158062.fb2 Der Fluch von Starcrest - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 2

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Virginia hob den Kopf und starrte den Mann in der blauen Uniform an. In die Todesangst um ihren Geliebten, die aus ihren großen, grünen Augen sprach, mischten sich Verachtung und Haß.

»Du hast ihn ermordet, Byron«, sagte die junge Frau fast tonlos.

Cordwainer schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht einen Schuß auf ihn abgegeben, Virginia.«

»Aber du hast es befohlen! Es waren deine Männer, und es war dein Mord. Dafür sollst du bezahlen! Ich verfluche dich, Byron Cordwainer!«

Sie hatte den Revolver ihres Geliebten aufgehoben und wollte die schwere Waffe mit beiden Händen auf Cordwainer richten. Der trat sie ihr mit solcher Kraft aus den Händen, daß die Waffe durchs halbe Zimmer flog.

Tränen traten in die Augen der Frau. Sie begann zu schreien und trommelte mit den Fäusten auf den großen Mann in der Offiziersuniform ein.

Cordwainer stand vor ihr, blickte auf sie nieder und sah sich das ein paar Sekunden an. Dann setzte er sie mit einem Fausthieb unters Kinn außer Gefecht.

Er sah Haley an. »Nimm Virginia mit. Wir rücken ab.«

»Ja, Major«, sagte der bullige Hufschmied und lud sich die Frau mit solcher Leichtigkeit über die Schulter, als wäre sie nur ein mit Federn gefülltes Kissen.

Als die Jayhawkers die Treppe hinabliefen, war es höchste Zeit. Die Flammen leckten bereits an dem alten Holz der Treppe, und das Erdgeschoß war die Hölle auf Erden. Ganze Wände schienen nur noch aus Feuer zu bestehen. Der Rauch ließ den Männern kaum Luft zum Atmen.

Im Freien holten sie endlich tief Luft und stiegen auf ihre Pferde. Sämtlicher Widerstand auf der Plantage schien gebrochen. Sie hörten keine Schüsse mehr.

Byrons zehn Jahre jüngerer Bruder Ellery trieb seinen Apfelschimmel heran und meldete, daß die Plantage in der Hand der Jayhawkers war.

»Setzt alles in Brand!« befahl Byron Cordwainer. »Auch die Stallungen und die Sklavenunterkünfte. Ich will, daß nichts übrig bleibt von diesem verfluchten Starcrest!«

Ellery grinste verstehend und ritt davon, um den Befehl seines älteren Bruders in die Tat umzusetzen.

Byron lenkte sein Pferd von der Plantage weg. Neben ihm ritt Haley, der die noch immer bewußtlose Virginia wie einen Proviantsack quer vor sich über den Sattel geworfen hatte.

»Wollen wir uns das hübsche Feuerchen bis zum Ende ansehen, Major?« fragte der Schmied hoffnungsvoll.

»Nein«, entschied Byron Cordwainer nach einem kurzen Blick auf Virginia. »Wenn sie aufwacht, sollten wir möglichst weit von Starcrest weg sein.«

Während ihre Gefährten mit brennenden Fackeln um die Stallungen und Sklavenunterkünfte jagten, ritten die meisten Jayhawkers hinter ihrem Anführer her und verließen die Plantage.

In ihrem Rücken schob sich die Sonnenscheibe in den tiefblauen Himmel. Aber an diesem Morgen bedurfte es ihres Lichtes nicht, um Starcrest in hellen Glanz zu tauchen.

Das tödliche Feuer, das die stolze Plantage verschlang, strahlte heller und heißer als die Sonne.

*

Als Custis Hunter die Augen aufschlug, stellte er fest, daß er tot war. Es mußte so sein. Rings um ihn loderten wild die Flammen des Fegefeuers und fraßen sich mit ungeheurer Gier auf ihn zu. Wie würde es sein, die ewige Verdammnis am eigenen Leib zu spüren?

Er lag auf dem Boden, und sein Körper schmerzte, als hätte er schon die schlimmsten Martern hinter sich. Aber Custis konnte sich nicht daran erinnern. Nur daran, daß da irgend etwas Schreckliches gewesen war. So schrecklich, daß er sich über den Verlust der Erinnerung fast freute.

Es mußte die Hölle sein. Plötzlich sah er einen Teufel, riesengroß und rabenschwarz, der durch die Flammen auf ihn zugeflogen kam. Um ihm die Eingeweide bei lebendigem Leib herauszureißen?

Doch statt dessen hob der Teufel ihn hoch und nahm Custis wie ein Kind auf die Arme. Ganz nah sah er das schwarze Gesicht der Kreatur vor sich. Er kannte dieses Gesicht. Schmorte er schon so lange in der Hölle?

