158051.fb2 Das st?hlerne Monster - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 5

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In Wahrheit war es eine Falle gewesen. Ein Schlägertrupp überfiel die Auswanderer. Jacob streckte zwei der brutalen Kerle nieder, dann traf es ihn selbst.

Es war ein harter Stiefeltritt gewesen. Er erwischte Jacobs Kopf an der Stelle, wo er kurz zuvor durch Vivian Marquands Derringer-Geschoß verwundet worden war. Die frühere Wunde war noch nicht ganz verheilt. Deshalb der überstarke Schmerz und die überwältigende Ohnmacht.

Was war dann geschehen?

Er wollte, mußte es herausfinden!

Doch Jacobs Versuch aufzustehen, scheiterte kläglich. Jetzt erst bemerkte er, daß er an Händen und Füßen gefesselt war. So stark, daß ihm die Stricke durch die Kleidung ins Fleisch schnitten.

Er war hilflos.

Ein hilfloser Gefangener.

Noch stärker betrübte ihn der Gedanke, daß er nichts über das Schicksal von Irene und dem kleinen Jamie wußte.

Er sah die junge Mutter noch am Ende der Sackgasse stehen, mit dem Rücken gegen eine Wand gelehnt, ohne Aussicht auf Rettung oder Flucht, das Kind eng gegen ihren vermeintlich schützenden Körper gepreßt.

Und jetzt?

Wo steckten Irene Sommer und ihr Sohn?

Was war mit ihnen geschehen?

*

Zur selben Zeit wie Jacob waren auch Irene und Jamie in völliger Dunkelheit gefangen. Nur mit dem Unterschied, daß sie nicht gebunden waren. Sonst schien ihre Lage ebenso düster und hoffnungslos wie die des jungen Zimmermanns.

Irene hatte gesehen, wie Jacob zusammenbrach. Wie der Stiefel ihn am Kopf traf und in den Schmutz der engen, noch in morgendlicher Dämmerung liegenden Sackgasse schleuderte.

Dann kamen die Schläger über sie, und sie befürchtete schon das Schlimmste. Doch Louis Bremer warnte Irene nur, sich nicht zu wehren, wenn es nicht zum Schaden ihres kleinen Jungen sein sollte.

Nur deshalb ließ sie es zu, daß man sie von Jacob trennte. Einer der kräftigen Kerle verband ihre Augen mit einem speckigen, nach Schweiß riechenden Tuch.

Sie führten Irene durch Straßen, die sie auch sehenden Auges nicht gekannt hätte. Es waren abgelegene, in der frühen Morgenstunde noch entvölkerte Straßen, sonst wäre die Gefangene mit den verbundenen Augen jemandem aufgefallen.

Dann ging es in ein Haus, das stark nach Alkohol, Tabak, Parfüm und menschlichen Ausdünstungen roch. Es mußte ein großes Haus sein. Durch Gänge und über Treppen dauerte es eine Weile, bis man sie in den engen, dunklen Raum sperrte.

Hier nahm man ihr die Binde ab, was wegen der völligen Finsternis nicht viel änderte.

Das letzte, was sie sah, bevor sich die Tür schloß, war das grinsende Rattengesicht des Mannes, der sich ihr als Carl Dilgers Freund Louis Bremer vorgestellt hatte. Höhnisch wünschte er ihr einen angenehmen Aufenthalt.

Dann entfernten sich seine Schritte und die seiner Begleiter polternd und knarrend über eine Treppe.

Jamie begann zu weinen. Die Dunkelheit schien ihn zu ängstigen. Sie drückte ihn an sich, streichelte ihn sanft und sprach ihm Worte eines Trostes zu, den sie selbst gut hätte gebrauchen können.

So saßen sie eine ganze Weile auf dem Boden ihres Gefängnisses, Mutter und Kind, als seien sie ganz allein auf der Welt. Bis ein Kratzen und Klacken verkündete, daß ein Schlüssel herumgedreht wurde.

In der Tür des Verlieses. Aber Irene hatte niemanden kommen hören!

