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Wieder verriet ihre kühle Stimme keinerlei Gefühl und schon gar nicht das Ausmaß ihres Zweifels.
»Das glaube ich nicht«, antwortete McCord. »Wir sind schließlich mit an Bord und haben dann alles unter Kontrolle.«
»Oder Schelp hat uns unter Kontrolle«, blieb die Frau skeptisch. »Vielleicht will er nur herausfinden, wo genau an der mexikanischen Küste unser Anlaufpunkt ist.«
»Und dann kommt die Yankee-Marine und läßt die Falle zuschnappen?« fragte McCord mit aufgerissenen Augen.
»Ja, Abel«, seufzte die Frau und ließ damit zum erstenmal so etwas wie ein Gefühl erkennen. »Es wäre eine Möglichkeit. Ich habe selbst schon zu spüren bekommen, wie abgefeimt Pinkertons Agenten sind.«
Der Mexikaner kratzte nervös an seinem dunklen Kinnbart und fragte:
»Wenn das stimmt, Senora, was sollen wir dann tun?«
»Genau das, was Sie und der Captain getan haben, Don Emiliano. Die Dinge laufen lassen und unter Beobachtung behalten. Schließlich brauchen die Verteidiger von Texas Schelps Ladung.«
»Falls die ALBANY wirklich das geladen hat, was Schelp uns versprochen hat«, knurrte McCord, der plötzlich überall Verrat witterte.
»Davon werden wir uns überzeugen, wenn wir an Bord sind«, sagte die Frau.
»Wenn diese beiden angeblichen Auswanderer Pinkerton-Leute sind, dann gnade ihnen Gott«, schüttelte McCord drohend seine geballte Faust. Seit der Demütigung durch Schelp hatte er wenig über für Leute, die aus Deutschland kamen. »Dann nehme ich mir diesen Adler und seine Freundin persönlich vor!«
Die Frau in Schwarz machte eine ruckartige Bewegung nach vorn, so daß sich der Sessel ein Stück verschob. Ihre behandschuhten Hände krallten sich um die Lehnen.
Und als sie sprach, wirkte ihre Stimme nicht mehr so kühl wie bisher, sondern im höchsten Maße erregt:
»Wie heißt der Deutsche? Adler?«
»Yeah«, nickte McCord.
»Jacob Adler etwa?«
»Right. Aber ich verstehe nicht.«
»Und seine Begleiterin?« unterbrach die Frau in Schwarz den Captain. »Wie heißt sie? Irene Sommer?«
Wieder nickte McCord, mit einem ziemlich verblüfften Gesichtsausdruck.
»Kennen Sie die beiden?« schnappte er. »Also sind es doch Pinkertons!«
»Nein, keine Pinkertons«, stieß die Frau den angehaltenen Atem aus und ließ sich wieder ins Polster zurücksinken. »Es sind tatsächlich Auswanderer.«
»Aber woher kennen Sie ihre Namen, Senora?« wollte der Mexikaner wissen.
»Von früher«, lautete die vieldeutige Antwort. »Zwischen uns steht noch eine alte Rechnung offen.«
Sie wandte ihr verschleiertes Gesicht den beiden Männern zu und sagte:
»Ich denke, wir sollten jetzt zu Bett gehen. Vor uns liegt ein anstrengender und interessanter Tag.«
Don Emiliano nickte und wünschte der Senora eine gute Nacht, bevor er die Tür zum Gang aufzog. Die Zimmer von ihm und McCord lagen direkt neben dem der Frau.
Der Captain aber traf keine Anstalten, ihm zu folgen, sondern sagte mit Blick auf die Frau:
»Wir haben noch etwas zu besprechen.«
Der Mexikaner nickte verstehend und gab sich keine Mühe, das belustigte Zucken zu unterdrücken, das um seine Mundwinkel spielte. Er ging hinaus und schloß hinter sich die Tür.
McCord trat auf den Sessel zu und streifte seinen hellen, jetzt schmutzigen Rock ab.
»Nicht heute, Abel«, sagte die Frau, deren Stimme wieder die übliche Kälte ausstrahlte. »Ich muß über einiges nachdenken.«
»Jeder hat seine Bedürfnisse«, erwiderte der Südstaatler zweideutig.
Er stand jetzt hinter dem Sessel und ließ seine kräftigen Hände über die Schultern der Frau wandern, bis zu ihren Brüsten, wo sie besitzergreifend verharrten.
»Stehen Sie auf, Ma'am!« knurrte er in einer Mischung aus männlicher Begierde und militärischem Befehl.
Zögernd gehorchte die Frau und ließ es zu, daß McCord sie umdrehte und bäuchlings über den Sessel warf.
Seine Hände wanderte nach unten und hoben den Saum ihres Kleides hoch.
Als sie dasselbe mit den Unterröcken tun wollten, wirbelte die Frau herum und stieß ihn von sich.
»Das Licht!« keuchte sie, mehr erschrocken als erregt. »Sie haben das Licht vergessen, Abel!«
Unwillig blickte der Captain sie an.
»Muß das sein?« fragte er. »Warum lassen Sie es nur im Dunkeln zu?«
»Das geht Sie nichts an!«
»Wissen Sie, daß es ein verdammt merkwürdiges Gefühl ist, eine Frau zu lieben, von der man nicht ein einziges Stück Haut gesehen hat? Nicht einmal das Gesicht!«
»Sie können es auch bleiben lassen, Abel.«
»Ach? Ihnen liegt also nichts an mir?«
Die Frau überlegte. Sie würde Abel McCord auf dem Schiff vielleicht noch brauchen.
Auf Don Emiliano war nicht unbedingt Verlaß.
Die Mexikaner waren so wetterwendig wie die schmerzenden Narben der Frau, die sie bei jedem Witterungsumschwung peinigten.
Außerdem war der Don ihr gegenüber nicht so fügsam wie der Captain - weil er ihr im Gegensatz zu McCord nicht hörig war.
Sie kam zu dem Schluß, daß sie McCord noch benötigte. Zur Erfüllung ihrer geheimen Mission, aber auch ihrer persönlichen Rache an diesen deutschen Auswanderern, Jacob Adler und Irene Sommer. Es mußte eine Fügung des Schicksals sein, daß sie die beiden hier wiedertraf.