157955.fb2 Allan Quatermain - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 9

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7Ein gewaltiges und blutiges Gemetzel

Als alle Vorbereitungen getroffen waren, harrten wir noch eine Weile in der kalten, stummen Finsternis der Nacht aus und warteten auf den Augenblick des Aufbruchs. Diese endlos sich dahinschleppende Viertelstunde war vielleicht der Moment, der am meisten an den Nerven zerrte. Die Minuten quälten sich dahin wie auf bleiernen Füßen, und die tiefe, weihevolle Stille, die dräuendes Unheil zu verkünden schien, lastete schwer auf den Gemütern. Ich erinnere mich daran, wie ich einmal weit vor dem Morgengrauen aufstehen mußte, um der Hinrichtung eines Mannes beizuwohnen; damals durchlebte ich sehr ähnliche Gefühle. Der Unterschied lag jedoch darin, daß hier und jetzt meine Gefühle weit stärker aufgewühlt waren durch das Element des Persönlichen, Hautnahen, dem natürlich jemand, der selber von einer Sache betroffen ist, weit stärker unterliegt als ein noch so mitfühlender Beobachter. Die ernsten Gesichter der Männer, denen nur allzu bewußt war, daß die heranrückende Stunde für manch einen von ihnen, ja vielleicht sogar für alle, die letzte sein konnte -die letzte vor der langen Reise in das Unbekannte oder in die Vergessenheit; das gleichsam atemlose Flüstern, in dem sie miteinander sprachen; die Manier, in der Sir Henry unablässig und in Gedanken versunken seine Axt inspizierte; die Art, in der Good mit zittrigen Fingern immer wieder sein Monokel putzte; all dies sprach Bände darüber, wie sehr die Nerven aller Beteiligten bis zum Zerreißen gespannt waren. Allein Umslopogaas, der, wie gewöhnlich auf Inkosi-kaas gelehnt, dastand und ab und zu eine kleine Prise Schnupftabak nahm, schien von alledem nicht im geringsten berührt zu sein. Seinen eisernen Nerven konnte wirklich nichts auf der Welt etwas anhaben.

Der Mond sank immer weiter zum Horizont hinunter, bis er schließlich untergegangen war. Er ließ die Welt in totaler Dunkelheit zurück - bis auf einen ganz schwachen, grauen Streifen am östlichen Horizont, der blaß und matt die herannahende Morgendämmerung ankündigte.

Mr. Mackenzie blickte auf die Uhr, die er in der Hand hielt. Neben ihm, an seinen Arm geklammert, stand seine Frau. Nur mit großer Mühe konnte sie ihr Schluchzen unterdrücken.

»Zwanzig vor vier«, sagte der Missionar. »Um zwanzig nach vier wird es hell genug sein für einen Angriff. Captain Good sollte sich nun auf den Weg machen. Er muß einen Vorsprung von drei oder vier Minuten haben.«

Good putzte noch einmal sein Monokel, nickte uns scherzhaft zu - was ihn, wie ich glaube, eine enorme Überwindung kostete, nahm noch einmal - höflich wie er war - seine stahlüberzogene Mütze vor Mrs. Mackenzie ab und machte sich auf den Weg zu seinem Posten am hinteren Eingang des Kraals, den er nur auf einigen Umwegen über Schleichpfade erreichen konnte, die jedoch den Eingeborenen bekannt waren.

Kaum war er mit seinen Leuten in der Dunkelheit verschwunden, da tauchte einer der Späher auf und berichtete, daß dem Anschein nach nun alle in dem Masailager mit Ausnahme der beiden Wachtposten am vorderen und hinteren Eingang fest schliefen. Das war auch für uns das Zeichen zum Aufbruch. Als erster ging der Führer. Hinter ihm kamen Sir Henry, Umslopogaas, der Wakwafi Askari und die beiden Eingeborenen von Mr. Mackenzies Station, die mit Schilden und langen Speeren bewaffnet waren. Danach kam ich mit Alphonse und fünf Eingeborenen; wir waren alle mit Gewehren ausgerüstet. Den Schluß bildete Mr. Mackenzie, gefolgt von den restlichen sechs Eingeborenen.

