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»Ich suche jemanden.«
Das Gesicht des Keepers verfinsterte sich.
»Und trinken wollen Sie nichts?«
»Doch, natürlich«, sagte der Deutsche schnell. »Ein Bier, bitte.«
Als der Keeper das große Glas mit dem gelben, schäumenden Inhalt auf die Theke setzte, sagte der neue Gast: »Vielleicht können Sie mir helfen, Sir. Hier soll es einen Mr. Dana geben.«
»Claude Dana?«
»Ja, so heißt er. Ich würde ihn gern sprechen. Ist er hier?«
»Ich weiß es nicht«, sagte der Keeper mit unbewegtem Gesicht. »Ich werde mich erkundigen.«
Der Keeper ging zum anderen Ende der Theke, wo Molly Reynolds das Lokal mit ihrem Lachen erfüllte. Offenbar hatte einer der Männer, die sie umstanden, gerade einen umwerfenden Witz erzählt. Es war allgemein bekannt, daß Molly für anzügliche Witze sehr empfänglich war.
»Molly«, sagte der Keeper. »Da ist einer, der Claude Dana sprechen will.«
Sofort erstarb das schrille Lachen der unglaublich fetten Frau. Ihr Gesicht wurde ernst, als sie sich dem Keeper zuwandte und fragte: »Wer?«
»Der da hinten.« Der Keeper zeigte auf den neuen Gast. »Der so lustlos an seinem Bier nippt. Scheint ein Dutch zu sein.«
»Frag ihn nach seinem Namen«, ordnete Molly an. »Dann gehst du zu Dana und sagst ihm den Namen. Soll Dana doch selbst entscheiden, ob er mit ihm sprechen will. Ah, da kommt er ja!«
Gerade betraten Dana, Mulholland und Laverty den großen Saloon.
»Right.«
Der Keeper nickte, ging zurück zu dem neuen Gast und fragte ihn nach dem Namen.
Der untersetzte Mann zögerte kurz und sagte dann: »Ich heiße Franz Pape.«
»Ich frage Mr. Dana, ob er sie sprechen will.«
*
Als Claude Dana sein Büro betrat, blickte der Mann, den alle nur den Hai von Frisco nannten, auf und fragte: »Gibt es Neuigkeiten von diesem Journalisten, Claude? Haben Sie ihn endlich zum Reden gebracht?«
»Nein, leider nicht, Sir. Er ist ein zäher Brocken. Mancher andere hätte bei dieser Behandlung gesungen wie Lola Montez. Aber dieser Harte hielt so lange durch, bis er ohnmächtig wurde. Wenn er wieder bei Sinnen ist, beschäftigen wir uns weiter mit ihm.«
Das Gesicht des Hais wurde düster, wirkte auf einen Schlag hart und grausam.
»Warum stören Sie mich dann?«
»Weil ich andere Neuigkeiten habe, die wichtig sein könnten. Sagt Ihnen der Name Midas Lode etwas?«
»Natürlich. Das ist die unglaublich ergiebige Goldader drüben am San Joaquin River. Man sagt, je mehr Gold man dort fördert, desto mehr kommt zum Vorschein. Deshalb hat man sie nach dem sagenhaften König Midas benannt, dessen Berührung alles in Gold verwandelt hat. Mit dem Gold könnte ich alle Verluste, die ich durch die Aufgabe des Golden Crown erlitten habe, auf einen Schlag ausgleichen. Ich wünschte, die Midas Lode gehörte mir.«
»Das kann schon bald der Fall sein«, verkündete Dana zur Verblüffung des Hais. »Draußen ist ein Kerl, ein Deutscher, der die Besitzurkunde für die Mine hat.«
»Was?«
Die Hand des Hais schlug mit solcher Macht auf die Schreibtischklappe, daß sogar Buster zusammenzuckte, der bislang ungerührt neben der Tür gestanden hatte.
Dana fuhr fort: »Der Mann hat nur ein Problem: Die Urkunde lautet nicht auf seinen Namen. Deshalb ist er hier. Er hat gehört, daß ich im Red Whale bin und viele Dinge vermitteln kann. Er sucht einen Mann, der eine neue Urkunde für ihn anfertigt, eine Fälschung, die nicht zu erkennen ist, mit seinem Namen natürlich.« »Das läßt sich machen.« Der Hai grinste. »Allerdings sollten wir die neue Urkunde auf einen Mann unseres Vertrauens ausstellen.«
Dana nickte.
»Allerdings. Ich werde alles veranlassen. Was machen wir mit dem Trottel da draußen? In die Bucht?«
»Im Augenblick noch nicht«, entschied der Hai. »Wir könnten ihn noch brachen. Sperrt ihn einstweilen zu dem Journalisten, sobald ihr ihm die Urkunde abgenommen habt. Oder trägt er sie nicht bei sich?«
»Doch. Er scheint sich keine Sekunde von ihr trennen zu können. Ich durfte nur einen kurzen Blick darauf werden.«
»Würde mich interessieren, wie er darangekommen ist«, murmelte der Hai. »Wie heißt der Kerl überhaupt?«
»Pape.«
»Das sagt mir nichts. Und der wirkliche Besitzer der Midas Lode?«
»Das ist laut der Urkunde ein gewisser Dilger.«
Der Hai riß die Augen auf und fragte erregt: »Wie war der Name?«
»Dilger. Carl Dilger.«
»Verdammt«, zischte der Hai. »Das riecht nach einer Falle!«
Dana blickte ihn verständnislos an.
*
Ungefähr eine Stunde nach Franz Pape betraten Jacob Adler und Mark Twain das Red Whale.
Der atemberaubende Dunst der vielen Menschen verursachte bei dem Journalisten einen Hustenreiz. Nachdem er ihn überwunden hatte, sagte Twain: »Ein mieser Schuppen, aber nichts Besonderes. Barbary Coast quillt geradezu über von solchen gastlichen Orten.«
»Falls der Hai hier seine Finger im Spiel hat, wird er es sicher nicht an die Eingangstür schreiben«, erwiderte Jacob. »Und ob es so ist, das finden wir heute abend vielleicht heraus.«
»Wahr gesprochen, mein Freund.« Twain klopfte auf die rechte Außentasche seiner Jacke, die von seinem Sechsunddreißiger ausgebeult wurde. »Jedenfalls bin ich froh, daß ich nicht nur Sie, sondern auch meinen sechsschüssigen Gefährten an meiner Seite weiß.«
»Kann ich verstehen«, sagte Jacob, der ebenfalls bewaffnet war. Als er zu dem Treffen mit Twain aufbrach, hatte er seine beiden Revolver eingesteckt.
Scheinbar gelassen schlenderten sie zur Bar. Jacob bestellte ein Bier und Twain einen Brandy.
»Einiges los hier heute abend«, bemerkte der Journalist, als der schiefgesichtige Keeper die Getränke brachte. »Ist das jeden Abend so?«