157955.fb2 Allan Quatermain - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 18

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16An der Statue

Es war Nacht - tiefe Nacht -, und die finster blickende Stadt lag in tiefer Ruhe.

Sir Henry Curtis, Umslopogaas und ich schlichen uns heimlich, wie Übeltäter, durch die Gänge, die zu einem Nebeneingang des großen Thronsaals führten. Einmal schreckte uns der laut durch die Stille hallende Anruf des Wachtpostens auf. Ich gab das Losungswort, und der Mann setzte seinen schon erhobenen Speer wieder ab und ließ uns passieren. Als Offiziere der königlichen Leibgarde hatten wir das Recht, zu kommen und zu gehen, wann immer wir wollten.

Wir erreichten sicher und unbehelligt die Halle. Sie war so leer und still, daß selbst unsere leisen Schritte an den stattlichen Wänden widerhallten und als schwaches Echo von der Decke zurückgeworfen wurden, so daß sie sich anhörten wie die geisterhaften Schritte von Verstorbenen, die jetzt ihre Stätte früherer Tage heimsuchten.

Es war ein unheimlicher Ort; ein unangenehmes Gefühl von Beklommenheit beschlich mich. Es war Vollmond, und durch die hohen, fensterlosen Öffnungen in der Wand fielen bleiche Lichtstreifen in die Halle und malten weiße Flecken auf den glänzenden schwarzen Marmorboden. Es war ein schöner und zugleich schauerlicher Anblick; wie weiße Blumen auf einem schwarzen Sarg. Einer dieser silbernen Lichtstreifen fiel auf die Statue des schlafenden Rademas; mit sanftem, klarem Licht schien er auf die über ihn gebeugte Engelsgestalt und tauchte einen kleinen Kreis um die Statue herum in einen blassen Schein, der mich an das Licht erinnerte, mit dem die Katholiken die Altäre ihrer Kathedralen illuminieren.

Dicht im Schatten der Statue bezogen wir Stellung und warteten. Sir Henry und ich standen nahe beieinander. Umslopogaas stand ein paar Schritte entfernt in der Dunkelheit. Ich konnte nur ganz schwach die Umrisse seiner Gestalt erkennen, die sich auf die ebenfalls nur schemenhaft wahrnehmbare Axt stützte.

Die Zeit verstrich. Ich stand gegen den kalten Marmor gelehnt und wäre beinahe eingeschlafen, als ich plötzlich zusammenfuhr; Curtis hatte heftig den Atem ausgestoßen. Und dann hörte ich wie aus weiter Ferne einen Laut. Es schien mir fast, als hätten sich die Statuen, die in einer Reihe vor den Wänden aufgestellt waren, leise eine Botschaft aus längst vergangenen Tagen zugeflüstert.

Es war das leise Rauschen eines Damengewandes. Es kam näher und näher. Wir sahen, wie sich eine Gestalt von einem mondbeschienenen Fleck zum an-dern vortastete. Dann nahmen wir auch das kaum hörbare Geräusch sandalenbeschuhter Füße auf dem Marmorboden wahr. Sekunden später sah ich, wie die Silhouette des alten Zulu die Hand zu einem stummen Gruße erhob, und dann stand Nylephta vor uns.

Oh, wie wunderschön sie aussah, als sie einen Moment lang in dem Kreis weißen Mondlichtes stand! Sie hatte die Hand auf ihr Herz gepreßt, und ihr weißer Busen hob und senkte sich vor innerer Erregung. Um ihren Kopf hatte sie lose ein besticktes Tuch geschlungen, das ihr makelloses Gesicht halb verbarg und damit nur noch anmutiger machte; Schönheit, die ja zum großen Teil auf unserer Vorstellungskraft und Phantasie beruht, wirkt niemals bezaubernder, als wenn sie halb verborgen ist. Da stand sie in all ihrer strahlenden Schönheit, halb vom Zweifel geplagt, majestätisch und doch so süß und zart. Und von einem Moment auf den anderen, dort, an der Statue des Rademas in der großen Halle des Palastes, faßte mich selbst ein Gefühl tiefer Zuneigung zu ihr; es ist bis zum heutigen Tage so geblieben. In jenem Augenblick erschien sie mir in der Tat mehr wie ein Engel, der vom Himmel zu uns heruntergestiegen ist, als eine liebende, von lebendigen Gefühlen und Leidenschaften ergriffene Frau aus Fleisch und Blut. Wir verbeugten uns tief vor ihr, und dann sprach sie.

