158063.fb2 Der Gefangene der Aimar?s - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 12

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Elftes Kapitel.Sennor Tejada und sein Peon

    In bester Laune ritt Sennor Sancho Tejada am felsigen Ufer des Rio Negro einher, um gleich dessen strömenden Wassern die Niederungen aufzusuchen. Hinter ihm ritt sein Peon Juan, und das Gesicht des Mannes sah stumpfsinniger aus als je.

    Der Bandit - etwas anderes war Tejada nicht, denn, obgleich aus guter Familie stammend, war er in den blutigen Bruderkämpfen der kaum vom spanischen Joche befreiten Republiken des nördlichen Südamerika verwildert und rasch zum Spieler und endlich selbst zum Straßenräuber herabgesunken - rauchte behaglich seine Zigarette und sann nach, wie er seine Glücksumstände, die bereits eine so erfreuliche Wendung genommen hatten, noch mehr verbessern könne.

    Für seinen Peon, der sich übrigens als brauchbarer Diener erwiesen hatte, war er Sennor Molino, ein Haciendero vom Magdalena; denn den Namen Tejada vermied er selbst in diesem Teile des Landes, wo er doch kaum bekannt war, zu führen. Auch glaubte er, daß seine Veränderung des Bartes - er hatte, ehe er Neugranada betrat, den Vollbart in einen kecken Schnurr- und Knebelbart verwandelt - ihn unkenntlich machen werde, für den Fall er einem früheren Bekannten, der ihm nicht wohl wollte, begegnen sollte.

In bester Laune ritt Sennor Sancho Tejada am Felsenufer des Rio Negro einher.

Seine Aufgabe bestand jetzt darin, den Sohn Don Pedro d'Alcantaras ausfindig zu machen. Das geheime Versteck seines früheren Spießgesellen Gomez hatte er, als er vor einigen Wochen es durchsuchte, zwar unberührt, und darin die Briefe de Vallas gefunden, nicht aber den Goldstaub, den er suchte. Der kleine Rancho Gomez' war, wie er dort erfuhr, in den Besitz eines unweit wohnenden großen Haciendero übergegangen, der ihn der langjährigen Dienerin des Gomez abgekauft hatte, und wurde von einem seiner Aufseher bewohnt.

    Bei diesem, der des Lesens unkundig war, als harmloser Reisender einkehrend, hatte ihn der Zufall das Stück der Niederschrift der Bekenntnisse finden lassen, die der schwer verwundete Gomez, als Alonzo sich auf dem Wege nach dem Cura befand, zu Papier brachte.

    Der geriebenene Bandit, der sofort begriff, welche Wirkung diese wenigen Zeilen von Gomez' Hand auf de Valla haben würden, selbst wenn die aufgefundenen Briefe eine solche verfehlen sollte, war spornstreichs nach Bogotá aufgebrochen und hatte dort durch sein freches Auftreten erlangt was er wünschte.

    Tejada sagte sich, daß wenn dieser Alonzo d'Alcantara noch am Leben sei, er seine Spur von dem Orte aus verfolgen müsse, wo er aufgetaucht war, und das war Gomez' Hütte.

    Auf dem Wege dorthin befand er sich mit seinem Peon.

    Es war zehn Jahre her, daß Pedro d'Alcantara in dem Tale der drei Quellen von räuberischen Eingeborenen, die man für aus den Schlupfwinkeln ihrer Berge herab gekommene Aimaràs hielt, mit den Seinigen überfallen und erschlagen worden war. Nur einige von der Dienerschaft waren entkommen und hatten von dem grauenvollen Ereignis berichtet.

    Pedro d'Alcantara, einem vornehmen spanischen Geschlechte entstammend, gehörte nicht nur zu den Großgrundbesitzern des nach Bolivars Tod neugebildeten Staates Neugranada, von dem sich Venezuela und Ecuador unter blutigen Kämpfen abgezweigt hatten, er war auch einer seiner edelsten und einflußreichsten Bürger von gemäßigt liberalen Anschauungen.

    Der politische Parteihader ließ jene Länder damals nicht zur Ruhe kommen. Kaum hatte ein der liberalen Partei angehöriger Präsident einige Jahre das Regiment geführt, als sich ein blutiger Aufstand gegen ihn erhob und die Republikaner ihn stürzten, um einen Mann ihrer Partei mit dem höchsten Amte zu bekleiden. Carlos de Valla, öffentlich den Liberalen anhängend, hatte den Republikanern heimlich wichtige Dienste geleistet und stand in Ansehen bei ihnen.

