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Der Raub der jungen Dame hatte weit und breit in den Ansiedlungen der Berge großes Aufsehen und wilden Grimm erregt. Und lebhaft war der Wunsch, den Räubern, die der allgemeinen Meinung nach nur Aimaràs sein konnten, den Raub abzujagen und die Wilden gründlich zu züchtigen.
So kam es, daß Alonzo, als er mit den Seinen im Lager Sennor Vivandas eintraf, wohl an sechzig entschlossene und gut bewaffnete Bergbewohner antraf -, die bereit waren, den Zug in die Berge zu unternehmen.
Alonzo fand den alten Herrn ganz gebrochen von bitterem Herzeleid.
Er tröstete ihn, so gut er vermochte, besonders mit der Vesicherung, daß die Wilden beim Raube eines Mädchens es nur auf Lösegeld abgesehen haben könnten.
Sennor Vivanda führte ihn hinaus, wo die Montaneros, unter denen auch einige Indianer der benachbarten Ansiedlungen waren, am Feuer lagerten, um ihn diesen vorzustellen; er nannte ihn dabei den Sohn seines Herzens. Die mit Alonzo gekommenen jungen Männer hatten sich den anderen schon zugesellt.
Ein älterer erfahrener Bergbewohner, der als berühmter Jäger das Gebirge bis weit hinauf kannte, erhob sich, schüttelte Alonzo die Hand und sagte dann: "Wir haben überlegt, Sennor Vivanda, wie wir dir und deinem armen Kinde helfen können. Nichts wäre uns lieber, als diese Räuber oben in den Bergschluchten zu vertilgen, aber sie wohnen in solch sicheren natürlichen Festungen, daß sie jedes Angriffs spotten können. Außerdem haben sie deine Tochter als Geisel. Wir müssen den Weg der Unterhandlung versuchen."
"Ja," sagte Alonzo, "aber der Unterhändler muß dreißig tapfere Herzen und dreißig sichere Büchsen hinter sich haben. - Mit dreißig entschlossenen Männern unternehme ich es, den ganzen Stamm zu vertilgen."
"Du sprichst große Worte, Jüngling," erwiderte der Montanero. "Du kennst das Gebirge nicht."
"Ich kenne es, und weiß, was ich sage," erwiderte Alonzo ruhig.
"Und er ist ein wundervoller Schütze," rief einer der jungen Leute, die mit Alonzo gekommen waren, "wir haben es gesehen. Ist es nicht so, Companeros?"
"Ja, es ist wahr," bestätigten die anderen.
Mit hastigen Schritten kam ein junger Mann auf Alonzo zu und vor dem Jüngling stand Antonio, der Mestize, der ihn mit leuchtenden Augen anstarrte.
"Don Alonzo, bist du es?" fragte er mit bebender Stimme.
Durch Alonzos Herz zog ein freudiges Gefühl, als er den vor sich sah, dem er einst das Leben gerettet hatte. Er reichte dem Mestizen die Hand und sagte: "Ich bin es, amigo mio, und freue mich, dich noch unter den Lebenden zu sehen. Doch," setzte er leise hinzu, "sprich hier nicht von dem Beginne unserer Freundschaft."
"O, Don Alonzo," sagte Antonio, sehr bewegt von diesem Wiedersehen, "ein gütiges Geschick war uns gnädig -, ich gehöre Euch im Leben und im Tode, verfügt über mich. - Companeros," rief er dann laut, "wenn einer uns gegen die feigen Mörder in den Bergen führen kann, so ist es hier Don Alonzo, der Sohn dieses würdigen Herrn, ich weiß es aus Erfahrung, ich folge seiner Leitung unbedingt."
Da der Mestize, der sich großer Achtung erfreute, auch als geübter Bergsteiger und Jäger bekannt war, machten seine Worte einen sehr guten Eindruck auf die Montaneros.
"Gut so," sagte der ältere Mann, der aufmerksam die Begrüßung zwischen Antonio Minas, dem Halbindianer, und Alonzo beachtet hatte, und wohl wußte, gleich den Weißen hier, daß der Mestize durch die Klugheit, Tapferkeit und Hingebung eines bei den Aimaràs gefangen gehaltenen Knaben gerettet worden sei, "wenn Antonio Minas das sagt, bin ich bereit, Don Alonzo zu folgen."
"Wir gehen mit ihm," riefen die anderen.
Der Zuruf war kaum verklungen, als zwei Reiter auf die Versammelten zukamen, von denen der Vorankommende, ein älterer bebrillter Herr in leichtem Sommeranzuge, der nichts vom Jäger oder Landmann an sich hatte, in großer Erregung zu sein schien. Der ihm folgende war ein Peon.
"Ich suche Sennor Vivanda," sagte er hastig, sich umschauend.
Vivanda ging ihm entgegen und begrüßte ihn.
"Ich bin Professor Pinola von Bogotá, Sennor, und weile als Forscher in den Bergen. Ich habe von Eurem großen Unglück vernommen -, o -, auch wir haben Gleiches zu beklagen -, das jüngste Mitglied unserer Expedition, Don Eugenio de Valla, ist uns von Wilden in die Berge entführt worden. O, Sennor, der junge treffliche Mann ist mir von seinem Vater anvertraut worden, Sie sorgen um Ihre Tochter, ich höre, daß man Ihnen beistehen will -, o lassen Sie uns unsere Anstrengungen vereinen, um die Gefangenen zu befreien. Der Vater Don Eugenios, der Staatsminister de Valla, wird jedes Lösegeld für seinen Liebling bezahlen und jeden reich belohnen, der zu seiner Befreiung mitwirkt."
Der Professor brachte dies alles in nicht geringer Aufregung hervor.
Über die Züge Sennor Vivandas lagerte sich ein tiefer Ernst.
de Vallas Sohn in den Händen der Aimaràs?
"Strafst du schon hier, Allewiger?" flüsterte er vor sich hin.
Alonzo war schmerzlich überrascht von dieser Kunde, doch blieb sein Antlitz ruhig.
"Wann ist dies geschehen?" fragte jetzt der ältere Montanero, "und woher wissen Sie, daß Aimaràs den jungen Mann gefangen haben?"
"O Sennor," erwiderte der Gelehrte, "Don Eugenio ist ein eifriger Entomologe, und als er vor drei Tagen nicht zum Lager zurückkehrte, suchten wir ihn mit Hilfe der indianischen Jäger, die wir bei uns haben, denn wir fürchteten, er habe sich verirrt oder es sei ihm ein Unfall begegnet. Unser Suchen war vergeblich, doch durch einen Eingeborenen des Landes erfuhren wir, daß berittene Indios einen jungen Weißen, dessen Beschreibung auf Don Eugenio paßte, in die Berge geführt hatten. Da hörte ich gestern auch noch von der Entführung Eures Töchterchens, Sennor. Lassen Sie uns vereint handeln, um diese teueren Menschen zu befreien; kein Preis ist dafür zu hoch."
Die Montaneros, die sich um die Gruppe versammelt hatten, lauschten diesem Berichte mit sich steigerndem Ingrimm. Seit Jahren hatten die gefürchteten Räuber nichts von sich gewahren lassen und nun sich wieder in solch schreckenvoller Weise bemerkbar gemacht.
Der Zorn machte sich in manchem Ausrufe Luft.
"Diese Männer hier," sagte Sennor Vivanda zu Professor Pinola, "sind entschlossen, alles zu versuchen, um mein Kind zu befreien, und werden gewiß auch für Don Eugenio eintreten."
"Gewiß," beteuerten die Hörer, "wir werden ihn nicht verlassen."