»Ich bin gekommen«, flüsterte sie, »aber es war ein großes Wagnis. Ihr wißt nicht, wie sehr ich bewacht werde. Die Priester beobachten mich auf Schritt und Tritt. Auch Sorais läßt mich niemals aus den Augen. Meine eigenen Leibwächter bespitzeln mich; Nasta verfolgt mich ständig. Oh, er soll sich hüten!« sie stampfte wütend mit dem Fuß auf. »Er soll sich nur vorsehen! Ich bin eine Frau, und ich bin eine Königin, und ich kann mich noch immer rächen! Er möge sich vorsehen, sage ich, daß ich nichts statt ihm meine Hand zu reichen, ihm seinen Kopf nehme!« Und dann schloß sie ihren Wutausbruch mit einem kleinen Schluchzer, schaute uns bezaubernd an und lachte.

»Du batest mich, hierher zu kommen, Incubu« (Curtis hatte sie gebeten, ihn so zu nennen). »Zweifelsohne handelt es sich um eine wichtige Staatsangelegenheit; ich weiß doch, daß du immer voller großer Ideen und Pläne bist für mein Wohlergehen und das meines Volkes. So bin ich denn gar gekommen in meiner Eigenschaft als Königin, wiewohl ich mich allein in der Dunkelheit sehr fürchte.« Dann lachte sie wieder und schaute ihn mit ihren grauen Augen an.

An dieser Stelle hielt ich es für angebracht, mich ein wenig abseits zu stellen, da ich der Ansicht bin, daß >Staatsgeheimnisse< nicht unbedingt etwas für die Öffentlichkeit sind. Aber weit kam ich nicht; sie bestand hartnäckig darauf, daß ich mich nicht weiter als vielleicht fünf Yards von ihr entfernte, da sie, wie sie behauptete, Angst hatte, so allein mit Curtis plötzlich entdeckt zu werden. So kam es, daß ich gegen meinen Willen Zeuge der ganzen Unterredung zwischen den beiden wurde.

»Du weißt sehr wohl, Nylephta«, sagte Sir Henry, »daß es nicht solche Gründe sind, die mich veranlaß-ten, dich um eine Unterredung an solch einsamem Orte zu bitten. Nylephta, ich beschwöre dich, vergeude nicht die Zeit mit heiteren Späßen, sondern höre mich an! Ich - ich liebe dich!«

Als er diese Worte gesagt hatte, sah ich deutlich, wie sich ihr Gesicht mit einem Schlag veränderte. Die Koketterie verschwand völlig aus ihren Zügen, und an ihre Stelle trat der tiefe, zauberhafte Schein der Liebe, der es wie eine Aura zu umhüllen schien, so daß es aussah wie das Antlitz des marmornen Engels, der über ihr schwebte. Und unwillkürlich kam mir der Gedanke, daß der längst verstorbene Rademas in einem Anflug prophetischen Instinktes das Abbild seiner inspirierenden Traumerscheinung mit eben jenen Zügen versehen hatte, die, Jahrhunderte später, eine seiner eigenen Urenkelinnen tragen sollte. Auch Sir Henry muß die frappierende Ähnlichkeit bemerkt haben; denn ich sah, wie sein erstaunter Blick von Nylephta auf die vom Mondlicht umspielte Statue glitt, wo er einen Augenblick verweilte, um sich dann wieder dem Antlitz der geliebten Frau zuzuwenden.

»Du sagst, daß du mich liebst«, flüsterte sie. »Deine Stimme klingt, als sprächest du die Wahrheit. Aber woher soll ich wissen, daß du auch wirklich die Wahrheit sprichst?«

