158063.fb2 Der Gefangene der Aimar?s - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 18

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Siebzehntes Kapitel.Auf der Hacienda Otoño

    Am anderen Tage ritt Don Sancho Tejada, gefolgt von seinem schläfriger als je aussehenden Peon Juan, nach Süden zu. War es auch ärgerlich, daß er auf dem Markte zu Naëva nichts erfahren hatte über den, den er suchte, so hoffte er doch am Ocoa, in der Nähe der drei Quellen Kenntnis von dem Verbleib des Sohnes Pedro d'Alcantaras zu erlangen.

    Da er keine allzu große Eile hatte, ritt er gemählich durch die sonnbeglänzten Llanos, bald in einer Posada, wo er eine solche am Wege antraf, bald bei einem einsam wohnenden Llanero übernachtend.

    Am dritten Tage, als er sich schon dem Ocoa näherte, fand er, als er am Abend einer aus wenigen Häusern bestehenden Niederlassung zuritt, in der am Wege liegenden Posada eine überraschend große Zahl von Gästen versammelt, zwischen denen es sehr lebhaft herging. Wohl an dreißig Pferde und Maultiere waren ringsum angepflockt und die Reiter, zwischen denen auch einige Reiterinnen zu sehen waren, hatten sich teils im Inneren des sehr luftigen Hauses, teils vor diesem niedergelassen.

    Tejada warf den Zügel seines Tieres seinem gehorsamen Peon zu und trat zwischen die Gäste, die sich wenig um ihn bekümmerten, um den Posadero zu suchen.

    Endlich traf er den Mann, der genug zu tun hatte, um die ungewöhnliche Zahl Gäste zu bedienen.

    "Habt Ihr Nachtquartier für einen Caballero und seinen Peon?"

    "Sicher, Sennor."

    "Aber Euer Haus ist voll, wie ich sehen."

    "Diese Caballeros reiten sämtlich heute abend noch ab, sie sind in den Llanos zu Hause. Kommt Ihr auch von Sennor Vivandas Fest?"

    "Nein, ich komme von Norden."

    "Sucht Euch einen Platz; sobald ich kann, werde ich nach Euren Befehlen fragen."

    Damit verschwand der Mann in einer Art Küche, in der gebacken und gebraten wurde.

    In nicht allzu günstiger Beleuchtung von Lampen, die aus Kokosschalen hergestellt waren, in denen ein von Palmöl genährter Doch brannte, sah Tejada die nervigen Gestalten der Steppenbewohner um sich her sitzen, die in verschiedenen Gruppen in lebhafter Unterhaltung begriffen waren.

    Er suchte sich ein bescheidenes Plätzchen im Schatten eines hölzernen Pfeilers und lauschte. Ein Name, der unweit von ihm ausgesprochen wurde, erregte sofort seine Aufmerksamkeit.

    "Die d'Alcantaras sind eines der ältesten Geschlechter des Landes," sagte einer der Männer, "ob aber außer Don Alonzo noch ein Glied dieser Familie lebt, weiß ich nicht - die Bürgerkriege haben aufgeräumt unter den alten Familien."

    "Es ist doch ein Wunder," sagte ein anderer, "daß Alonzo diesen roten Mördern entgangen ist."

    "Er hat ihnen heimgezahlt, was sie an den Seinen, an ihm verbrochen haben," äußerte lebhaft ein dritter, "der junge Espinoza aus den Bergen, der mit war, sagte, jeder seiner Schüsse habe getroffen."

    "Und dabei kannte er das Dorf der Ladrones noch, als ob er es gestern verlassen hätte."

    "Ja, er ist ein Mann, der Sohn Don Pedros, kein besserer Reiter, kein besserer Schütze weit und breit, seine Feinde mögen sich hüten."

    Des biederen Tejada bemächtigte sich beim Anhören dieser Wechselreden ein ungemessenes Erstaunen. Da war ja der Gesuchte, offen vor aller Welt stand er da, der Sohn Don Pedro d'Alcantaras und er schien bei diesen Leuten sehr beliebt zu sein. Sollte er ihn bereits in dem Jüngling kennen gelernt haben, der in Naëva im Wettrennen den Sieg davontrug? Ja, der mußte es sein. Hm, ein verwegener Bursche, den zu beseitigen gar nicht so leicht sein würde.

    "Mit welcher Klugheit ihn Sennor Vivanda verborgen gehalten hat."

