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Don Sancho Tejada war in Naëva zurückgeblieben, auch nachdem die Jahrmarktsgäste sich zerstreut hatten, was infolge der Unheilsbotschaft aus den Bergen rascher geschehen war, als es sonst der Fall gewesen sein würde. Dennoch waren immer noch eine Menge Gäste, vorzugsweise Farbige, in dem Städtchen anwesend, und selbst der Fluß zeigte zahlreiche fremde Fahrzeuge, die stromauf und stromab gekommen waren.
Don Sancho Tejada war trotz des behaglichen Daseins, das er in der Posada, die er zum Aufenthalt gewählt hatte, führte, sehr verdrießlich. Seine Hoffnung, hier etwas von dem jungen Alcantara zu erfahren, war gründlich getäuscht worden, niemand wußte etwas von ihm, niemand glaubte, daß ein Sohn Don Pedros noch am Leben sei.
Erfahren aber hatte er hier, daß der Name d'Alcantara überall Begeisterung erweckte und - daß Don Carlos de Valla gründlich gehaßt werde. Noch setzte er seine Hoffnung auf die Gegend am Ocoa, um dort die Spur des Jünglings zu finden. Wenn ihm dies nicht gelang, konnte er nur seinen Weg ins Ausland nehmen, denn de Valla würde ihm die Täuschung nie verziehen haben. Aber wohin? In Peru und Bolivia kannte man ihn; aus Peru war er eben entwichen, als er in Bogotá auftauchte. Er mußte dann schon seinen Weg nach Brasilien oder über das Meer nehmen, um dem Zorne des Ministers zu entgehen. "Der Junge lebt am Ende gar nicht mehr," sagte er vor sich hin, "und ich laufe einem Schatten nach. Meine fünftausend Pesos wären in diesem Falle verloren und meine Zukunft ist so gut wie zerstört. Carlos hätte mir am Ende doch noch ein Pöstchen im Staatsdienste gegeben."
Unweit von ihm saß still und mürrisch, wie immer, sein indianischer Peon. Der Mann war pünktlich in seinem Dienste, aber seine Kenntnis der spanischen Sprache war gering, und dann hatte er die Eigenschaft, stets im Freien zu schlafen, was bei einem Rinderhirten, der sein ganzes Leben im Freien zugebracht hatte, freilich nicht auffallen konnte.
Doch war Tejada das nicht angenehm, denn oft war der Mann nicht da, wenn er ihn rief. Daß der Indianer wenig Spanisch verstand, war ihm ganz recht, obgleich er von dem stumpfsinnigen Burschen wohl kaum zu fürchten hatte, daß er ihn belausche.
Während er noch saß und über die nächsten Schritte nachdachte, die er zu tun habe, um den übernommenen Auftrag auszuführen, nahte die Straße her ein Reiter auf einem erschöpften Maultiere. Kleidung und Sattelzeug ließen auf einen Mann von Stand schließen; das Gesicht beschattete der breite Hutrand.
Der Mann hielt, ohne von seinem Reittier abzusteigen, vor der Posada, auf deren Veranda Sancho Tejada saß.
"He, Posadero!"
Alsbald erschien auch der Wirt.
"Habt Ihr Unterkunft für Mann und Tier?"
"Sehr wohl, Sennor. Beliebe es Euer Gnaden nur abzusteigen."
"Gut. Doch vor allem sagt mir, ist Sennor Martinez noch hier?"
Es war der Name eines bekannten reichen Gutsbesitzers der Llanos, den der Fremde nannte.
"O, Euer Gnaden, die Caballeros haben alle Naëva verlassen, als die Unglücksbotschaft aus den Bergen eintraf, auch Sennor Martinez - -"
"So habe ich den beschwerlichen Weg umsonst gemacht und ich hoffte ihn so sicher hier zu treffen."
"So wißt ihr wohl nichts von dem Unglück, das -?"
"Erzählt mir das später. Schafft etwas zu essen und zu trinken. Wenn mein Peon kommt, meldet es mir; sein Tier lahmte und blieb zurück. Rasch etwas zu essen, ich komme um vor Hunger."
Er stieg ab und folgte dem Wirt auf dessen Einladung ins Haus, während ein Peon sein Tier nach den Stallungen führte.