»Wiewohl ich«, fuhr sie in stolzer Bescheidenheit fort, nun in die würdevolle dritte Person verfallend, die bei den Zu-Vendi so häufig benutzt wird, »klein und unbedeutend bin in den Augen meines Gebieters«, und dabei machte sie vor ihm einen Knicks, »der aus den Reihen eines wunderbaren Volkes hervorgegangen ist, im Vergleich mit dem die Menschen meines Volkes nur Kinder sind, so bin ich hier, bei meinem Volke, doch eine Königin, und Männer sind meine Untertanen; und wenn ich in die Schlacht zöge, so würden hunderttausend Speere in meinem Gefolge funkeln, so wie die Sterne erglitzern im Pfade des Mondes. Und ist auch meine Schönheit nur ein Nichts in den Augen meines Herrn ...« - sie raffte ihr besticktes Gewand und verneigte sich abermals vor Curtis -, »so gelte ich doch hier, bei meinem eigenen Volke, als schön, und seit ich zur Frau heranreifte, haben sich die großen Fürsten meines Königreiches untereinander um mich befehdet, als wäre ich fürwahr ...«, fügte sie mit aufblitzender Leidenschaft hinzu, »ein Reh, das dem reißendsten Wolf in den Rachen fallen, oder ein Pferd, das an den, der am meisten bietet, verkauft werden soll. Mein Gebieter möge verzeihen, wenn ich ihn mit meinen Worten langweile, aber mein Gebieter hat gesagt, daß er mich, Nylephta, eine Königin der Zu-Vendi, liebt, und so möchte ich antworten, daß meine Liebe und meine Hand, wiewohl sie für meinen Gebieter ein Nichts sind, für mich doch alles sind.«

»Oh!« rief sie mit plötzlich veränderter Stimme aus, dabei auf ihre vorherige, würdevolle Redeweise verzichtend. »Oh, wie kann ich wissen, daß du nur mich liebst? Wie kann ich wissen, ob du nicht bald meiner überdrüssig bist, wieder in deine Heimat zurückkehren willst und mich im Stich läßt? Wer kann mir sagen, ob du nicht eine andere Frau liebst, eine schöne Frau, die ich nicht kenne, und die unter demselben Mondlicht atmet, das heute nacht auf mich herabscheint? Sag an, wie soll ich es wissen?« Und sie faltete die Hände, streckte sie ihm beschwörend entgegen und sah ihn mit einem flehenden Ausdruck an.

»Nylephta«, antwortete Sir Henry, »ich habe dir gesagt, daß ich dich liebe; und ich kann dir nicht sagen, wie groß meine Liebe zu dir ist. Gibt es denn ein Maß, mit dem man die Größe der Liebe ermessen kann? Und doch will ich es versuchen. Ich sage nicht, daß ich noch nie eine andere Frau mit Gefallen betrachtet habe, aber ich sage, daß ich dich mit all meinem Herzen und all meiner Kraft liebe; daß ich dich jetzt liebe und daß ich dich immer lieben werde, bis einst der Tod meinen Leib erkalten läßt; ja, und ich glaube, auch dann noch werde ich dich lieben bis in alle Ewigkeit. Ich sage, daß deine Stimme wie Musik in meinen Ohren klingt, und deine Berührung ist wie das Wasser, das auf durstiges Land fällt; wenn du zugegen bist, dann ist die Welt schön, und wenn ich dich nicht sehen kann, dann ist es, als herrsche tiefe Finsternis. Oh, Nylephta, ich werde dich nie verlassen; um deinetwegen will ich mein Volk und meines Vaters Haus vergessen, ja, ich will verzichten auf alles, was mir lieb und teuer war. An deiner Seite will ich leben, Nylephta, und an deiner Seite will ich sterben!«

Er hielt inne und schaute sie mit ernstem Gesicht an. Sie aber ließ ihr Haupt hängen wie eine welke Blume und sagte kein einziges Wort.

»Schau!« rief er und zeigte auf die Statue, die in das silberne Licht des Mondes getaucht war. »Du siehst dort jene engelsgleiche Frau, die ihre Hand auf die Stirn des schlafenden Mannes gelegt hat, und du siehst, wie durch ihre Berührung seine Seele auflodert und durch sein Fleisch hindurchscheint, so wie eine Lampe durch die Berührung des Feuers: so ist es auch mit mir und dir, Nylephta. Du hast meine Seele aus tiefem Schlummer erweckt, und nun, Nylephta, ist sie nicht mehr mein, sondern dein; sie gehört dir, nur dir. Mehr kann ich dir nicht mehr sagen: in deine Hände lege ich mein Leben.« Und dann lehnte er sich zurück gegen den Sockel der Statue. Er sah bleich aus, und seine Augen glänzten feucht, aber er war stolz und schön wie ein Gott.

