142425.fb2 Ang?lique, die Rebellin - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 11

Ang?lique, die Rebellin - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 11

»Ein Pastor, der aus Genf gekommen ist? Wozu?«

»Um diese Gottlosen zum Widerstand aufzuhetzen. Zum Glück bin ich benachrichtigt worden. Heute abend wird er den Wald verlassen, wo er mit diesem verdammten La Morinière zusammengetroffen ist. Ich werde beim Schloß von Grandhier auf ihn lauern. Falls ihn der Herzog begleitet, wird er gleichfalls verhaftet. Ah, Monsieur de Marillac war gut beraten, als er mich mit der Führung dieses Unternehmens betraute. Glaubt mir, Madame, im nächsten Jahr wird es keinen Protestanten mehr im Poitou geben.«

Sie hatte La Violette, den einstigen Diener Philip-pes, kommen lassen.

»Du gehörst zur reformierten Religion und wirst daher wissen, wo sich der Herzog de La Morinière und seine Brüder verbergen. Sie müssen gewarnt werden, daß ein Hinterhalt auf sie wartet.«

Der Diener wußte nichts. Nach einigem Zögern bekannte er nur, daß ihm der Herzog gelegentlich durch einen zum Überbringen von Botschaften abgerichteten Falken Anweisungen schicke. Er selbst leitete an die protestantischen Rebellen Nachrichten weiter, die er von den Soldaten erfuhr. Aber es gab nicht viel weiterzuleiten. Montadour war nicht so dumm, wie er aussah, und sprach trotz seiner sonstigen Geschwätzigkeit nicht von wichtigen Dingen.

»Diese Geschichte mit dem protestantischen Pastor, zum Beispiel, über die Ihr auf dem laufenden seid, Madame - ich möchte meine Hand dafür ins Feuer legen, daß die Soldaten nichts davon wissen. Sie erfahren es erst im letzten Moment. Er ist mißtrauisch und tückisch.«

Angélique hatte La Violette nach Grandhier geschickt, um die Schloßherren zu benachrichtigen. Aber auch sie kannten den Treffpunkt im Walde nicht. Die Verfolgten wechselten häufig ihren Aufenthaltsort. Monsieur de Grandhier hatte versucht, zum Waid zu gelangen, war aber von Dragonern, die wie zufällig in der Umgebung des Schlosses patrouillierten, aufgehalten worden.

In dieser Lage hatte Angélique an die Hexe Melusine gedacht.

»Ich werde sie finden.«

So lange schon plante sie diesen Ausbruch unter Montadours Bart. Den Strick verlängern, der sie mit dem Pflock verband ... Das Unternehmen schien zu glücken.

Die Zauberin blieb stehen, hob ihren knochigen Zeigefinger.

»Horch!«

Über einen düsteren Felsgrat, durch dichtes Gestrüpp drang ein Geräusch, das man mit dem Brausen des Windes hatte verwechseln können, das sich aber mit jedem sich nähernden Schritt immer deutlicher als der monotone Klang düsterer Melodien, langer Anrufungen bekundete: Der Gesang der Psalmen.

Die Protestanten waren dicht am Ufer der Vendée zusammengedrängt, auf dem Grunde jenes Felsschlundes, den man den Schlund des Riesen nannte, weil Gargantua dort mit einem Schulterstoß die riesigen, runden Felsen ins Wanken gebracht haben soll, die ihn fast völlig verschütteten.

Das rötliche Licht eines Feuers durchdrang die Schatten der Dämmerung, die den Engpaß verhüllten. Man unterschied kaum die weißen Hauben der Frauen zwischen den riesigen schwarzen Filzhüten der hugenottischen Bauern.

Dann trat ein Mann in den Lichtschein der Flammen. Nach der Beschreibung, die die Zauberin gegeben hatte, erkannte Angélique ohne Mühe den Herzog Samuel. Seine bärtige Jägergestalt war eindrucksvoll. Sie hatte Ludwig XIV mißfallen, als der Herzog mit der Absicht nach Versailles gekommen war, in den Kabalen des Hofes den Platz einzunehmen, den der Admiral de Coligny im vergangenen Jahrhundert innegehabt hatte. In Ungnade gefallen, lebte er seither auf seinen Ländereien.

