158060.fb2 Der Eine-Million-Dollar-Zug - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 15

Der Eine-Million-Dollar-Zug - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 15

»Viel Feind, viel Ehr«, meinte Hickok lakonisch. »Wenn man uns begräbt, wird man sagen, daß wir uns vor Ehre nicht retten konnten.«

Byron Cordwainer starrte ihn feindselig an. »Das ist nur Ihre Schuld!«

Hickok sagte nichts. Er wollte sich in seinen letzten Stunden nicht streiten.

*

Mit der Abenddämmerung senkte sich eine auf unechte Weise friedvolle Stille über Blue Springs.

Die Einwohner, die noch am Leben waren, konnten sich nicht so recht über diesen Zustand freuen. Sie beschäftigte die bange Frage, wie lange er noch andauern würde.

Im Vergleich zu dem, was sie befürchtet und von anderen Städten gehört hatten, in die Quantrills Schwarze Brigade eingeritten war, war Blue Springs geradezu glimpflich davongekommen.

Ein paar Häuser am Stadtrand hatten gebrannt, weil das Feuer der explodierenden Wagen auf sie übergegriffen hatte. Aber Quantrill, der sonst ganze Städte einzuäschern pflegte, hatte seinen Männern diesmal gar befohlen, beim Löschen zu helfen.

Übermütige Guerillas waren in ein paar Häuser eingedrungen, hatten randaliert und die Frauen belästigt. Das hatte die Einwohner nicht überrascht. Sie hatten schon gehört, daß die Bushwackers die männlichen Bürger der überfallenen Städte abschlachteten und über die Frauen herfielen. Aber Quantrill hatte seine Leute zur allgemeinen Verwunderung zurückgepfiffen und ihnen untersagt, die Einwohner zu belästigen. Letztere sollten sich nur an die Auflage halten, ihre Häuser nicht zu verlassen und nichts gegen die Freischärler zu unternehmen. Das taten sie gern, wenn sie dafür ungeschoren blieben. Mehr noch, Quantrill schien geradezu versessen darauf, die Spuren des Überfalls auf Blue Springs möglichst rasch zu tilgen. Von Bushwackers bewacht, mußten alle arbeitsfähigen männlichen Gefangenen und Bürger die Barrikaden beseitigen, tote Männer und Pferde wegräumen sowie Brandspuren an den Gebäuden mit Farbe übertünchen.

Bis weit nach Einbruch der Dämmerung dauerte diese Arbeit. Quantrill schien so schnell wie möglich aus Blue Springs wieder ein friedliches Städtchen machen zu wollen.

Und doch war es seltsam, und die Einwohner trauten dem unverhofften Frieden nicht.

Gewiß, die Guerillas hatten die Bank geplündert. Aber waren die paar tausend Dollar, die sie erbeutet hatten, die erlittenen Verluste wert gewesen? Und wenn die Bank tatsächlich der Grund für den Überfall auf Blue Springs gewesen war, weshalb hielten sich die Bushwackers dann noch immer in der Stadt auf? Sie mußten doch damit rechnen, daß irgendwann Truppen anrückten.

Trotz der abgefangenen Kuriere. Sei es auch nur, weil die Armee festgestellt hatte, daß die Telegrafenverbindung gewaltsam unterbrochen worden war.

Nein, der Frieden, der am Abend über Blue Springs lag, war nicht echt, nicht endgültig. Daß sich noch etwas Großes ereignen würde, lag geradezu in der Luft, war so greifbar wie die Männer der Schwarzen Brigade, die in Dreiergruppen durch die stillen Straßen patrouillierten.

Aber die Bürger wollten es sich nicht eingestehen. Die Vorstellung, noch einmal mit dem Schrecken davongekommen zu sein, so man nicht nahe Angehörige verloren hatte, war einfach zu verführerisch.

Zwei Männer gingen durch die unwirklichen stillen Straßen der nächtlichen Stadt. Durch die sauberen, gepflegten Straßen im Wohnviertel der besseren Bürger. Sie kamen vom Cordwainer-Haus und wollten zum Anwesen des Bankiers Armstrong Lawrence.

