142425.fb2 Ang?lique, die Rebellin - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 21

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»Ich muß fort, Mutter!«

»Wohin willst du, mein Kind?«

»Es gibt genug Orte, wohin man gehen kann. Ich habe mit Nathanaël schon alles verabredet. Ich werde Charles-Henri mitnehmen.«

»Nathanaël de Cambourg?«

»Ja, er ist mein Freund. Wir sind immer zusammen gewesen, damals, als ich in Plessis wohnte, bevor ich meinen Dienst bei Hof antrat.«

»Du hast mir niemals etwas davon gesagt.«

Seine Augenbrauen hoben sich in einem vieldeutigen Ausdruck. Es gab noch genug andere Dinge, von denen er ihr nie erzählt hatte.

»Wenn Ihr uns nicht begleiten wollt, um so schlimmer. Aber Charles-Henri nehme ich mit.«

»Du faselst, Florimond. Charles-Henri kann diesen Besitz nicht verlassen, dessen Erbe er ist. Das Schloß, der Park, die Wälder, die Ländereien gehören ihm. Sobald er majorenn ist, fallen sie ihm zu.«

»Und ich? Was besitze ich?«

Mit bedrücktem Herzen sah sie ihn an. »Du besitzt nichts. Mein Sohn, mein schönes, stolzes Kind ...«

»Nichts gehört mir?«

Sein Ton verriet, daß er trotz allem noch hoffte. Jede Sekunde, die seine Mutter schweigend verstreichen ließ, verstärkte die Härte eines Urteilsspruchs, den er schon geahnt hatte.

»Dir wird das Geld gehören, das in meinen Handelsunternehmungen steckt.«

»Aber mein Name, meine Erbgüter, mein eigener Besitz ... wo sind sie?«

»Du weißt .«, begann sie.

Er wandte sich brüsk ab, den Blick in die Ferne gerichtet.

»Darum eben will ich fort.«

Sie legte ihm einen Arm um die Schultern, und mit langsamen Schritten kehrten sie ins Schloß zurück. »Ich werde zum König gehen«, dachte sie, »unter den spöttischen, entzückten Blicken der Höflinge werde ich schwarzgekleidet die lange Galerie durchqueren und niederknien ... Ich werde mich dem König geben ... Aber danach werde ich dir deine Titel, dein Erbe zurückerstatten lassen ... Ich habe gegen dich gesündigt, mein Sohn, als ich meine Freiheit als Frau bewahren wollte. Es gab keinen Ausweg .« Sie drückte ihn stärker an sich. Er sah verdutzt zu ihr auf, und zum erstenmal seit seiner Rückkehr lächelten sie zärtlich einander zu.

»Komm, wir werden eine Partie Schach spielen.«

Es war eine der Leidenschaften des Jungen. Sie setzten sich nahe dem Fenster vor das große Schachbrett aus schwarzem und weißem Marmor, das König Heinrich II. einem der Herren von Plessis verehrt hatte. Die Figuren waren aus Elfenbein. Florimond stellte sie auf, die Lippen vor Eifer zusammengepreßt.

Angélique betrachtete durch das Fenster den verwüsteten Rasen, die exotischen Bäume, die die Dragoner gefällt hatten, um Feuer zu machen, ein Akt puren Vandalismus’, denn nur zwei Schritte entfernt befand sich trockenes Unterholz.

Ihr Leben ähnelte diesem zerstörten Park. Sie hatte ihrer Existenz keine Ordnung zu geben vermocht. Fremde Leidenschaften hatten es verwüstet und sie schließlich unter ihr Joch gezwungen. Jetzt, angesichts dieses noch verletzlichen Sohns, den niemand beschützte, wurde sie sich ihrer Schwäche als alleinstehender, von keinem Gatten verteidigter Frau bewußt. Früher hatte sie sich imstande gefühlt, alles zu tun, um schließlich doch zu triumphieren. Heute ließ dieses »alles« einen bitteren Geschmack in ihrem Munde zurück. Sie hatte die menschlichen Eitelkeiten durchmessen. Der Islam hatte sie gelehrt, daß allein die Erfüllung des eigenen Wesens den Menschen in Einklang mit seiner Seele bringt.

Nun würde sie sich dem König geben. Ein Akt, der schlimmer war als ein Verrat ihres Selbst, ihrer Vergangenheit, des Mannes, den sie nie hatte vergessen können .

»Ihr habt zu setzen, Mutter«, sagte Florimond. »Wenn ich Euch raten darf, setzt die Königin.«

Angélique lächelte matt und setzte die Königin. Florimond grübelte über einem komplizierten Manöver und hob die Augen, nachdem er gezogen hatte.

»Ich weiß, daß es nicht allein Eure Schuld ist«, sagte er mit jener sanften Stimme, die er aus der Jesuitenschule mitgebracht hatte. »Es ist nicht leicht, mit all diesen Leuten fertig zu werden, die Euch übelwollen, weil Ihr schön seid. Aber ich glaube, daß es besser wäre fortzugehen, bevor es zu spät ist.«

»Mein Liebling, es ist wirklich nicht so einfach, wie du selbst eingestehst. Wohin sollten wir gehen? Ich habe erst eine sehr lange Reise hinter mir, Florimond. Ich bin durch schreckliche Gefahren gegangen und habe doch zurückkehren müssen, ohne das, was ich suchte, gefunden zu haben.«

»Ich ... ich würde es finden«, sagte Florimond heftig.