    "Er wird wohl seine Gründe dafür gehabt haben."

    "Jetzt ist aber ein d'Alcantara da, mannhaft wie sein Vater, und wenn er ruft, reiten die Llaneros hinter ihm."

    Tejada konnte es jetzt doch nicht unterlassen, sich an die neben ihm sitzenden Leute zu wenden und um Auskunft über das Schicksal von Sennorita Vivanda zu ersuchen, von deren Raub er in Naëva vernommen. Seine Teilnahme war unverkennbar.

    Bereitwillig erzählten sie dem Fremden, der aus Norden kam und sogar unter Pedro d'Alcantara in den Bürgerkriegen gedient hatte, was sie wußten und gaben ihrer lebhaften Bewunderung für Alonzo Ausdruck.

    Mit sichtlichem Interesse lauschte der Fremde der wunderbaren Mär von dem Gefangenen der so berüchtigten Aimaràs und hielt umsoweniger mit seiner freudigen Anerkennung der hervorragenden Eigenschaften des Jünglings zurück, als er eine so große Verehrung für seinen Vater hegte.

    Der Mond war aufgegangen und beleuchtete mit seinem Silberschein die endlosen Llanos.

    Die Gäste, die hierauf gewartet hatten, brachen auf, um ihre zerstreuten Gehöfte aufzusuchen, und bald war die eben noch so geräuschvolle Posada still und einsam.

    Juan, der Peon Tejadas, hatte für die Tiere gesorgt und sich hierbei mit anderen Indios unterhaltend, schweigend die Wundermär des Tages von dem Auftauchen eines großen Capitanos, den die verachteten Indios bravos gefangen gehalten, mit angehört.

    Er nahte sich seinem Herrn, um dessen letzte Befehle in Empfang zu nehmen.

    Tejada sagte ihm, daß sie morgen bald nach Tagesanbruch reiten würden und ließ sich dann, während Maxtla sich eine Schlafstätte suchte, mit dem gesprächigen Posadero in eine längere Unterhaltung über die jüngsten Ereignisse, über Sennor Vivanda und dessen Familie und die Verhältnisse des Landes ein, auf diese Weise alles erfahrend, was er zu wissen wünschte.

    Sehr nachdenklich gestimmt suchte auch er endlich die Nachtruhe.

    Bald nach Sonnenaufgang verließ er in der Tat mit seinem Peon die Posada.

    Sennor Sancho Tejada war immer noch nachdenklich gestimmt. Er hatte erfahren, daß der junge d'Alcantara, den zu suchen er ausgezogen war und an dessen Abkunft niemand zu zweifeln schien, eine viel gewichtigere Persönlichkeit war als er angenommen, und daß dieser junge Mann außerdem in den reich begüterten Vivandas mächtige Freunde zu haben schien.

Tejada begann behaglich sein Mahl einzunehmen.

"Ja, mein guter Don Carlos, jetzt begreife ich, daß du bereitwillig fünftausend Pesos gibst, um diesen Jungen aus dem Wege zu räumen. Aber fünftausend Pesos sind viel zu wenig. Der junge Mann ist wertvoll und die Sache gefährlich. Freilich werden die glorreiche Excellenza inzwischen von diesem Alcantara, der aus der Dunkelheit so plötzlich an das Licht getreten ist, erfahren haben, und sicher einen oder mehrere andere mit dem Geschäft beauftragen, das ich unternommen habe, wenn ich nicht bald günstige Nachrichten einsenden kann. Hm - hier muß rasch gehandelt werden. Wenn dieser stumpfsinnige Indio nur zu etwas gebrauchen wäre? Einen Messerstich weiß diese Rasse ganz gut im Dunkeln beizubringen. Hm - ja, die Sache muß ernstlich überlegt werden - ich möchte mich auch doch nicht unnütz in Gefahr begeben. Ich glaube, wenn ich dem Burschen hundert Pesos biete, er beseitigt ihn in Handumdrehen. Nun, wir werden sehen, doch vorerst wollen wir das Terrain erkunden und für einen gesicherten Rückzug sorgen."

    Solch schwerwiegende Betrachtungen stellte der brave Mann an, als er gemessen durch das Steppengras ritt, zu seinen Füßen Blüten und umgaukelt von bunten Schmetterlingen. Als die Hitze des Tages größer wurde und sie ein schattendes Gehölz vor sich sahen, beschloß Tejada Rast zu machen. Wasser für die Tiere findet sich in diesen die Llanos durchsetzenden Gehölzen fast immer.