Mit seinen bis zur Hälfte der Schenkel reichenden Stiefeln, seinem Wams aus schwarzem Tuch, das ein breiter Gürtel mit Dolch und Degengehänge umspannte, einem jener altmodischen, flachen, federgeschmückten Hüte, die die Hugenotten der Provinzen mit Vorliebe trugen und die sie je nach Leibesfülle Calvin oder Luther ähneln ließen, flößte der Herzog Samuel de La Morinière Furcht ein. Er schien nicht aus dieser Zeit, Überlebender einer Epoche rauher Sitten, unbeschränkter Gewalttätigkeiten, feindlich jeder Verfeinerung. Sein Platz war in diesem wilden Doktor von Fels und Nacht, und als sich seine Stimme erhob, hallte sie noch tiefer zwischen den Wanden der Schlucht, eine bronzene Stimme, schwer und hart, die Angélique erzittern ließ.

»Brüder, Söhne, es naht der Tag, an dem wir aus dem Schweigen das Haupt von neuem erheben und verstehen müssen, daß der Dienst an Gott von uns Taten fordert ... Öffnet das Buch der Bücher. Was findet ihr dort? . Der Ewige schreitet voran wie ein Held. Er feuert seinen Eifer an wie ein Kriegsmann. Er erhebt die Stimme. Er stößt seinen Ruf aus. Er offenbart den Feinden seine Stärke. Ich bin lange stumm gewesen sagt er. Ich habe geschwiegen, ich habe mich zurückgehalten ... Jetzt aber werde ich Berge und Hügel verwüsten und ihr Grün versengen ... Sie werden zurückweichen, und die, die sich den aus Stein gehauenen Götzen anvertrauen, die den eisernen Götzen sagen: >Ihr seid unsere Götter<, werden bestürzt sein .«

Seine Stimme grollte. Angélique überlief ein Schauer. Sie wandte sich zu der Zauberin und entdeckte, daß sie sich lautlos davongemacht hatte.

Zwischen den Wipfeln der Bäume war der Himmel noch wie aus weißem Perlmutt, aber im Schlunde des Riesen herrschte ein Dunkel, das ein heftiges Gefühl des Zorns durchbebte.

Eine Stimme rief:

»Was vermögen wir gegen die Soldaten des Königs?«

»Alles. Wir sind zahlreicher als die Soldaten des Königs, und Gott hilft uns.«

»Der König ist allmächtig.«

»Der König ist fern, und was vermag er gegen eine Provinz, die zur Verteidigung entschlossen ist?«

»Die Katholischen werden uns verraten.«

»Auch die Katholischen fürchten die Dragoner. Die Steuern drücken sie nieder und, noch einmal sei es gesagt, sie sind weniger zahlreich als wir. In unseren Händen ist der fruchtbarste Boden .«

Eine Eule kreischte zweimal sehr nah. Angélique erschrak. Totenstille breitete sich auf dem Grund des Schlundes aus.

Plötzlich fand sie den Blick des hugenottischen Edelmannes ihr zugewandt. Die Flammen verliehen den tief unter schwarzen Brauen versteckten Augen ihr rötliches Leuchten. »Sein Feuerblick«, hatte die Zauberin gesagt. »Du kannst ihn ertragen.«

Der Ruf der Eule erhob sich, samten und unheilvoll, von neuem. War es ein Alarmzeichen? Eine Warnung vor einer gefährlichen Annäherung? ... Angélique biß sich auf die Lippen. »Es muß sein«, sagte sie sich. »Meine letzte Karte!«

Sie klammerte sich an dornige Zweige, während sie zu den versammelten Hugenotten hinabstieg.

Als sie sich auf den Weg zum Schlund des Riesen gemacht hatte, um den Genfer Pastor zu retten, war es Angélique klar gewesen, daß sie ihr Ziel bestimmt hatte und daß es nicht leicht sein würde, wieder umzukehren.