    D'Alcantara, der sich wegen seines echten selbstlosen Patriotismus der Achtung bei Freund und Feind erfreute, war der Verfolgung, die nach dem Siege der republikanischen Partei über die Libertados hereinbrach, zwar entgangen; selbst sein Eigentum hatte man respektiert, in der Hoffnung, ihn für die Sache der Republikaner zu gewinnen. Doch er hatte es vorgezogen, Bogotá zu verlassen und seinen Wohnsitz im Süden des Landes, in den Llanos, fern von allem Parteigetriebe zu nehmen.

    Diese Reise brachte ihm und den Seinen ein schreckliches Ende im Tale der drei Quellen. Er selbst mit seiner Gattin, seinen Söhnen Alonzo und José, den Töchtern Juana und Maria fanden unter den Messern der Aimaràs, so lauteten die Nachrichten, den Tod. Alonzo, der Erstgeborene, war damals zehn Jahre alt - Juana, die Jüngste, kaum zwei.

    Der Name Pedro d'Alcantaras war nicht vergessen worden, es war für alle ehrlichen Leute der Name eines edlen Patrioten, der für die liberale Ausgestaltung der Verfassung redlich gekämpft hatte.

    Einen besonderen Klang hatte er noch für die Llaneros, die er wiederholt in blutigen Schlachten anführte. Tejada wußte dies alles, wußte auch, daß der wie durch ein Wunder am Leben gebliebene Sohn Pedro d'Alcantaras, immer vorausgesetzt, daß er noch auf Erden weile, hingebende treue Freunde in den Llanos gefunden haben mußte und zwar Freunde, die genau bekannt waren mit den Gefahren, die ihn bedrohten und ihn selbst vor dem mächtigen und allwissenden Manne in Bogotá jahrelang zu verbergen vermocht hatten.

    Es war also nicht ganz leicht, Don Alonzo ausfindig zu machen.

    Das waren so die Gedanken des Mannes, die sein Gehirn durchkreuzten, als er behaglich am Ufer des rauschenden Rio Negro hinritt.

    Sein Denken wurde durch einen aus einem Seitenwege plötzlich auftauchenden Reiter gestört, der nach Art der Hacienderos des Landes gekleidet, auf einem vorzüglichen Maultier im raschesten Paßgange des Mulo erschien und, ohne Tejadas zu achten, seinen Weg nach den Llanos fortsetzte.

    Rasch, wie er gekommen, verschwand der Mann an einer Biegung des Weges und war auch nicht mehr zu erspähen, als Tejada diese erreichte.

    "Hm," murmelte Don Sancho, "der hat's eilig."

    Nach einiger Zeit, während er behaglich weiterritt, hörte er Pferdehufe hinter sich und gewahrte, nicht ohne Schrecken, daß der erste der drei ihm folgenden Reiter die Uniform der Landespolizei trug und zwei bewaffnete Lanceros hinter sich hatte. Tejada fühlte große Neigung, seinem Rosse die Sporen zu geben, bezwang sich aber, sich sagend, daß er sich dadurch nur verdächtig machen würde. Mit einiger Beklemmung, denn Don Sancho Tejada kam sehr ungern mit der Polizei in Berührung, setzte er seinen Weg anscheinend ruhig fort.

    Trotzdem die Pferde der ihm Folgenden sehr erschöpft waren, hatten sie ihn bald eingeholt.

    Der Alguacil grüßte ihn höflich, was Don Sancho in guter Manier erwiderte, und fragte: "Haben Sennor vielleicht einen Reiter auf ungewöhnlich schnellem Maultier auf Ihrem Wege bemerkt, der nach Pflanzerart gekleidet war?"

    Tejada, der jetzt erkannte, daß die Lanceros dem Manne nachsetzten, der so flüchtig vor ihm aufgetaucht war, und damit jede Besorgnis schwinden fühlte, war in seinem Widerwillen gegen die ausführenden Organe des Gesetzes sehr geneigt, zu leugnen, daß er jemand gesehen habe, bezwang aber diese Anwandlung und erwiderte: "Wohl, Sennor, vor eben einer Weile erblickte ich einen solchen Reiter, der in großer Eile nach Süden ritt."

    "O, so ist er uns zunächst entkommen," sagte der martialische Polizeioffizier, "denn wir brauchen Stunden, ehe wir frische Tiere für unsere abgematteten bekommen."

