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Mit großem Gefolge war Sennor Vivanda nach Otoño zurückgekehrt; denen, die ihm entgegengeritten waren, hatten sich mehrere angesehene Hacienderos aus den Bergen angeschlossen, unter ihnen der Mestize Antonio de Minas, dessen Vater ein wohlbegüterter und hochangesehener Mann war. Antonio hatte das Liceo in Bogotá besucht und stand bei Weißen wie bei Roten in großer Achtung.
Zahlreiche Llaneros gesellten sich auf dem Ritt von den Bergen zu dem Zuge, der die befreite Donna Elvira in ihre Heimat geleitete.
Mit Staunen vernahmen alle von dem verwegenen Ritt in die Anden hinauf, der Befreiung der Gefangenen, der Vernichtung der Aimaràs und den Heldentaten Don Alonzos. Antonio de Minas und die anderen Montaneros hielten mit ihrer Bewunderung nicht zurück.
Der Raub der Sennorita hatte ungeheures Aufsehen weit und breit erregt. Zwar war der Mord im Tale der drei Quellen nicht vergessen, aber nicht alle glaubten, daß er von Aimaràs verübt worden sei. Viele nahmen an, daß gemietete Bandidos den der republikanischen Partei gefährlichen Mann beseitigt hätten.
Hier aber war die unglaubliche Verwegenheit der Wilden aus dem Hochgebirge konstatiert, und man freute sich ihrer energischen Züchtigung, die nur mannhafte Montaneros vollziehen konnten. Daß Don Alonzo an deren Spitze gestanden, war verwundernswert genug.
Von Don Eugenio, der sich noch vor dem Aufbruch der Vivandas von diesen getrennt hatte, um nach Bogotá zurückzukehren, sprach man kaum.
Als der Zug sich Otoño näherte, strömte alles, was auf den Besitzungen der Vivandas lebte, der geliebten Herrin entgegen; die Vaqueros, die Feldarbeiter, Weiße, Rote, Schwarze. Der Jubel der Farbigen war grenzenlos.
Mit Tränen in den Augen schloß der greise Cura seine Nichte in die Arme und reichte dann die Hand Alonzo: "Dich hat Gott uns geschickt, Knabe, um Unheil von uns abzuwehren; er schütze auch dich in Gefahren, wie du diese hier."
Von allen Seiten strömten noch Nachbarn und Freunde herbei, um sich von dem Wohlbefinden der Sennorita zu überzeugen und ihr Glückwünsche darzubringen.
Otoño beherbergte Hunderte von Gästen und die Gastfreundschaft eines reichen Llaneros zeigte sich in ihrem vollsten Glanze.
Der Abend vereinigte alles, was das Haus an Gästen barg, in dem schönen kleinen Park der Hacienda, der mit bunten Laternen und leuchtenden Holzfackeln erhellt war.
Rings um den eingefriedigten Raum lagerten Hunderte von Indios, um sich des seltenen Schauspiels zu erfreuen.
Der Name Don Alonzo klang von Mund zu Mund, und immer erneut liefen die Erzählungen von seinen staunenswerten Taten, seiner Kraft, seiner Kühnheit durch die Menge. Schon improvisierten die jungen Llaneros Lieder zu seinem Lobe und sangen sie zur Gitarre.
"Ja," schrie der alte Cazador Geronimo, der von einem dichten Kreise von Männern umgeben war, die seiner Erzählung vom Kampf in den Hochtälern der Anden lauschten, "ja, Caballeros, ich lebe, jage, kämpfe seit vielen Jahren in den Bergen, ich habe gefochten in den Bürgerkriegen, doch einen solchen Bergkrieger, solch einen glorreichen Capitano wie Don Alonzo hat mein Auge noch nicht gesehen. Ohne ihn wäre alles vergeblich gewesen und unsere Leichen lägen jetzt vielleicht in den Abgründen der Felsen."
"Viva, Don Alonzo!"