"Das ist Ihr Sohn, Sennor?" fragte Pinola, Alonzo anblickend, der neben Vivanda stand.
"Ja, Don Alonzo."
"O, er hat schon einmal Don Eugenio das Leben gerettet -, sein Name ist in unser Herz geschrieben." Er reichte Alonzo die Hand und fuhr mit bewegter Stimme fort: "Wenn Sie wüßten, Sennorito, wie sehr Eugenio Sie liebt, Sie würden stolz darauf sein -, o, wir sind Ihnen ja schon auf das Tiefste verpflichtet -, verlassen Sie Don Eugenio auch jetzt nicht."
"Wir werden tun, was wir können, Sennor."
Rasch wurde jetzt beschlossen, daß unter des alten Jägers und Alonzos Führung die dreißig besten Bergsteiger und Schützen in die Berge ziehen sollten, um die Gefangenen durch Lösegeld, mit List oder Gewalt zu befreien. Die Leute wurden ausgewählt und rasch alle Vorbereitungen für den gefährlichen Zug getroffen.
Bald darauf ritten zweiundreißig entschlossene Männer auf guten Maultieren die Schluchten hinan, es waren nur Montaneros.
Voran ritt Geronimo Corazon, der Jäger. Etwas hinter den anderen ritten Alonzo und Antonio, der Mestize -, der, als sie allein waren, stürmisch seiner Freude Ausdruck gegeben, den jugendlichen Retter seines Lebens wiedergefunden zu haben.
"Glaubt nicht, Don Alonzo, daß wir Euch damals verlassen hatten -, wir haben lange im Nebel gewartet auf Euch, mußten aber endlich aufbrechen, um nicht in die Hände der Wilden zu fallen. Unsere Tiere führten uns sicher durch den Nebel den furchtbaren Weg nach unten. Ob wir verfolgt wurden, weiß ich nicht, wir haben nichts davon bemerkt. Am dritten Tage trafen wir auf Leute, die nach Chinarinde suchten, und waren gerettet."
"Und Euer Gefährte?"
"O Don Fernando? Bis auf die Besorgnis um Euch war er stets guter Laune, aber Euer Schicksal ging ihm sehr nahe. Ich habe, seitdem wir uns trennten, nichts wieder von ihm vernommen. Er war eines großen Mannes Sohn und wird wohl jetzt selbst ein großer Mann sein."
Alonzo teilte dem Mestizen jetzt die Vorgänge mit, die ihn gehindert hatten, den Ort des Zusammentreffens aufzusuchen; staunend und teilnahmsvoll lauschte Antonio Minas.
"Ihr habt ein goldenes Herz, Don Alonzo, Ihr habt für Fremde Euer Leben rücksichtslos gewagt. Ach, ich fürchtete, Ihr seid den Wilden zum Opfer gefallen und habe manche Messe für Euch lesen lassen -, glaubt es, ich habe oft mit inniger Dankbarkeit Eurer gedacht. Umsomehr freue ich mich, Euch wohlbehalten und den Eurigen wiedergegeben zu sehen. Wunderbar aber ist nur, daß ich, der ich doch den Llanos nicht gar so fern wohne, nie von Euch etwas vernommen habe."
"Es sind Gründe vorhanden, Don Antonio, zu verschweigen, daß ich aus der Gefangenschaft bei den Aimaràs zurückkehrte, daher gab ich Euch vorher einen Wink, nicht davon zu sprechen, und bitte Euch, es auch jetzt nicht zu tun."
"Seid versichert, ich schweige. - Eine unbändige Freude aber sollte es mir bereiten, jetzt in Eurer Gesellschaft den Roten die Angst, die ich einst ausgestanden habe, vergelten zu können."
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Anstrengend für Mensch und Tier war das Emporsteigen in die höheren Regionen der Kordilleren. Gegen Abend des dritten Tages hatte die kleine Schar der Montaneros eine Höhe erreicht, zu der außer Antonio und Alonzo nur der Jäger Geronimo bisher gelangt war. Geronimo war bisher der Führer gewesen. Als er, nachdem sie ein kleines Tal durchritten, nach links abbiegen wollte, ritt Alonzo zu ihm und sagte: "Wir müssen unseren Weg genau in der entgegengesetzten Richtung nehmen, Don Geronimo, wenn wir das Dorf der Aimaràs erreichen wollen."
"Es gibt dort keinen Weg, Sennor."
"Seid versichert, es gibt einen solchen. Dort," er deutete nach links, "kommen wir ins Hochgebirge, doch nimmer zu den Aimaràs."
Geronimo sah ihn erstaunt an.
"Da wäre ich doch begierig."
"Seht Ihr dort, neben jenem Felszacken, die Gentiansträucher, Sennor?"
"Wohl."
"Dort ist der Weg zu den Aimaràdörfern."
"O -. Habt Ihr recht, Don Alonzo, so seid Ihr ein Zauberer, oder Ihr wißt mehr vom Hochgebirge als ich vermutete."
"Ich habe hier einen Teil meiner Jugendjahre zugebracht, Don Geronimo."
"Hier?" Das Erstaunen des Alten war nicht geringer nach diesen Worten des Jünglings, und mit einem scheuen Blicke sah er zu ihm auf.
"Wir sind bis jetzt unentdeckt von den Aimaràs hoch in die Berge gekommen, denn sie haben sich natürlich in aller Eile mit ihrem Raube zurückgezogen, fürchten auch keine Verfolgung, denn die Wege zu ihren Dörfern sind nur allein ihnen bekannt. Von jetzt ab aber beginnt die Gefahr, entdeckt zu werden, von jetzt ab sind Wachen aufgestellt, und Ihr werdet sehen, wie leicht die Schluchten zu verteidigen sind. Laßt unsere Gefährten lagern, doch dürfen keine Feuer angezündet werden, und kommt mit mir, ich will Euch zeigen, wo der Weg beginnt."
Es wurde der Befehl erteilt zu lagern, und die jungen kräftigen Burschen versorgten ihre Tiere, zogen ihren Mundvorrat hervor und ließen sich nieder; die Luft war mild und sie konnten die Feuer entbehren.
Alonzo winkte Antonio heran und mit diesem und Geronimo ging er zu den Gentianbüschen. Zu seinem Erstaunen erkannte der Jäger, daß hier ein Pfad in die Berge führte, gangbar für Maultiere, der sich bald erweiterte.
"Die Sonne sinkt," sagte Alonzo, "heute ist nichts mehr zu tun. Morgen wollen wir sehen. Nur List kann uns zum Ziele führen."
Sie begaben sich zu den anderen zurück und bald lagen alle bis auf zwei, die zu aller Vorsorge als Wachen aufgestellt waren, in tiefem Schlummer. Alonzo dachte noch eine Weile des armen Mädchens, das so rauh aus den Armen ihres Vaters gerissen war, und des jungen Eugenio. Vertrauensvoll sah er dem kommenden Tage entgegen.
Noch war es dunkel als er sich erhob und nach kurzer Verständigung mit den Wächtern der versteckten Schlucht zuschritt, in der er gleich darauf verschwand.
Die Schlucht erweiterte sich, schroff aber ragten rechts und links Felswände empor. Ein nur einem geübten Auge erkennbarer Felspfad führte zur Rechten nach oben. Diesen schritt Alonzo hinan, höher und höher.
Der Pfad war schmal, er gab nur Raum für ein Maultier. Rechts die senkrechte Wand, links der gähnende Abgrund.