Hier hatte William Clarke Quantrill sein provisorisches Hauptquartier aufgeschlagen. Ein schwarzes Tuch, über dem großen Haus aufgezogen, verkündete, daß hier der Captain der Schwarzen Brigade anzutreffen war.

Das Anwesen wurde von einem Haufen Bewaffneter gesichert, die ihre Revolver und Karabiner in Anschlag brachten, sobald die beiden Besucher um die Ecke bogen.

»Halt!« durchschnitt eine scharfe Stimme die nächtliche Stille. »Keinen Schritt weiter, oder wir schießen!«

Die beiden Besucher blieben stehen, und einer sagte: »Ihr werdet doch nicht auf eure Freunde schießen, Gents.«

»Wir müssen erst mal sehen, ob ihr unsere Freunde seid«, sagte die mißtrauische Stimme. »Jubal, leuchte den beiden Figuren mal heim!«

Ein Mann mit einer Blendlaterne trat auf die beiden im Schatten einer Stallung stehenden Besucher zu, hielt die Laterne hoch, schob die Blechverdeckung vom Glas, und der helle, durch die mattglasige Vergrößerungslinse verstärkte Lichtschein fiel grell in ein weißes und ein dunkles Gesicht.

In einer Reflexreaktion kniffen Custis Hunter und Melvin die Augen zusammen. Das Licht traf sie fast so schmerzhaft wie die scharfe Klinge eines Messers.

Der Mann vom Wachtrupp nahm die Laterne ein Stück zurück und rief nach hinten: »Es sind Hunter und sein Schwarzer.«

Bei dieser Formulierung lief ein Zucken über Melvins Gesicht. Daß der Freischärler statt »Schwarzer« nicht »Nigger« gesagt hatte, war auch schon alles, was von ihm an Feinfühligkeit erwartet werden konnte.

Wieder spürte der ehemalige Sklave deutlich, daß er nicht zu diesen Männern gehörte. Weder von sich aus noch aus ihrer Sicht. Er ritt mit der Schwarzen Brigade, die trotz ihres Namens nichts für die Schwarzen übrig hatte, nur, weil sie ihm helfen sollten, seine und Custis Hunters Rache zu verwirklichen.

Aber wie sah diese Rache aus?

Jetzt, nachdem sie Blue Springs eingenommen hatten, verspürte er nicht die Befriedigung, die er erwartet, geradezu herbeigesehnt hatte. Seine Frau Lisa und ihr ungeborenes Kind waren tot. Nichts konnte sie wieder lebendig machen. Auch nicht die Tatsache, daß er mit den Bushwackers über die Stadt herfiel, aus der Lisas Mörder kamen.

Melvin erkannte, daß er sich Quantrill nicht wegen Lisa angeschlossen hatte, sondern ganz allein um seiner selbst. Um die Trauer um Lisas Tod mit seinem Haß bekämpfen zu können.

Doch als er die gefallenen Verteidiger von Blue Springs sah, wurde ihm schlagartig bewußt, den falschen Weg eingeschlagen zu haben. Er wußte jetzt, daß nicht nur Männer aus der Stadt unter ihnen waren, sondern viele Menschen, die mit dem Überfall auf Starcrest nicht das geringste zu tun hatten: Fuhrkutscher und Passagiere eines Flußdampfers.

Melvin konnte nicht sagen, wer von den Toten durch seine Kugeln gefallen war. Aber er war dabei gewesen, hatte die Angreifer unterstützt. Das trug ihm auf jeden Fall eine Mitschuld am Tod Unschuldiger ein. Er hatte ebensolches Unglück über ihm fremde Menschen und Familien gebracht, wie es die Jayhawkers auf der Plantage getan hatte.

Er empfand Ekel vor sich selbst und fühlte sich der Schwarzen Brigade nicht länger zugehörig. Custis erging es ähnlich. Das Wiedersehen mit Virginia und die Begegnung mit seinem Sohn hatten ihm die Augen geöffnet.

Was geschehen war, konnten Melvin und Custis nicht ungeschehen machen. Sie konnten nur versuchen, weiteres Unheil zu verhindern. Deshalb waren sie unterwegs zu Quantrill.