Der Viehkraal, in dem die Masai ihr Lager aufgeschlagen hatten, lag am Fuße des Hügels, auf dem das Haus stand. Das waren nach grober Schätzung achthundert Yards. Die ersten fünfhundert Yards davon legten wir möglichst geräuschlos, aber dennoch strammen Schrittes zurück. Danach durften wir uns nur noch kriechend vorwärtsbewegen. Lautlos wie ein Leopard, der seine Beute gewittert hat, schoben wir uns vorwärts. Wie gespenstische Schatten glitten wir von Busch zu Busch und von Stein zu Stein. Als ich auf diese Weise schon ein gutes Stück vorangekommen war, drehte ich mich zufällig um und sah hinter mir den gefürchteten Alphonse mit leichenblassem Gesicht und zitternden Knien einherwanken. Sein Gewehr, dessen Hahn gespannt war, zielte genau auf meinen Rücken. Ich hielt an, brachte vorsichtig das Gewehr in >Sicherheit<, und dann gingen wir weiter. Alles ging wie am Schnürchen, bis plötzlich, etwa hundert Yards vor dem Kraal, seine Zähne mit höllischem Getöse zu klappern begannen.

»Wenn Sie nicht sofort damit aufhören, lege ich Sie um«, zischelte ich wütend. Der Gedanke, daß wir alle wegen eines zähneklappernden Kochs unser Leben verlieren könnten, war zuviel für mich. Ich befürchtete, daß er uns noch mit seinem Lärm verraten würde, und wünschte mir aus tiefster Seele, daß wir ihn gar nicht mitgenommen hätten.

»Aber, Monsieur, isch kann nischts dagegen machen«, flüsterte er zurück, »es ist die Kälte.«

Da steckten wir nun schön in der Tinte. Glücklicherweise kam mir eine Idee: In der Tasche des Mantels, den ich anhatte, befand sich noch ein Fetzen von einem schmutzigen Lumpen, den ich vor einiger Zeit zum Gewehrreinigen benutzt hatte. »Stecken Sie sich den Lappen in den Mund!« flüsterte ich und drückte ihm den Fetzen in die Hand. »Und wenn ich noch den geringsten Laut von Ihnen höre, dann sind Sie ein toter Mann!« Ich wußte, daß ich damit das Geklappere erst einmal abgestellt hatte. Ich muß ihn dabei so grimmig angeschaut haben, als sei das mein voller Ernst; denn er gehorchte mir auf der Stelle und kroch nun weiter, ohne einen Mucks von sich zu geben.

Wir schlichen uns lautlos an den Kraal an.

Schließlich hatten wir uns ihm bis auf eine Entfernung von fünfzig Yards genähert. Zwischen dem Kraal und uns lag ein offener grasbewachsener Abhang. Ein einsamer Mimosenstrauch und ein paar Dornenbüsche waren die einzigen Pflanzen, die Dek-kung bieten konnten. Wir befanden uns noch in dichtem Buschwerk und brauchten im Moment keine Entdeckung zu befürchten. Es wurde allmählich hell. Die Sterne waren verblaßt, ein bleicher Glanz hatte sich im Osten erhoben und erleuchtete matt die Erde.

Wir konnten die Umrisse des Kraals deutlich erkennen, und auch die schwach glühende Asche der langsam erlöschenden Lagerfeuer der Masai war noch von unserer Stelle aus zu sehen. Wir machten halt und suchten die nähere Umgebung des Eingangs nach dem Wachtposten ab. Schnell hatten wir ihn entdeckt. Es war ein großer, schlanker Bursche, der mit lässigem Schritt vor dem dornenbewachsenen Eingang auf- und abschritt. Er entfernte sich dabei nicht mehr als vielleicht vier Yards von dem Eingang. Wir hatten insgeheim die Hoffnung gehegt, ihn bei einem Nickerchen zu überraschen, aber es hatte nicht sollen sein. Er schien hellwach zu sein. Wenn es uns nicht gelang, diesen Mann zu töten, und zwar lautlos, dann waren wir verloren. Wir hockten da und beobachteten ihn. Nach kurzer Zeit drehte sich Umslopo-gaas, der ein paar Schritte vor mir kauerte, zu mir um und gab mir ein Zeichen. Im selben Moment lag er auch schon platt wie eine Schlange auf dem Boden, und als der Posten sich gerade einmal umwandte, glitt er geräuschlos durch das Gras nach vorn.