Gewandt und sicher schritt Alonzo diesen Weg entlang. Endlich hielt er und betrachtete die Felswand zu seiner Rechten -, ging noch einige Schritte weiter, eine nach oben führende Rinne zeigte sich schattenhaft dem Auge. Kräftig und vorsichtig zugleich ging Alonzo den steilen Weg hinan.
Endlich war er oben. Zerrissene Felsen, Steinbrocken, Büsche zeigten sich seinem Auge -, schon begann die Nacht zu weichen.
Er ging noch einige hundert Schritte weiter und ließ sich dann in einem Busche nieder, der am Fuße eines Felsens emporschoß.
Hier harrte er geduldig.
Heller wurde es im Osten und die Sterne erbleichten; rötliche Strahlen, die am Himmelsbogen emporstiegen, verkündeten das Nahen des Tagesgestirnes. Schon schimmerten die Häupter der fernen Bergriesen in zauberhafter Glut - und Nebelschleier flatterten um sie her. Und nun stieg am klaren Horizonte der Sonnenball in feuriger Pracht empor und eine Flut von Licht ergoß sich über Felsen, Wälder und Berge, alles ringsum und weithin zu neuem Leben weckend.
Es war ein Anblick von so erhabener Schönheit, daß kein fühlendes Menschenherz sich dem Eindruck dieser feierlichen Pracht entziehen konnte.
Auch Alonzo empfand tief in der Seele, was in tausend Zungen von Himmel und Erde eindrucksvoll zu ihm redete. Doch dann erwachte der Krieger wieder in ihm, der ein Feindeslager beschlich und sein scharfes Auge durchforschte die Felsen, von wo aus man den Pfad und den Weg in die Schlucht entlang sehen konnte. Auf diesen ward in Zeiten, die Gefahr fürchten ließen, eine Wache ausgestellt. Das wußte Alonzo, dessen ungebändigter Freiheitstrieb als Knabe nichts unversucht gelassen hatte, die Geheimnisse seiner Peiniger zu erspähen.
Bewegungslos und geduldig wartete Alonzo, einem Jäger gleich, der auf dem Anstand sitzt. Auf ein leichtes Geräusch hin wandte er seine Augen nach rechts.
Ein bewaffneter Aimarà kam dort sorglos einher, warf einen Blick auf den Felspfad, ließ sich dann nieder, entnahm seiner Tasche Maisbrot und begann so zu frühstücken.
Es war ein noch junger Mann und Alonzo glaubte ihn zu erkennen.
Er saß kaum hundert Schritte entfernt und ein Schuß hätte leicht seinem Leben ein Ende gemacht. Aber Alonzo wollte nicht schießen, es war zu gefährlich wachsamen Feinden gegenüber. Unschädlich machen mußte er den Wächter, doch wollte er nur im höchsten Notfall die Waffe gegen jüngere Leute erheben, die schuldlos waren am Tode der Seinigen.
Jetzt erkannte er auch den Wächter, es war Junma, mit dem er oft gespielt hatte.
Geräuschlos verließ er den Busch, der ihn verbarg, und Schritt vor Schritt, Büsche und Felsbrocken als Deckung benützend, schleichend, einem Raubtiere gleich, nahte er sich dem Indianer.
Dieser war ganz sorglos und beschäftigte sich mit seinem Maisbrot.
Bis auf drei Schritt war Alonzo hinter ihn gelangt. Er zog die Machete und das Leben des Wilden hing an einem Haare, denn Alonzo war entschlossen, die Waffe zu gebrauchen, ehe er sein Opfer entfliehen oder auch nur schreien ließ.
Vorsichtig richtete er sich auf -, ein Sprung nach vorwärts und mit der Linken des Mannes Hals mit eisernem Griff umklammernd warf er den gänzlich Überraschten zu Boden, ihm in der Sprache der Aimaràs zuflüsternd: "Keinen Laut oder meine Machete macht dich stumm." Der auf solche Weise überraschte Mann lag regungslos auf dem Rücken, die Hand seines Feindes an der Kehle, die blitzende Waffe vor seinen Augen und schreckenvoll blickte er in Alonzos Gesicht.
Dieser lüpfte die linke Hand und ließ ihn Atem holen, ohne die Machete aus der Nähe seiner Kehle zu entfernen.
"Techpo," murmelte der Aimarà und sein braunes Gesicht drückte Entsetzen aus.
Während Alonzo bewegungslos und geduldig wartete, kam ein bewaffneter Aimarà sorglos des Weges.
"O, kennt mich Junma noch? Das ist gut. Junma weiß, daß ich sein Freund bin."
"Hat der Erdgeist dich zurückgeführt, der dich hinabriß, wie Guati sagte?" - "Nein, der Windgott hat mich davongeführt in das Land der Weißen, Guati täuschte dich." Trotz der den Indianern eigenen Selbstbeherrschung war der Schrecken des jungen Wilden, den wesentlich das Wiedererscheinen Alonzos hervorrief, deutlich erkennbar.
"Junma sieht, daß die Götter der Aimaràs dem jungen Weißen hold sind, sie haben ihn auch zurückgeführt in die Berge. Da ich nicht weiß, ob Junma noch Techpos Freund ist, muß ich ihn binden, es wird ihm kein Leid geschehen, wenn er nicht Widerstand leistet."
Der abergläubische, verblüffte Wilde, der Alonzo, was dieser mit Freuden wahrnahm, als Opfer des Erdgeistes betrachtet hatte - er war also auf der Flucht vor fünf Jahren nicht erkannt worden -, dachte bei diesem so unerwarteten Wiedererscheinen des Totgeglaubten gar nicht an Widerstand, ließ sich ruhig mit Lederriemen, die Alonzo seiner Jagdtasche entnahm, binden, die schreckenvollen Augen immer auf sein Antlitz geheftet.
"Wo hast du dein Maultier?"
"Es grast im Tale."
"Gib keinen Laut von dir, Junma, denn ungern würde ich dich töten."
Alonzo nahm die an die Felsen gelehnte Büchse des Mannes und stieg in das Tal hinab. Er fand dort das gesattelte Maultier und führte es auf den Felsenpfad bis jenseits der Rinne, in der er die Felsen erstiegen hatte.
Umkehren konnte es nicht, dazu war der Pfad zu schmal, und er ließ es stehen. Er ging wieder hinauf und fand den Gefangenen ruhig in seinen Banden liegen.
"Was willst du, Techpo?" fragte der junge Wilde. "Ich habe dir nie etwas getan."
"Nein, Junma, das hast du nicht und es wird dir auch nichts geschehen, ich bin nur gekommen, das weiße Mädchen zu holen, sie ist meine Schwester, und den jungen Blanco, den die Deinen fortgeführt haben."
Junmas Gesicht verriet Erstaunen.
"Wundere dich nicht, der Wind, der von den Bergen kommt, flüsterte es mir ins Ohr. Haben die Aimaràs den jungen Mann schon getötet?"
"Nein."
"Das Mädchen werden sie gern gegen blankes Silber hergeben, es nützt ihnen nichts."
"Guati will sie zu seinem Weibe machen."
Alonzo erschrak furchtbar, doch beherrschte er seine Züge besser als der Indianer.
"Junma muß mit mir gehen zu meinen Freunden, er würde sonst den Seinen sagen, Techpo sei da."
Junma blieb stumm.
Alonzo löste die Bande an den Füßen seines Gefangenen, half ihm aufstehen, legte ihm den Lasso um, und so gingen beide in der Rinne hinab bis zu der Felskante. Das Maultier stand noch da, wo Alonzo es gelassen hatte.
