157997.fb2 Blockadebrecher - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 5

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Zur selben Sekunde lief eine andere Frau auf die Fahrbahn, stellte sich neben dem kleinen Jungen mit in die Hüften gestemmten Händen auf und sagte laut zu Jacob:

»Sind Sie verrückt, Fremder? Fast hätten Sie meinen kleinen Timmy überfahren. Er hätte tot sein können. Passen Sie gefälligst besser auf!«

Das verschlug dem Auswanderer, der sich keiner Schuld bewußt war, die Sprache. Während er nach Worten suchte, betrachtete er die Frau.

Sie war klein und stämmig. Selbst das weitgeschnittene Kleid aus grobem Leinen konnte ihren starken Körperbau nicht verbergen. Unter einer unförmigen Wollmütze lugte struppiges Haar in einer Farbe hervor, die keine war. Beim besten Willen hätte Jacob nicht zu sagen vermocht, ob er das Haar dunkelgrau, hellbraun oder sonstwie nennen sollte.

»Wollen Sie sich nicht mal entschuldigen, Mister?« keifte die Frau weiter. »Die Witwe O'Faolain ist es nicht gewohnt, daß man sie derart mißachtet!«

Eine Irin! dachte Jacob und bereitete sich auf das Schlimmste vor. Seit er in New York City an Land gegangen war, hatte er mehrere Zusammenstöße mit den hitzköpfigen Leuten aus Irland gehabt, und fast alle waren ihm in schlechter Erinnerung geblieben.

Kaum war er mit diesem Gedanken zu Ende, als das Verhängnis auch schon in Gestalt zweier Kleiderschränke von Männern durch den Schlamm auf den Planwagen zustapften.

Sie waren vielleicht nicht ganz so groß wie der hünenhafte Deutsche, aber dafür fast doppelt so breit. Ihre groben, düsteren Gesichter versprachen nichts Gutes. Aber am erstaunlichsten fand Jacob, daß sich die Kerle ähnlicher waren als ein Ei dem anderen.

»Was ist hier los, Katie?« fragte einer der beiden noch recht jungen Burschen mit einer seltsam hohen Stimme.

»Dieser unverschämte Kerl hätte fast Timmy überfahren und hält es nicht mal für nötig, sich zu entschuldigen.«

Der Kleiderschrank, der eben gesprochen hatte, wandte sich dem Planwagen zu und meinte:

»Das ist aber ziemlich unhöflich, Mister. Wir Connors und O'Faolains mögen nur einfache Leute sein, aber Höflichkeit wird bei uns großgeschrieben.«

Die beiden Burschen ballten ihre Fäuste, die fast die Größe kleiner Schnapsfässer erreichten.

»Wenn Sie Höflichkeit tatsächlich so großschreiben, sollten Sie sich bei Jacob bedanken«, sagte eine Stimme hinter dem Deutschen. Es war Irene, die mit Jamie im Arm auf den Bock stieg.

»Ich höre wohl nicht richtig!« schnaubte die Witwe O'Faolain und hielt demonstrativ die Rechte hinter ihr unter der Wollmütze verborgenes Ohr. »Soll ich mich bei dem Kerl etwa dafür bedanken, daß er meinen Timmy fast unter die Räder genommen hätte?«

Irene schüttelte den Kopf.

»Nicht dafür, Ma'am. Sondern dafür, daß er den Wagen rechtzeitig angehalten hat!«

»Pah!« Es hätte nicht viel gefehlt, und die stämmige kleine Frau hätte in den Schlamm gespuckt. »Das war ja wohl seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Keiner hat ihn gezwungen, mit seinem Wagen wie ein Irrer durch die Stadt zu rasen.«

»Wie kommen Sie darauf, daß er wie ein Irrer gerast ist?« erkundigte sich Irene mit mühsam aufrechterhaltener Höflichkeit.

»Sonst wäre es wohl kaum beinah zu einem Unglück gekommen!«

»Sie irren sich!« verkündete Irene fest und löste damit offene Empörung auf dem breiten Gesicht der Irin aus.

Die Deutsche ließ sich dadurch nicht beirren und fuhr fort:

»Nicht Jacob trägt die Schuld an dem Unglück, das sich fast ereignet hätte, sondern ganz allein Ihr Sohn. Unser Wagen konnte kaum langsamer fahren. Aber Ihr Junge lief einfach mitten auf die Straße, ohne nach rechts oder links zu sehen. Er hat irgendein Tier verfolgt. Wir haben so scharf gebremst, daß fast der Wagen umgestürzt wäre. Und dabei hätte mein Sohn leicht zu Tode kommen können!«

Bei den letzten Worten blickte Irene zärtlich auf den kleinen Jamie, der so in dicke Decken eingemummelt war, daß nur sein winziges Gesicht herausschaute.