Der ahnungslose Masai begann, ein kleines Lied zu summen, und Umslopogaas benutzte die Gelegenheit, sich weiter vorwärtszuschieben. Unbemerkt erreichte er den Schutz des Mimosenstrauches und verharrte einen Moment in ihm. Der Wachtposten ging noch immer auf und ab. Dann blieb er stehen, wandte sich um und schaute über die Mauer in das Lager hinein. Sofort glitt die menschliche Schlange, die sich da an ihn heranpirschte, zehn weitere Yards vor und erreichte einen der distelartigen Büsche genau in dem Augenblick, als der Elmoran sich wieder umdrehte. Sein Blick blieb ausgerechnet auf eben diesem Distelbusch haften, und irgendwie schien er den Eindruck zu haben, daß mit dem Busch etwas nicht stimmte. Er machte ein paar Schritte in Richtung des Busches - dann blieb er stehen. Er gähnte, bückte sich, hob einen kleinen Kieselstein auf und warf ihn auf den Busch. Er fiel Umslopogaas genau auf den Kopf. Glücklicherweise traf er nicht das stählerne Hemd. In diesem Fall hätte das Klirren uns verraten. Nun erwies es sich auch als ein großer Segen, daß das Hemd gebräunt war und nicht aus hell glänzendem Stahl bestand. Sonst hätte der Wachtposten es sicherlich gesehen. Offensichtlich zufrieden darüber, daß alles in Ordnung war, verzichtete der Elmoran auf weitere Nachforschungen und begnügte sich damit, auf seinen Speer gestützt dazustehen und untätig auf den Busch zu starren. Mindestens drei Minuten blieb er unbeweglich so stehen, offensichtlich in angenehme Tagträumereien versunken, während wir mit zum Zerreißen gespannten Nerven auf der Erde kauerten und jeden Moment damit rechneten, daß wir entdeckt wurden, oder daß irgendein unvorhergesehener Zwischenfall alles zunichte machte. Ich konnte deutlich hören, wie Alphonses Zähne durch den öligen Lappen gedämpft aufeinanderschlugen. Ich drehte mich zu ihm um und machte ein schrecklich drohendes Gesicht. Aber ich gebe zu, daß mein eigenes Herz denselben wilden Takt schlug wie die Kastagnetten des Franzosen. Der Schweiß rann mir in Strömen den Körper entlang, und die waschlederne Fütterung meines Hemdes klebte mir unangenehm auf der Haut. Kurz, ich war in jenem bedauernswerten Zustand, den man gerne als >Mordsschiß< zu bezeichnen pflegt.

Endlich hatte die Qual ein Ende. Der Wachtposten blickte nach Westen. Er schien mit Befriedigung festzustellen, daß sich seine Dienstzeit dem Ende zuneigte - was ja in der Tat der Fall war, und zwar für immer und ewig -, denn er rieb sich die Hände, und begann, wieder auf- und abzumarschieren, um sich aufzuwärmen.

In dem Augenblick, als er uns wieder den Rücken zuwandte, glitt die lange schwarze Schlange blitzschnell zu dem nächsten Dornenbusch, der nur noch ein paar Schritte von der Stelle entfernt war, an der der Masai sich jedesmal auf dem Absatz drehte.

Jetzt kam der Posten wieder zurück und schlen-derte direkt an dem Busch vorbei. Er ahnte nicht im geringsten, was da hinter den Disteln kauerte. Hätte er auch nur einen einzigen Blick nach unten geworfen, wäre ihm dieses Etwas schwerlich entgangen -aber er tat es nicht.

Als er vorbei war, richtete sich sein versteckter Feind auf und schlich mit ausgestrecktem Arm hinter ihm her.

Einen Sekundenbruchteil später - der Elmoran wollte gerade kehrtmachen - machte der lange Zulu einen gewaltigen Satz, und im Licht des allmählich dämmernden Morgens konnten wir erkennen, wie sich seine langen, schlanken Finger um die Gurgel des Masai legten. Dann folgte ein wildes Zucken der beiden ineinander verschlungenen dunklen Leiber, und Sekunden später sah ich, wie der Kopf des Masai sich nach hinten bog. Ein kurzes, scharfes Knacken, das sich anhörte wie das Brechen eines trockenen Zweiges, ertönte, und dann sackte der Körper des Masai zu Boden. Er zuckte noch ein paar Sekunden konvulsivisch hin und her und blieb dann regungslos liegen.

Umslopogaas hatte all seine Kraft zusammengenommen und dem Krieger mit einem einzigen Ruck das Genick gebrochen.