Tejada hatte den Fremden gleichgültig betrachtet, er schien einer der Hacienderos des Landes zu sein. Maxtla aber erkannte beim ersten Blick in ihm den Mann, der, von dem Alguacil verfolgt, ihren Weg in die Berge gekreuzt hatte, er erkannte den Mann, so flüchtig er ihn gesehen, und das vortreffliche, aber, wie es schien, hart mitgenommene Tier.
Tejada irrte sich, wenn er glaubte, daß sein auf kurze Zeit angeworbener Peon das Spanische nur mangelhaft verstände; er verstand es sehr gut, wenn er es auch unbehilflich sprach. Dabei hatte der Mann ein ungemein feines Gehör und hatte jedes Wort von dem vernommen, was der Alguacil über den Verfolgten und die Räuberinsel in einem der großen Flüsse äußerte. Daß der im Freien schlafende Mann oftmals nächtlich umherschlich und die Fremden, die zu Pferde oder auf dem Flusse gekommen waren, sorgfältig beobachtete, wußte sein Herr nicht.
Die Nacht war herabgesunken, die Leuchtkäfer begannen zu schwirren und Fledermäuse schwebten durch die Luft.
Tejada, der an dem eben angekommenen Fremden einen Gesellschafter für den langen Abend zu finden hoffte, erhob sich.
"Morgen mit Tagesanbruch reiten wir," rief er seinem Peon zu.
"Sehr wohl, Sennor."
Damit trat Sancho in das Haus. Er begrüßte den Fremden, in dem er einen gut aussehenden Mann von vielleicht vierzig Jahren erblickte, dessen hageres Gesicht etwas Lauerndes hatte, und drückte den Wunsch aus, sich seiner Gesellschaft erfreuen zu dürfen. Der fremde Caballero lehnte dies indessen höflich ab mit dem Bemerken, er sei von einem sehr langen Ritt so ermüdet, daß er notwendig des Schlafes bedürfe und ließ sich gleich darauf vom Wirt in ein nach hinten gelegenes kleines Zimmer führen mit dem Befehl, ihn nicht früher zu stören, als bis sein Peon einträfe.
Tejada ließ sich grimmig nieder und versuchte sich mit einer Flasche Wein, wie er an den Abhängen der Kordilleren wächst, zu trösten, seinen Gedankengang von vorher weiterspinnend.
Maxtla an der Schenke.
Maxtla verharrte noch geraume Zeit in eherner Ruhe, dann stand er auf und ging langsam dem Flusse zu. Er erreichte, leise dahinschleichend und schattenhaft in der Dunkelheit nur wahrnehmbar, von niemand beachtet oder auch nur bemerkt, die Stelle, die Flößen und Fahrzeugen als Landungsplatz diente; hier hielt er an. In einer Einbuchtung lagen mehrere größere Kähne, wie sie die Landleute zur Befrachtung ihrer Bodenerzeugnisse benützen, dazwischen leichtere Boote und indianische Canoas. Trotz der Dunkelheit erkannte Maxtla, der diesen kleinen Hafen, wie alles ringsum scharf beobachtet hatte, sofort ein neu angekommenes größeres Boot, das dicht am Ufer lag und mit einem Halbverdeck versehen war. Das Boot war leicht vertaut und so gelegt, daß es mit leichter Mühe in den Strom zu bringen war.
Der Indianer schritt geräuschlos weiter, seine dunklen Augen auf alles richtend, was in seinen Gesichtskreis kam.
Am Ufer erhoben sich einige luftige, aus Bambusstauden und Palmenblättern hergestellte Tienden, in denen vorwiegend Farbige verkehrten; mäßig beleuchtet ließen ihre offenen Räume doch einen Überblick über die darin befindlichen Gäste gewinnen. Es waren Peons, Feldarbeiter, kleine Grundbesitzer, vorwiegend indianischen Stammes, die hier vereint waren, obgleich Mulatten und Vollblutneger nicht fehlten. Auch die Inhaber dieser Geschäfte, die halb Kaufläden und Warenniederlage, halb Schenke waren, entstammten den Eingeborenen.
Maxtla überschaute, langsam vorbeischlendernd, den Schenkraum und gewahrte eine von den anderen getrennt sitzende Gesellschaft von sechs Personen, von denen drei Indianer waren, zu deren Seite ein Neger und zwei Zambos saßen. Maxtla zweifelte keinen Augenblick, daß er die Bemannung des Bootes, das seine besondere Aufmerksamkeit erregt hatte, vor sich habe. Er trat bescheiden ein und ließ sich in der Nähe des Tisches, an dem die Gesellschaft Platz genommen, nieder, bestellte ein Glas Limonade und zündete sich eine Zigarrito an.
