158062.fb2 Der Fluch von Starcrest - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 1

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Die Reiter kamen mit dem ersten Glimmen der Morgenröte. Ihre geisterhaften Umrisse lösten sich aus dem Unterholz, als sich die Pferde langsamen Schrittes den prächtigen Gebäuden von Starcrest näherten. Noch behielt die Dunkelheit der nächtlichen Schattenwelt die Oberhand über die zaghaft tastenden Sonnenstrahlen und hüllte die drei Dutzend Reiter in ihr kaum durchdringbares Tuch. Sie verbarg die unrasierten Gesichter der Männer, die teils versteinert wirkten, teils haßerfüllt und teils erregt. Eins aber war allen Gesichtern gemein: In ihnen stand der Tod geschrieben.

Hätte jemand die unheimlichen, fast lautlosen Reiter beobachtet, hätte er sofort gewußt, daß der neue Sonnenaufgang für die Plantage am Missouri keine Freude und kein Leben brachte.

Nur den Tod.

In einer langen Linie lenkten die Reiter ihre Tiere auf das weiß aus der Finsternis stechende Herrenhaus und die angrenzenden flachen Häuser der Aufseher zu. Die Enden der Linie bogen sich zangenartig nach vorn und kreisten das Herz von Starcrest ein. Noch immer fast lautlos, denn die Pferdehufe waren mit dicken Lappen umwickelt. Die Augen der Reiter pendelten zwischen den Gebäuden und ihrem Anführer hin und her.

Das asketische Gesicht des großen, hageren Enddreißigers auf dem Falben spiegelte die Gefühlswelt seiner sämtlichen Begleiter wider. Seine Züge wirkten versteinert und waren doch von Leben erfüllt. Seine schmalen, fest zusammengepreßten Lippen und das Feuer in seinen tiefliegenden Augen verrieten den Haß, der ihn vorantrieb. Das nervöse Zucken der Augenlider und hin und wieder das fahrige Streichen über seinen dunklen, scharf ausrasierten Vollbart waren Zeichen seiner Erregung.

Je näher Byron Cordwainer den Gebäuden von Starcrest kam, desto größer wurde seine Erregung und desto unbändiger verlangte der Haß, der ihn fast auffraß, danach, sich endlich Luft zu verschaffen. Seine Hand faßte an den Griff des schweren Kavalleriesäbels an seiner Hüfte, und bei dem Gedanken an das Blut, das bald die glänzende Klinge bedecken würde, wurde ihm fast warm ums Herz.

Cordwainer mußte sich regelrecht zwingen, seinem Falben nicht die Sporen in die Seiten zu schlagen, um ihn voranzutreiben, möglichst schnell den Plantagengebäuden und der blutigen Ernte, die er heute einfahren wollte, entgegen. Aber der Sohn von Avery Cordwainer, dem Bürgermeister von Blue Springs, hatte gelernt, sich zu beherrschen. Sein Vater hatte ihn darauf gedrillt, damit Byron ihm nacheifern und eines Tages der mächtigste Mann der Stadt werden konnte.

Der Mann in der Uniform eines Majors hielt seinen Falben zurück und damit auch die Männer, die hinter ihm ritten. Angestrengt durchschnitten seine Augen die beginnende Dämmerung, um zu sehen, wie weit seine Flankenreiter mit der Umzingelung der Plantage waren.

Fast war es vollbracht, als plötzlich eine Tür laut in den schlecht geölten Angeln quietschte. Sie gehörte zu den Unterkünften der Aufseher an der linken Seite des Herrenhauses. Ein Weißer in roter Unterwäsche und dicken grauen Wollsocken als einziger Fußbekleidung trat heraus, gähnte laut und streckte seine müden Glieder, als hätte er sich tagelang nicht bewegen können. In der linken Hand hielt er eine Maiskolbenpfeife, wie sie von den Negersklaven gefertigt wurde, in der rechten eins der neumodischen Zündhölzer.

Byron Cordwainer kannte den Mann vom Sehen. Er hieß Jenkins und arbeitete schon seit vielen Jahren als Sklavenaufseher auf Starcrest.

Vielleicht litt Jenkins an Schlaflosigkeit, daß er schon so früh auf den Beinen war. Vielleicht gehörte es zu seinem Morgenritual, sich vor dem Frühstück ganz in Ruhe eine Pfeife zu gönnen. Jedenfalls riß er das Zündholz an einem Türpfosten an, starrte kurz in die auflodernde Flamme, führte den kleinen, brennenden Stab zur Pfeife, die er zwischen seine Lippen gesteckt hatte - und verharrte mitten in seiner Bewegung.

