157997.fb2 Blockadebrecher - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 4

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»Psst!« unterbrach ihn zischend der andere Mann und legte den weißen Zeigefinger der behandschuhten Linken vor seine wulstigen Lippen.

Er warf einen scheuen Blick zu den Männern der Bordwache und sagte im Flüsterton: »Wir wollen die Mannschaft nicht eher ins Bild setzen als unbedingt nötig, Peterson!«

Bei der Nennung des Namens zuckte der Kapitän zusammen.

»Nennen Sie mich nicht so, Schelp!« verlangte er, ebenfalls flüsternd. »Sie wissen, daß ich das nicht mag.«

»Oh, ich bitte um Verzeihung, Käpten.«

Schelps spöttischer Tonfall und das belustigte Glitzern in seinen sonst eher trüben Augen zeigten dem Kapitän, daß die Bitte um Verzeihung nur gespielt war.

Der Kapitän vermutete, daß Schelp den Namen mit voller Absicht genannt hatte. Während der Reise von Hamburg nach Amerika hatte er es mehrmals getan. Der Kapitän wußte auch den Grund. Schelp wollte ihn daran erinnern, daß er ihn in der Hand hatte. Das Schiff gehorchte dem Kapitän, aber der Kapitän mußte Arnold Schelp gehorchen.

»Können Sie nicht schlafen, Schelp?«

Der Angesprochene grinste breit.

»Es ist die freudige Erwartung, Käpten. Ich hoffe, morgen unseren Verbindungsmann zu treffen. Dann können wir unsere Reise fortsetzen und zu einem ebenso erfolgreichen wie einträglichen Abschluß bringen.«

»Das erzählen Sie mir schon seit drei Tagen, seit wir vor Fogerty ankern«, brummte der alte Seebär und strich durch seinen dichten Vollbart, der früher einmal schwarz war, jetzt aber mehr grau schimmerte. »Ich habe fast das Gefühl, Ihr Verbindungsmann hat Sie versetzt. Oder er ist nicht durchgekommen. Vielleicht haben die Nordstaatler ihn geschnappt.«

Schlagartig verdüsterte sich Schelps Miene und nahm einen harten, verbissenen Ausdruck an.

»So etwas sollten Sie nicht sagen, Käpten, nicht einmal denken! Unser Verbindungsmann wird kommen, da bin ich mir sicher.«

»Was macht Sie so sicher?«

»Die Wichtigkeit unserer Fracht.«

»Und warum ist dieser geheimnisvolle Herr nicht pünktlich, wenn es so wichtig für ihn und seine Leute ist?«

»Es sind unruhige Zeiten hier in Amerika.« Schelp seufzte und sah für einen Moment so aus, als würde sein Blick über den ganzen riesigen Kontinent schweifen. »Vielleicht wurde er tatsächlich aufgehalten. Aber er wird durchkommen! Auch Sie sollten es sich wünschen, Käpten. Schließlich verdienen Sie auch daran.«

Das stimmte. Aber so oft Piet Hansen auch an das Geld dachte, es machte ihn nicht glücklich.

*

Am folgenden Tag.

Der von vier Pferden gezogene Planwagen erreichte Fogerty am frühen Nachmittag.

Als er die Silhouette der Stadt am Horizont auftauchen sah, rief der Mann auf dem Bock leise den Namen seiner Begleiterin nach hinten: »Irene! Wir sind da!«

Irene Sommer, die ihren kleinen Sohn Jamie unter der Plane in den Schlaf gesungen hatte, kletterte nach vorn und setzte sich neben Jacob Adler auf den Fahrerkasten.

»Sieht einerseits nicht gerade erhebend aus«, meinte sie nach einem langen Blick nach vorn. »Andererseits ist es wohl die größte Stadt, die wir seit Kansas City gesehen haben.«

Der junge Zimmermann nickte und grinste.

»Ja, ich möchte sogar sagen, seit Kansas City ist es der erste Ort, der die Bezeichnung Stadt wirklich verdient.«

»Beleidige Abners Hope nicht!« sagte die Frau mit gespielter Strenge und dachte an die Freunde, die sie und Jacob in der neuen Siedlung zurückgelassen hatten.

