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Bremers Männer führten die Anordnung aus.
Cyrus Stanford erhob sich unter Schmerzen und nahm seinen Revolver an sich. Mit der Waffe in der Faust trat er auf den gefesselten Jacob zu und drückte die Mündung gegen seine Stirn.
»Ich habe mit dir genug Ärger gehabt, Dutch. Jetzt schicke ich dich zur Hölle!«
Etwas Hartes bohrte sich in den Rücken des Steuermanns. Es war die sechsfache Mündung von Louis Bremers Pepperbox-Revolver.
»Wenn du das tust, Stanford, schicke ich dich gleich hinterher!« warnte Bremer den Steuermann.
Die Augen in Stanfords dämonischem Gesicht funkelten den Mann mit der Pepperbox böse an.
»Warum lassen Sie mich den Kerl nicht umlegen, Bremer? Er macht doch nur Ärger!«
»Weil der Hai ihn lebend haben will«, erwiderte der kleine Mann. »Und der Hai macht ebenso wenig Scherze wie ich.«
Widerwillig senkte der Steuermann seine Waffe. Man sah ihm die Überwindung an, die es ihn kostete.
»Also gut«, sagte er und bedachte Jacob mit einem grimmigen Blick. »Aber freu dich nicht zu früh, Dutch. Meine Stunde kommt noch!«
Bremer ließ die beiden Gefangenen hinter einen Kistenstapel bringen. Zwei seiner Männer erhielten den Auftrag, sie gut zu bewachen.
Die übrigen verließen mit ihrem rattengesichtigen Boß den Schuppen.
Sie schlossen das Tor, so daß es fast vollkommen dunkel war. Nur durch ein Fenster, das ihnen verborgen war, drang ein diffuser Lichtschimmer ein.
Er genügte, daß Jacob und Elihu einander in die Augen sehen konnten. Jeder erblickte dasselbe: Wut und Scham darüber, wie sie Bremer in die Falle gegangen waren.
*
»Auftrag ausgeführt, Henry«, meldete Bremer in Henry Blacks Büro. »Die beiden Fische zappeln in unserem Netz. Es ging fast zu einfach.«
»Und wo ist dieser Jacob Adler?« fragte der massige Geschäftsführer des Golden Crown.
»Zusammen mit seinem Kumpel im Lagerschuppen. Hübsch verschnürt und gut bewacht natürlich.«
»Das will ich hoffen«, schnaubte Black und sah an die Decke. »Würde ihn bestimmt nicht fröhlich stimmen, wenn ihm der Kerl wieder durch die Lappen geht.«
»Was will er nur von diesem jämmerlichen Auswanderer?«
Black hob die fleischigen Schultern und ließ sie wieder sinken.
»Keine Ahnung, Louis. Aber ich glaube, es handelt sich um eine alte Rechnung.« »Dann kann Adler doch keine so jämmerliche Figur sein«, fand Bremer. »Vor einem Mann, bei dem der Hai noch eine Rechnung offen hat, sollte man sich vorsehen.«
Black grunzte etwas Unverständliches und stand auf.
»Ich werde dem Hai sagen, daß wir Adler haben. Vielleicht erfahre ich dann, worum es geht.«
»Gut«, nickte Louis. »Ich warte hier solange. Für den Fall, daß ich Adler herschaffen soll.«
Ein erneutes Grunzen deutete Bremer als Zustimmung des Geschäftsführers.
Kaum hatte Black sein Büro verlassen, ging der kleine Mann um den Schreibtisch, zog eine der Schubladen auf und schenkte sich von Blacks edlem Brandy ein.
Louis Bremer fand, daß er sich diese kleine Belohnung verdient hatte.
Die beiden Wachen, die Louis Bremer im Lagerschuppen zurückgelassen hatte, nannten sich gegenseitig Ed und Tom. Sie hockten auf Holzkisten und unterhielten sich über Whiskey und Weiber, ohne groß auf die Gefangenen zu achten.
Weshalb auch?
Jacob und Elihu stellten keine Gefahr dar. Sie waren entwaffnet und so fest verschnürt, daß sie kaum die Finger rühren konnten. Und mit einer anderen Gefahr rechneten die Wächter nicht.
Der Auswanderer betrachtete ihre groben Gesichter und glaubte sich wenigstens an eins von ihnen zu erinnern. Der Kerl namens Ed gehörte zu den Männern, die Irene und ihn in der Sackgasse überfallen hatten.
Deshalb fragte Jacob ihn nach dem Verbleib von Mutter und Kind.
»Halt's Maul!« lautete die unfreundliche Antwort, die Ed mit einem schmerzhaften Tritt in Jacobs Bauch begleitete.
Der junge Deutsche stöhnte auf und krümmte sich vor Schmerz zusammen.
Als Elihu den brutalen Mann mit einem saftigen Seemannsfluch bedenken wollte, hielt Jacob den Freund mit einem warnenden Blick und einem Kopfschütteln zurück. Es würde doch nichts einbringen außer weiteren Mißhandlungen.
Sie waren etwa eine Viertelstunde in dem Schuppen, als das Tor geöffnet wurde. Ein leises Quietschen und das hereinfallende Licht weckten die Aufmerksamkeit der vier Männer.
»Das wird Louis sein«, sagte Ed. »Sieht so aus, als will der Hai diesen Mistkerl sehen.«
Damit meinte er Jacob, wie sein Blick verriet.
»Schön, daß es so schnell geht«, fand Tom. »Ich habe schon befürchtet, wir müßten die ganze Nacht hier verbringen. Möchte viel lieber an die Bar und meine trockene Kehle befeuchten.«
»Gute Idee«, lachte Ed. »Und hinterher schnappen wir uns zwei süße Tanzmäuse.«
»Ja«, lachte auch Tom. »Aber tanzen werde ich nur mit dem Unterleib!«
Sie hörten die näherkommenden Schritte mehrerer Männer und starrten ihnen entgegen. Doch die Eintretenden hatten das Tor wieder hinter sich geschlossen. Die Schatten der Kisten-und Fässerstapel verschluckten ihre Gestalten.
»He, warum habt ihr keine Laterne mitgebracht?« rief Ed. »Ist verdammt duster hier.«
Er erhielt keine Antwort und keifte:
»Habt es wohl nicht nötig, mit jedem zu reden, wie?«
Endlich erhielt er eine Antwort. Aber eine, mit der er nicht gerechnet hatte.
Etwas krachte hart gegen seinen Hinterkopf und schleuderte ihn von der Holzkiste. Vor den Füßen seines Kameraden brach er zusammen.
Die schlanke Gestalt, die ihn angefallen hatte, hielt eine seltsame Waffe in der Hand: zwei schwere Holzstäbe, die durch eine kurze Kette miteinander verbunden waren.