Das war in dem Moment, als er die Reiter erblickte, die Starcrest umzingelt hatten. Ungläubig riß er die Augen auf und schien sich zu fragen, ob er Bilder seiner nächtlichen Träume vor sich sah. Als er begriff, daß die Reiter Wirklichkeit waren, ließ er das Zündholz fallen, drehte sich schnell um und wollte zurück ins Haus laufen.

Cordwainer hatte den schweren Army Colt schon aus dem Holster gezogen, ließ sich aber Zeit mit dem Zielen. Der Schuß würde jegliche weitere Überrumpelung der Leute von Starcrest verhindern. Da sollte er wenigstes treffen. Jenkins war schon fast in der Dunkelheit des Gebäudeeingangs verschwunden, als der uniformierte Anführer der Reiter den Finger um den Abzug krümmte. Die Kugel traf Jenkins mitten ins Kreuz und löschte sein Leben aus, noch ehe er längs auf den Holzboden schlug und den Pfeifenstil unter sich zerbrach.

Cordwainer drehte sich zu seinen Männern um und schrie, den Revolver noch in der Hand: »Vorwärts, Leute! Zeigt es den verdammten Sklavenschindern! Gebt kein Pardon!«

Und über Starcrest brach die Hölle herein.

Ein weiterer Aufseher taumelte verschlafen, die Situation nicht begreifend, aus dem Haus und stolperte über Jenkins' Leiche. Er starrte noch seinen toten Kollegen an, als ihm eine von Cordwainer abgefeuerte Kugel den halben Kopf wegriß.

Weitere Aufseher erschienen an den Fenstern, deren Scheiben unter dem Bleihagel der Angreifer zersplitterten. Ein paar der Verteidiger wurden niedergestreckt, ehe sie noch ihre Waffen in Anschlag bringen konnten. Einigen wenigen gelang es, das Feuer zu erwidern.

Dicht neben Cordwainer schrie ein Mann auf und krümmte sich auf seinem Pferd zusammen. Es war der junge Eliah McPherson, der Sohn des Büchsenmachers von Blue Springs.

Er war ganz wild darauf gewesen, mitzureiten und sich als Mann zu beweisen. Eliahs Vater hatte seinem Sohn verboten, an der Strafexpedition, wie Cordwainer den Raid genannt hatte, teilzunehmen. Aber Eliah schlich sich in der Dunkelheit aus dem Haus, sattelte den Braunen seines Vaters und war unglaublich stolz auf sich, als er mit dem bewaffneten Trupp ostwärts durch die Nacht ritt, der großen Plantage von Starcrest entgegen.

Jetzt waren jeglicher Stolz und jede Manneswürde von Eliah McPherson gewichen. Der Jüngling war nur noch ein blutendes, vor Schmerzen schreiendes Etwas. Die feindliche Kugel hatte einen Teil seines vorher so hübschen Gesichts weggerissen. Es war ein Wunder, daß er noch bei Bewußtsein war.

Eine zweite Kugel fuhr in seine Brust und stieß ihn aus dem Sattel. Er fiel unter die Hufe seines Braunen.

Mehr sah Byron Cordwainer nicht von ihm, weil es ihn nicht interessierte. Der Mann in der Offiziersuniform trieb seinen Falben auf das prächtige Herrenhaus zu. Dort lebten die einzigen Menschen auf Starcrest, an denen ihm wirklich gelegen war. Denen sein ganzer Haß galt.

Cordwainer beeilte sich noch mehr, als er sah, wie seine Leute die ersten der mitgebrachten Fackeln und Brandsätze auf die Gebäude schleuderten. Viel zu früh.

Cordwainer hatte ihnen eingeschärft, seinen Befehl abzuwarten, wollte er doch zuvor Virginia aus dem Haus holen. Aber die Erregung und die Hitze des Gefechts hatten seine Männer übermannt.

Und die Mordlust. Wann immer sich einer der Bewohner von Starcrest zeigte, brach er wenige Sekunden später unter einem Kugelregen zusammen.

