158015.fb2 China-Queen - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 22

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Die Tür wurde aufgezogen, und das Gesicht eines Chinesen erschien.

Erst hielt Jacob ihn für Li Fu.

Aber das war eine Täuschung.

Dieses Gesicht hier war breiter und älter als das von Li Fu. Die doppelte Narbe auf der linken Wange fehlte. Dafür trug der Chinese einen Zopf, der unter seinem breiten Hut hervorschaute. Es war der Fahrer des Wagens.

»Kommen heraus, die Gentlemen«, lächelte der Chinese und machte mit dem Zeigefinger eine lockende Bewegung. Wie man ein verängstigtes Kind oder ein eingeschüchtertes Tier aus einer Ecke zu locken versuchte.

»Wo sind wir hier?« wollte Elihu von dem Chinesen wissen.

»Am Ziel«, lautete die sicher nicht falsche Antwort.

Jacob stieg aus. So würden sie am ehesten erfahren, wo sie waren. Der Harpunier folgte ihm.

Im ersten Augenblick schien sich der Hof, auf dem der Kastenwagen stand, nicht von dem Hof hinter dem Golden Crown zu unterscheiden.

Doch dann bemerkte Jacob, daß der Hof viel kleiner war. Die Papierlaternen, die ihn mit einem matten Schimmer überzogen, wirkten mit ihren unbekannten Zeichen exotisch. Nein, nicht exotisch, chinesisch!

»Ist das Chinatown?« fragte er den bärtigen Freund.

»Danach sieht es zumindest aus, Jake.«

Zwei nicht mehr ganz junge Frauen in einfachen Kitteln kamen aus dem Haus, schenkten den beiden Weißen kaum Beachtung und begannen damit, den Wagen zu entladen. Jede der Frauen lud einen großen Wäschehaufen auf ihre schmalen Schultern und verschwand damit wieder im Haus.

»Wir auch hineingehen«, lächelte der Fahrer des Wagens. »Der Herr sicher schon warten.«

Jacob und Elihu folgten dem Chinesen ins Haus.

»Hoffentlich bringt der Herr, wer immer er sein mag, endlich Licht ins Dunkel«, seufzte der Harpunier.

Der Fahrer führte sie durch die dampfgeschwängerte Hektik der Wäscherei, die ihre Arbeit auch in der Nacht nicht unterbrach. Zwischen brodelnden, zischenden Kesseln und geschäftig hin und her eilenden Männern und Frauen hindurch ging es über eine Wendeltreppe ins obere Stockwerk und hier in einen Raum, der sich völlig von der unten herrschenden Betriebsamkeit unterschied. Der Fahrer verbeugte sich leicht und verschwand, ehe Jacob und Elihu sich noch bei ihm bedanken konnten.

Der große Raum schien einer anderen Welt zu entstammen. Als seien die beiden Freunde über die Wendeltreppe direkt nach China gegangen.

Das mattrote Licht papierbespannter Lampions fiel auf Wandvorhänge mit Fabelwesen und Szenen aus der chinesischen Vergangenheit.

Auf mehreren winzigen Tischen brannten kleine Feuer in Gestellen, um auf den Gestellen sitzende Schälchen zu erhitzen. Eine stark und angenehm duftende, ölig schimmernde Flüssigkeit verdampfte langsam. Der Duft erfüllte den ganzen Raum.

Ein großer niedriger Tisch stand in der Mitte des Zimmers, um ihn herum niedrige Hocker. Auf einem Hocker saß ein Chinese in einem weiten hellblauen Gewand und trank Tee aus einer weiß-blauen Porzellanschale.

Der Mann hatte sein graues Haar hinten zu einem Zopf gebunden. Der graue Bart in seinem faltigen Gesicht lief in Verlängerung der Mundwinkel über das Kinn hinaus in zwei dünnen Spitzen aus.

Vergeblich versuchte Jacob, sein Alter zu schätzen. Vielleicht war der Chinese in den Fünfzigern, vielleicht auch schon in den Siebzigern.

Er stellte die Schale auf den Tisch und blickte den beiden Besuchern mit einem offenen Lächeln entgegen.

»Ich bin Sun Cheng und heiße Sie willkommen in meinem Haus.« Mit einladender Geste wies er auf den Tisch. »Setzen Sie sich und versuchen Sie den Jasminblütentee!«

»Was zu essen wäre mir lieber«, meinte Elihu, als er und Jacob sich auf die niedrigen Hocker setzten.

Sun Cheng blickte erstaunt auf.

»Oh, verzeihen Sie meine Gedankenlosigkeit. Ich werde gleich etwas auftragen lassen.«

Er wandte sich nach hinten und zog an einer von der Decke hängenden Kordel. Keine Minute später erschien ein junges Mädchen, ein halbes Kind noch, und nahm schweigend Sun Chengs auf chinesisch gesprochene Anweisungen entgegen.

Das Mädchen verbeugte sich tief und verschwand wieder.

»Das Essen kommt gleich«, versicherte Sun Cheng. »Kann ich sonst noch etwas für die Gentlemen tun?«

»In der Tat, Mr. Sun Cheng«, begann Jacob, wurde aber von dem Chinesen unterbrochen.

»Sun genügt.«

»Mr. Sun«, setzte der Deutsche noch einmal an. »Meinen Freund und mich interessiert natürlich brennend, was diese nächtliche Entführung zu bedeuten hat.«

»Ich würde es keine Entführung nennen, sondern eher eine Befreiung«, meinte der Chinese.

»Meinetwegen auch das. Warum haben Sie uns hergebracht, Mr. Sun?«

»Ich habe nur im Auftrag gehandelt.«

»In wessen Auftrag?« hakte Jacob nach.

»Mein Auftraggeber wird in etwa einer Stunde hier eintreffen und Ihnen alle Fragen beantworten. Jetzt genießen Sie Ihr Essen.«

Das Mädchen kam zurück und stellte ein riesiges Tablett mit mehreren dampfenden Schüsseln auf den Tisch. Es gab eine Kohlsuppe, einen Riesentopf Reis, eine in den Augen der beiden unfreiwilligen Gäste nicht ganz appetitliche Schale mit Fischköpfen und Seetang sowie sehr lecker zubereitetes Fleisch, das in einer bräunlichen Soße schwamm.

Der Harpunier sprach dem Fleisch besonders zu und sagte, als er gerade einen großen Bissen zerkaut hatte:

»Das Fleisch ist ganz hervorragend, Mr. Sun. Von welchem Tier stammt es?«

»Es ist Schlangenfleisch«, lächelte der Chinese.

Mit offenem Mund starrte Elihu ihn an. Dann griff er hastig nach der Serviette und hustete das noch nicht hinuntergeschluckte Fleisch hinein.

Jacob grinste und schob sich ein großes Fleischstück in den Mund.

»Das ist Schlange«, keuchte der Seemann und blickte den Auswanderer verständnislos an. »Warum ißt du das?«

»Weil es mir schmeckt.«

Der Chinese stand auf und sagte:

»Ich muß Sie leider allein lassen. Ich habe noch zu tun. Soll ich Ihnen anderes Fleisch bringen lassen, Mr. Brown?«

»Nein, danke«, winkte der Seemann ab und sah angewidert auf den Fleischtopf. »Ich bin weitgehend gesättigt.«