Er kniete noch eine Weile über seinem Opfer und drückte dessen Hals zu, bis er sicher war, daß von ihm keine Gefahr mehr ausging. Dann erhob er sich und machte uns ein Zeichen, daß wir herauskommen konnten. Wir krochen langsam auf allen vieren vorwärts, wie eine Horde großer Affen. Als wir den Kraal erreichten, sahen wir, daß die Masai den Eingang, der ungefähr zehn Fuß breit war, noch zusätzlich blockiert hatten - zweifelsohne, um einem Angriff vorzubeugen, indem sie ihn mit den Ästen von ein paar Mimosensträuchern vollgestopft hatten. Um so besser für uns, dachte ich. Je mehr Hindernisse den Eingang versperrten, desto schwerer würde es den Masai fallen, durchzubrechen. Nun mußten wir uns trennen; Mackenzie und seine Gruppe schlichen, in den Schatten der Mauer geduckt, zur linken Seite des Kraals, während Sir Henry und Umslopogaas sich an den Seiten des dornenbewehrten Eingangs aufstellten. Die beiden Speermänner und der Askari legten sich ein Stück vor den Eingang. Ich selbst kroch mit meinen Männern auf die rechte Seite des Kraals, der in der Länge etwa fünfzig Schritt maß.

Als ich etwa zwei Drittel der Strecke zurückgelegt hatte, hielt ich an und postierte meine Männer in einem Abstand von vier Schritten längs der Mauer nebeneinander. Alphonse jedoch wollte ich nicht aus den Augen lassen und stellte ihn dicht neben mich. Dann wagte ich zum ersten Mal einen Blick über die Mauer. Es war nun schon ziemlich hell, und das erste, was ich erkennen konnte, war der weiße Esel, der sich genau auf der gegenüberliegenden Seite befand. Unmittelbar neben ihm erkannte ich das blasse Gesicht der kleinen Flossie, die genau da saß, wie der Späher es beschrieben hatte; nämlich etwa zehn Schritt von der Mauer entfernt. Sie war umringt von schlafenden Masaikriegern. Über den ganzen Kraal verstreut befanden sich die Überreste von Lagerfeuern. Um jede dieser Feuerstellen herumgruppiert lagen je ungefähr fünfundzwanzig Masai und schliefen. Die meisten von ihnen hatten sich fürchterlich den Bauch mit Rinderfleisch vollgeschlagen. Bisweilen reckte sich da und dort einer der Krieger, setzte sich auf, gähnte, blickte zum östlichen Horizont, der inzwischen bereits eine blaßgelbe Färbung angenommen hatte, und legte sich wieder hin. Ich beschloß, noch fünf Minuten zu warten; und zwar aus zwei Gründen: zum einen würde es bis dahin so hell geworden sein, daß man exakt zielen konnte; zum zweiten, um Good und seiner Gruppe - von der ich nichts hören oder sehen konnte - genug Zeit zu lassen, bis sie losschlagen konnten.

Die stille Dämmerung begann, ihren immer größer werdenden Mantel über Feld und Wald zu legen -schon schaute der mächtige Mount Kenia aus seiner Hülle ewigen Schnees über das Land -, bis mit einem Male ein Strahl der noch nicht aufgegangenen Sonne seinen in den Himmel ragenden Gipfel traf und ihn in blutiges, purpurnes Rot tauchte; der Himmel über uns wurde allmählich blau; sanft wie das Lächeln einer Mutter schaute er auf uns herab. Ein Vogel stimmte sein Morgenlied an, und eine leichte Brise wehte durch das Buschwerk, um mit Millionen herabfallender Tautropfen die erwachende Welt zu erquicken. Überall war Friede, kündigte die Natur das Erwachen ihrer gewaltigen Kraft an, überall erhob sich das Glück des heranbrechenden Tages. Überall -nur nicht in den Herzen grausamer Menschen!

Plötzlich - ich wartete gespannt auf das Signal zum Angriff und hatte mir schon meinen Mann herausgesucht, auf den ich zuerst das Feuer eröffnen wollte -ein großer Bursche, der nur drei Fuß neben der kleinen Flossie ausgestreckt auf der Erde lag - begannen Alphonses Zähne wieder zu klappern wie die Hufe einer galoppierenden Giraffe. Es machte in der Stille einen entsetzlichen Lärm. Er hatte vor lauter Angst den öligen Lappen aus dem Mund fallen lassen. Sofort wachte ein Masai, der nur drei Schritte von uns entfernt lag, auf, räkelte sich hoch und schaute mit verschlafenem Blick um sich, um nach der Ursache des Geräusches zu suchen. Außer mir vor Wut, hieb ich dem Franzosen den Kolben meines Gewehrs in die Magengrube. Das hatte zwar zur Folge, daß das Geklappere mit einem Schlag aufhörte; aber als er sich vor Schmerz krümmte, brachte er es zu allem Überfluß auch noch fertig, sein Gewehr so fallen zu lassen, daß sich ein Schuß löste. Die Kugel pfiff nur knapp einen Zoll an meinem Ohr vorbei.

