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»Wenn ihr nicht vorher drauf geht«, erwiderte Jacob mit einem Blick auf Skinnys Leiche. »Wieviel haben Sie Hoss und Skinny für die Mordarbeit bezahlt, Harper?«
Der Mann im dunklen Dreiteiler grinste Jacob mitleidig an.
»Gar nichts. Sie sind freiwillig mitgekommen. Sie haben einen eigenen Grund für Ihre Rache. Genau genommen bist du der Grund, Dutch. Du hast nämlich ihren Bruder getötet.«
»Ihren Bruder?«
»Yeah. Tom Bidwell war ihr Bruder. Ihr Halbbruder. Drei verschiedene Mütter, aber derselbe Vater.«
»Soll vorkommen«, murmelte Jacob und dachte daran, wie wenig sich die drei Halbbrüder ähnelten. »Etwas möchte ich noch gern wissen, Harper. Was ist mit diesem Phantom?«
Jed Harper zog die Stirn in Falten.
»Was für ein Phantom, Dutch?«
»Das Phantom der Rocky Mountains. Wir haben seine Pfeile gefunden. Sie steckten in einem Berglöwen, der meinen Freund angegriffen hat.«
Harper schüttelte den Kopf.
»Erzähl keine Ammenmärchen, Mann! Ich weiß weder etwas von einem Phantom, noch von Pfeilen oder einem Berglöwen.«
»Genug gequatscht jetzt!« stieß Hoss hervor, und der schwere Walker-Colt in seiner Rechten zitterte ebenso sehr wie die weit herunterhängenden Enden seines schwarzen Schnauzbartes. Es hatte ihn schwer getroffen, jetzt auch noch den zweiten Bruder verloren zu haben. »Machen wir Schluß mit diesen Grashackern, Jed! Sonst kommen ihre Freunde im Canyon noch auf dumme Gedanken!«
Der Mann im Dreiteiler nickte.
»Du hast recht, Hoss. Wir...«
Seine weiteren Worte erstarben in einem gurgelnden Laut. Ungläubig starrten seine weit aufgerissenen Augen auf den Pfeil der tief in seine Brust gefahren war. Der Schaft war mit gelben Schlangenlinien bemalt, und an seinem Ende steckten drei Adlerfedern. Harper ließ die Revolver fallen und ging dann selbst zu Boden.
Hoss feuerte. Aber nicht auf die Auswanderer, sondern auf jemand hinter ihnen. Er konnte nur einen Schuß abgeben. Dann durchschlug ein zweiter Pfeil seine Kehle und brachte den Riesen zu Fall.
*
Jacob und seine Gefährten brauchten nur wenige Sekunden, bis sie sich von der Überraschung erholt hatten und herumfuhren.
Etwa dreißig Yards hinter ihnen stand eine unförmige Gestalt, einen großen Bogen in der Hand. Nur für einen Moment war sie zu sehen. Dann verschwand sie zwischen den hohen Felsen.
»Wer war das?« fragte Custis Hunter.
»Das werden wir herausfinden«, meinte Jacob, während er seinen Colt aufhob.
Er ging neben Harper und Hoss in die Knie.
Der Anführer des Mordtrios war tot.
Der menschliche Bulle atmete zwar noch, aber es waren die letzten Atemzüge eines Sterbenden. Der Pfeil hatte seine Lunge durchschlagen. Hoss hustete und spuckte Blut. Er starrte Jacob haßerfüllt an, bevor er starb.
Es war ein ungutes Gefühl, zumindest mittelbar für das Geschehen im Geistercanyon verantwortlich zu sein. So empfand es Jacob. Hätte er nicht Tom Bidwell erschossen, hätten Hoss und Skinny sich nicht auf den Rachefeldzug begeben.
Aber was hätte Jacob anderes tun sollen? Er hatte in Notwehr auf den Scout geschossen. Und Bidwell hatte vorgehabt, fast zweihundert Auswanderer in eine Falle der Outlaws zu führen.
Jetzt war keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Jacob trat an den Rand des Plateaus und rief den Gefährten unten im Canyon zu, daß die Gefahr vorüber war.
Dann drehte er sich zu den vier Gefährten um und sagte: »Suchen wir den geheimnisvollen Bogenschützen. Ich will endlich wissen, was dahintersteckt!«
Sie liefen in die Richtung, wo die unheimliche Gestalt, die ausgesehen hatte wie eine Mischung zwischen Mensch und Tier, verschwunden war.
Vor einem großen Felsblock spaltete sich der Weg, der so uneben war, daß er diese Bezeichnung kaum verdiente.
Jacob überlegte nur kurz und sagte dann: »Billy und ich gehen nach rechts. Ihr nehmt den linken Weg.«
Die Hatz auf den Bogenschützen ging weiter.
Bald fragte sich Jacob, ob er und Billy in die Irre liefen. Von einem Weg konnte man nicht mehr sprechen. Es war die reinste Kletterpartie über schroffe Felsen und Geröllfelder. Und von dem seltsamen Wesen, das sie jagten, gab es nicht die geringste Spur.
Vielleicht hat es sich einfach in Luft aufgelöst, kam es Jacob in den Sinn.
Kopfschüttelnd zwang er sich zum vernünftigen Denken. Sie hatten es bestimmt nicht mit einem Geist zu tun.
Wer immer der Bogenschütze sein mochte, er verschoß tödliche Pfeile, die greifbar und wirklich waren. Also mußte auch dieses Wesen greifbar und wirklich sein.
Wirklich?
»Es hat keinen Sinn«, keuchte Billy, als sie vor einem hohen Felsen standen. »Hier ist er bestimmt nicht entlang. Er hätte über den Felsen fliegen müssen.« »Oder er ist über ihn geklettert«, entgegnete Jacob, der etwas entdeckt hatte und ganz nah an den Felsen herantrat.
»Über diesen Riesenblock?«
»Ja«, sagte der Deutsche und strich mit dem Finger über den kleinen roten Fleck, den er erspäht hatte. Etwas von dem Rot blieb an seiner Fingerkuppe kleben. »Wie sonst könnte frisches Blut an diesen Felsen kommen?«
Er hielt den Finger vor Billys Gesicht und fügte hinzu: »Hoss' letzter Schuß muß ihn erwischt haben.«
»Sie haben recht«, sagte das Halbblut erregt und begann, an dem Felsblock emporzusteigen.
Jacob tat es ihm nach.
Es war ein steiler Aufstieg.
Kurz vor der Felskuppe hielten sie inne, als ein Schatten über sie fiel.
Der Schatten des seltsamen Wesens. Es hatte den Bogen gespannt und gleich zwei Pfeile eingelegt.
Jacob zweifelte keine Sekunde daran, daß es in der Lage war, beide Pfeile mit einer Bewegung so abzuschießen, daß sie den Deutschen und Billy trafen.
Das braune Gesicht des Halbindianers wurde bleich, und Billy rief erschrocken: »Das Phantom!«
Ende des 1. Teils
Und so geht das Abenteuer weiter