    Sie fanden unter Palmen und Mangobäumen zwischen Lorbeerbüschen einen einladenden Ruheplatz, der unweit eines kleinen Wasserlaufes sich darbot.

    Maxtla sattelte auf Befehl seines Herrn ab, pflockte die Tiere so an, daß sie weiden und zugleich ihren Durst stillen konnten und legte dann den ledernen Beutel, der Nahrungsmittel enthielt, vor Tejada hin.

    Don Sancho war kein Freund von Entbehrungen und versorgte seinen Speisebeutel stets so gut als möglich; an einer Flasche Wein oder lieber noch Aquadiente, die Speisen zu würzen, fehlte es selten.

    Er begann ganz behaglich sein Mahl einzunehmen und gab auch Maxtla Maisbrot und Fleisch, zu dem dieser sich einige nahegewachsene Limonen brach.

    Ehrerbietig saß der Indianer in einiger Entfernung von seinem Herrn und verzehrte still die ihm gereichten Speisen.

    Als Tejada sein Mahl beendet und sich eine Zigarrito angezündet hatte, fragte er seinen Peon leichthin: "Bist du im Kriege gewesen, Bursche?"

    Maxtla grinste und erwiderte in seinem unbehilflichen Spanisch: "Wie sollte Juan in den Krieg kommen? Er kein Freund von Krieg."

    "Wundert mich, daß sie dich nicht ausgehoben haben, als es mit Venezuela losging, alt bist du doch genug dazu."

    "Ja, ihm wollen die Lugartenientes mitnehmen, er soll Soldado werden - aber lief in die Wälder, ihm nicht finden."

    "Schade, du wärest gewiß ein tüchtiger Soldat geworden."

    "Ihm nicht gefallen, zu viel schießen da."

    "Das ist richtig, ohne Schießen geht's da nicht ab. Na, dein Messer wird ja wohl irgend ein Muttersohn schon zwischen den Rippen gespürt haben."

    "O, Sennor, große Sünde mit Messer stechen, Juan das nie tun, er guter Christ."

    "Na, Christen sollen das auch tun," brummte Tejada. "Also du würdest nie einem Menschen, auch deinem Feinde nicht, einen Messerstich versetzen? Hätte nicht gedacht, daß du so fromm wärest."

    "Ihm nie tun, Sennor, das große Sünde."

    Verdrießlich schaute Tejada geraume Weile vor sich hin.

    "Kennst du diese Gegend hier?" fragte er endlich. "Du stammst doch von den Flüssen in den Llanos."

    "Ja, ihm geboren worden am Humea, nicht hier."

    "Ich wünschte, du wüßtest hier eine gute Posada, wo man längere Zeit verweilen könnte; wäre nicht abgeneigt, Land hier zu kaufen an den Flüssen; das Wasser bietet doch ein bequemeres Absatzgebiet als die rauhen Bergwege."

    "Warum nicht gehen zu großen Haciendero? Ihm sehr gastfrei, er sich freuen, wenn Caballero kommen."

    "Was weißt du von großen Haciendero hier?"

    "Alle Indios in Posada gestern sagen, sie nie so viel Fleisch und Tabak bekommen, als bei großem Haciendero, der die Sennorita wieder gefunden, die schlechte Indios geraubt."

    "Wahrhaftig, das ist ein Gedanke. Ich werde in der Tat Sennor Vivanda meine Aufwartung machen, dabei wird sich manches ergeben. Nun, Muchacho, wenn du so großes Verlangen nach den Fleischtöpfen des großen Hacienderos hast, die Freude bei ihm vorzusprechen, kann ich dir ja machen."

    Dies schien dem Indianer durchaus angenehm zu sein.

    "Weißt du, wo die Hacienda liegt?"

    "Indios sagen, am Flusse - ihm kann nicht mehr weit sein."

    "Wollen dort vorsprechen."

    Hurtig sattelte Maxtla die Tiere und bald darauf galoppierten beide durch die Ebene. Angebaute Felder ließen, als sie eine Stunde geritten waren, auf die Nähe einer großen Pflanzung schließen, und nach kurzer Frist gewahrten sie auch den zwischen Bäumen verborgenen Herrensitz der Hacienda Otoño.

    Tejada trug die Kleidung, die bei denen, die in den Llanos reiten, die übliche ist, und trotz seines abenteuerlichen und verbrecherischen Lebens waren ihm von früher noch einige Umgangsformen geblieben, die auf den Mann von guter Erziehung schließen ließen.