Das Herrenhaus brannte bereits an mehreren Stellen, als Cordwainer es erreichte. Er zügelte grob sein Pferd, stieg aus dem Sattel und warf die Zügel einem seiner Männer zu. Er winkte einer Handvoll Leute, ihm zu folgen, und stürmte die breite Treppe zum Haupteingang hinauf.

Die Doppelflügeltür aus massivem Eichenholz war verschlossen, aber Brock Haley öffnete sie mit ein paar Schüssen aus nächster Nähe, die er aus seinem 44er Kerr-Revolver abgab. Der bullige Hufschmied trat die Tür auf, und die Männer liefen ins Haus.

Schon in der Eingangshalle schlugen ihnen Flammen entgegen, und Rauch biß in ihre Augen. Durch die Fenster geschleuderte Brandsätze hatten das Feuer im Haus entzündet. In dem prunkvoll eingerichteten Gebäude fanden die hungrigen Flammen genügend Nahrung, leckten an wertvollen Möbeln und fraßen sich an seidenen Vorhängen hinauf.

Hustend lief Cordwainer an der Spitze seiner Männer die geschwungene Treppe nach oben und rief dabei laut nach Virginia. Fast hatte er den oberen Absatz erreicht, als eine Tür geöffnet wurde.

Es war nicht Virginia, sondern ein Mann, ein Weißer.

Haley reagierte schnell und gab zwei Schüsse auf den Mann im Türrahmen ab. Sie trafen ihn mitten in die Brust.

Mit einem lauten Röcheln ging der Mann zu Boden und ließ den Karabiner los, den er in den Händen gehalten hatte.

Cordwainer erkannte den alten Robert Hunter und wollte ihn nach Virginia fragen. Aber das Röcheln des alten Mannes war schon erstorben, und die Augen in seinem faltigen Gesicht blickten starr ins Leere.

»Ein Sklavenschinder weniger«, sagte Haley verächtlich und spuckte vor der Leiche aus.

Ein Blick in das Zimmer, aus dem der Herr von Starcrest gekommen war, zeigte Cordwainer, daß sich niemand sonst dort aufhielt. Es war ein Arbeitszimmer mit hohen Bücherschränken und einem großen Schreibtisch vor dem Fenster. Die Fensterscheibe war eingeschlagen. Der alte Hunter hatte sich hier verschanzt und versucht, seine Plantage gegen die Jayhawkers zu verteidigen.

Cordwainer lief weiter, und seine Männer folgten ihm. Ein paar Türen weiter hörten sie laute Schußgeräusche. Der Mann in der Majorsuniform gab Haley ein Zeichen, und der Schmied trat auch diese Tür auf, während alle anderen mit schußbereiten Waffen warteten.

Es war ein großes Schlafzimmer, rosafarben und reich verziert, mit einem prunkvollen Himmelbett. Das Schlafzimmer einer Frau.

Ein blonder Mann im Unterhemd hockte neben dem zersplitterten Fenster auf dem Boden und gab Schuß um Schuß aus seinem Revolver auf die Jayhawkers draußen ab.

Neben ihm kniete eine junge Frau mit langen, rotblonden Haaren, die in weichen Wellen weit in ihren Rücken fielen, und lud fieberhaft seine Waffen nach. Sie trug nur ein reich besticktes Nachthemd.

»Virginia!«

Cordwainer hatte diesen Schrei beim Anblick der Frau unwillkürlich ausgestoßen.

Sie und der Mann, Custis Hunter, fuhren herum und blickten die Eindringlinge überrascht an.

Dann reagierte der Sohn des toten Plantagenbesitzers und richtete seinen Revolver auf die Jayhawkers in der Tür.

Aber diese waren schneller und setzten Custis Hunter mit einer Serie von Schüssen außer Gefecht.

Cordwainer beteiligte sich ganz bewußt nicht daran. Er wollte sich von Virginia nicht vorwerfen lassen, Custis getötet zu haben.

Als der junge Hunter blutüberströmt zusammensackte, stieß Virginia einen Entsetzensschrei aus und warf sich über ihren Geliebten, barg seinen von mehreren Kugeln getroffenen Oberkörper in ihren Armen.

»Custis!« schrie sie in panischer Angst. »O Gott! Custis, sag doch etwas!«

Der junge Mann antwortete nicht. Seine Augen waren geschlossen und sein Körper reglos.

»Ich schätze, er ist tot«, sagte teilnahmslos Cordwainer, der vor die beiden getreten war.