"Viva, Don Alonzo!" hallte es donnernd durch den Park.
Alonzo, dem diese Huldigungen fast peinlich waren und der ihnen doch innerhalb der erregten Menge nicht entgehen konnte, nahm sie höflich und mit der echten Bescheidenheit hin, die den Mann ziert, der seines Wertes bewußt ist.
An einem Fenster der Veranda saß Donna Elvira, umgeben von einigen Damen der Nachbarschaft, und lauschte mit freudigem Lächeln den Kundgebungen, die ihrem heldenhaften Retter galten.
Auch sie vermochte den Freundinnen nicht genug von den Schrecknissen der Gefangenschaft, der Kühnheit Don Alonzos zu erzählen.
Doch während so in froher Feststimmung das Glück der Stunde und der Held des Kriegszuges in die unnahbaren Felsschluchten des Hochgebirges gefeiert wurden, hatte Sennor Vivanda eine längere Unterredung mit seinem Bruder, zu der bald einige erprobte Freunde des Hauses und auch Antonio de Minas hinzugezogen wurden. Es wurden hier in vertrautem Kreise ernste Dinge verhandelt.
Alonzo hatte in heroischem Stolze dem von ihm geretteten Don Eugenio de Valla seinen Namen genannt, für die Herren Vivandas fiel also die Rücksicht auf die Sicherheit des Jünglings durch Verschweigung seiner Abkunft fort; der, dem sie vor allem verborgen bleiben sollte, kannte sie nun. Manches vernahmen hier die ins Vertrauen gezogenen Freunde, das sie staunen und schaudern machte. Alle aber waren der Meinung, daß es geboten sei, jetzt das bisher gewahrte Geheimnis schwinden zu lassen, und vor einem großen, teilnahmsvollen Kreise den wahren Namen und die Abkunft Alonzos kund zu geben. So wurde die Existenz eines Sohnes und Erben Pedro d'Alcantaras gleich durchs weite Land bekannt.
Die Männer betraten den Park, und Sennor Vivanda, zu seiner Seite der ehrwürdige Cura, rief Alonzo zu sich, sagte ihm leise: "Die Stunde ist gekommen, Kind, wo die Leute dich kennen müssen," und bat dann die anwesenden Gäste eine Mitteilung von ihm entgegenzunehmen.
Der Ernst, mit dem dies geschah, versammelte sofort alle Anwesenden um ihn und begierig, mit aufmerksamem Schweigen, sahen die Anwesenden dem, was kommen würde, entgegen.
"Es ist niemand in diesem Kreise," begann Sennor Vivanda, "der nicht von dem grauenhaften Unglück gehört hätte, das vor zehn Jahren einen der besten Männer dieses Landes, Don Pedro d'Alcantara mit den Seinen traf."
Die tiefe Stille, die sich über den Kreis der Hörer bei diesen Worten verbreitete, der Ernst ihrer Mienen sprachen von der Teilnahme, die die Erinnerung an diese furchtbare Tat hervorrief.
"Wir alle im Lande," fuhr Vivanda fort, "glaubten damals, daß keiner der Alcantaras dem Mörderstahl entgangen sei, aber es war nicht so; der Erstgeborene Don Pedros war am Leben geblieben und in Gefangenschaft geschleppt worden."
Unter den Anwesenden erregte diese Mitteilung maßloses Erstaunen und Aufsehen.
Was war das: Ein Sohn Pedro d'Alcantaras lebte?
Ein dumpfes Summen der Erregung ging durch die Versammlung.
"Hier ist Don Antonio de Minas, der Sohn des Alkalden von Albumarge, er wird euch erzählen, wie er den Sohn Don Pedros fand."