Einer Aufforderung des Jünglings entsprechend, hieß der, wie es schien, gänzlich willenlose Wilde es vorwärts gehen und kurze Zeit später traten beide unter die Montaneros. Jetzt erst schien der Bann von dem Aimarà genommen, als er die weißen Jäger sah; damit war das Unheimliche, das in Techpos plötzlichem Erscheinen gelegen, für ihn verschwunden und sein Auge flammte in wildem Haß auf. Alonzo gewahrte es recht gut.
Er sagte den Freunden, daß er in dem Aimarà einen gefährlichen Wächter beseitigt habe, daß Donna Elvira und Eugenio im Dorfe der Indianer weilten.
Er ließ Junma auch die Füße wieder binden und übergab ihn der Aufsicht zweier Leute, ihnen einschärfend, daß diese Wilden eine ungewöhnliche Schlauheit besitzen, und daß sein Entweichen gleichbedeutend sei mit dem Scheitern der Expedition, und große Gefahren über alle bringen werde.
Mit Geronimo, dem Mestizen und einigen der älteren Landleute beriet er nun, was zu tun sei. Er setzte seinen Hörern, die mit Ausnahme Antonios seinen Worten mit großem Erstaunen lauschten, auseinander, daß das Tal der Aimaràs drei Zugänge habe, deren einer nahe vor ihnen lag, und durch Bewaffnete besetzt sei. Der zweite öffnete sich nach Norden hin, und von ihm aus waren die höher gelegenen Niederlassungen des Stammes zu erreichen. Der dritte gestattete nur in die unfruchtbaren eisigen Höhen der Gebirgswelt zu gelangen, in der Flüchtlinge rettungslos zu Grunde gehen mußten. Diesen Ausweg würden die Aimaràs nur im Notfall wählen.
Um die Wilden zur Herausgabe ihrer Gefangenen zu zwingen, sie selbst, die vielleicht hundert bewaffnete Männer zählten, in Schach zu halten, schlug er vor, die beiden Ausgänge des Tales, den vor ihnen und den nach Norden hin zu besetzen, wo einige Schützen genügten, den Weg zu verteidigen. Er erbot sich, die geübtesten Bergsteiger auf gefährlichen Wegen zu dem Ausgang nach Norden zu führen, dann das Wächterhaus, das vor ihnen läge, in Besitz zu nehmen. Weiteres Eingreifen und Handeln müsse den Umständen überlassen bleiben. Am Tage wolle er die jungen Leute nach Norden führen, bei Nacht das Wächterhaus überraschen. Gegen Abend sollte Geronimo auf dem Pfade vor ihnen langsam emporrücken bis zu einem Bache und dort des weiteren harren.
Die Ausführungen Alonzos zeugten von einer Ortskenntnis, die, so überraschend sie war, doch Vertrauen erweckte.
Man beschloß, nach seinen Vorschlägen zu handeln, und zehn junge Männer wurden ausgewählt, die Alonzo begleiten sollten, während Geronimo den Befehl über die anderen übernahm. Antonio blieb bei ihm.
Alonzo ließ den Aimarà jetzt seiner Kleider entledigen und zog sie an bis auf das Fußzeug, ließ ihn in einen Poncho hüllen und überzeugte sich, daß er wieder fest gebunden wurde. Er verabschiedete sich von den übrigen und schritt, gefolgt von den zehn jungen Leuten, in die Schlucht, den Felspfad hinauf und führte sie dann über schwer zu ersteigende Felsen im Halbkreise um das Tal, bis sie nach mühevoller Wanderung den Eingang im Norden erreichten. Hier hielten sie an versteckter Stelle Rast.
Geduldig harrten sie aus, bis die Nacht hereinbrach.
Alonzo verteilte seine Gefährten dann an geschützten Stellen, von wo sie den Paß bestreichen konnten, mit der Aufforderung, vorzudringen, sobald sie schießen hörten, und dann nach den Umständen zu handeln.
Als es dann ganz dunkel geworden war, nahm er die Büchse und schritt im Gewande Junmas tiefer in das Tal hinein, treu den eigenartigen Gang der Indianer nachahmend.
Niemand begegnete ihm, die Aimaràs suchten mit der Nacht ihre Häuser auf.
Nichts hatte sich ringsum verändert und Alonzo kannte jeden Fuß breit der Niederlassung. Er sagte sich, daß man Elvira, und nur ihr galten zunächst seine Gedanken, wahrscheinlich im Hause des Kaziken untergebracht haben werde, und dorthin lenkte er seine Schritte. Während er so durch die bekannten Stätten schritt, wachten die Erinnerungen an seine jahrelange Gefangenschaft unter den stumpfsinnigen Wilden wieder auf und diese Erinnerungen füllten sein Herz mit Bitterkeit. Er war jetzt ein Mann, ein kräftiger junger Mann und wußte, daß er es mit grausamen mitleidslosen Feinden zu tun habe; er war entschlossen, im Notfall rücksichtslos zu handeln. Aber er bezwang seinen Grimm in dem Gedanken an Elvira. Nicht vergebens hatte er sich indianische Vorsicht und Schlauheit angeeignet, er war den Aimaràs immer noch gewachsen. Er ging an dem Corral vorüber, in dem die Aimaràs ihre Pferde und Maultiere bewahrten. Er trat hinein, die Tiere mit einigen Schmeichelworten beruhigend, und fand ein noch gesatteltes starkes Maultier, das er vorsichtig herausführte.
Kaum war er draußen, als eine Stimme aus der Dunkelheit zu ihm drang: "Wo willst du hin?" Doch Alonzo war darauf vorbereitet und erwiderte: "Zu den Wächtern im Osten, Tucumaxtli befiehlt es." Er führte das Tier an einigen Häusern vorbei und band es in der Nähe von des Kaziken Hause an einen Baum.
Sah es jemand, so konnte er doch nichts Verdächtiges daran finden. Boten gingen öfter ab von des Kaziken Hause.
Im Dunkel der Hecken und Büsche schlich er nun zu dem Eingang, der in den das Haus des Kaziken umgebenden Garten führte, die blanke Machete in der Hand.
Er schlich durch den Garten -, im Hause war Licht, er trat an eines der verhangenen Fenster und lauschte. Da vernahm er die tiefe Stimme des Kaziken.
"Du redest törichte Worte, Guati -, das weiße Mädchen wird viel Geld einbringen."
"Das weiße Mädchen wird Guatis Weib oder sie stirbt," war die in trotzigem Tone gegebene Antwort. "Guati hat sie mitgenommen, weil sie schöner ist als der Morgenstern, sie wird Guatis Weib." Alonzo kannte die Stimme wieder, es war die seines einstigen Gefährten. "Mit dem Weißen tue was du willst, verkaufe ihn oder opfere ihn den Göttern -, das Mädchen ist meine Beute und bleibt mein."
"Die Unsichtbaren zürnen den Kindern der Aimaràs, sie haben ihnen die Opfer entrissen vor fünf Sommern und keine mehr in ihre Hand gegeben seit jenem schwarzen Tage -, sie wollen keine Opfer mehr. Mehr aber werden sie noch zürnen, wenn der Sohn Tucumaxtlis ein Weib aus dem verfluchten Geschlechte der Weißen nimmt."
"Warum sollten sie zürnen? Sie haben die Weißen dem Opfermesser entrissen und die Augen der Aimaràs mit Blindheit geschlagen. Sie waren den Weißen hold. Die Blüte des Tales wird Guatis Weib. Guati hat gesprochen."
"Du hast Techpo in der Stadt der Weißen gesehen, er wird kommen und die weiße Blüte holen."
