157972.fb2 Attentat auf Abraham Lincoln - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 14

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Der junge Deutsche wußte allerdings nicht, ob er sich darüber freuen sollte. Er hatte Schußwaffen immer verabscheut und sich lieber auf seinen Verstand und im Notfall auf seine Fäuste verlassen. Doch in diesem Land schien man ohne Revolver oder Karabiner aufgeschmissen zu sein. Deshalb verstaute Jacob die Waffe wieder in seiner Jackentasche, als ihn der Falbe zwischen den Felsen hindurchtrug.

Noch einmal krachte ein Schuß. Offenbar hatte der Wächter auf dem rechten Felsen nachgeladen. Dicht neben Jacob fuhr die Kugel splitternd in einen Baumstamm.

Dann wurde der Reiter durch das dichte Unterholz den Blicken der Guerillas entzogen.

*

Als ihr flüchtender Gefangener hinter der nächsten Biegung verschwunden war, standen die Freischärler für Sekunden unschlüssig da. Dann steckten Frank James und Cole Younger ihre Revolver ein und knieten sich neben ihren niedergeschossenen Anführer.

»Stellt einen Verfolgertrupp zusammen und schnappt euch den Kerl!« rief der ältere James-Bruder den Männern zu.

Eine zehn Mann starke Gruppe lief zur aus Seilen errichteten Pferdekoppel, um die Verfolgung aufzunehmen.

William Quantrill lag reglos im Gras und sah aus, als ob er schliefe. Auf seiner Brust nahe seinem Herzen waren Jacke und Hemd zerfetzt, aber seltsamerweise trat kein Blut aus. Frank James beugte sich dicht über ihn und glaubte, schwachen Atem aus Quantrills halboffenem. Mund zu spüren.

»Ich glaube, er lebt!« rief er zur allgemeinen Überraschung aus und begann seinem Captain Jacke und Hemd auszuziehen.

Gerade knöpfte er das Uniformhemd auf, als Quantrill die Augen aufschlug und sich irritiert umsah.

»Was... was ist... passiert?« krächzte er.

»Dieser Dutch, Jacob Adler, hat auf dich geschossen und deine linke Brust erwischt«, erklärte Frank, über Quantrills verhältnismäßig gute Verfassung staunend. »Wir dachten, du wärest hinüber.«

Der Captain tastete nach seiner Brust, knöpfte eine Hemdtasche auf und zog ein dünnes, silbern glänzendes Etui heraus, das stark verbeult war. Er öffnete es, nahm eine der schlanken Zigarren heraus und steckte sie zwischen seine Lippen, ohne sie anzuzünden.

»Ich habe mal einen Arzt gekannt, der allen Ernstes behauptet hat, Rauchen sei ungesund.« Er lachte rauh. »Der heutige Tag hat das Gegenteil bewiesen.«

Er klappte seinen silbernen Lebensretter wieder zu. »Wo ist der Dutch?«

»Auf dem Pferd des Mädchens weggeritten«, antwortete Frank James, als sie auch schon die Schüsse vom Canyon-Eingang hörten. »Klingt so, als hätten Luke und Elam ihn erwischt.«

»Wir sollten ihn umlegen, wenn er nicht schon tot ist«, preßte Franks kleiner Bruder hervor. »Diese verdammten Yankees machen nichts als Ärger!«

Erst jetzt fiel Frank James auf, daß Jesse ein blutdurchtränktes Taschentuch um seine linke Hand gewickelt hatte.

»Was ist passiert, Dingus?«

»Dingus« war Jesses Spitzname aus Kindertagen, so wie Frank von seinem Bruder zuweilen »Buck« genannt wurde.

»Als dieser verfluchte Seemann störrisch wurde, löste sich im Handgemenge der Schuß aus meiner Waffe.«

»Das wissen wir. Du hast dem Yankee das Gehirn weggepustet.«

»Und meine halbe Hand auch.«

»Zeig mal her, Dingus«, verlangte Frank und ging auf seinen Bruder zu.

Vorsichtig wickelte Jesse das Taschentuch von seiner Hand, deren Mittelfinger in einem blutigen Etwas mit blankliegendem Knochen endete.

»Die Hand ist ja noch dran«, meinte Frank. »Es ist nur das letzte Fingerglied, das du mit dem Yankee beerdigen kannst. Das heißt, falls du es findest, Dingus.«

Die rauhen Kerle um sie herum lachten. Mit einem Fluch, den man von dem Sohn eines Baptistenpredigers niemals erwartet hätte, wickelte Jesse das Tuch wieder um den Finger.

Der Verfolgertrupp schwang sich in die Sättel und ritt zum Eingang des Canyons. Kurz darauf kehrte einer der Männer zurück und zügelte sein Pferd dicht vor Quantrill, der gerade dabei war, sich wieder ordentlich anzuziehen.