Und nun begann der Mestize mit einer feurigen Beredsamkeit zu berichten, wie er von den Aimaràs gefangen, in ihre unzulänglichen Schluchten geschleppt worden sei, um dort nach dem alten Aberglauben dieser Wilden als Opfer für ihre Götzen - in schaudervoller Weise zu enden. Wie er in höchster Todesnot, er und Don Fernando, ein Caballero aus dem Norden, der gleichfalls in die Hände dieser Wilden gefallen war, durch einen von diesen gefangen gehaltenen weißen Knaben, der kaum noch des Spanischen mächtig war, mit einer unvergleichlichen Hingebung gerettet wurden, und, fuhr er fort, auf Alonzo deutend, dort steht der Knabe, der uns rettete, als Mann, der einzige von allen Weißen, der die Schlupfwinkel der Aimaràs und uns zur Befreiung Donna Elviras führen konnte, vor dem der sterbende Kazike der Aimaràs bei seinen Göttern, vor unseren Ohren, schwor, daß er ihn vor zehn Jahren aus dem Tale der drei Quellen davongeführt habe. Die leidenschaftliche Erregung der Hörer wurde immer größer bei des Mestizen Worten.
Und nun berichteten die Herren Vivanda, wie Alonzo zu ihnen gekommen, und daß schon vor fünf Jahren der sterbende Gomez Zeugnis für seine Identität abgelegt habe.
"Hatten wir Gründe," schloß Sennor Vivanda, "den Namen d'Alcantara zu verbergen, der in einer Zeit politischer Zerrissenheit und gefährlichen Parteigetriebes für seinen Träger hätte verhängnisvoll werden könne, so sind diese Gründe jetzt hinweggefallen. Hier steht Alonzo d'Alcantara, ihr Freunde, der dadurch, daß er mit eigener großer Lebensgefahr den Sohn des mächtigen Ministers dieses Staates vom Tode errettete, sich dessen Dankbarkeit und Freundschaft erworben hat."
"Was Minister? Was de Valla?" schrie einer der großen Nachbarn der Vivandas - "wir sehen nur den Sohn Don Pedros vor uns, den Gott so wunderbar erhalten hat. Heil, Alonzo d'Alcantara, Heil ihm für immer!"
Die "Vivas, Don Alonzo! Salve sea d'Alcantara!" mit aller Begeisterung der Südländer donnernd gerufen, wollten kein Ende nehmen.
Man drängte sich um Alonzo, umarmte ihn, drückte ihm die Hände, zeigte ihm auf alle Weise, wie sehr man ihn um seiner selbst und seines Vaters willen schätzte und liebte.
"Und," schrie ein sonngebräunter Llanero, "brauchst du Arme, Don Alonzo, um deine Rechte zu erlangen, so rufe nur, wir steigen in den Sattel und greifen zur langen Lanze."
"Und wir Montaneros," schrie ein junger Mann aus den Bergen, "greifen für dich zur Büchse; du bist ein Capitano, dem wir gerne folgen."
"Salve, Don Alonzo d'Alcantara!" Ein Gefühl stolzer Freude zog durch Alonzos Herz bei diesen feurigen, hingebenden Beteuerungen, und daneben stieg eine tiefe Wehmut empor mit der Erinnerung an den Vater, den alle so sehr schätzten und liebten, der ihm ein leuchtendes Vorbild durchs Leben war, und - so schrecklich enden mußte. Es kostete ihn Mühe, seine stürmischen Empfindungen zu verbergen, doch gelang es ihm, und er dankte für so viel Liebe in einer Weise, die allen wohlgefiel.
Elvira aber saß am Fenster und Tränen des Glücks rannen über ihre Wangen. Der Cura aber, der seinen Zögling kannte, flüsterte ihm zu: "Danke Gott für diese Stunde, Kind, und bändige den Dämon in deiner Brust."
Auch die Farbigen draußen, die Don Alonzo alle liebten, die wettergebräunten Vaqueros nahmen teil an der allgemeinen Freude und ihre "Vivas" klangen nicht minder herzlich als die der Sennores. Weit in die Nacht hinein, unter Liederklang und Saitenspiel, dauerte das seltene Fest - das dem Staate einen d'Alcantara wiedergab.