Nun bedurfte es keines Signals mehr. Von beiden Seiten des Kraals donnerte eine wogende Feuerlinie los. Ich selbst hielt genau auf meinen Masai, der direkt neben Flossie lag, und erwischte ihn gerade in dem Augenblick, als er aufspringen wollte. Im selben Moment ertönte vom anderen Ende des Kraals her ein markerschütternder Schrei, in dem ich zu meiner Freude Goods Stimme wiedererkannte, die laut gellend den Kampfeslärm übertönte. Und dann spielte sich eine Szene ab, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte und auch wohl nie wieder sehen werde und sehen möchte. Unter panischen Entsetzensschreien sprangen die Masaikrieger auf die Füße. Es war ein einziges Knäuel wirbelnder, sehniger Gliedmaßen, aus dem sich einer nach dem anderen löste. Viele von ihnen stürzten, getroffen vom Kugelhagel unseres wohlgezielten Feuers, sofort wieder zu Boden, noch bevor sie auch nur einen Schritt tun konnten. Einen Moment lang standen sie unschlüssig da. Aber als sie die Schreie und Flüche hörten, die unablässig vom anderen Ende des Kraals herüberschallten, stürzten sie völlig verwirrt und von dem Kugelhagel, der einen nach dem anderen von ihnen zu Boden riß, in wilde Panik versetzt, wie aus einem Impuls auf den dornenbewehrten Eingang zu. Während sie liefen, feuerten wir, was die Gewehre hergaben, in den immer dichter werdenden Pulk und rissen tiefe Lücken in die Reihen der Masai. Wir schossen so schnell wir nachladen konnten. Ich hatte die zehn Schüsse meines Repetiergewehrs abgefeuert und begann gerade mit dem Nachladen, als mir der Gedanke an Flossie durch den Kopf schoß. Ich blickte auf und sah den weißen Esel mit zuckenden Gliedmaßen am Boden liegen. Entweder hatte eine unserer Kugeln ihn getroffen oder der Speer eines Masaikriegers. Es war kein lebendiger Masai in der Nähe. Das schwarze Kindermädchen kniete vor Flossie auf der Erde und zerschnitt ihr mit einem Speer die Fußfesseln. In der nächsten Sekunde schon rannte das Kindermädchen auf die Mauer des Kraals zu und schickte sich an, die-se zu überklettern. Das kleine Mädchen wollte seinem Beispiel folgen. Aber offensichtlich waren Flossies Beine durch die Fesseln steif geworden und eingeschlafen. Sie konnte nur sehr langsam auf die Mauer zuhinken. Plötzlich wurden zwei Masai, die auf den Vordereingang zurannten, ihrer gewahr und stürzten auf das kleine Mädchen los, um es zu töten. Der erste der beiden Burschen erreichte das Mädchen in dem Moment, als es nach einem verzweifelten Versuch, die Mauer zu erklimmen, wieder herunterfiel und auf dem Boden landete. Ich sah, wie der Masai seinen großen Speer hob, und noch während er ausholte, fuhr ihm die Kugel aus meinem Gewehr zwischen die Rippen, und er kippte vornüber.

Aber hinter ihm kam der andere Mann, und ich bemerkte zu meinem Entsetzen, daß ich keine Patrone mehr im Magazin hatte! Flossie hatte sich inzwischen hochgerappelt und sah nun den zweiten Mann mit hoch erhobenem Speer auf sich zueilen. Ich wandte mein Gesicht ab und wurde von einem Gefühl ohnmächtiger Wut ergriffen. Mir war zum Sterben elend. Ich wollte nicht zuschauen, wie der Masai das arme kleine Mädchen abschlachtete. Doch unwillkürlich blickte ich noch einmal auf, und da sah ich zu meinem großen Erstaunen, daß der Speer des Masai am Boden lag. Der Mann selbst wankte hin und her und hielt sich mit beiden Händen den Kopf. Im selben Moment sah ich ein Rauchwölkchen, das offenbar aus Flossies Richtung kam, und der Mann schlug der Länge nach auf den Boden. Mir fiel der Derringer ein, den sie immer bei sich trug! Sie hatte beide Kugeln der kleinen Pistole auf den Masai abgefeuert! Das hatte ihr das Leben gerettet. Dann lief sie wieder zu der Mauer, und mit einer erneuten Anstrengung gelang es ihr, mit Hilfe des Kindermädchens, das auf der Mauerkrone lag und ihr die Hände reichte, über die Mauer zu klettern und sich vorerst einmal in Sicherheit zu bringen.