Natürlich war Abners Hope keine Stadt. Es hatte nicht einmal richtige Häuser. Nur verstreut in einem fruchtbaren Tal liegende Blockhütten, in deren Fensteröffnungen mangels Glas keine Scheiben saßen.

Und doch zogen die Menschen dort es jeder Stadt vor. Es war ihre neue Heimat und ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Eine Zukunft, in der Menschen weißer und schwarzer Hautfarbe gleichberechtigt und in Freundschaft zusammenlebten - so wie die Männer und Frauen in Abners Hope.

Bedauern mischte sich in Irenes Gedanken. Bedauern darüber, Abners Hope und den Freunden, insbesondere Martin und Urilla Bauer, den Rücken zugekehrt zu haben.

Aber Irene und Jacob mußten weiter, jeder aus seinem eigenen persönlichen Grund.

Jacob war nach Amerika gefahren, um seinen Vater und seine Geschwister wiederzufinden, die er auf dem Anwesen seines Onkels Nathan Berger in Texas vermutete.

Und Irene wollte zu den Goldfeldern Kaliforniens, zu Carl Dilger, Jamies Vater.

Dort wollte Jacob sie abliefern, bevor er seine Reise nach Texas fortsetzte. In Fogerty hofften sie eine Schiffspassage nach Süden zu finden.

Aber als der Planwagen, auf die Stadt zurollte, schwand die Hoffnung der deutschen Auswanderer auf eine schnelle Schiffsverbindung nach Kalifornien.

Fogerty, obwohl keine besonders große Stadt, verfügte zwar über richtige Häuser - einige sogar aus Stein - mit Fenstern aus richtigem Glas, aber um den Ort herum zog sich ein ziemlich kruder Kranz von windschiefen Bretterhütten, Zelten oder einfachen Unterständen aus aufgespannten Decken. Eine aus dem Boden gestampfte Siedlung, die nur auf kurze Zeit angelegt war.

»Was hat das zu bedeuten?« fragte Irene, als ihr Planwagen langsam zwischen Zelten und Hütten hindurchfuhr. »Dagegen ist Abners Hope ja New York City!«

»Keine Ahnung«, brummte Jacob. »Sieht aus, als seien die Menschen auf der Flucht.«

Sie waren nicht auf der Flucht, sondern auf der Jagd. Das erfuhren die beiden Deutschen von einer Frau, deren Kind fast unter die Hufe der Zugpferde geraden wäre.

Der kleine, vielleicht fünf- oder sechsjährige Junge lief plötzlich hinter einer wackligen Hütte hervor und sprang auf die Fahrbahn, ohne auf den Planwagen zu achten. Er war ganz damit beschäftigt, ein schwarzweißes Tier zu jagen, das aber glücklich in dem engen Spalt zwischen zwei Hütten auf der anderen Straßenseite verschwand.

Irene schrie auf, als der Junge mitten auf der unbefestigten Fahrbahn einfach stehenblieb.

Jacob reagierte sofort. Er riß an den Zügeln, rief den Pferden das Haltekommando zu und zog die Bremse so abrupt an, daß der Wagen ins Schlingern geriet.

Die beiden vorderen Zugpferde hielten keine zwei Yards vor dem kleinen Jungen an.

»Puh«, machte Irene und ließ den vordersten der HickoryBögen los, über den die große Segeltuchplane gespannt war; sie hatte sich instinktiv daran geklammert, als der Wagen ins Schlingern geriet. »Das war denkbar knapp.«

Die junge Deutsche wischte dicke Schweißtropfen von ihrer Stirn, als aufgeregtes Geschrei von hinten an ihren Ohren drang.

»Das ist Jamie«, erkannte Jacob sofort, fast wie ein besorgter Vater. »Du solltest nach ihm sehen, Irene.«

Sie nickte und seufzte:

»Das Schlingern hat ihn aufgeweckt - und gerade hatte ich ihn in den Schlaf gesungen.«

»Macht doch nichts«, grinste Jacob. »Dann singst du halt noch einmal. Jamie und ich hören es gern!«

»So muß es wohl sein«, sagte Irene, warf dem großen, breitschultrigen Mann mit dem sandfarbenen Haar und dem offenen Gesicht einen warmen Blick zu und verschwand wieder unter der Plane.