"Ich glaube nicht mehr, daß er es war; Techpo ist vom Erdgeist verschlungen, der Weiße sah ihm ähnlich. Laß ihn kommen, wir werden ihn empfangen."
"Du hast unrecht und übereilt gehandelt mit dem Mädchen, sie bringt alle Weißen gegen uns in Grimm."
"Was wollen sie? Ihre Gebeine in den Felsen lassen?"
"Die Götter zürnen uns, Guati -, errege ihren Grimm nicht noch mehr."
"Wo ist der Jüngling?" fragte der Kazike nach einiger Zeit. "Ist er bei den Priestern?"
"Nein, er schläft in der Hütte Huaxtlas, die Priester fürchten, ihn dem Tempel anzuvertrauen, seit der Weiße und der Halbindianer mit Hilfe der Götter entflohen."
"Wir reden morgen weiter, Guati," sagte der Kazike, "die Götter werden gute Träume senden."
Ein Geräusch deutete an, daß einer der Männer den Raum verließ, der rasche Schritt ließ auf Guati schließen.
Wo war Elvira? War sie nicht im Hause des Kaziken?
Alonzo umschlich das Haus und lauschte. Kein Laut drang von innen nach außen.
Das Haus hatte noch einen oberen Raum, der mehrere Gemächer unter dem Dach von Maisstroh enthielt. Alonzo wußte dies wohl. In einem schien Licht zu brennen. Eine Fichte stand unweit und Alonzo kletterte zwischen ihren Ästen empor. Das Gemach unter dem Dache war erleuchtet, aber das Fenster verhangen. Vergebens spähte, vergebens lauschte er. Schon wollte er mißmutig wieder herabsteigen, als der Vorhang gelüftet wurde und Alonzo in die Kammer sehen konnte. Ein altes Indianerweib blickte einen Augenblick aus der Fensteröffnung und ließ den Vorhang dann wieder fallen, aber Alonzos Auge hatte ein weißes Kleid erkannt, das eine auf einem Lager ausgestreckte Gestalt einhüllte - Elvira war da.
Er ahmte den Ruf der Bergeule mit täuschender Treue nach, der die Indianer stets mit abergläubischer Scheu erfüllte und diese jetzt dem Garten, selbst den nach diesem hin führenden Fensteröffnungen fern halten würde, und stieg nach einiger Zeit wieder hinab.
Er überzeugte sich, daß das Maultier noch am Platze war und harrte geduldig, bis die Lichter in den Häusern erloschen und die Bewohner zur Ruhe gegangen waren. Er sann und sann, wie er sich Elvira nähern könne, wie er sie unverdächtig aus dem Hause des Kaziken entführe.
In das Haus, selbst in das obere Stockwerk zu gelangen, war möglich -, aber Alonzo fürchtete das Geschrei des alten Weibes, das sicher der Gefangenen als Wächterin beigegeben war, und alles ringsum wecken würde.
Auch Eugenios gedachte er - auch ihn wollte er befreien, sobald Elvira in Sicherheit war.
Er sann und sann und die Nacht rückte vor, er sah es an den Sternen.
Da kam ihm ein Gedanke, der alle Männer aus den Häusern locken würde. Das Tempelhorn mußte sich hören lassen.
Flink schlich er zwischen den Hecken und Zäunen einher, jedes Anrufs gewärtig, und bald lag schattenhaft der in Pyramidenform aufsteigende Tempel vor ihm. Er wußte, wo das Horn hing, und war gleich darauf auf der Terrasse. Er tastete in der Nische -, das Horn war an seiner Stelle. Einen Augenblick zauderte er, denn leicht konnte die Erweckung der Aimaràs ihm das Leben kosten, ohne der Gefangenen Befreiung zu bringen. Aber er sah kein anderes Mittel, die Männer aus des Kaziken Hause zu locken.
Er setzte das gewaltige Horn an, blies mit aller Kraft seiner Lungen hinein und der dumpfe markerschütternde Ton hallte durch die Nacht und weckte das Echo der Schluchten.
Noch einmal dröhnte das Horn in langem, mächtigem Tone. Dann ließ Alonzo es fallen und glitt von der Terrasse herab, mit drei gewaltigen Sprüngen einen Eibenbusch erreichend, an dem er zur Erde sank.
Schon wurde es lebendig in den Häusern, Lichter erschienen, Stimmen wurden laut -, Alonzo wußte, alle würden nach dem Tempel eilen, um dort zu vernehmen, von wo Gefahr drohe. Außer sich, am meisten überrascht eilten die Priester aus ihren nahegelegenen Häusern herbei. Wer konnte es wagen, das Horn des Unheils zu berühren?
Einem Schatten gleich glitt Alonzo durch die Nacht, sich niederwerfend, wenn Männer nahten. Er erkannte Tucumaxtlis Stimme, der eilig von seinem Hause herkam, er vernahm die Stimme Guatis, der sich zu dem Kaziken gesellte.
Alonzo nahte sich dem Hause des Kaziken, nachdem er sich vorher überzeugt, daß das Maultier noch an seinem Platze sei, und ging keck zum Haupteingang hinein, die Treppe hinauf, er wußte wo das Gemach lag, in dem er Elvira gesehen. Es war Licht darin, er erkannte es durch den dichten Vorhang. Er lauschte, lüftete vorsichtig den Teppich. Da lag bleich und matt Elvira -, das alte Weib lauschte am Fenster hinaus. Mit raschem Schritt trat Alonzo ein, die blinkende Machete in der Hand.
Elvira sprang erschreckt empor, das Weib wandte sich -, vor ihnen stand ein hoher Aimaràkrieger, dessen Augen heller blitzten als die Waffe.
Einen kurzen Moment standen beide Frauen starr -, dann rief Elvira: "Alonzo!" - und das alte Weib flüsterte entsetzt: "Techpo."
Alonzo kannte die ganze Gefahr, die ein Hilferuf des Weibes mit sich führen würde, er trat mit finsterem Gesichte auf sie zu.
"Nieder, Catha -, der Gott des Windes sendet mich."
Nieder sank das Weib, zitternd.
Mit zauberhafter Schnelligkeit umschnürte Alonzo sie mit seinem Lasso, zwang ihr einen Lappen, den er Elviras Lager entriß, in den Mund und sagte zu Elvira, die stumm vor Überraschung dem eilig sich abspielenden Vorgang zusah, "komm!"
Er bot ihr die Hand, führte sie zur Tür, riß dort den Vorhang ab, wickelte ihn um ihre zarte Gestalt und leitete sie dann hinab. Niemand begegnete ihnen.
Draußen nahm er das schwache Mädchen auf den Arm und trug es zu dem Maultier, setzte es auf dessen Rücken und schwang sich hinter Elvira auf, das Tier mit freundlichen Worten in der Aimaràsprache ermunternd.
Vom Tempel her ertönten Stimmen.
Einen kurzen Augenblick hatte Alonzo gezweifelt, ob er den Weg zu dem nördlichen Ausgang des Dorfes nehmen sollte, aber der Weg über die Felsen war für das zarte Mädchen unmöglich, so war er entschlossen, den Weg nach dem Wächterhaus im Westen zu nehmen -, auf jede Gefahr hin. Blut mußte dort fließen, und er war entschlossen, es zu vergießen, wenn es nötig war. Niemand begegnete ihm und er ließ das starke Tier laufen.
"Alonzo!" flüsterte es vor ihm, halb ängstlich, halb freudig.
"Sei ruhig, Schwester, ich rette dich."