Es dauert eine Weile, dies alles zu erzählen, aber ich glaube, daß es in Wirklichkeit nur eine Sache von vielleicht fünfzehn Sekunden war. Bald hatte ich das Magazin meiner Winchester wieder mit Patronen gefüllt und eröffnete erneut das Feuer. Doch diesmal nicht auf die brodelnde schwarze Masse, die sich am Vordereingang des Kraals drängte, sondern auf einzeln herumirrende Masai, die über die Mauer entkommen wollten. Ich erschoß mehrere von ihnen, während ich langsam an der Mauer entlang zum vorderen Ende des Kraals hinüberging. Ich wollte sehen, wie der Kampf dort stand, und den fünfen mit meinem Gewehr zur Seite stehen. Bald hatte ich die Ecke, oder besser gesagt, die spitze Rundung des Ovals, erreicht. Vor meinen Augen spielte sich eine unbeschreibliche Szene ab.

Ungefähr zweihundert Masai - etwa fünfzig hatten wir bis zu dem Zeitpunkt schon getötet - drängten sich inzwischen vor dem dornenbewehrten Eingang zusammen, getrieben von unseren Schüssen und von den Speeren von Goods Männern, die sie offensichtlich für eine gewaltige Streitmacht zu halten schienen. In ihrer Verwirrung war ihnen gar nicht aufgefallen, daß es sich bloß um eine zehn Mann starke Gruppe handelte. Aus unerfindlichen Gründen war keiner von ihnen auf die Idee gekommen, einen Ausbruch über die Mauer zu versuchen, was ein verhältnismäßig leichtes Unterfangen gewesen wäre. Statt dessen drängelten sie sich alle in einem dichten Klumpen vor dem Zaun aus Dornengestrüpp, der sich in der Tat als eine nur schwer zu überwindende Barriere erwies. Der erste versuchte, mit einem Riesensprung hinüberzusetzen, aber noch bevor seine Füße auf der anderen Seite den Boden berührten, sah ich Sir Henrys Axt emporschwingen und mit fürchterlicher Wucht auf seinen federgeschmückten Kopf niederfallen. Der Masai sank mitten in das Dornengestrüpp. Mit wütendem Geheul drängten die hinteren nach. Sie versuchten verzweifelt, mit einem Ruck durchzubrechen. Aber jedesmal, wenn einer die Barriere überwunden hatte, erhob sich Sir Henrys riesige Axt, und Inkosi-kaas zuckte wie ein Blitz herab, und ein Masai nach dem anderen sank tödlich verwundet in die Dornen-büsche. Bald hatte sich eine zusätzliche Barriere aus toten Leibern gebildet, die es den nachrückenden Kriegern immer schwerer machte, ins Freie zu gelangen. Gelang es einmal einem, heil an den beiden Äxten vorbeizukommen, dann wurde er unweigerlich ein Opfer des Askari und der beiden Kaffern von der Missionsstation. Wer auch diesen unversehrt entkam, den nahmen Mackenzie und ich unter Feuer.

Das Kampfgeschehen wurde immer heftiger und wütender. Jetzt sprangen einzelne Masaikrieger auf den Berg von toten Leibern und griffen von dort aus mit ihren langen Speeren die Axtkämpfer an. Doch dank der Panzerhemden war das Resultat jedesmal dasselbe. Sofort sauste mit mächtigem Schwung die Axt herab, und wieder sank ein Masai tödlich getroffen zu Boden. Das heißt, sofern er es mit Sir Henry zu tun hatte. Wenn einer mit Umslopogaas kämpfte, war das Ergebnis zwar dasselbe; es kam jedoch auf andere Weise zustande. Nur selten gebrauchte der Zulu den wuchtigen, mit beiden Händen ausgeführten Hieb, bei dem die Schneide der Axt krachend in den Schädel des Kontrahenten fuhr. Im Gegenteil; er tat kaum mehr, als unaufhörlich auf den Kopf seines Gegners zu klopfen, wobei er mit dem Dorn der Axt pickte wie ein Specht auf verrottetes Holz. Der letzte, etwas festere Hieb, durchschlug dann die Schädeldecke des Feindes, und er fiel zu Boden, ein sauberes, kleines, kreisrundes Loch in seiner Stirn oder in seinem Schädel. Umslopogaas nahm die breite Schneide der Axt nur dann zu Hilfe, wenn er arg in Bedrängnis geriet, oder wenn er einen Schild durchschlagen wollte. Später erzählte er mir, daß er diese Art zu kämpfen für unsportlich hielt.

