ihm ein anderer Mönch entgegenhielt. Dann begann er abgehackt und mit dumpfer Stimme zu erzählen, wie er von dem großen Magier Joffrey de Peyrac getäuscht worden sei, der vor ihm aus flüssigem Gestein unter Zuhilfenahme eines vermutlich aus dem Lande der kimmerischen Finsternis mitgebrachten Steins der Weisen echtes Gold gewonnen habe. Dieses Land habe ihm der Graf bereitwillig als ein ödes, eisiges Gestade geschildert, über dem Tag und Nacht Donner grolle, Sturm dem Hagel folge und ein Feuerberg ununterbrochen flüssige Lava ausspeie, die sich über das ewige Eis ergösse, ohne es zum Schmelzen bringen zu können.

»Diese letzte Behauptung ist die Erfindung eines Visionärs«, bemerkte Graf Peyrac.

»Unterbrecht den Zeugen nicht«, gebot der Präsident.

Der Mönch versicherte, der Graf habe in seiner Gegenwart einen über zwei Pfund schweren Barren reinen Goldes hergestellt, das später von Spezialisten geprüft und als tatsächlich echt bezeichnet worden sei.

»Ihr erwähnt nicht, daß ich es Seiner Eminenz von Toulouse für seine frommen Werke geschenkt habe«, mischte sich der Angeklagte abermals ein.

»Das stimmt«, bestätigte der Mönch. »Dieses Gold hat sogar dreiunddreißig Exorzismen widerstanden. Was nicht hindert, daß der Schwarzkünstler die Macht behält, es unter Donnergrollen verschwinden zu lassen, wann immer es ihm beliebt. Seine Eminenz war selbst Zeuge dieses grausigen Phänomens, das ihn sehr erregte. Der Zauberer rühmte sich dessen, indem er von >Knallgold< sprach. Er behauptet außerdem, Quecksilber auf die gleiche Weise verwandeln zu können. Alle diese Fakten sind im übrigen in einem Gutachten niedergelegt, das sich in Eurem Besitz befindet.«

Masseneau bemühte sich, einen scherzhaften Ton anzuschlagen.

»Euren Reden nach, Pater, hat der Angeklagte die Kraft, diesen großen Justizpalast zum Einsturz zu bringen, wie Samson die Säulen des Tempels zerbrach.«

Becher rollte die Augen und bekreuzigte sich.

»Oh, fordert den Zauberer nicht heraus! Er ist gewiß nicht weniger stark als Samson.«

Die ironische Stimme des Grafen erklang von neuem:

»Wäre ich mit so viel Macht gerüstet, wie dieser Foltermönch behauptet, hätte ich schleunigst eine Zauberformel zu Hilfe gerufen, um die größte Festung der Welt zu tilgen: die menschliche Dummheit und Leichtgläubigkeit. Descartes hatte unrecht, als er sag-te, das Unendliche sei mit menschlichen Begriffen nicht zu erfassen: die Beschränktheit des Menschen liefert ein sehr schönes Beispiel dafür.«

»Ich mache Euch darauf aufmerksam, Angeklagter, daß wir nicht hier sind, um philosophische Gespräche zu führen. Ihr gewinnt nichts, wenn Ihr Ausflüchte macht.«

»Hören wir also weiterhin diesem würdigen Vertreter des Aberglaubens zu«, sagte Peyrac.

Der Richter Bourié fragte:

»Pater Becher, Ihr habt diesen alchimistischen Prozeduren beigewohnt und seid ein anerkannter Gelehrter. Was für ein Ziel hat der Angeklagte nach Eurem Dafürhalten im Auge gehabt, als er sich dem Teufel überlieferte? Reichtum? Liebe?«

Becher reckte sich zu seiner ganzen mageren Größe auf, so daß er Angélique wie ein Höllengeist schien, der im Begriff ist, sich aufzuschwingen.

Becher schrie mit farbloser Stimme:

»Ich kenne sein Ziel. Reichtum und Liebe? Was liegt ihm schon daran!

Macht und Verschwörung gegen den Staat oder den König? Ebensowenig! Aber er will es Gott gleichtun. Ich bin überzeugt, daß er Leben zu erschaffen vermag, das heißt, daß er dem Schöpfer Schach zu bieten versucht.«

»Pater«, sagte der Protestant Delmas bescheiden, »habt Ihr Beweise für diese furchtbare Behauptung?«

»Ich habe mit meinen eigenen Augen Homunculi seinem Laboratorium entsteigen sehen, auch Gnome, Chimären, Drachen. Zahlreiche Bauern, mir namentlich bekannt, sahen sie in gewissen Gewitternächten umherirren und in jenem unheimlichen Laboratorium aus und ein gehen, das eines Tages durch die Explosion dessen, was der Graf als Knallgold bezeichnet, ich jedoch unbeständiges oder satanisches Gold nenne, fast völlig zerstört wurde.«