Und sie festhaltend stürmte er durch die Nacht den ihm wohlbekannten Weg entlang. Endlich hielt er, hob Elvira herab, band das Tier fest, nahm sie auf den Arm, trug sie durch die dunkle Schlucht sicher über Felsgeröll hin, in die Höhle, die er einst mit Fernando und dem Mestizen betrat und flüsterte ihr zu: "Harre hier, Schwester, hier bist du ganz sicher, harre, bis ich dich hole."
"O Alonzo, Bruder -, o komme bald, ich vergehe vor Angst."
"Bete, ich komme wieder." Fort eilte er. Keine Zeit war zu verlieren, denn die schützende Nacht nahte ihrem Ende.
In den Hohlweg tretend, sah er eine dunkle Gestalt neben seinem Maultier stehen.
"Wer bist du? Was tust du hier?" fragte eine rauhe Stimme in der Aimaràsprache.
Einen Augenblick erschrak Alonzo, aber dann fuhr im Zorn der Verzweiflung geschwungen blitzschnell seine Machete in des Mannes Brust. Lautlos sank dieser nieder. Alonzo schwang sich auf und ritt in voller Eile weiter. Es nahte das Wächterhaus. Er wußte, drei Männer wurden in Zeiten, wo es notwendig war, dorthin gestellt -, also zwei hatte er noch zu bewältigen, ehe der Eingang für die Freunde frei war. Er hoffte zwar, daß der Mestize Antonio, der den Weg kannte, die Dunkelheit benutzt haben würde, um weiter vorzudringen, aber er hatte keine Gewißheit. Er fürchtete auch das Zusammentreffen mit den Aimaràs nicht, aber es ging ihm gegen die Natur, unvorbereitete Feinde zu überfallen. Dennoch mußte es sein, das Leben Elviras stand auf dem Spiele. Da war das ruinenhafte Wächterhaus, es zeichnete sich bereits gegen den Morgenhimmel ab.
In vollem Laufe seines Tieres jagte er nach Botenart heran. Auf die Felsplatte traten zwei Männer, schattenhaft nur wahrzunehmen.
"Ho - ah?" schallte es ihm entgegen.
"Ein Bote des Kaziken."
Alonzo sprang ab und eilte hinauf zu dem Wächterhaus.
Ein älterer, grimmig aussehender Mann trat ihm entgegen, dessen Antlitz ihm von dem Schreckenstage im Tale der drei Quellen im Gedächtnis geblieben war, es war einer der Mörder der Seinen. Das Blut stieg ihm zu Kopf, jetzt stand er nahe vor dem Wilden -, dieser starrte in sein Gesicht und stieß einen Laut der Überraschung aus, er sah in das Gesicht Techpos, des so geheimnisvoll Verschwundenen. Mitleidslos fuhr dessen Machete empor, schwer getroffen stürzte der Mann zu Boden. Der andere stand wie versteinert. Doch als jetzt Alonzo eine Bewegung auf ihn zu machte, riß er die Büchse empor, Alonzo schlug sie zur Seite, aber in den Felsen widerhallend entlud sich der Schuß. Fernes Rufen antwortete dem Echo.
Alonzo stieß einen gellenden Schrei aus und warf sich so plötzlich auf den überraschten und wehrlosen Wilden, einen noch jungen Mann, daß dieser am Boden lag, ehe er wußte, wie ihm geschah.
"Rühre dich nicht," sagte Alonzo, "oder meine Machete fährt durch deine Kehle."
Der Indianer war still.
Draußen hörte man eilenden Huf der Mulos den Weg entlang kommen und gleich darauf standen Geronimo, Antonio und andere der Montaneros neben Alonzo.
"Dem Burschen eine Kugel durch die Schläfe," sagte der alte Jäger.
"Nein, binden, er ist mein Gefangener," erwiderte Alonzo gebieterisch.
Und allsobald wurde der Aimarà gebunden.
Von neuem ließ Hufschlag sich vernehmen. Diesmal aber kam er vom Dorfe her.
"Deckt euch und feuert, wenn sie erscheinen."
Schon war die Morgendämmerung angebrochen und man sah deutlich Reiter herannahen, denen das dunkle Haar wild um den Kopf flatterte.
Auf hundert Schritte ließ man sie herankommen.
"Feuer!"
Zehn Gewehre entluden sich, gellende Schmerzenslaute hallten in dem Hohlweg wider und wild wälzten sich Tier und Menschen durcheinander.
"Feuer!"
Die Büchsen der Montaneros entluden sich.
Noch einmal krachten die Büchsen, aber schon hatten sich die überraschten Aimaràs zur Flucht gewandt und nur noch fernher vernahm man den Hufschlag ihrer Tiere.
Die Montaneros jubelten Alonzo zu. Antonio drückte ihm die Hand und sagte leise: "Das war die verhängnisvolle Stelle hier."
Alonzo berichtete, daß Donna Elvira in Sicherheit sei, daß aber Sennorito de Vallas noch auf Rettung harre.
"Du kennst diesen Schlupfwinkel der Bandidos, Don Alonzo, was rätst du zu tun?"
"Wir können nicht gehen, ohne einen Versuch zu machen, den jungen Mann zu retten."
"Nein, nein, gewiß nicht!" riefen alle.
"So denke ich, rücken wir vor. Sind wir am Dorfe, werden unsere Freunde vom Norden her angreifen und bringen die Räuber zwischen zwei Feuer."
"Gesprochen wie ein großer Capitano, so sei es," sagte Geronimo.
Alonzo hielt es für nötig, daß drei der Büchsenschützen auf alle Fälle zurückblieben in dem Wächterhause. Auch dies wurde beschlossen und drei der älteren Leute dazu bestimmt. Die anderen zogen weiter die Schlucht entlang dem Dorf zu, nachdem sie einige tote Maultiere und mehrere Leichen zur Seite geräumt hatten.
Alonzo ritt zuletzt. Er hatte einen der drei, die im Wächterhause zurückbleiben sollten, mitgenommen. Als die Stelle gekommen war, holte er Donna Elvira aus ihrem Versteck und übergab sie ihm. Sorgfältig gegen die Morgenkälte in die Decke gewickelt, ward sie auf ein Maultier gesetzt.
Mit Tränen des innigsten Dankes sagte sie zu dem Jüngling: "Kehre glücklich zurück, mein Bruder."
Vorsichtig geleitete der Bergbewohner das junge Mädchen zu dem Wächterhause, wo man, so gut es anging, für ihre Bequemlichkeit sorgte. Die Toten und den Gefangenen hatte man beiseite gebracht.
In rascher Gangart trabten die Montaneros, die Büchsen in den Händen, auf das Dorf zu, Alonzo an ihrer Spitze.
Als sie der Stelle nahten, wo der Hohlweg in das Tal auslief, ließ Alonzo halten. Er erkletterte links den Felsen und ließ einen der jungen Leute rechts des Weges emporsteigen.
Sie gewahrten keine Feinde, sahen nur Weiber und Kinder bei den Häusern, die angstvoll umherliefen, stiegen herab und ritten jetzt in das Tal.
Da knallten die Büchsen von Norden her.
Da man nur von Osten her einen Angriff erwarten konnte, hatte Tucumaxtli zwanzig Krieger zu dem Wächterhause geschickt.
Als diese dort so rauh empfangen, dezimiert, in Todesangst in das Tal zurückjagten und die Unheilsbotschaft verbreiteten, daß das Wächterhaus im Besitz zahlreicher Weißer sei, verbreitete sich wilde Panik und alles strömte dem Ausgang nach Norden zu. Erst jetzt erfuhr Guati, als er nach des Kaziken Hause eilte, um Elvira zu holen, durch die gebundene Alte von der Anwesenheit Techpos.