Good und seine Männer waren nun dichtauf, und unsere Leute mußten damit aufhören, pausenlos mitten in die Masse von schwarzen Leibern hineinzufeuern, um nicht unsere eigenen Männer zu treffen (in der Tat waren, wie sich später herausstellte, auf diese Weise ein paar von Goods Leuten unseren eigenen Kugeln zum Opfer gefallen). Wahnsinnig vor Angst und mit der Kraft der Verzweiflung brachen nun die Masai mit einem gewaltigen Ruck durch die Dornenbüsche und den Wall von Leibern und gelangten, Curtis und Umslopogaas gleichsam wie eine Lawine hinwegfegend, ins Freie. Und nun machten wir sehr schnell Verluste. Als erster fiel der tapfere Askari, der mit der Axt bewaffnet war; ein langer Speer drang ihm in die Brust und durchbohrte seinen Körper mit solcher Wucht, daß er mindestens einen Fuß aus seinem Rücken herausragte. Und kurze Zeit später fielen auch die beiden Speermänner, die neben ihm gestanden hatten. Noch im Sterben kämpften sie wie die Löwen. Andere aus unserer kleinen Gruppe teilten alsbald ihr Schicksal. Eine Weile fürchtete ich, der Kampf wäre verloren - mit Gewißheit hing er jetzt in der Schwebe. Ich rief meinen Männern zu, ihre Gewehre wegzuwerfen, sich mit Speeren zu bewaffnen und in das Kampfgewühl zu stürzen. Todesmutig und durch den Tod ihrer Kameraden aufs äußerste erbittert, gehorchten sie. Mr. Mackenzies Leute folgten ihrem Beispiel.

Diese Maßnahme erwies sich zwar für den ersten Moment als erfolgreich, aber noch immer war der Ausgang des Kampfes völlig ungewiß.

Unsere Männer fochten großartig; sie warfen sich todesmutig in die dunkle Masse der Elmorane; sie schlugen stachen und töteten - und manch einer von ihnen wurde selbst getötet. Und über all dem Kampfgetöse erscholl immer wieder Goods gellender Kriegsschrei, mit dem er unseren Männern neuen Mut machte. Er selbst war immer da zu finden, wo der Kampf am heftigsten wogte. Und immer wieder, mit fast maschinenartiger Regelmäßigkeit, hoben sich die beiden Äxte und sausten herab, mit jedem Schlag Tod und Verderben säend. Aber ich konnte erkennen, daß die übermenschliche Anstrengung begann, ihre Spuren bei Sir Henry zu hinterlassen; er blutete aus mehreren Fleischwunden; sein Atem ging schnell und keuchend, und die Adern auf seinen Schläfen waren hervorgequollen und sahen aus wie blaue, knotige Schnüre. Selbst Umslopogaas, der Eiserne, war hart in Bedrängnis. Ich bemerkte, daß er aufgehört hatte, wie ein Specht auf die Schädel seiner Gegner einzuklopfen. Er nutzte jetzt die breite Schneide von Inkosi-kaas und teilte damit fürchterliche Rundschläge aus. Ich selbst begab mich nicht in das Kampfgetümmel, sondern lauerte abseits wie ein >Abstauber< vor dem gegnerischen Strafraum und schoß auf einzelne Masai sobald sich auch nur die geringste Chance dazu bot. Auf diese Weise konnte ich mich weit nützlicher machen. Ich verschoß an jenem morgen neunundvierzig Patronen, und nur die wenigsten meiner Kugeln erreichten nicht ihr Ziel.

So verbissen und geschickt wir auch ans Werk gingen - das Pendel der Waage begann langsam, aber sicher gegen uns auszuschlagen. Es sah immer schlechter für uns aus. Wir verfügten vielleicht noch über fünfzehn oder sechzehn kampffähige Männer, die Masai hingegen hatten immer noch mindestens fünfzig. Wenn sie kühlen Kopf bewahrt hätten und sich formiert hätten, wäre der Kampf natürlich sehr schnell zu ihren Gunsten entschieden gewesen; aber gerade das taten sie nicht. Sie hatten anscheinend den Schock noch immer nicht überwunden; dazu kam, daß einige von ihnen in ihrer Verwirrung blindlings von ihren Schlafstellen weggerannt waren, ohne ihre Waffen mitzunehmen. Einige jedoch hatten sich inzwischen erholt und kämpften nun mit ihrer gewohnten Tapferkeit und Übersicht, und allein dies mußte unter normalen Umständen ausreichen, uns bald zu besiegen. Zu allem Überfluß wurde auch noch Mr. Mackenzie gerade in dem Moment, da er sein Magazin leergeschossen hatte, von einem muskulösen Burschen mit dem Kurzschwert angegriffen. Der Geistliche sah den Wilden auf sich zustürzen, warf sein Gewehr zu Boden, riß sein großes Schnitzmesser aus dem Gürtel (sein Revolver war ihm wäh-rend des Kampfes herausgefallen), und schon waren die beiden in wildem Handgemenge miteinander umschlungen. Eng umklammert rollten die beiden hinter die Mauer, und da ich selbst alle Hände voll zu tun hatte, mich meiner Haut zu wehren, blieb mir der Ausgang des Duells zunächst verborgen.