    "Es galt einem Verbrecher, Sennor?"

    "Ja, und einem sehr gefährlichen. Sennor sind in den Llanos zu Hause?"

    "Doch nicht, ich bin am Magdalena ansässig und werde nur durch vorübergehende Geschäfte nach dem Süden geführt."

    "So suchen Sennor gewiß Naëva auf, des großen Jahrmarkts wegen?"

    "Ich hege auch diese Absicht, obgleich mein Reiseziel am Ocoa liegt."

    Der Alguacil, der einsehen mochte, daß mit den erschöpften Tieren, die er und seine Leute ritten, eine weitere Verfolgung des Mannes, den er suchte, untunlich sei, ritt langsam neben Tejada einher.

    Dieser bot ihm höflich seinen Tabakbeutel, den der Polizeimann erfreut entgegennahm und sich mit der Geschicklichkeit der Spanier rasch eine Zigarito formte und in Brand setzte.

    "Darf ich mir die Frage erlauben, Sennor," ließ Tejada, der sich ganz als Caballero fühlte, sich vernehmen, "was der Mann, dem sie folgen, auf dem Kerbholz hat?"

    "Es ist kein Geheimnis und ich bin Ihnen sogar dankbar, wenn Sie verbreiten, was ich Ihnen mitteile. Die Bürgerkriege, die unser schönes Vaterland verwüsteten, die Vernachlässigung der südlichen Departementos haben es möglich gemacht, daß eine Bande von Flußpiraten sich in den Gewässern des Landes - leider sind wir nicht unterrichtet wo, doch jedenfalls am Orinoko oder in einem seiner größeren Zuflüsse - niedergelassen hat und von da aus ihre verderbliche Tätigkeit übt."

    "O, was Sie sagen?" Tejada schien sehr erstaunt zu sein.

    "Leider ist es so. Diese Departementos sind nur spärlich bevölkert, dichtere Ansiedlungen weisen nur die Flußläufe auf und unsere Pflanzer haben einzig den Wasserweg den Orinoko hinab, um ihre Produkte auszuführen und nach der Küste zu bringen, wie Ihnen im Norden jenseits des Gebirges der Magdalena zu diesem Zwecke dienen muß. Seit Jahren ist es bemerkt worden, daß eine ungewöhnlich große Zahl von Flußkähnen und Flößen auf dem Orinoko verschwunden ist, verschwunden mit ihrer reichen Ladung, ihrer ganzen Bemannung. Zwar ist der Orinoko ein wilder und durch seine Felsen, seine Schnellen, seine versunkenen Baumstämme sehr gefährlicher Strom, der alljährlich seine Opfer fordert, und seine Ufer sind auf Hunderte von Meilen von unzugänglichen Wäldern eingesäumt, in denen nur der Todfeind aller Weißen, der wilde Guarani haust. Schließlich wurde aber doch der Verdacht unter unseren Hacienderos rege, daß dies nicht ganz mit rechten Dingen zugehen könne, und man richtete jetzt auf die Stapelplätze an den Flußläufen, besonders am Meta, seine Aufmerksamkeit, ohne aber zu einem Resultate zu gelangen."

    Tejada, der von dem räuberischen Treiben auf den Flüssen viel besser unterrichtet war, als der Alguacil ahnte, lauschte mit großer Aufmerksamkeit.

    "Mir war endlich ein in Orocue ansässiger Handelsagent aufgefallen, der für eine Firma in Trinidad aufkaufte und die Hacienderos ermunterte, ihren Tabak, Kakao, Kaffee, ihre Häute u. s. w. nach der Küste zu senden. Die meisten von diesen Ladungen verschwanden auf dem Strom. Als aber endlich durch einen unserer Stromschiffer, der einem räuberischen Überfall auf dem Orinoko durch ein wohlbewaffnetes Piratenboot glücklich entgangen war, sichere Kunde über dieses unheimliche Treiben zu uns gelangte, hierbei auch Anzeigen gegen den Agenten in Orocue sich ergaben, suchte ich den Mann zu fassen, der sich nach allem als der äußerst gefährliche Zutreiber dieser Flußpiraten, als ihr verderbliches Werkzeug am Lande auswies. Leider verfolgte ich ihn vergeblich, trotzdem ich ihm die Flüsse verlegte, wo die Piratas ja überall ihre Helfershelfer haben, und setze ihm, wie es scheint, auch jetzt vergeblich nach."