Samuel de La Morinière, der Patriarch, war der einzige, der den Königsglauben in den Herzen der getreuen protestantischen Untertanen ausrotten konnte.

La Morinière, der Patriarch, hatte die Fünfzig überschritten. Witwer und Vater dreier Töchter

- was ihn bitter ankam - saß er mit seinen Brüdern Hugues und Lancelot, die ebenfalls verheiratet und Väter einer zahlreichen Nachkommenschaft waren, auf seinen Gütern. Der ganze Stamm duckte sich unter die harte Zuchtrute des Patriarchen und teilte seine Zeit zwischen Gebet und Jagd. Die Feste, die man einstmals in den prächtigen Sälen gefeiert hatte, waren verklungen. In La Morinière sprachen die Frauen leise und hatten das Lächeln verlernt. Die Kinder wurden von frühester Jugend an durch zahlreiche Erzieher zum Studium des Griechischen, des Lateinischen und der Heiligen Schrift angehalten. Den Jungen wurde die Handhabung des Spießes und des Dolchs beigebracht. War sich La Morinière, als er zum erstenmal Angélique begegnete - dieser aus der Dämmerung getretenen Frau mit dem Goldhaar unter der Hirtinnenkapuze, den nackten Füßen und der kultivierten Sprache der großen Dame -, ihrer noch unklaren Leidenschaft, ihres Grolls bewußt, der danach verlangte, sich in Taten zu verwandeln, und der sie seinen Einflüsterungen fügsam machen würde?

Der Mann, der abends das Horn blies, entging für den Augenblick Montadours Verfolgung. Da der Edelsitz von Cambourg Plessis nahe lag, begnügte sich der Kapitän vielleicht mit der Gewißheit, daß er, wann er nur wollte, seine schwere Pranke auf diesen bleichen, zitternden Hugenotten niedersausen lassen konnte, der seine Rolle als Verfolgter nicht ohne Verzweiflung übernommen hatte.

In ihrer Jugend hatten sich Angélique und ihre Schwestern oft über den mageren, ungeschickten Jungen mit dem vorstehenden Adamsapfel mokiert, dem sie bei Dorfversammlungen oder auf den Märkten der umliegenden Städtchen begegneten. Mit den Jahren hatte sich der Baron de Cambourg einen langen, trübseligen Schnurrbart, eine immer schwangere Frau und einen Schwarm kleiner, blasser, an seinen Rockschößen hängender Hugenotten angeschafft. Im Gegensatz zur Mehrzahl seiner Glaubensgenossen war er sehr arm. Die Leute der Gegend sagten, auf seiner Familie laste seit neun Generationen ein Fluch, weil ein Ritter seines Hauses in einem Schloß am Ufer der Sèvre eine schlafende Fee zu umarmen versucht habe. Der Fluch hatte sich, wie zu erwarten war, noch verschärft, als die Cambourgs die Religion Calvins annahmen. Isaac, der letzte dieses Namens, vegetierte im Schatten seines von Efeu überwucherten Turms, und sein einziges Talent wie seine einzige Aufgabe bestand darin, das Horn zu blasen. Es war erstaunlich, welche Atemkraft dieser magere Körper barg. Die ganze Umgebung lud ihn zur Teilnahme an Jagden ein, bei denen er mit seinen weitklingenden, kraftvollen Signalen Jäger, Meute und Wild in Angst und Schrecken zu versetzen wußte.

Seit dem letzten Jahr jedoch waren solche Gelegenheiten selten geworden. Katholische wie protestantische Krautjunker verkrochen sich in ihre Winkel, das Ende der von den Soldaten verursachten Unruhen erwartend. Der Baron de Cambourg hatte der Aufforderung des Herzogs de La Morinière nachkommen müssen. Es war schwierig, dessen Wünschen zu widerstehen.

Angélique begriff es, als sie den Anführer der Hugenotten auf sich zukommen sah, von seinem windgeblähten, schwarzen Mantel umflattert. Hier, gegen den blaugoldenen Hintergrund des Himmels, wirkte er noch eindrucksvoller als in der Düsternis des Schlundes des Riesen. Seine Brüder begleiteten ihn.