Verstohlen musterte er die nur in Hemd und Beinkleid gekleideten Gesellen, deren Häupter breitrandige Strohhüte bedeckten, besonders seine Stammesgenossen.
Da wenigstens zwanzig seinesgleichen in dem Raum umhersaßen, nahm man an dem Tische, den Maxtla im Auge hatte, keine Notiz von ihm.
Die Leute dort wechselten wenige Worte und in spanischer Sprache. Hie und da fiel aber auch von den Lippen der schweigsamen Indios ein Wort in der Chibchasprache.
Einer der drei Indianer, der schweigsamste von allen, weckte Maxtlas besondere Aufmerksamkeit; es war ein Mann mit ernsten, düsteren Zügen, der um den bloßen Hals eine dünne Schnur mit einem kleinen, kaum bemerkbaren Zierat daran trug.
Als er zufällig einmal nach der Seite blickte, wo Maxtla saß, nahm dieser nachlässig seinen Hut ab, als ob ihm zu warm sei und strich mit der rechten Hand sein Haar langsam von rechts nach links hinüber.
Erkennbar funkelte es in den Augen des fremden Indianers auf und nach einiger Zeit bewegten sich die Finger seiner linken Hand über seine linke Augenbraue, worauf Maxtla sein Haupt wieder bedeckte.
Diese Zeichen waren so unverdächtiger Natur, daß sie selbst Beobachtern nicht hätten auffallen können, aber niemand beachtete sie überhaupt.
Maxtla trank seine Limonade aus und ging langsam hinaus.
Nach einiger Zeit folgte ihm der andere und ging nach dem Flusse zu.
Forschend sah er sich um.
Ein eigenartiges Zischen lenkte seine Aufmerksamkeit auf ein Lorbeergebüsch und schattenhaft gewahrte er dort eine Gestalt.
Er ging darauf zu und sprach leise ein Wort; es war der Chibchasprache entnommen, doch einer älteren Form dieser heute noch weit verbreiteten Sprache eines ehemals mächtigen Volkes.
Ein anderes Wort aus demselben Sprachstamm kam ihm antwortend entgegen.
Er trat nun ganz nahe zu Maxtla und sagte: "Sind die Kinder der Felsen allein?"
"Sie sind allein, kein fremdes Ohr ist in der Nähe."
Darauf schüttelten sie sich die Hände.
"Ich erkannte dich als einen Sohn der heiligen Erde," sagte Maxtla, "ich bin der Sohn Jolols und im Schatten der Berge mit den Inschriften der Väter aufgewachsen."
"Ich bin Huatl, der Sohn Loxitls, vom Fuße des Berges des Erdgeistes."
"Wir sind Brüder, Sohn Loxitls, das reine Blut der Chibchas rollt in unseren Adern."
"Wir sind Brüder."
"Wie kommt der Sohn der Felsen in das Boot auf den Flüssen der Steppe?"
"Der Sohn Loxitls schlug einen großen Caudillo, der ihn beleidigt hatte, und mußte flüchtig werden, er fand Zuflucht auf den Flüssen. Wie kommt Maxtla hierher?"
"Ich lebe schon lange in den Städten der Llanos, fern den heiligen Felsen und habe gefochten in den Kriegen des Landes. Ich bin hier als Peon im Dienste eines Bandido, der sich für einen Caballero ausgibt. Er ist ausgesandt, das Leben eines jungen Weißen zu nehmen, doch ich halte schützend die Hand über ihn, denn sein Vater, ein großer Capitano, war mein Freund."
"Maxtla wird ihn schützen, die Kinder der Felsen sind dankbar."
"Was tut der Sohn Loxitls hier in der Stadt der Weißen, er sage es mir."
"Wir erwarten einen Mann, der uns hier treffen will und halten das Boot für ihn bereit, das im Flusse liegt."
"So gehörst du zu den Piratas des großen Stromes, Huatl?"
"Warum fragt Maxtla das?" äußerte der Gefragte überrascht.
"Ich hörte von den Piratas erzählen und von der Insel im Flusse, wo sie hausen, sah auch den Mann, den ihr erwartet, sah euer Boot zur schnellen Abfahrt bereit liegen; ich wußte, daß ihr ihn erwartet. Und warum ich frage? Siehe, Sohn Loxitls, ich muß den jungen Menschen schützen, ich liebe ihn wie meinen Sohn und darum muß ich alles wissen, was ihm Gefahr bringen könnte. Ich kann nicht überall sein; nicht alles hören, und weiß nicht, was mein Herr Böses sinnt; vielleicht ist er auch bekannt mit eurer Insel und den Piratas."