Hin und her wogte die Schlacht. Alles drehte sich im Kreise wie ein Wirbel aus menschlichen Körpern. Inzwischen sah die Lage für uns so gut wie hoffnungslos aus. Doch da kam uns ein glücklicher Zufall zu Hilfe: Umslopogaas brach - sei es aus Zufall oder Absicht - aus dem Ring der Kämpfenden aus und griff einen Krieger an, der ein paar Schritte abseits von den übrigen Kämpfenden stand. Im selben Moment kam von hinten ein anderer Masai herbeigeeilt und warf mit aller Kraft seinen langen Speer auf den Rücken des Zulu. Der Speer traf mit lautem Klirren auf das Kettenhemd und sprang wirkungslos zurück. Einen Augenblick lang stand der Mann bewegungslos da und starrte mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen auf Umslopogaas Rücken - Rüstungen oder schützende Kleidung war bei diesen Stämmen etwas völlig Unbekanntes. Dann schrie er mit gellender Stimme, so laut er konnte:

»Es sind Teufel - verhext - sie sind verhext!« Von Panik ergriffen warf er seinen Speer fort und rannte davon. Ich stoppte seinen Lauf schnell mit einer Kugel, und Umslopogaas zertrümmerte seinem Gegner den Schädel, und da griff Panik auch auf die anderen über.

»Verhext, verhext!« schrien sie und stoben wie die Furien in alle Richtungen davon. Völlig demoralisiert warfen die meisten von ihnen noch während des Lau-fens ihre Schilde und Speere auf die Erde.

Auf der letzten Szene dieser fürchterlichen Schlacht brauche ich nicht zu verweilen. Es war ein gewaltiges, blutiges Gemetzel, bei dem auf keiner Seite Pardon gegeben wurde. Ein Ereignis jedoch möchte ich noch genauer schildern: Gerade als ich hoffte, daß nun endlich alles vorbei wäre, kroch plötzlich unter einem Berg von Leichen ein unverletzter Masai hervor, der sich dort versteckt hatte. Er sprang wie eine Gazelle über die Sterbenden und Toten hinweg und kam schnell wie der Wind den Kraal hinaufgerannt zu der Stelle, an der ich mich gerade befand. Aber er war nicht allein; auf seinen Fersen eilte, in der ihm eigentümlichen, schwalbenartigen Bewegung Umslo-pogaas heran, und als sie sich mir näherten, erkannte ich in dem Masai den Boten aus der vergangenen Nacht. Als er merkte, daß sein Verfolger, so sehr er auch rannte, immer mehr an Boden gewann, hielt der Mann an und wirbelte herum, um sich dem Kampfe zu stellen. Umslopogaas blieb ebenfalls stehen.

»Ha, ha«, rief er in spöttischem Ton dem Elmoran zu, »du warst es doch, mit dem ich in der vergangenen Nacht gesprochen habe - der Lygonany! Der Herold! Der Bursche, der kleine Mädchen entführt! Der so tapfer ein kleines Kind umbringen wollte! Und du hofftest, Auge in Auge Umslopogaas gegenüberzustehen, einem Induna aus dem Stamme der Maquili-sini, vom Volke der Amazulu? Schau, deine Hoffnung hat sich erfüllt! Und ich schwor, dir deine Glieder einzeln abzuhacken! Du räudiger Hund! Gib acht, ich mache es auf der Stelle!«

Der Masai biß wütend die Zähne aufeinander und ging mit seinem Speer auf den Zulu los. Als er heran-geschossen kam, machte Umslopogaas einen raschen Schritt zur Seite, schwang Inkosi-kaas mit beiden Händen hoch über dem Kopf und hieb die breite Schneide mit solch fürchterlicher Wucht von hinten in die Schulter des Masai, daß der rasiermesserscharfe Stahl durch Knochen, Fleisch und Muskeln fuhr und fast den Kopf mitsamt einem Arm vom Körper des Elmoran abtrennte.

»Oh!« rief Umslopogaas aus, während er den Körper seines Widersachers von oben betrachtete. »Ich habe mein Wort gehalten. Es war ein guter Hieb.«