An der Grenze des Waldes, auf der Höhe einer jäh abfallenden Felswand gelegen, beherrschte der Ort ihrer Begegnung die Landschaft. Auf diesem mit Ginster bestandenen Stück Erde hatte sich einstmals ein römisches Lager befunden. Der kleine, halb zerfallene, von Asphodelen überblühte Venustempel erinnerte noch daran.

Hatten die zwischen Meer und gallischem Wald kampierenden Römer die Göttin um Erhaltung ihrer Männlichkeit gebeten, da ihre Gegner, die wilden Pikten, im Rufe standen, ihren eigenen Göttern schreckliche Trophäen darzubieten? Nur die Ruinen waren geblieben, ein steinernes, auf zwei Säulen ruhendes Deckenstück, dessen Gesims mit lateinischen Inschriften bedeckt war. In seinem Schatten ließ Angélique sich nieder.

Der Herzog nahm vor ihr auf einem viereckig behauenen Steinblock Platz. Die beiden Brüder hielten sich abseits. Das römische Lager war einer ihrer Treffpunkte. Die hugenottischen Bauern pflegten im Tempel Lebensmittel und Waffen für die Verfolgten zu verstecken. Von hier aus konnte man die Landschaft überblicken und brauchte keinen Angriff zu befürchten.

Der Herzog begann zu sprechen. Er dankte ihr noch einmal für das, was sie für den Genfer Pastor getan hatte. Ihre Geste beweise, daß die Barriere der Glaubensunterschiede durchbrochen werden könne, wenn sich durch Ungerechtigkeit beleidigte Geister verbündeten, um die Macht tyrannischer Herrscher in Schach zu halten. Er wisse, daß sie durch den König viel gelitten habe. Ließ man sie nicht wie eine Gefangene bewachen? Wie war es Madame du Plessis gelungen, sich zu ihnen zu schlagen? Sie erklärte, daß sie einen unterirdischen Gang benutze. Montadour hege keinen Verdacht.

Es war schwierig, dem Herzog nicht zu antworten, wenn er eine Frage stellte. Sein gebietender Ton ließ dem Gesprächspartner keine Möglichkeit auszuweichen. Seine tiefliegenden Augen fixierten sie aufmerksam. Ihr stechendes Funkeln begann sie zu ermüden. Sie wandte den Blick ab und dachte an die Zauberin, die diesen düsteren Diener des Herrn fürchtete.

Für diese Begegnung hatte sie sich in eine ihres Ranges würdige Robe aus dunklem, schwerem Satin gekleidet, und es war gar nicht leicht gewesen, sich mit dem die Taille einschnürenden Korsett und den schweren Falten der drei Röcke durch den engen Gang zu winden. Der Diener La Violette hatte sie begleitet, um ihren Mantel zu tragen. Er hielt sich einige Schritte entfernt, unbeweglich und respektvoll. Es lag in Angéliques Absicht, diese Begegnung mit einiger Förmlichkeit zu umgeben, um mit dem Herzog auf gleichen Fuße sprechen zu können.

Sie saß unter dem von den Jahrhunderten patinier-ten römischen Bogen, unter dem Saum des pflaumenfarbigen Kleids ein wenig vom roten Leder ihrer Schuhe zeigend, während der Wind ihr streng frisiertes Haar nach und nach sanft löste. Sie hörte seine tiefe Stimme. Sie hörte sie mit klopfendem Herzen, von ihr angezogen und dennoch beunruhigt. Es schien ihr, als öffne sich ein Abgrund zu ihren Füßen. Sie mußte mit einem Satz hinunterspringen.

»Was wollt Ihr von mir, Monsieur?«

»Daß wir ein Bündnis schließen. Ihr seid katholisch, ich bin reformiert, doch wir können uns verbünden. Ein Bündnis der Verfolgten, der freien Geister ... Montadour lebt unter Eurem Dach. Spioniert ihn aus, unterrichtet Euch ... Und dann, Eure katholischen Bauern .«

Er beugt sich vor und dämpfte seine Stimme, um sie desto besser mit seinem gebieterischen Willen durchdringen zu können.