Und langsam, unendlich langsam, hob sie ihren Kopf und schaute ihn mit ihren wunderbaren Augen, in denen jetzt ihre ganze Leidenschaft erstrahlte, fest und lange an, so als wolle sie direkt in das Innerste seiner Seele blicken. Und schließlich sprach sie, leise zwar, doch mit einer Stimme so klar wie der Klang einer silbernen Glocke.

»Fürwahr, ich bin nur ein schwaches Weib, und ich glaube dir. Schrecklich wird für dich der Tag sein, und auch für mich, an dem der Zufall mich lehren sollte, daß ich einer Lüge geglaubt habe. Und nun höre, was ich dir sage, o Mann, der du hierherkamst aus der Fremde, um mein Herz zu stehlen. So lege ich denn meine Hand auf die deine, und ich, deren Lippen nie zuvor geküßt haben, küsse deine Stirn; und ich schwöre bei dieser meiner Hand, und bei diesem ersten und heiligen Kuß, ja, und beim Wohle meines Volkes und bei meinem Thron, den ich wohl bald deinetwegen verlieren werde - bei dem Namen meines hehren Geschlechtes, bei dem heiligen Stein und bei der ewig währenden Würde der Sonne, daß ich für dich leben und für dich sterben will. Und ich schwöre, daß ich dich, und nur dich, lieben werde bis ins Grab, ja, und noch danach - wenn es, wie du sagst, ein >Danach< gibt. Und dein Wille soll mein Wille sein, und deine Wege sollen auch meine Wege sein!

Oh, siehe, mein Herr! Du weißt nicht, wie demütig die ist, die liebt; ich, die ich eine Königin bin, knie vor dir nieder; zu deinen Füßen liegend bete ich dich an.« Und mit diesen Worten fiel das bezaubernde, in heißer Liebe entbrannte Geschöpf vor ihm auf die Knie, auf den kalten Marmor. Und was danach geschah, weiß ich nicht, denn ich konnte es nicht länger ertragen und stahl mich davon, um mich ein wenig an der Gesellschaft des alten Umslopogaas zu erquicken. Ich wollte die beiden eine Weile mit sich selbst und ihrem Glück allein lassen.

Der alte Krieger stand wie gewöhnlich auf Inkosi-kaas gelehnt und betrachtete die Szene, die sich da vor seinen Augen in dem kleinen vom Lichte des Mondes erhellten Kreis abspielte, mit einem amüsierten Lächeln.

»Ah, Macumazahn«, sagte er, »vielleicht liegt es daran, daß ich alt werde, aber ich glaube nicht, daß ich euch Weiße jemals verstehen werde. Schau doch nur die beiden dort; sie sind ein hübsches Paar Turteltauben, aber warum das ganze Theater, Macuma-zahn? Er will eine Frau, und sie will einen Mann. Warum zahlt er dann nicht mit seinen Kühen* wie ein Mann und damit basta? Sie könnten sich damit eine Menge Unannehmlichkeiten ersparen, und wir würden nicht unseren Nachtschlaf versäumen. Aber sie reden und reden und reden, und küssen und küssen und küssen ... Pah!«

Eine gute Dreiviertelstunde später kam das Paar Turteltauben zu uns herübergeschlendert. Curtis machte ein etwas einfältiges Gesicht, und Nylephta bemerkte beiläufig, welche bezaubernden Effekte doch das Mondlicht auf dem Marmorboden hervorrufe. Dann nahm sie meine Hand; denn sie war in einer höchst gönnerhaften Stimmung und sagte, da ich der treue Freund »ihres Gebieters« sei wäre ich auch ihr treuer Freund - Sie sehen, ich persönlich war gar nicht mehr wichtig; alles drehte sich nur noch um ihren geliebten Incubu. Dann nahm sie Umslopogaas' Axt, betrachtete sie neugierig und sagte bedeutungsvoll, daß er vielleicht schon sehr bald gute Gründe hätte, sie zu ihrer Verteidigung zu benutzen.

Dann schenkte sie uns allen ein anmutiges Lächeln, warf ihrem Geliebten einen letzten, zärtlichen Blick zu und entschwand in der Dunkelheit wie eine schöne Vision.