    Keiner von den beiden, weder der Alguacil noch Tejada beachtete, daß dicht hinter ihnen der Indianer ritt, teilnahmslos vor sich hinschauend.

    "Das ist freilich eine große Gefahr für Leben und Eigentum, Sennor," sagte Tejada, "und ich wünsche, daß es Euch gelingt, diesem gefährlichen Treiben ein Ende zu machen."

    "Ja," seufzte der Beamte, "wenn wir nur die Schlupfwinkel dieser Räuber kennen würden, aber die Ströme mit ihren einsamen Ufern bieten deren zu viele. Erwische ich den Burschen vor mir, wollen wir schon dahinter kommen."

    "Nun, alles Glück dazu! Am Magdalena macht sich zwar hie und da auch ein Pirat bemerkbar, doch im ganzen selten. Das sind hier im Süden absonderliche Zustände."

    "Ja, leider. Die Regierung in Bogotá hätte schon längst mit fester Hand eingreifen müssen, aber sie tut gar nichts, und das ist bei der Stimmung der Bevölkerung in den Llanos gar nicht gut."

    Sie verließen bald darauf die Berge und erreichten eine Posada, die zur Seite ihres Weges lag.

    Tejada beschloß dort zu übernachten.

Sancho Tejada und sein Peon vor der Posada.

Der Polizeibeamte aber, nachdem er sich nach dem, den er suchte, erkundigt hatte, freilich ohne Nachricht über ihn zu erlangen, ließ durch den Posadero frische Pferde herbeischaffen und entfernte sich mit seinen Lanceros, nachdem er gespeist hatte, nach Süden, um seinem Wilde zu folgen.

    Don Sancho Tejada rauchte, nachdem er eine treffliche Mahlzeit eingenommen hatte, nachdenklich seine Zigarito. Das Piratenwesen auf dem Orinoko war ihm durchaus nicht unbekannt, er hatte einige ehemalige Genossen unter der verwegenen Bande, die die Flüsse unsicher machte in jenen Gegenden, wo das Gesetz seine Macht verlor.

    Ja, er hatte selbst, wenn die Verfolger gar zu arg hinter ihm waren, Neigung verspürt, sich diesen Piraten anzuschließen, nur daß die Hoffnung, ein sicheres Asyl am Lande zu finden, ihn davon zurückgehalten hatte.

    Aber diese Leute vom Orinoko, die auf irgend einer Insel eine geheime Niederlassung hatten, hielten weitverzweigte Verbindungen an den Flußläufen aufrecht.

    Sie waren vielleicht zu brauchen, ihm bei seinem Vorhaben zu unterstützen oder ihm im Notfall eine Zuflucht zu gewähren, denn gefährlich schien ihm die Sache mit dem gesuchten jungen Alcantara doch.

    Er kannte die Llaneros aus Erfahrung.

    War Don Alonzo einer von den ihren, und das war ja wohl das Wahrscheinliche, so gehörte viel Vorsicht und viel Klugheit dazu, ihm einen Streich zu versetzen, ohne eigene Gefahr zu laufen.

    Diese wilden Rinderhirten mit ihren langen Lanzen und ihrer Sicherheit im Gebrauche des Lassos, zugleich mit ihrer Fähigkeit, einer Spur zu folgen, waren furchtbare Gegner und Don Sancho Tejada, der ehemalige Teniente im Dienste der Republik Neugranada, verspürte wenig Lust, sich ihrem Grimme auszusetzen.

    Vielleicht gelang es ihm, eine Verbindung mit den Flußpiraten herzustellen und in ihrer Mitte ein Werkzeug zu finden, das sich gegen Don Alonzo brauchbar erwies.

    Es war ihm recht angenehm, durch die Begegnung mit dem Alguacil die Erinnerung an die Räuberinsel aufgefrischt zu sehen.

    Tejadas nächstes Bestreben war darauf gerichtet, den Jüngling erst zu ermitteln.

    Hoffentlich fand er in der Nähe von Gomez' Heim die Spur, die ihn weiter und bis zu dem ersehnten Opfer führte.

    Das übrige mußten die Umstände geben.

    Tejada, der im Besitz einer Summe Geldes war, wie er sie seit langem nicht besessen, und sich hier sicher fühlte, war in der rosigsten Laune und malte sich eine Zukunft aus, die er sich mit den fünftausend Pesos de Vallas zu schaffen hoffte.

    Unweit von ihm saß sein indianischer Peon und blickte teilnahmslos, nach der Art der Ureingeborenen vor sich hin.