Der noch nicht mal ein Jahr alte Junge schien den Disput interessant zu finden und hatte das Plärren eingestellt. Als könne er dem Streit der Erwachsenen folgen, blickte er sie mit großen Augen an.

Die Witwe O'Faolain folgte Irenes Ausführungen erst mit wachsendem Unmut. Aber als die Deutsche das Tier erwähnte, dem der kleine Timmy nachgelaufen war, schlug die Stimmung seiner Mutter um. Plötzlich blickte sie ihren Sohn streng an und fragte:

»Stimmt das, Timmy? Hast du wieder ein Tier gejagt?«

Der Kleine nickte schüchtern, mehr nicht.

»Das könnte wirklich sein, Katie«, meinte einer der Kleiderschränke. Derselbe, der eben schon gesprochen hatte. »Vorhin hat Timmy hinter der Hütte mit einem Skunk gespielt. Ich habe ihm gesagt, er soll die Finger von ihm lassen.«

»Ein Stinktier?« fragte die Irin ungläubig und blickte dann streng auf ihren Sohn hinab. »Hast du das Stinktier verfolgt, als du auf die Straße gerannt bist, Timmy?«

Wieder bestand seine einzige Antwort nur in einem knappen Nicken.

Als die Witwe O'Faolain wieder zu den beiden Deutschen auf dem Wagen schaute, war alle abweisende Strenge aus ihren herben Zügen verschwunden.

»Sie haben wohl recht, ich muß mich bei Ihnen für meine Unhöflichkeit entschuldigen. Was ich hiermit tue. Ich hätte mich erst erkundigen müssen, was vorgefallen ist.«

Sie drückte ihren Sohn fest an sich.

»Aber die Angst um Timmy hat mich mitgerissen. Nach dem Tod seines Vaters im Winter ist er alles, was ich noch habe.«

Sie sah zu den beiden Kleiderschränken.

»Und meine Brüder natürlich, Bartly und Gypo Connor.«

Die beiden nickten knapp bei der Nennung ihrer Namen. Bartly war der Gesprächigere von ihnen.

»Ich entschuldige mich auch für meinen Sohn Timmy, daß er Ihnen solche Ungelegenheiten bereitet hat«, fuhr die Witwe O'Faolain fort. »Er hat es bestimmt nicht mit Absicht getan. Aber er ist einfach verrückt nach kleinen Tieren.«

»Das glaube ich«, nickte Jacob und sah zu dem verschüchtert wirkenden Kind hinab. »Er ist immer noch ganz sprachlos vor Schreck.«

»Das liegt nicht daran«, erwiderte die Irin mit düsterem Gesicht. »Timmy hat seit dem Tag nicht mehr gesprochen, als er mit ansehen mußte, wie sein Vater von einem Grizzly getötet wurde.«

»Von einem Grizzly?« echote Jacob und dachte an seine eigene Begegnung mit einem beeindruckenden Exemplar des Grauen Bären im Tal der geheimnisvollen Indianer.

Die Witwe nickte schwer und seufzte:

»Ja, es war mitten im tiefsten Winter. Aber der Grizzly hatte wohl vergessen, daß er seinen Winterschlaf halten mußte. Oder etwas hatte ihn aufgeschreckt. Jedenfalls trieb er sich ganz nah bei unserer Farm herum und griff Timmy an, als er Feuerholz ins Haus holen wollte. Mein Mann Timothy, der Herr nehme sich seiner an, hackte gerade das Feuerholz in Stücke. Er sprang mit der Axt dazwischen, aber der Bär machte ihn nieder. Als Bartly und Gypo mit ihren Gewehren aus dem Haus liefen, war es schon zu spät für meinen Mann.«

Bei den letzten Worten bekreuzigte sie sich. Tränen standen in ihren Augen.

»Wir haben dem Grizzly ordentlich was aufs Fell gebrannt«, nickte Bartly Connor. »Aber der Riese war so stark, daß er trotzdem weglaufen konnte. Erst am nächsten Tag haben Gypo und ich ihn im Wald gefunden, kurz vor dem verenden. Wir haben ihm den Rest gegeben.« Er grinste. »Katie hat jetzt eine schöne warme Decke aus gutem Bärenfell.«

»Das alles tut mir sehr leid«, sagte Jacob.

Katie O'Faolain zwang sich zu einem Lächeln und erwiderte:

»Sie können nichts dafür, Mister. Es ist dieses verfluchte Land. Drei Winter hintereinander hatten wir nichts als Unglück. Erst fraßen ausgehungerte Wölfe fast unser ganzes Vieh. Dann starb Timmys kleine Schwester kurz nach ihrer Geburt am Fieber. Und jetzt mein Mann!«

Die Witwe O'Faolain schüttelte heftig den Kopf und meinte dann: