157972.fb2 Attentat auf Abraham Lincoln - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 10

Attentat auf Abraham Lincoln - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 10

»Was haben Sie mit dem Süden zu tun?« fragte sie nur.

Marquand beschloß, alles auf eine Karte zu setzen. Er benötigte dringend Hilfe und etwas Ruhe. Er fühlte sich nicht in der Lage, lange um den heißen Brei herumzureden.

»Ich hatte eine Plantage, die abgebrannt ist, als die Yankees meine Sklaven befreiten. Mein kleiner Sohn kam in den Flammen um. Vor kurzem starb meine Frau. Auch sie wurde von den Yankees ermordet.«

Die Frau ließ das Gewehr ein paar Zoll sinken, und in ihre bisher so wachsamen Augen trat ein verklärter Ausdruck. »Ähnlich war es bei uns. Eines Tages kamen Sklavereigegner auf unsere Farm und forderten von meinem Mann, auf einer Liste für die Abschaffung der Sklaverei zu unterschreiben. Als Edwin erwiderte, er habe weder etwas für noch gegen die Sklaverei, haben sie ihn über den Haufen geknallt. Einfach so, wie einen Hasen oder einen tollen Hund. Uns ist die Sklavenfrage immer noch egal. Aber wir hassen die Yankees,

die mit Gewalt für die Abschaffung der Sklaverei eintreten.«

»Man muß mich falsch informiert haben, Mrs. McMillan. Ich hörte, Mr. McMillan und seine Söhne setzten sich für die Sache des Südens ein. Deshalb suchte ich seine Hilfe.«

»Meine Kinder und ich unterstützen den Süden. Was wollen Sie von uns?«

»Sie müssen mir helfen, Abraham Lincoln gefangenzunehmen.«

Mrs. McMillans Mund klappte auf und blieb eine halbe Minute in dieser Stellung. Die Farmerin starrte ihr Gegenüber an wie ein Gespenst.

»Was. sollen. wir?« fragte sie schließlich zögernd.

Marquand erklärte ihr in kurzen Worten, worum es ging. »Quantrill soll mit seinen Männern in der Nähe sein, um Lincoln zu erwischen. Aber ich weiß nicht, wo ich ihn suchen soll. Deshalb brauche ich Ihre Unterstützung bei der Sache. Ihre vier Jungs müssen mir helfen, Lincoln zu überwältigen. Da nur noch drei gesunde Männer bei ihm sind, müßte uns das gelingen. Dann schaffen wir ihn hierher und benachrichtigen Quantrill. Der wird sich doppelt freuen, denn in Lincolns Begleitung ist Allan Pinkerton.«

»Der Yankee-Spion?«

Marquand nickte. »Da bin ich mir ziemlich sicher. Ich habe einmal sein Bild in einer Zeitung gesehen. Die Konföderierten schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe.«

Die Farmerin nagte an ihrer Unterlippe und meinte dann: »Ihre Geschichte klingt ziemlich verrückt, Mister. Vielleicht hätte ich Ihnen nicht geglaubt. Aber die Anwesenheit von Quantrills Trupp in dieser Gegend verleiht Ihnen Glaubwürdigkeit.«

»Sie wissen von Quantrills Anwesenheit?«

Die Frau lächelte zum erstenmal. Es war ein dünnes Lächeln. »Wir haben seinem Trupp das Versteck besorgt, drüben im Redrock Canyon.«

»Wie weit ist das?«

»Es ist unwegsames Gelände. Wenn es schnell geht, eine Reitstunde von hier.«

Marquand schüttelte enttäuscht den Kopf. »Zu weit. Lincoln rechnet mit Hilfe aus der nächsten Stadt. Er wird nicht so lange warten. Wir müssen es mit Ihren Söhnen versuchen.«

»Ja«, stimmte ihm die Frau zu. »Ziehen Sie Ihren Revolver.«

»Was?«

»Ziehen Sie Ihre Waffe und schießen Sie zweimal in die Luft. Das Zeichen für meine Kinder, sofort mit der Feldarbeit aufzuhören und heimzukommen.«

»Ich verstehe«, sagte Marquand und tat, wie ihm geheißen.

Er steckte den Remington wieder ein und setzte sich im Schatten der Eiche auf den Boden. Vorsichtig befühlte er seine Wunde. Sie schmerzte bei der kleinsten Berührung.

»Sind Sie beim Zusammentreffen mit Lincoln verletzt worden?«

»Nein, von einem Pinkerton-Mann vor einigen Tagen.«

»Hat er Sie enttarnt?«

»Dazu war er nicht schnell genug. Meine Kugel hat ihn auch getroffen. Er liegt jetzt im Ohio.«

Er dachte an Vivian, die Ross Bowmans Leiche im Fluß versenkt hatte. Vivian, die selbst vom Fluß verschluckt worden war. Das schürte seinen Haß und half ihm, die Schmerzen auszuhalten.

Mrs. McMillan ging zum Brunnen und kehrte mit einer großen Kelle Wasser zurück, die ihr Besucher begierig leerte. Kaum war er damit fertig, als er sich auch schon von vier jungen Männern umringt sah, die ihre Waffen auf ihn richteten.

»Mr. Marquand ist ein Freund«, beschwichtige die Farmerin ihre Kinder. »Er hat einen Auftrag für uns. Einen sehr wichtigen Auftrag.«

Sie stellte ihm die vier vor: Clem, Stoker, Angus und Tate.

»Tate?« fragte Marquand und beäugte skeptisch das noch sehr junge Gesicht unter dem breitrandigen, verbogenen Hut. »Er sieht fast noch aus wie ein Kind.«

»Erstens bin ich kein Kind und zweitens kein Er«, sagte Tate, nahm den Hut vom Kopf und schüttelte schulterlanges, korngelbes Haar. »Gütiger Vater, ein Mädchen!« »Mit richtigem Namen Tatum«, erklärte die Mutter. »Na und?« fragte Tate mit vorgerecktem Kinn, den alten Revolver mit beiden Händen wieder auf den Mann richtend. »Haben Sie etwas gegen Frauen, Mister?«

»Nicht im geringsten«, erwiderte Marquand lächelnd. »Aber ich hatte mit vier Männern gerechnet, die mir helfen. Jetzt sind es nur drei.«

»Ich kann genausogut reiten und schießen wie meine Brüder!«

»Das glaube ich«, sagte Marquand mit einem Blick auf ihre Waffe. »Wenn du so gut reiten kannst, könntest du es übernehmen, Quantrill zu benachrichtigen.« Er erklärte Mrs. McMillans Kindern, worum es ging. »Ich komme mit, um Lincoln zu fangen!« sagte Tate entschlossen.

»Nein«, entschied ihre Mutter. »Mr. Marquand hat recht. Du wirst zu Quantrill reiten und ihn herholen. Ich selbst werde mitkommen, um Lincoln zu überwältigen.«

*

Der etwa fünfzig Pferde große Trupp war schon eine Stunde unterwegs. Das Gelände stieg anfangs sanft, dann immer steiler an; und es wurde immer unwegsamer. Bald ging es nur noch im Schrittempo vorwärts, weil die Pferde Mühe hatten, einen sicheren Tritt zu finden.

Auf den meisten Pferden saßen Reiter in blauen Uniformen. Der Rest bestand aus Packtieren. Zwei dieser Packtiere trugen menschliche Fracht: die Gefangenen Jacob Adler und Leonard Slyde.

Irgendwann war der Kommandant des gesunkenen Kanonenbootes aus seiner Ohnmacht erwacht, aber das war für ihn kein Vorteil. Jeder Schritt des Pferdes, über dessen Rücken er so lag, daß sein Kopf an der einen und die Füße an der anderen Seite hinunterbaumelten, vervielfachte die Schmerzen in seinen Beinen. Die Folge war ein immerwährendes Stöhnen, das so gar nicht zu dem beherrschten Marineoffizier paßte. Nach Jacobs Meinung befand er sich im Fieberwahn, denn er reagierte trotz mehrerer Zurufe des Deutschen nicht.

Jacob machte die Partisanen auf Slydes mißliche Lage aufmerksam und ersuchte sie, etwas für ihren leidenden Gefangenen zu tun. Aber er erntete nur boshaftes Gelächter.

Bloody Bill Anderson ritt an Jacobs Seite und sagte: »Wenn dein Freund nicht gleich mit seinem Gewimmer aufhört, schneide ich ihm die Zunge raus!«

Ein paar der Männer lachten noch lauter und forderten den Unterführer auf, seine Worte sofort in die Tat umzusetzen.

»Geht leider nicht«, meinte der Vollbärtige mit einem entschuldigenden Achselzucken. »Der Captain möchte, daß ihm die Gefangenen noch ein Liedchen trällern.«

Sie ritten über einen bewaldeten Kamm, und plötzlich ging es wieder leicht nach unten, auf zwei eng zusammenstehende Felsblöcke zu. Quantrill, der den Trupp anführte, zügelte seinen Braunen und hob die Rechte als Haltezeichen. Auf jedem der Felsen erschien ein Mann in blauer Uniform.

»Habt ihr diesen Hurensohn von Präsidenten erledigt?« fragte einer der beiden.

»Das wissen wir noch nicht, Luke«, antwortete Quantrill.

»Ha?« machte der Mann auf dem Felsen. »Wieso nicht?«