"Ich weiß von nichts, als daß wir einen Sennor hier erwarten sollen, der nur dann und wann auf der Insel erscheint und ein Caballero ist."
"Huatl wird mir sagen, wo seine Insel liegt."
Der andere zögerte mit der Antwort.
"Du sprichst zu deinen Bruder und nur zu ihm, ein Chibcha hat nur ein Wort."
"Im Meta liegt die Insel, die dritte ist es, stromab nach der Mündung des Icaho, dort wohnen die Piratas des Orinoco und fangen die Schiffe und Flöße, die mit dem Strom hinabfahren. Huatl sagt es nur seinem Bruder."
"Es ist gut, es bleibt verschlossen in meinem Herzen. Fühlt mein Bruder sich glücklich unter den Piratas?"
"Nein, der böse Geist hat mich zu ihnen getrieben. Aber ich fürchte, die Weißen töten mich, wenn ich ins Land komme."
"Sehnt Huatl sich nicht nach seinen Bergen?"
"O, Huatl träumt Tag und Nacht von den Bergen der Chibchas."
"Er wird sie wiedersehen. Maxtla hat große Freunde unter den Caudillos (Häuptlingen) der Weißen, er wird Huatl rufen, wenn es Zeit ist. Die Kinder der Berge müssen einander beistehen und Huatl soll die Berge wiedersehen, wo die Gebeine der Väter ruhen."
"Die Unsichtbaren mögen es geben."
"Huatl soll nicht bei den Piratas bleiben."
"Der Sohn Loxitls wird deines Rufes warten, Bruder, du gibst ihm das Leben wieder; in seinem Geiste war es Nacht, seit er von der Heimat getrennt ist."
Sie schüttelten sich die Hände und Huatl ging zu dem Boote hinab, zu dessen Mannschaft er gehörte.
Maxtla, der nur von einem Gedanken beherrscht wurde, den Sohn Don Pedros vor Gefahr zu schützen und der nicht wußte, was der schlaue Bandit, dem er folgte, vorhatte, ging nach der Stadt zurück; er hatte wenigstens etwas erfahren, das zu erfahren ihm wünschenswert war. Die Piratas und ihr Treiben waren ihm gleichgültig, er war in den grausamen Kriegen der Zeit abgehärtet.
Tejada schien zwar keine Ahnung davon zu haben, wer der gefeierte Don Alonzo Vivanda war, aber Maxtla wußte, daß der Mann klug war und sich auch verstellen konnte.
Das plötzliche Davoneilen Don Alonzos in die Berge konnte leicht nur eine Verzögerung in seinen verhängnisvollen Maßnahmen gegen den Jüngling bedeuten. War es ihm auch jetzt noch unbekannt, daß Alonzo Vivanda und Alonzo d'Alcantara eins seien, so konnte jeder Augenblick ihm diese Gewißheit geben. Und dann kannte er den furchtbaren Mann in Bogotá, dessen Rücksichtslosigkeit und Macht, und wußte, daß dieser nicht zögern würde, sie gegen jemand, der ihm im Wege stand, in vollem Umfange anzuwenden. Auch ihm konnte nicht lange verborgen bleiben, unter welchem Namen sich der Sohn Don Pedros verbarg. Am liebsten wäre Maxtla Alonzo in die Berge gefolgt, aber er wagte es nicht, Tejada zu verlassen, um nicht den seiner Wachsamkeit entschlüpfen zu lassen, von dem er die nächste Gefahr für Alonzo befürchtete. So klug der Indianer in seiner Art war und so sorgfältig er alles beachtete, was auf seinen Schützling Bezug haben konnte, so sehr er umherhorchte und umherspürte, so hatte er doch eine phantastische Vorstellung von der Klugheit der Weißen auf anderen Gebieten als dem, auf dem er zu Hause war. Eine seltsame Scheu hatte er vor den schriftlichen Mitteilungen der Spanier. Hätte er damit die Gefahr für Alonzo auf immer beseitigen können, würde er keinen Augenblick gezögert haben, die Waffe gegen Tejada zu erheben, mit dem er eine alte Rechnung auszugleichen hatte. Aber er sah in ihm zunächst nur den Mittelpunkt aller gegen Alonzo gerichteten Angriffe und heftete sich darum fest an seine Sohlen. Einstweilen war Alonzo in den Bergen und sicher vor seinen Feinden, und kam der zurück, so würde er ja sehen, was Tejada tat.
