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Deshalb hatten Panik und Wut Bremer erfaßt, als das Petroleumfaß außer Kontrolle geriet.

Aber jetzt war er mit der Welt und seinen achtlosen Männern wieder versöhnt. Niemand in den belebten, nur einen Steinwurf entfernten Straßen schien das Unglück bemerkt zu haben. Der Lärm der Nachtschwärmer übertönte das Splittern des Holzes.

Die Männer rollten die Fässer durch den Dreck und verteilten sie rund um das Lagerhaus. Dann holten sie langstielige Äxte von den Wagen und schlugen auf die Fässer ein, bis sie zersprangen und ihren streng riechenden Inhalt über das knochentrockene Holz der Wände ergossen.

»Puh, stinkt zum Himmel!« sagte einer der zum Wagen zurückkommenden Männer. Seine Stimme klang seltsam hoch, weil er mit einer Hand seine Nase zudrückte.

»Ich finde den Geruch sehr angenehm«, lächelte der kleinste der acht Männer, ihr Anführer.

Louis Bremer zog eine zerknickte Zigarre aus einer Tasche des abgetragenen Anzugs, strich sie glatt, biß ein Ende ab, spuckte es in den Schmutz und steckte den dicken braunen Stab aus gerollten Tabaksblättern zwischen seine dünnen blassen Lippen. Ein Zündholz folgte. Er riß es am Wagenkasten an und setzte die Zigarre in Brand. Mit einer gleichgültig wirkenden Bewegung schleuderte er das Zündholz in Richtung Lagerhaus.

Die Folge war ebenso beeindruckend wie verheerend - und war dem kleinen Mann ganz und gar nicht gleichgültig.

Sofort fing das ausgelaufene Petroleum Feuer. Die Flammen fraßen sich zu beiden Seiten um das große alte Gebäude herum. Sie hatten ihren heißen Kreis noch nicht geschlossen, da leckten sie bereits bis zum Dach am trockenen Holz der Wände hoch. So gierig dieses Holz eben noch das Petroleum aufgesaugt hatte, so gierig verschlang das hungrige Feuer jetzt die Wände.

Binnen Sekunden stand das ganze Gebäude in Flammen und schien mit seiner lebendig flackernden Helligkeit die mattschimmernden Papierlaternen in den Straßen Chinatowns verhöhnen zu wollen.

Der Flammenschein fiel auf Bremers Rattengesicht und enthüllte tiefe Zufriedenheit an der Erfüllung seiner Aufgabe.

Mehr noch zeichnete sich auf dem abstoßenden Antlitz ab: die Freude an der Zerstörung, die er mit seinen Kumpanen anrichtete. Sie entsprach Bremers Charakter. Das Leid anderer Menschen war sein Vergnügen.

In der alten Heimat, in Deutschland, war der ehemalige Schustergeselle immer gehänselt worden. Weil er so klein war, so unansehnlich und in seinem Beruf so ungeschickt. Ein älterer Geselle zog ihn so sehr auf, daß Bremer in der Wut mit dem Krummesser auf ihn einhieb. Er traf die Halsschlagader. Das Blut spritzte nur so aus dem anderen heraus. So schnell wie der rote Saft verließ ihn auch sein Leben.

Und Louis Bremer, der damals noch Ludwig Großmann (was war er wegen seines Namens verspottet worden!) hieß, war ein gesuchter Mörder. Er floh, und zwar auf ein Auswandererschiff, was nahelag, da er in Bremen lebte. Er gab sich den neuen Namen Louis Bremer und beschloß, sich nie mehr verspotten zu lassen.

Genauso rücksichtslos, wie die Menschen bisher gegen ihn gewesen waren, wollte er gegen andere sein. Und er war es. Durch Betrug, Diebstahl, Raub und Mord (das Krummmesser hatte er immer noch) schuf er sich einen Platz in der Neuen Welt.

Hier in Frisco geriet er ins Sogwasser des Hais, wie alle deutschstämmigen Amerikaner, die in dieser Stadt im Trüben fischten. Der Hai scharte sie um sich. Er baute sich mit reichen Belohnungen und drakonischen Strafen eine Armee der gemeinsten Kerle auf, die San Francisco je gesehen hatte.

Schweren Herzens riß Bremer sich von dem Anblick des verbrennenden Lagerhauses los. Aber es mußte sein. Aufgeregtes Geschrei aus den Straßen Chinatowns ließ keinen Zweifel daran, daß die Flammen bemerkt worden waren.

Die Flammen, die vom Wind direkt zur Chinesenstadt getrieben wurden. Schon griffen sie auf die angrenzenden Lagerhäuser über, fraßen sich Sekunde um Sekunde, Zoll um Zoll an das unbeschwerte Nachtleben heran.

»Auf die Pferde!« rief Bremer seinen Männern halblaut zu und schwang sich neben Winkler auf den Kutschbock.

Eichen-Al starrte ebenfalls fasziniert in die züngelnden Flammen, deren Hitze den acht Männern Schweißperlen auf die Stirnen trieben.

Bis Bremer ihn anfuhr:

»Lös endlich die Bremse, Al! Oder willst du zusammen mit den verfluchten Schlitzaugen in der Hölle schmoren?«

Winkler gehorchte, trieb die Pferde an und wendete den Wagen. Mit einiger Mühe. Das Feuer machte die Tiere unruhig, panisch. Sie wieherten und wußten nicht, in welche Richtung sie laufen sollten.