Doch schon kamen auch die Aimaràs vom Nordeingang zurück; die Büchsen der versteckt liegenden Montaneros hatten sie blutig hinweggescheucht und jetzt erschienen auch die Feinde aus der Schlucht von Osten her.
Die überraschten Wilden wandten sich jetzt dem Talausgang nach Westen zu.
Schon krachten auch die Büchsen der Begleiter Alonzos.
Doch nicht alle Aimaràs hatten den Kopf verloren. Die erfahrenen Krieger hatten bald erkannt, daß die Schar der Angreifer nicht groß sei, und so schickten sie sich an, während Weiber und Kinder in der Flucht Rettung suchten, Widerstand zu leisten, und bald blitzten hinter Hecken und Häuser hervor ihre Büchsen, so daß auch die Montaneros gezwungen waren, Deckung zu suchen.
Nur Alonzo hielt in stolzer Haltung auf seinem Maultiere da, ein Bild trotzigen, verderbenbringenden Kriegsmutes, und schaute mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Grimm, Stolz und Verachtung auf die Stätte, wo er so lange im tiefsten Elend unter den Mördern der Seinen geweilt hatte.
Der Tag der Vergeltung war gekommen, als Sieger war er eingezogen in das Tal, das ihn als Sklaven gesehen hatte.
Furchtlos bot er dem Feinde die Stirn.
Mit Bewunderung sahen die Montaneros zu ihm auf und scheu erblickten die Aimaràs den jungen Krieger in indianischer Tracht vor sich.
Weithinhallend aber rief Alonzo in der Sprache der Aimaràs: "Hört es, ihr Mörder aus dem Tale der drei Quellen, Techpo ist zurückgekommen, um euch zu vertilgen und eure Leiber den Geiern zur Speise zu geben."
Einen Augenblick herrschte Stille bei den Wilden, dann aber erhob sich wütendes Geheul, Büchsen krachten und Kugeln flogen um Alonzo her.
Drohend hob dieser die Rechte, riß die Waffe an die Wange, schoß und ein Todesschrei antwortete dem Schusse. Dann sprang er ab, sich den zu Fuße kämpfenden Montaneros zu gesellen.
Die Aimaràs, die entschieden stärker an Zahl waren, wehrten sich nachdrücklich und zwei der jungen Bergbewohner waren schon verwundet.
Die Flucht der Frauen und Kinder in die Felsen dauerte fort.
Wo Alonzos Büchse aufblitzte, verbreitete sie Verderben, er sah finster aus wie der Engel des Todes.
Da kamen die nächsten jungen Leute zu ihm und boten ihm ihre Gewehre dar: "Schieß du, Don Alonzo, wir wollen laden."
Und nun brach hinter dem Felsen, der sie deckte, ein Feuer hervor, das Entsetzen in den Reihen der Aimaràs verbreitete - jede Kugel traf.
Die Weiber, Kinder, die Alten waren verschwunden.
Unerwartet sprangen die Aimaràs auf, sich durch Büsche, Hecken und ihre Maultiere und Pferde so gut als möglich deckend, und eilten, den Kampf aufgebend, dem westlichen Talausgang zu.
Ein allgemeiner Schrei des Entsetzens ward bei den Montaneros laut; auf einem der fortgezerrten Maultiere saß, allen sichtbar, der gebundene Don Eugenio.
Ein jäher Schmerz zuckte durch Alonzos Herz, er hatte in der Aufregung des Kampfes des Jünglings ganz vergessen.
Einen Augenblick zögerte er, denn der Gedanke fuhr ihm durch sein Hirn: das ist der Sohn des Mannes, der Verderben über die Deinen gebracht hat -, aber siegend gewann das edlere Gefühl die Oberhand.
"Vorwärts! Rettet Don Eugenio!"
Und die Büchse schwingend sprang er, keine Gefahr achtend, vor.
Er wußte wohl, gewannen die Aimaràs die Felsen, war eine Verfolgung, war eine Rettung des Jünglings unmöglich -, der Eingang in die Schlucht war leicht zu verteidigen. Mit Sturmeseile lief er vor.
Die tapferen Jünglinge folgten ihm.
Auch die Abteilung, die im Norden focht, drängte vor.
Aber die Indianer bewegten sich auch in großer Eile dem Felsentor zu, das ihnen Rettung bot.
Es war eine Szene der wildesten Aufregung. Sichtbar war fast allein Don Eugenios Gestalt.
"Feuer! Feuer, auf die Maultiere!"
Die Montaneros gehorchten, ihre Kugeln schlugen in den Haufen der geängstigten Tiere, Verwirrung entstand dort, einige Aimaràs liefen den Felsen zu.
Schon war der atemlose Alonzo nahe, als er sah, wie sich eine Schulter und ein Arm, dessen Hand eine im Sonnenstrahl blinkende Machete hielt, über Eugenio erhob. Alonzo stand, schoß -, der Arm sank. Fort eilten die Wilden -, das Maultier, das Don Eugenio trug, sank zusammen.
Die erbitterten Montaneros drangen vor.
Schon war Alonzo dem halb unter dem Maultier liegenden Eugenio nahe, als er sah, wie Guati mit einem Blicke grimmigsten Hasses seine Büchse nach ihm abfeuerte; die Kugel verfehlte ihr Ziel, worauf Guati, die Machete ziehend, auf Eugenio losstürzte.
Aber schon war Alonzo da, ein Stoß seiner Büchse ließ Guati zurücktaumeln und gleich darauf umklammerten ihn die eisernen Arme des Jünglings.
Aber der junge Wilde war stark, gewandt und kämpfte um sein Leben.
Mit gewaltiger Kraft rangen die beiden Gegner am Boden - aber Alonzo war der Stärkere -, er riß plötzlich seinen rechten Arm aus der Umschlingung des unter ihm liegenden Gegners los und versetzte ihm so rasch und wuchtig einen Faustschlag zwischen die Augen, daß er betäubt wurde.
Alonzo hielt die erbitterten Montaneros zurück, als sie Guati töten wollten, und befahl, ihn zu binden. Und so groß war der Respekt, den Alonzo seinen Gefährten einflößte, daß sie selbst in diesem Augenblicke höchster Erregung ihm gehorchten.
Gleich darauf lag Guati in unzerreißbaren Banden fest.
Hochaufgerichtet, einen Zug stolzen Triumphes im Antlitz stand Alonzo da, das Schlachtfeld überschauend. Die Aimaràs, der Schrecken seines jungen Lebens, lagen zu seinen Füßen -, vollständig war die vollzogene Strafe an den Mördern im Tale der drei Quellen.
Leider hatten auch zwei der jungen Leute das Leben eingebüßt und viele der Montaneros waren verwundet.
Unverletzt, aber totenbleich und zitternd, stand Don Eugenio da, er hatte das Grauen der letzten Stunde noch nicht überwunden, aber sein Blick ruhte mit dem Ausdrucke von Liebe und Dankbarkeit auf Alonzo.
Mit stolzer Freude kam Antonio, der Mestize, heran, der wie ein Löwe gekämpft hatte.
"Das ist der Tag der Wiedervergeltung, Don Alonzo, sie haben die Qualen gebüßt, die sie dich und mich einst ausstehen ließen, sie sind gezüchtigt, die Mörder, für alle Zeit."
An eine Gartenwand gelehnt, saß finsteren, aber ruhigen Angesichts Tucumaxtli, der Kazike.
Alonzos Schuß hatte ihm die Schulter zerschmettert, als er die Machete erhob, um Eugenio zu töten, eine Kugel, die ihn in den Rücken traf, ihm eine tödliche Wunde zugefügt.