Die Tür wurde aufgestoßen.

Als das plötzlich einfallende Licht ihre daran nicht mehr gewöhnten Augen blendete, zog die junge Frau sich ängstlich in den hintersten Winkel zurück. Sie rutschte über den Boden und hielt dabei Jamie noch fester als zuvor.

Ein Rechteck aus Helligkeit füllte die Türöffnung aus. Ein großer Schatten trat in diese Helligkeit und linderte die Stärke des Lichts.

Irenes Augen gewöhnten sich wieder ans Sehen.

Der Mann, den sie erblickte, war groß, knochig und schwarz. Ein Neger. Das Fehlen einer Kopfbedeckung offenbarte seinen völlig kahlen Schädel.

Aber sonst war der Mann so gut gekleidet, wie sie es selten bei einem Schwarzen gesehen hatte. Der taubengraue Dreiteilige, der seinen hünenhaften Körper einzwängte, und die schwarzweiß gelackten Schuhe ließen ihn fast wie einen Stutzer wirken.

Doch sein unbewegliches, hartes Gesicht verriet, daß er alles andere als ein Prahler war. Das einzige, was sich in dem Gesicht bewegte, waren die wachsamen, kalten Augen.

Am liebsten hätte sich die junge Frau noch weiter verkrochen, als der unheimliche Schwarze in den vollkommen nackten Raum trat. Aber sie hockte schon in der hintersten Ecke. Und es gab kein einziges Einrichtungsstück, hinter dem sie Schutz hätte suchen können. So konnte sie nur auf dem Boden bleiben und zu dem dunklen Gesicht aufschauen, das hart wie Granit wirkte.

Der Neger streckte eine große Hand vor, außen schwarz, innen dagegen seltsam weiß. Seine kräftigen Finger hielten ein längliches schwarzes Tuch, ähnlich der Augenbinde, die sie vor kurzem noch getragen hatte. Ihr war sofort klar, was die Geste bedeuten sollte.

Zögernd stand sie auf und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand. Da bedeckte das Tuch schon ihre Augen. Der Neger verknotete es so fest an ihrem Hinterkopf, daß es weh tat. Dann packte er sie am Arm und führte sie hinaus.

Wäre nicht seine fest zupackende Hand gewesen, die Irene leitete, hätte sie geglaubt, ihr Bewacher sei nicht mehr da. Er ging so lautlos wie eine Katze auf ihren weichen Pfoten.

Das Ganze hatte etwas Unheimliches an sich. Um so mehr, da der Schwarze nicht einen Ton sagte.

Er brachte sie in einen anderen Raum. Dort ließ er die Frau los, nahm ihr aber die Binde nicht ab. Sie hörte ihn nicht, aber er war noch im Raum. Das leise Atmen verriet es ihr.

Erst mit der Zeit merkte sie, daß außer ihr und Jamie mindestens zwei andere Menschen anwesend waren. Doch keiner von ihnen sagte ein Wort.

Weshalb nicht?

Was wollten sie von der Frau mit den verbundenen Augen?

Sie fand keine Antwort.

Doch ihre Angst wuchs ins Unermeßliche. Eisige Schauer liefen über ihren Rücken.

Jamie wurde unruhig. Er quengelte. Seine kleinen Händchen tasteten über das Gesicht der Mutter, das wegen der schwarzen Binde fremd und furchteinflößend wirkte.

Irene hielt den Sohn im rechten Arm. Ihre Linke fuhr an die Binde, zögerte aber, sie abzunehmen.

»Die Hand runter!« zischte eine Männerstimme in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.

Die Frau gehorchte umgehend.

»Brav«, lobte die Stimme, als beurteile sie das anerzogene Verhalten eines Hundes oder Pferdes. »Wenn Sie keine Schwierigkeiten machen, Fräulein Sommer, wird Ihnen nichts geschehen. Und Ihrem Kind auch nicht!«

Die Drohung in den Worten war unüberhörbar. Sie heizte Irenes Furcht weiter an.

Zu der Angst gesellte sich Verwunderung.