Ein Mann kam ihm eilig entgegen, in dem er trotz der Dunkelheit den von dem Alguacil Verfolgten erkannte.
Dieser sah ihn und fragte: "Wo liegt der Fluß, Indio?"
"Sennor gehe nur geradeaus und er wird ihn vor sich sehen."
Der Mann ging rasch weiter und Maxtla schlich ihm gebückt nach.
Er hörte, wie der Mann das Boot mit dem Halbverdeck anrief und einige Worte mit Huatl wechselte, die Maxtla indessen nicht verstehen konnte.
Darauf ging der Fremde, nachdem er durch die Anwesenheit des Bootes wohl beruhigt sein mochte, langsam zurück und auf die Tienda zu, in der Huatls Gefährten saßen.
Unbemerkt folgte ihm Maxtla wieder.
Der Fremde trat ein und ließ sich an dem Tische neben den Leuten des Bootes nieder. Er wurde augenscheinlich erkannt, denn der Zambo wechselte mehrere Zeichen mit ihm.
Doch der Fremde schien sich sicher zu fühlen und bestellte Limonade.
Zwei von den Leuten, die um den Zambo saßen, entfernten sich aber auf dessen Wink doch und gingen, wie Maxtla sah, nach dem Flusse.
Das plötzliche Eintreten eines Alguacils wirkte überraschend auf alle, selbst auf Maxtla, und tiefe Stille verbreitete sich in der Tienda. Maxtla erkannte in dem Ankömmling den Beamten, der ihm und Tejada in den Bergen begegnet war.
Mit einem gellenden Rufe sprang der, dem das Erscheinen des Polizisten galt, auf und sprang zu der Tienda hinaus. Ihm folgten, ihre Messer ziehend, die drei, die noch von der Mannschaft des Bootes anwesend waren und alle liefen dem Flusse zu.
Eine Pistole in der Hand, lief der Alguacil ihnen nach, rufend: "Fangt sie, hundert Pesos, wenn ihr sie fangt."
Aber die Verwirrung über das Unerwartete war zu groß, als daß sie nicht lähmend auf die Anwesenden gewirkt hätte.
Ein Schuß draußen belehrte den Alguacil, daß er den Verfolgten nicht ohne Lebensgefahr nahen könne. Jetzt liefen auch Leute zusammen.
Zu seiner Verzweiflung aber nahm der Beamte wahr, wie ein Boot mit schnellen Ruderschlägen sich vom Ufer entfernte und in die Mitte des Stromes hielt.
Die Aufforderung des tapferen Mannes an die Umstehenden, mit ihm im Boote den Flüchtigen nachzusetzen, fand keinen Anklang. Niemand verspürte Lust, sich den Schüssen der Verfolgten auszusetzen, und in der grimmigsten Laune ging der Alguacil zurück, während die Ruderschläge des schnellen Fahrzeugs in der Ferne verhallten.
Der Alguacil war, bald nachdem Maxtla sich entfernt hatte, auf abgemattetem Pferde vor der Posada erschienen, hatte auf seine Frage erfahren, daß ein Reisender auf einem Maultier angelangt sei, hatte sich zu dessen Zimmer führen lassen, das zum Erstaunen des Posadero leer war.
Der Fremde hatte sich durchs Fenster entfernt. Das Maultier überzeugte den Beamten, daß er seinen Mann vor sich habe, und alsobald begab er sich nach dem Flußufer, um sich dort nach seiner Beute umzuschauen. Leider hatte er seine beiden Lanceros, die nicht so gute Pferde ritten, als das seinige war, im Eifer der Jagd zurückgelassen und so war ihm der Pirat entkommen.
Mit teilnahmsvollem Erstaunen hatte Don Sancho Tejada erfahren, wen er in dem Fremden vor sich gehabt hatte und er beglückwünschte ihn innerlich zu der gelungenen Flucht.
"Und ich erreiche ihn dennoch, den Burschen, ehe er das elende Piratennest Orocué vor sich sieht," sagte der Alguacil grimmig und suchte erschöpft sein Lager auf, zu dem ihn der nicht wenig erschrockene Posadero führte.