Zu ihm wandte sich jetzt Alonzo, um den sich alle seine Waffengefährten gesammelt hatten.
"Du kennst mich, Kazike?" fragte er ihn.
"Ja, und ich wollte, ich hätte dich getötet wie die anderen, Natter."
"Du siehst, Tucumaxtli, dort liegt Guati am Boden, dein Sohn. Du wirst bald vor dem höchsten Richter stehen, aber er kann noch leben, wenn du hier vor den Weißen sagst, wie du mich einst in deine Gewalt gebracht hast."
"Tucumaxtli hat nichts zu sagen."
"So wird Guati an seinem Halse aufgehängt werden an einem Baum, bis ihn die Geier verzehren."
Der sterbende Kazike zitterte. Nichts ist dem Indianer grauenvoller, als ein Tod durch Erhängen.
"Wird Guati leben?"
"Ja, wenn er bei seinen Göttern schwört, nie wieder den Arm gegen einen Weißen zu erheben."
"Er wird es tun, und ich will reden."
Alonzo bat die Umstehenden, den Worten des alten Kaziken zu lauschen, hinzufügend: "Euch allen, ihr Freunde, wird mein Vertrautsein mit der Örtlichkeit hier verwunderlich erschienen sein. Nun, ich habe fünf Jahre als Gefangener dieser Wilden hier zugebracht, bis ich mit Don Antonio vor fünf Jahren diesem Tale entfloh."
"Bis der heldenhafte Knabe mich vor einem grauenvollen Tode hier rettete; Don Alonzo danke ich es, wenn ich heute noch lebe," versetzte der Mestize feurig.
Mit matter Stimme sagte der Kazike in spanischer Sprache allgemein verständlich: "Tucumaxtli geht zu seinen Vätern und es ist gut so, Guati soll noch leben. Es sind zehn Sommer, da bewog mich Gomez, der Goldsucher und Jäger, einen großen spanischen Caudillo gefangen zu nehmen und in die Berge zu schleppen, und gab mir Gold dafür. Meine Krieger witterten Blut und erschlugen die Weißen bis auf den da," er deutete auf Alonzo, "den schleppte ich mit mir in die Berge, damit seine Feinde mir viel Geld gäben, wenn er erwachsen und ihnen gefährlich geworden sei als Sohn des großen Caudillo. Einen Panther führte ich mit mir, der mich, groß geworden, zerriß, mich und die Meinen. Vor fünf Jahren entfloh er, um heute zurückzukehren. Ich schwöre bei den Göttern der Aimaràs, ich habe die Wahrheit gesagt. - Ich habe gesprochen."
Alonzo erhob langsam das Haupt.
"Ich wünschte, ihr Freunde, daß ihr das vernehmet, was ihr eben hörtet. Bewahrt es in eurem Herzen, bis die Stunde kommt, wo ich euer Zeugnis brauche.
Alle gelobten es.
Tucumaxtli hauchte bald darauf seinen letzten Seufzer aus.
Nach so furchtbaren Anstrengungen bedurften die Montaneros der Ruhe. Sie fanden Nahrungsmittel, Futter für die Tiere, Wasser, und rüsteten sich, die Nacht in dem Aimaràdorfe zu bleiben. Auch Maultiere und Pferde fingen sie noch genug ein, um die Schar derer, die über die Felsen geklettert waren, beritten zu machen. Die Verwundeten, deren Verletzungen meistens leicht waren, wurden gepflegt und die beiden Toten unter einer Fichte begraben.
Hiernach entfernte sich Alonzo, um seiner inneren Erregung Herr zu werden.
Erst nach längerer Zeit kam er zu den schmausenden, siegesfreudigen Gefährten zurück, sah nach den Verwundeten und nach Eugenio, der sich von der überstandenen Todesangst erholt hatte, lehnte seinen Dank ernst-freundlich ab und sagte, daß er zu seiner Schwester reiten wolle, um sie zu trösten und zu beruhigen.
Für den nächsten Morgen wurde der Rückmarsch bestimmt.
Alonzo hatte Elvira nach der überstandenen Angst gefaßt, fast freudig wiedergefunden.
Er ließ dann den immer noch gebundenen Junma befreien und hieß ihn in die Berge zu gehen. Auch warf er die Indianertracht ab und zog seine Kleider wieder an. Er sorgte für Elviras ungestörte Nachtruhe und suchte selbst nach unerhörten Anstrengungen den Schlaf.
Als er mit Sonnenaufgang erwachte, machte er sich alsbald nach dem Dorfe auf den Weg. Er fand Tempel und Häuser in Flammen. Die erbitterten Montaneros wollten dieses Raubnest für immer zerstören.
Nachdem er eine sanfte Mula für Elvira ausgesucht und ihr eine Art Damensattel hergestellt hatte, ließ er Guati vor sich führen, ihn in der Weise seines Volkes schwören, Frieden mit den Weißen zu halten, und gab ihn dann frei.
Mit den Gefährten machte Alonzo sich dann auf, von der Grenze des Tales noch einen Blick auf die in Flammen gehüllte Stätte, wo er so traurige Tage verlebt hatte, werfend. Er holte dann Elvira und setzte sie, wohl in den Teppich eingewickelt, auf die Mula, worauf der Heimweg nach den Llanos angetreten wurde. Einen Boten, der Sennor Vivanda die Rettung seines Kindes melden sollte, hatte Alonzo vorausgesandt. Langsamer, der Verwundeten und Elviras wegen, bewegte sich der Zug nach.
Am dritten Tage trafen sie auf eine starke Schar der Bergbewohner, die ihnen zu Hilfe ziehen wollte. Mit Jubel nahmen diese die Nachricht von dem bestandenen Kampf und errungenen Sieg auf.
Auf dem Rückweg von den Llanos.
Bald trafen sie auf Sennor Vivanda, um den sich zahlreiche Llaneros gesammelt hatten, und Alonzo legte Elvira in des gerührten Vaters Arme.
Nicht minder erfreut war der Professor Pinola, als er seinen Pflegbefohlenen wieder hatte.
Der Ruf von Alonzos Taten verbreitete sich rasch unter den Llaneros und überall brachte man ihm aufrichtige Bewunderung entgegen.
Sennor Vivanda belohnte die Montaneros mit fürstlicher Freigebigkeit und versprach, für die Toten Messen lesen zu lassen.
Antonio de Minas, der Mestize, war von Alonzo, dem er das Leben dankte, entzückt und hing an ihm mit großer Dankbarkeit.
Der kluge Halbindianer hatte wohl erkannt, daß Alonzos Zukunft, dessen Eltern vor Jahren erschlagen worden waren, während er doch als der Sohn Vivandas galt, von Unheil bedroht sein mußte.
Als er sich von ihm verabschiedete, sagte er nur: "Braucht ihr mich einst, Don Alonzo, ruft mich und ich bin mit allem was ich bin und habe zur Stelle."
Ähnliche Versicherungen gaben ihm die anderen Bergbewohner, deren Herzen er für immer gewonnen hatte.
Als auch Eugenio tief betrübt von ihm Abschied nahm und herzinnig seinem Retter dankte, seinem Retter, den er so sehr liebte, sagte Alonzo mit tiefem Ernste: "Das war Menschenpflicht, Don Eugenio, aber sagt Eurem Vater, daß Alonzo d'Alcantara Euch gerettet hat, Alonzo d'Alcantara, der Sohn Don Pedros."
Mit zahlreichem Gefolge von allen Seiten begrüßt, betraten Vivanda und die Seinen die Llanos.
Alonzo war auch hier der Held des Tages.