Der Teufel stürzte Custis in das Flammenmeer. Nein, er trug ihn hindurch. So schnell, daß die Flammen Custis fast unbehelligt ließen. Nur die ungeheure Hitze und der dichte Rauch raubten ihm beinahe den Atem und das Bewußtsein.

Trotzdem sah Custis unterwegs etwas, das die Erinnerung zurückbrachte. Noch ein bekanntes Gesicht. Es gehörte einem Mann, der reglos am Boden lag und von der Feuersbrunst geröstet wurde.

Kein Opfer der Hölle, sondern sein Vater, Robert Hunter.

Die Hitze wurde so stark, so unerträglich, daß sie die Erinnerung an seinen Vater aus Custis' Gedächtnis brannte. Seine Gedanken drehten sich nur noch um eins: Atmen.

Plötzlich war Luft zum Atmen da. Frische Luft, soviel er wollte. Und er sog sie so heftig in seine Lungen, daß sie zu schmerzen begannen. Er fühlte sich wie ein Verdurstender, der ein Wasserloch gefunden hatte und jetzt mit dem Trinken nicht mehr aufhören konnte.

Der schwarze Teufel legte ihn vorsichtig auf den Boden, und wieder spürte er den starken Schmerz, der von seiner Brust aus auf den ganzen Körper ausstrahlte.

Allmählich wurde ihm bewußt, daß der Schwarze kein Teufel war. Ein Name drängte sich in Custis' Bewußtsein.

»Melvin?«

»Ja, Master Custis. Wie fühlen Sie sich?«

»Was ist geschehen, Melvin?« fragte Custis röchelnd. Bei jeder Silbe spürte er Schmerzen.

»Die Jayhawkers waren da«, sagte Melvin seltsam unbeteiligt, als ginge ihn das alles nichts an. »Sie haben alle getötet und alles niedergebrannt.«

Custis saß am Waldrand auf dem Boden und lehnte mit dem Rücken gegen den mächtigen Stamm einer Buche. Jetzt erst realisierte er, daß das grelle Licht, das ihn blendete, nicht von der allmählich höher kletternden Sonne stammte, sondern von dem Flammenmeer, das einmal das Herz von Starcrest gewesen war. Das Ergebnis der vielen Jahre, die sein Vater zum Aufbau der Plantage gebraucht hatte, wurden in wenigen Minuten ausradiert.

Sein Vater!

Das Bild aus dem Fegefeuer tauchte wieder in Custis' Bewußtsein auf. Das Bild seines Vaters, der wie tot am Boden lag und auf die nimmersatten Flammen wartete.

»Vater«, keuchte Custis und versuchte aufzustehen, aber sofort drückte ihn eine Schmerzwelle auf den Boden zurück.

»Sie können nicht aufstehen, Master Custis«, belehrte ihn der schwarze Hüne. »Sie sind viel zu schwach. Eine ganze Handvoll Kugeln hat Sie in der Brust erwischt.«

»Aber ich muß Vater helfen!«

»Das können Sie nicht, Master Custis. Ihr Vater ist tot, ermordet von den Jayhawkers.« Melvins Stimme wurde leise, und sein Blick senkte sich zu Boden. »So wie meine Lisa.«

Lisa war Melvins Frau. Sie hatten erst vor wenigen Monaten geheiratet. Es war eine der prächtigsten Hochzeiten gewesen, die jemals unter Negersklaven stattgefunden hatten. Custis hatte es sich nicht nehmen lassen, die Feier fast so aufwendig zu gestalten wie die Hochzeit weißer Plantagenbesitzer. Schließlich war Melvin für ihn fast so etwas wie ein Freund.

Vor vielen Jahren, als beide Männer noch Kinder gewesen waren, hatte Custis, der das einzige Kind seiner Eltern war, den farbigen Jungen sogar für seinen Bruder gehalten. Unzertrennlich waren sie gewesen. Bis Robert Hunter seinem Sohn erklärt hatte, daß Weiße und Schwarze keine Freunde und schon gar keine Brüder sein konnten. Trotzdem hatte Custis und Melvin stets ein starkes Band verbunden.

»Was ist mit Lisa?« fragte Custis, der nicht richtig begriff.

»Die Jayhawkers haben sie getötet«, antwortete der Schwarze düster.

»Die Jayhawkers?«

Für Custis ergab das keinen Sinn.

Jayhawkers oder auch Freistaatler nannte man jene Guerillas, die auf der Seite der Nordstaaten für die Sklavenbefreiung kämpften. Byron Cordwainer, der sich in den Indianerkriegen den Rang eines Majors der US-Armee erworben hatte, hatte seine Uniform wieder angezogen und eine irreguläre Jayhawker-Kompanie aufgestellt.