»Was ist?« fragte der Captain. »Habt ihr den Yankee erwischt?«

»Nein, er ist entkommen. Er muß verteufelt gut schießen können. Er hat Elam im vollen Galopp einen Schulterschuß verpaßt.«

»Entkommen«, murmelte Quantrill und fügte einen Fluch an, der dem von Jesse James nicht nachstand.

»Sollen wir hinterherreiten, Captain?«

Quantrill schüttelte nach kurzem Überlegen den Kopf. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Der Mann ist unwichtig. Wir schnappen uns Lincoln und Pinkerton und sehen dann zu, daß wir aus dem Yankee-Gebiet herauskommen. Brecht das Lager ab. Aufbruch ist in zehn Minuten!«

»Und der da?« fragte Cole Younger und zeigte auf den toten Marineoffizier.

»Auch die Geier wollen leben«, erwiderte Quantrill und ging zu seinem Zelt.

*

Martin trug zwei Verbände, einen um den Kopf und einen um den linken Oberarm, als er im Lager der Deserteure von seinen Erlebnissen berichtete. Irene hatte die Verbände aus Stoffstreifen ihres Unterrocks gefertigt, nachdem die Wunden ihres Freundes mit Whiskey gereinigt worden waren. Die Kugel hatten sie nicht aus Martins Arm entfernen können. Zu tief saß sie in seinem Fleisch.

Die Sonne hatte die Kleidung getrocknet, so daß sie sie wieder anziehen konnten. Sie aßen eine Mahlzeit aus Brot und Büchsenfleisch, während Martin berichtete, wie er den Soldaten auf Hauptmann Gerbers Pferd entkommen war.

»Das geschieht diesem Stinkstiefel von selbsternanntem Offizier recht«, freute sich Hamker und spuckte verächtlich in den Staub. »Die Blamage steckt er bestimmt nicht so leicht weg. Der Grauschimmel war sein ganzer Stolz, neben seinen Rangabzeichen und seinem blitzenden Säbel natürlich.«

»Wieso selbsternannter Offizier?« fragte Martin.

»Gerber gehört zu den Geldgebern, die das Freiwilligenregiment aufgestellt haben, also ist er auch Offizier geworden. So läuft das nun einmal.«

»Auch wenn er vom Militär keine Ahnung hat?«

»Die Ahnung bekommt er im Feld, oder ihn erwischt eine Kugel. Dann ist die Sache erledigt. Washington braucht jeden Mann, um die Rebellion niederzuschlagen.«

»Warum haben Sie da mitgemacht?«

»Wegen des Geldes«, antwortete Hamker und machte mit den Fingern die Bewegung des Geldzählens. »Hundert Dollar Handgeld sind eine Menge Holz. Ich bin vor zwei Jahren aus Braunschweig nach New York gefahren, weil mein Bruder Hans mir eine Anstellung in seiner Sattlerei versprochen hatte. Hans ist schon fünf Jahre vor mir ausgewandert. Doch als ich ankam, war mein Bruder tot und sein Geschäft zwangsversteigert. Er hatte sich verspekuliert und seinem Leben ein Ende gemacht, als er vor dem finanziellen Ruin stand. Seitdem bin ich nie richtig auf die Beine gekommen. Die German Rifle Volunteers schienen mir eine Gelegenheit zu sein, aus New York wegzukommen und gleichzeitig etwas Geld zu verdienen. Ich hätte auch weitergemacht, wäre ich nicht an so ein Schwein wie Gerber geraten.«

Er sah seine Kameraden an. »Bei den anderen war es ähnlich. Wir alle wurden mit großen Versprechungen vom glorreichen Soldatenleben ins Regiment gelockt und mußten uns dann von Gerber schikanieren lassen. Er ist der schlimmste Kompanieführer im ganzen Regiment, aber die meisten anderen sind nicht viel besser.«

»Das stimmt«, bestätigte Glaser.

»Unsere Flucht hat ihn bestimmt schwer getroffen. Das blamiert ihn vor den anderen Kompanieführern. Und die Sache mit dem Grauschimmel wird er bestimmt auch nicht einfach so wegstecken. Wir sollten uns ein besseres Versteck suchen.«

»Sobald wir mit dem Essen fertig sind«, sagte Hamker, der eine Art Führerrolle unter den Deserteuren einnahm. Vielleicht, weil er Corporal gewesen war, bevor er gebrandmarkt und degradiert wurde.

»Und wir müssen in die nächste Stadt«, sagte Irene zu Martin. »Ein Arzt muß die Kugel aus deinem Arm holen. Außerdem haben wir noch keine Nachricht von Jacob. Vielleicht weiß man in der Stadt, ob es außer uns noch andere. Überlebende gibt.«