»Sei nicht überheblich. Es ist ein Fehler, der einen teuer zu stehen kommt.«

»Ich erkenne Euch nicht wieder«, erklärte er streng. »Seid Ihr es, die ich in den unterirdischen Gang geführt habe, als Ihr Euch entschlossen hattet, meinen Vater zu suchen?«

Angélique lachte auf.

»Oh, Florimond, ich liebe deine Kraft! Gewiß hast du Grund, mich zu schelten, aber .«

»Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich mit Euch mitgegangen, statt mich in der verdammten Schule einsperren zu lassen. Uns beiden wäre es geglückt.«

»Überheblicher«, wiederholte sie mit Zärtlichkeit.

Sie erinnerte sich des grausamen Mittelmeers, der kleinen, entmannten Sklaven, der Stürme, der Gefechte, des ewigen Handels mit menschlichem Fleisch. Gott sei Dank, daß Florimond sie nicht auf ihrer Expedition begleitet hatte. Und wie oft war sie mit sich der Sorglosigkeit wegen zu Gericht gegangen, mit der sie Cantor dem gegen die Türken sich einschiffenden Herzog de Vivonnes anvertraut hatte ...

»Du machst dir keinen Begriff von den Gefahren und Schwierigkeiten einer solchen Reise. Du bist noch zu jung. Man muß alle Tage essen, ein Dach zum Unterschlüpfen finden, frische Pferde, was weiß ich. Man braucht Geld, um all das zu bezahlen.«

»Ich habe gespart. Meine Börse ist hübsch gefüllt.«

»Ah, wirklich? Und wenn sie leer sein wird? Die Menschen sind hart, Florimond. Sie geben nichts für nichts.«

»Gut«, sagte Florimond, sichtlich erbittert, »ich habe verstanden. Ich werde Charles-Henri nicht mitnehmen, weil er wirklich noch zu jung ist, um mit solchen Schwierigkeiten fertig zu werden, und weil er überdies sein Erbe hat. Ich hatte nicht daran gedacht. Aber ich ... ich will meinen Vater und Cantor wiederfinden. Ich weiß, wo sie sind.«

Angélique starrte ihn an, eine Schachfigur in der Hand.

»Was sagst du da?«

»Ja, ich weiß es, weil ich sie diese Nacht im Traum gesehen habe. Sie sind im Land der Regenbogen. Es ist ein seltsames Land. Überall verschmelzen sich Wolken, und während sie sich verschmelzen, leuchten alle Farben des Prismas auf. Und in der Mitte dieser farbigen Nebel habe ich meinen Vater gesehen. Ich konnte ihn kaum erkennen. Wie ein Gespenst sah er aus, aber ich wußte, daß er es war. Ich wollte zu ihm laufen, aber der Nebel schloß sich um mich zusammen. Und plötzlich merkte ich, daß ich mit den Füßen im Wasser stand. Es war das Meer. Ich habe niemals das Meer gesehen, aber ich habe es an seiner Bewegung erkannt, an dem Schaum, der unaufhörlich kam und wieder davonglitt und meine Füße bespritzte. Die Wellen wurden immer höher. Endlich sah ich eine riesige Welle, und auf ihrem Kamm war Cantor. Er lachte und rief mir zu: »Komm, mach mit, Florimond! Wenn du wüßtest, wie lustig dieses Spiel ist!<«

Angélique stieß ihren Stuhl zurück und stand auf. Ein eisiger Schauer lief ihr das Rückgrat hinunter. Es war, als ob Florimonds Worte eine Gewißheit bekräftigten, die sie immer tief in ihrem Innern vor sich verschlossen hatte: den Tod! Den Tod der beiden Wesen, die sie geliebt hatte und die nun durchs Land der Schatten irrten.

»Schweig«, murmelte sie. »Du machst mich krank.«

Sie floh in ihr Zimmer und setzte sich, den Kopf in den Händen, vor ihren Sekretär.

Wenig später wurde der Knauf der Tür vorsichtig gedreht, und Florimond zeigte sich in der Öffnung.

»Ich habe darüber nachgedacht, Mutter. Ich glaube, daß ich mich auf dieses andere Meer einschiffen muß . Es gibt ein anderes Meer als das Mittelmeer. Ich habe es bei den Jesuiten gelernt. Den westlichen Ozean, man nennt ihn den Atlantik, weil er sich über dem alten Kontinent Atlantis erstreckt, der eines Tages untergegangen ist, während sich über ihm die Wasser des Nordens und des Südens begegneten. Die Araber nannten ihn das Meer der Finsternis, aber jetzt weiß man, daß er nach Westindien führt. Vielleicht werde ich dort drüben .«

»Florimond«, sagte sie, am Ende ihrer Kräfte, »ich bitte dich, wir wollen später darüber sprechen. Jetzt laß mich, sonst ... sonst werde ich gezwungen sein, dir ein paar Ohrfeigen zu geben.«

Der Junge verschwand mit mürrischer Miene und zog die Tür hart hinter sich zu.