Eichen-Ais Peitsche durchschnitt pfeifend die Luft, klatschte schmerzhaft auf die Pferderücken und machten den Tieren klar, daß sie nicht nur vom knisternden Flammenfraß Böses zu erwarten hatten.

Endlich gehorchten die schwerfälligen Zugtiere, und der Wagen folgte den Reitern, die ein Stück voraus schon mit der Dunkelheit verschmolzen wären, wären nicht das hochauflodernde Feuer und der dagegen fast verblassende Schein der vorn am Wagen hängenden Blendlaterne gewesen.

Als die sechs Reiter feststellten, daß der Wagen zurückblieb, zügelten sie den Drang ihrer Pferde, die unheimliche Brandstätte möglichst schnell hinter sich zu lassen. Der jetzt leere und deshalb schnellere Wagen schloß zu ihnen auf.

Bremer zeigte auf eine kleine, völlig düstere Straße zur Rechten.

»Da hinein!«

»Warum?« fragte der vollbärtige Charley Wagner, der auf dem Rücken eines klobigen Braunen saß.

»Weil ich mir den Spaß nicht entgehen lassen möchte, dabei zuzusehen, wie die Langzöpfe vergebens ihre verlauste Stadt zu retten versuchen.«

Kaum waren Wagen und Pferde in der düsteren, unbelebten Gasse verschwunden, da sprang Bremer auch schon vom Bock und eilte zu der größeren Straße zurück.

Die Helligkeit des Feuers sorgte dafür, daß er einen guten Blick auf das Inferno hatte. Fünf oder sechs Gebäude standen bereits in Flammen. Und obwohl mindestes hundert bis hundertfünfzig Chinesen am Unglücksort waren, konnten sie nichts ändern.

Sie hatten eine Löschkette gebildet. Wassereimer um Wassereimer wanderte schnell von Hand zu Hand und ergoß seinen Inhalt in die Flammen. Doch ebensogut hätten die Bewohner von Chinatown statt Wasser weiteres Petroleum vergießen können. Das alte, trockene Holz und der die Flammen immer weiter treibende Wind waren zu starke Gegner.

»Sieht prächtig aus«, grinste Eichen-Al, der neben Bremer getreten war und geschäftig auf einem Priem herumkaute. »Der Hai hätte mit der Geschichte noch 'n bißchen warten sollen, und es hätte ein erstklassiges Osterfeuer gegeben. Ganz Frisco wäre...«

Er brach ab, als ein lautes Bimmeln durch die Nacht hallte. Es wurde schnell lauter und vervielfachte sich zugleich.

Bremer und Winkler starrten sich betreten an. Beide wußten, was das bedeutete. Aber sie konnten es nicht glauben.

»Feuerwehr rückt an!« stieß Bremer schließlich die unangenehme Erkenntnis aus. Doch sein spitzes Gesicht drückte weiterhin Unglauben aus. »Hört sich an wie mehrere Kompanien. Aber wie kann das sein? So schnell waren die Dreckskerle noch nie am Brandort!«

Winkler wollte etwas erwidern, aber der Mann mit der speckigen Melone brachte ihn durch eine Handbewegung zum Verstummen. Man konnte fast sehen, wie Bremer seine Ohren spitzte.

Sie hörten es alle. Das schwere Läuten der Stadtglocke mischte sich in das hellere Bimmeln.

Die Klöppelschläge der Stadtglocke erfolgten in unterschiedlichen Abständen, aber nach kurzer Zeit hörte man ein Muster heraus. Fast eine Melodie. Was sie bedeutete, wußten die Männer oder ahnten es zumindest.

Bremer sprach es aus:

»Das ist der Code für Chinatown. Die Stadtglocke alarmiert die Feuerwehrkompanien und lenkt sie hierher. Aber warum, zum Teufel, haben wir die Glocken der Feuerspritzen schon vorher gehört?«

Er starrte in Gesichter, die genauso ratlos waren wie er selbst.

Doch bald bestand kein Zweifel mehr, daß das hellere Bimmeln tatsächlich von anrückenden Feuerspritzen rührte.

Zuerst sahen sie nur zwei tanzende Lichter auf der Straße. Es waren die Läufer, halbwüchsige Jungen, die mit Laternen in den Händen vorausliefen, um nach Schlaglöchern und anderen Hindernissen Ausschau zu halten.

Dann erblickten sie die Männer in ihren sauberen Uniformen mit blitzenden Helmen und doppelreihigen Knöpfen. Sie zogen und schoben ihre schwere Spritze mit bewundernswerter Geschwindigkeit über die unbefestigte Straße, auf der zuvor Bremer mit seinen Leuten nach Chinatown gekommen war.

»Knickerbocker Five!« spie Bremer verärgert aus, als er die Uniformen mit den weiten Knickerbockerhosen erkannte. »Die gottverdammten New Yorker sind mal wieder die ersten.«

Die Feuerwehrkompanie Knickerbocker Five rekrutierte sich überwiegend aus ehemaligen New Yorkern.

Noch auffälliger gekleidet waren die versnobten Angehörigen der nachfolgenden Kompanie High-Toned Twelve. In Lackstiefeln und langen Fräcken hasteten die wohlhabenden Männer dem Einsatzort entgegen, auf den Köpfen hohe schwarze Zylinderhüte.

Dann kamen die lauttönenden Franzosen der Kompanie Lafayette Hose. Ihr Geschrei klang in daran nicht gewöhnten Ohren wie Schlachtrufe von Austerlitz oder Waterloo:

»L'incendie, la! - Das Feuer, dort!«