Während wir zu unseren Quartieren zurückgingen, was im übrigen ohne jeden weiteren Zwischenfall vonstatten ging, fragte Curtis mich scherzhaft, was ich von der ganzen Sache dächte.

»Ich frage mich«, antwortete ich, »nach welchem Prinzip es so eingerichtet ist, daß manche Leute schöne Königinnen finden, in die sie sich verlieben können, während andere überhaupt niemanden finden, oder noch weniger als niemanden; und ich frage mich außerdem, wie viele tapfere Männer die Ereignisse dieser Nacht das Leben kosten werden.« Es war vielleicht eine etwas gehässige Bemerkung meinerseits, aber nicht alle Gefühle lösen sich im Alter in Luft auf, und ich muß gestehen, daß ich einfach ein bißchen neidisch auf das Glück meines guten alten Freundes war. Eitelkeit, meine Freunde - nichts als gekränkte Eitelkeit!

Am Morgen des folgenden Tages erzählten wir Good von dem freudigen Ereignis. Er strahlte wie ein Honigkuchenpferd; sein Gesicht warf vor freudigem Lächeln lauter Falten, die irgendwo in der Umgebung des Mundes ihren Ursprung nahmen, sich langsam über sein Gesicht ausdehnten wie die Kringel auf der Oberfläche eines Ententeichs und gleichsam über den Rand seines Monokels hinwegschwappten, bis sie irgendwo verebbten, wie es sich für ordentliche Lach-falten gehört. Der eigentliche Grund für seine Freude lag jedoch nicht nur in dem Ereignis selbst, sondern auch darin, daß er persönliche Vorteile damit verbunden sah. Er verehrte nämlich Sorais ebenso tief wie Sir Henry Nylephta; seine Bemühungen waren jedoch bisher alles andere als von Erfolg gekrönt gewesen. Es war in der Tat weder ihm noch mir entgangen, daß Sorais, diese dunkle, undurchschaubare Kleopatra auf ihre eigentümliche, unerforschliche Art Curtis weit eher zu favorisieren schien als ihn, Good. Deshalb war er natürlich sehr erleichtert, als er erfuhr, daß sein ahnungsloser, unfreiwilliger Rivale schon fest anderweitig engagiert war. Er machte jedoch ein langes Gesicht, als er erfuhr, daß die ganze Affäre strikt geheim bleiben sollte, vor allem vor Sorais, da die politischen Erschütterungen, die die öffentliche Verkündung dieser Liaison unweigerlich nach sich ziehen würde, für den Augenblick untragbar sein würden; darüber hinaus hätte eine frühzeitige Bekanntgabe des Geheimnisses höchstwahrscheinlich Nylephtas sofortigen Verzicht auf den Thron heraufbeschworen.

An jenem Morgen waren wir wieder in der Thronhalle zugegen, und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als ich diesen Besuch mit unserem letzten verglich. Wenn Wände reden könnten, dachte ich, dann hätten sie sicherlich eine Menge interessanter Geschichten zu erzählen.

Was für perfekte Schauspielerinnen Frauen doch sind! Hoch oben auf ihrem goldenen Thron, in ihr prächtiges Königinnengewand gehüllt, saß die schöne Nylephta, und als Sir Henry ein paar Minuten zu spät eintrat, gekleidet in der Uniform eines Offiziers ihrer Leibgarde, und sich demütig vor ihr verbeugte, erwiderte sie seinen Gruß mit einem beiläufigen Nik-ken und wandte ihren Blick sogleich kühl von ihm ab.

Der ganze Hof war versammelt. Die feierliche Zeremonie der Gesetzesunterzeichnung hatte nicht nur eine ganze Anzahl von Leuten mehr angelockt als die, deren Pflicht es ohnehin war, dem Akt beizuwohnen, sondern darüber hinaus hatte sich auch wie ein Lauffeuer das Gerücht im ganzen Lande verbreitet, daß Nasta öffentlich um die Hand Nylephtas anhalten wollte. So kam es, daß die große Halle fast aus ihren Nähten platzte. Da waren einmal unsere lieben Freunde, die Priester, in riesiger Zahl erschienen, an ihrer Spitze Agon, der uns rachsüchtige Blicke zuwarf; sie boten in der Tat einen höchst beeindruckenden Anblick mit ihren langen weißen, bestickten Gewändern und ihren goldenen Kettengürteln, von denen die schuppenähnlichen goldenen Plättchen herabhingen. Des weiteren war eine große Anzahl hoher Adeliger zugegen; auch sie boten ein imposantes Bild mit ihren prunkvoll gekleideten Gefolgsleuten. Die herausragende Erscheinung unter ihnen war jedoch Nasta, der sich mit nachdenklicher Miene durch den schwarzen Bart fuhr und ein ungewöhnlich mißmutiges Gesicht machte.