Ein dunkelhaariger, schnurrbärtiger Mann trat vor und steckte den Revolver, den er in der Hand gehalten hatte, zurück ins Holster. Es war Arch Clement, auch Little Archie genannt, der in der Hierarchie der Schwarzen Brigade gleich nach Anderson und Todd kam. Man hätte ihn wohl als »First Sergeant« bezeichnet, wäre Quantrills Truppe eine reguläre Einheit gewesen.

»Was wollt ihr?« fragte er, ohne zu verhehlen, daß er keine großen Sympathien für die beiden Besucher hegte. Clement empfand es als Zumutung, an der Seite eines Negers reiten zu müssen. Und Hunter war der Mann, der für diese Zumutung verantwortlich war.

»Mit Quantrill sprechen«, antwortete Custis.

»Das geht jetzt nicht.«

»Warum nicht?«

»Offiziersbesprechung«, erklärte Clement mit einem leicht ironischen Unterton. Custis konnte sich vorstellen, was dieser Tonfall zu bedeuten hatte. Wahrscheinlich feierten Quantrill, Anderson und Todd ihren Sieg mit ein paar Flaschen von Armstrong Lawrences bestem Whiskey.

»Dann komme ich ja gerade recht«, meinte Custis und wollte sich an Little Archie vorbei schieben. »Mit den Offizieren wollte ich schließlich sprechen.«

Der Schnurrbärtige packte den Blonden fest an der Schulter und hielt ihn zurück. »Halt, Hunter! Niemand betritt das Haus ohne Quantrills Erlaubnis!«

»Dann geh rein und frag ihn, ob wir hereinkommen dürfen«, schlug Custis vor. »Aber sag dem Captain, es ist dringend!«

»Also gut«, meinte Clement nach kurzem Überlegen und wandte sich an seine Männer. »Solange ich im Haus bin, sorgt ihr dafür, daß die beiden sich nicht von der Stelle rühren!« Little Archie drehte sich um, marschierte auf das hell erleuchtete Gebäude zu und betrat es über die breite Treppe, die zu dem terrassenartigen, überdachten Eingang führte. Rechts und links neben der Eingangstür standen zwei mit Karabinern bewaffnete Wächter.

Gespannt blickten Custis und Melvin Clement nach. Weshalb war er so mißtrauisch? Hatte er etwas gemerkt? Oder spürte er, daß sich die beiden Starcrest-Männer von der Schwarzen Brigade losgesagt hatten?

Es dauerte keine fünf Minuten, bis Clement mit griesgrämigem Gesichtsausdruck zurückkehrte. »Du kannst zu Quantrill, Hunter.«

Der Blonde grinste entwaffnend. »Ich wußte es doch.«

Als er und Melvin sich in Richtung Haus in Marsch setzten, sagte Little Archie laut: »Nur du, Hunter. Von deinem schwarzen Freund war nicht die Rede.«

Custis und Melvin wechselten einen kurzen, einverständigen Blick miteinander, und der Weiße sagte: »Warte hier auf mich, Melvin. Ich schätze, es wird nicht lange dauern.«

Clement führte Custis ins Haus und dort in einen großen, zu ebener Erde gelegenen Salon, der in seiner Pracht ein Spiegel von Armstrong Lawrences Reichtum und seines erlesenen Geschmacks war. Zwei Wände waren vom Boden bis zur Decke mit Bücherregalen bedeckt. Custis erkannte sofort, daß es gute Bücher in erlesenen Aufmachungen waren. Eine der gewaltigen Regalwände schien nur mit Erstausgaben gefüllt zu sein. An den freien Wänden hingen Gemälde holländischer Meister, die man an der Grenze zwischen Missouri und Kansas nicht häufig fand. Die strahlende Helligkeit, die den Salon erfüllte, kam von einem gigantischen, golden glänzenden Lüster, der unter der Decke hing und in dem mindestens hundert Kerzen brannten. Vergleichbaren Prunk fand man in Blue Springs allenfalls noch im Cordwainer-Haus.

In den samtbezogenen Polstersesseln hatten es sich William Quantrill, Bill Andersen und George Todd bequem gemacht.