Es war eine äußerst prunkvolle und beeindruckende Zeremonie, besonders, wenn der Offizier die einzelnen Gesetze, sobald er sie laut verlesen hatte, den Königinnen zur Unterzeichnung überreichte. Dann schmetterten die Fanfaren, und die Leibgardisten der Königinnen stießen zum Salut ihre Speere knallend auf den Marmorboden. Das Verlesen und Unterzeichnen der Gesetze dauerte ziemlich lange, doch schließlich endete die Prozedur damit, daß das letzte verlesen wurde. Darin wurde »gewissen Fremden, die sich in hervorragender Weise um das Land verdient gemacht hatten«, der Fürstentitel verliehen, dazu einige militärische Kommandos und große Landgüter als persönliches Geschenk der Königinnen. Als es verlesen war, schmetterten wieder die Fanfaren, und die Leibgardisten stießen wie schon bei den anderen Gesetzen ihre Speere auf den Boden. Ich bemerkte, daß einige der Adeligen sich umwandten und miteinander tuschelten. Nasta mahlte wütend mit den Zähnen aufeinander. Es paßte ihnen ganz und gar nicht, daß wir mit derlei Gunstbezeugungen bedacht wurden, was ja auch unter all den gegebenen Umständen nicht weiter verwunderlich war.

Danach kam eine Pause, und schließlich trat Nasta vor den Thron und bat mit einer tiefen Verbeugung -der jedoch sein alles andere als unterwürfig zu bezeichnender Blick Hohn sprach - die Königin Nyle-phta um Gehör.

Nylephta wurde ein wenig blaß, aber sie machte eine freundliche Verbeugung und forderte den »hochgeschätzten Fürsten« auf, sein Ansinnen vorzubringen, woraufhin dieser sie mit wenigen, soldatisch anmutenden Worten bat, seine Frau zu werden.

Bevor sie überhaupt die passenden Worte zu einer Erwiderung gefunden hatte, ergriff auch schon der Hohepriester Agon das Wort, und mit einer feurigen Rede von höchster Eloquenz und Überzeugungskraft wies er auf die zahlreichen Vorteile hin, die eine solche Allianz mit sich bringen würde; wie sehr sie dazu dienen würde, das Königreich zu konsolidieren (ich muß dazu erläutern, daß Nastas Gebiet, über das er de facto wie ein König regierte, im Verhältnis zum übrigen Zu-Vendis so etwas war wie Schottland im Verhältnis zu England); wie sehr sie dazu beitragen würde, endlich das wilde Bergvolk zu befriedigen; ja, und wie sehr das Militär diese Verbindung schätzen würde, denn Nasta war ein berühmter General. Eine solche Heirat würde den Fortbestand ihrer Dynastie sichern und last not least wäre dieser Allianz der Segen und die Zustimmung der »Sonne« (d.h. des Ho-hepriesters) gewiß; usw., usf. Viele der Argumente, die er vorbrachte, waren durchaus nicht von der Hand zu weisen, und, betrachtete man die Sache vom politischen Standpunkt aus, sprach eigentlich alles für diese Heirat. Aber leider ist es nun einmal nicht so einfach, das Spiel der Politik mit den Personen zweier junger und reizender Königinnen zu spielen, als wären sie nichts weiter als beinerne Abbilder ihrer selbst auf einem Schachbrett. Während Agon noch daherschwadronierte, beobachtete ich Nylephtas Gesicht; es war eine perfekte Studie: Zwar lächelte sie, doch unter dieser Maske des Lächelns war ihr Gesicht hart wie Stein, und ihre Augen stießen drohende Blitze hervor.

Schließlich war Agon mit seinem Sermon fertig, und Nylephta machte sich bereit, zu antworten. Bevor sie jedoch dazu kam, beugte sich Sorais zu ihr hinüber und sagte so laut, daß ich jedes Wort verstehen konnte: »Überlege dir genau, was du sagen willst, meine Schwester, bevor du antwortest; mich deucht, daß unser Thron von deinen Worten abhängen kann.«

Nylephta gab ihr jedoch keine Antwort, und mit einem Lächeln lehnte sich Sorais schließlich achselzuckend in ihren Thronsessel zurück.

»Es ist fürwahr eine hohe Ehre für mich«, begann Nylephta, »daß nicht nur um meine Hand angehalten wird, sondern daß sogar Agon sich beeilt, dieser Verbindung den Segen der Sonne zu erteilen. Mich dünkt, es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte mich schon verheiratet, bevor ich noch mein Jawort gegeben habe. Nasta, ich sage dir Dank, und ich werde mich deiner Worte besinnen, aber mir steht nicht der Sinn nach Heirat, ist sie doch wie eine Tasse, deren Inhalt niemand kennt, bevor er nicht aus ihr trinkt. Ich danke dir abermals, Nasta.« Und dann deutete sie mit einer Handbewegung an, daß das Gespräch für sie beendet war.

Das Gesicht des großen Fürsten lief vor Wut dunkel an, so daß es fast die Farbe seines Bartes hatte; er wußte, daß diese Antwort als endgültige Absage an seinen Heiratsantrag anzusehen war.

»Der Königin sei Dank für ihre huldvollen Worte«, antwortete er; nur mit Mühe konnte er an sich halten. »Ich werde diese Worte in meinem Herzen bewahren. Und nun bitte ich um eine weitere Gunst, nämlich die, daß ich mich mit Ihrer Majestät huldvoller Erlaubnis zurückziehen darf in meine eigenen armen Städte im Norden. Dort werde ich warten, bis die Königin endlich geruht, sich dazu zu entschließen, meinen Antrag mit einem klaren Ja oder Nein zu beantworten. Vielleicht«, fügte er mit einem höhnischen Lächeln hinzu, »läßt sich die Königin dazu herab, mir dort einen Besuch abzustatten. Sie kann ja bei der Gelegenheit gleich diese fremden Herren da mitbringen.« Dabei warf er uns einen grollenden Blick zu. »Es ist zwar nur ein armes und rauhes Land, aber wir sind ein tapferes, hartes Bergvolk, und es werden dort dreißigtausend Schwertkämpfer versammelt sein, Ihrer Majestät und ihren Begleitern den Willkommensgruß entgegenzurufen.«

Auf diese Worte, die fast als eine Erklärung offener Rebellion aufzufassen waren, folgte atemlose Stille. Nylephta stieg die Zornesröte ins Gesicht; sie beugte sich stolz vor und schleuderte Nasta ihre Antwort entgegen.

»Oh, sei gewiß, Nasta, ich werde kommen, und keine fremden Herren werden in meinem Gefolge sein, und jedem deiner Bergbewohner, der dich einen Prinzen heißt, werde ich zwei aus dem flachen Lande entgegensetzen, die mich eine Königin nennen. Und wir werden sehen, welche Rasse die stärkste ist! Bis dahin - leb wohl.«

Ein Fanfarenstoß erscholl, die Königinnen erhoben sich, und dann löste sich die Versammlung unter verwirrtem Geraune und Getuschel auf. Ich für mein Teil begab mich in tiefer Nachdenklichkeit zurück in mein Quartier; ein Bürgerkrieg schien unvermeidlich.

Nach diesem Ereignis herrschte ein paar Wochen Ruhe. Curtis und die Königin trafen sich nicht sehr oft. Sie erlegten sich äußerste Zurückhaltung auf, damit nichts von dem wahren Verhältnis, in dem sie zueinander standen, in die Öffentlichkeit durchsik-kerte. Aber so verschwiegen und vorsichtig sie auch waren; nach einiger Zeit erhoben sich Gerüchte, die so schwer zu verfolgen waren wie eine umhersummende Fliege in einem dunklen Zimmer, und die doch ebenso deutlich hörbar waren, und schließlich pfiffen es die Spatzen von den Dächern, daß die beiden mehr miteinander verband als Staatsgeschäfte.