    Er nahm seine ganze Keckheit zusammen, um den Sennores Vivanda, die ihm dem Rufe nach als wirkliche Caballeros bekannt waren, als gleichberechtigter Standesgenosse zu begegnen.

    Als er sich dem Familiengebäude näherte und gewahrte, in welch vornehmem, in den Llanos seltenem Stile alles gehalten war, Wege, Gärten, Park, Baulichkeiten, fühlte er doch, daß er nicht mehr ganz in solche Umgebung passe, er hatte sich zu lange in der Posada und in der Spielhölle bewegt.

    Aber er strich sich den dunklen Schnurrbart und ritt in guter Haltung vor.

    Trotz des gestrigen aufregenden Festtages auf Otoño, der das Hauswesen stark in Unordnung gebracht hatte, trat nicht nur ein Peon zu ihm, um ihm das Pferd abzunehmen, alsbald erschien auch der Majordomo, um ihn zu bewillkommnen.

    "Fragt, ob ein durchreisender Caballero Sennor Vivanda seine Glückwünsche darbringen dürfe zu dem glücklichen Ereignis, von dem ich gestern vernommen habe."

    "Wolle es Euch gefallen, Sennor, näher zu treten, ich werde sogleich fragen, ob einer der Sennores bereit ist, Besuch zu empfangen. Sattle ab, Bursche," rief er Maxtla zu, "Fremde sind stets auf Otoño willkommen."

    Er lud durch höfliche Gebärde Tejada in eine Pieza neben dem Haupteingang einzutreten und versprach, sofort zurückzukehren.

    Kaum war er verschwunden, erschien schon ein Diener des Hauses mit Limonade und Rauchmaterial, welches beides er vor den Gast hinsetzte und zugleich nach seinen weiteren Befehlen fragte. Der Fremde hatte aber nur den Wunsch, die Herrschaft zu begrüßen.

    Nach kurzer Zeit erschien auch der Majordomo wieder und meldete, daß Hochwürden, der Bruder des Sennors, sich eine Ehre daraus machen würde, Sennor zu empfangen und das alles, Haus und Hof zu der Verfügung Seiner Gnaden stehe.

    Waren dies auch nur die üblichen Phrasen, die unter Spaniern gewohnheitsmäßig gebraucht werden, so war Tejada doch durch den vornehmen Ton des Ganzen verblüfft. Dennoch warf er sofort den Poncho ab, nahm den Hut in die Hand und folgte dem führenden Haushofmeister zu dem Zimmer des Cura.

    Der alte Herr mit dem geistvollen, freundlichen Gesicht empfing ihn im bequemen Hauskleid, hieß ihn mit einigen Worten im Namen seines Bruders auf Otoño willkommen und dankte für die Ehre seines Besuches.

    Dem Banditen war vor dem klugen Auge des Greises, das auf dem Grunde der Seele zu lesen schien, gar nicht wohl, doch nahm er seine Unverschämtheit zusammen und sagte mit sicherem Ton: "Hochwürdigster Herr, nicht nur der Wunsch, bei einer durch Geschäfte bedingten Anwesenheit in diesem Teile des Landes dem illustren Herrn Otoños meine Ehrerbietung zu bezeigen, führt mich hierher, auch die Freude, Euch meinen Glückwunsch zur Rettung der Tochter des Hauses aus großer Gefahr darbringen zu dürfen, doch mehr noch das Verlangen, den Sohn Don Pedro d'Alcantaras, des verehrten Mannes, unter dem ich als Teniente diente, begrüßen zu können. Gestern vernahm ich von diesem Wunder in einer Posada und beeilte mich, meine Schritte hierher zu lenken."

    Dem Cura war die Erscheinung Tejadas sehr wenig sympathisch, doch wies das so oft durch Parteikämpfe und Bürgerkriege zerrissene Land eine solche Zahl abenteuerlicher Gestalten auf, daß ihm diejenige Tejadas weder neu noch überraschend war.

    Er erwiderte höflich: "Ja, Sennor, durch des Himmels Gnade und die Tapferkeit unseres Pflegesohnes wie hingebender Freunde ist großes Unheil von unserem Hause abgewandt worden. Unser Zögling Alonzo d'Alcantara hat sich dadurch als echter Sohn seines heldenhaften Vaters in die Welt eingeführt."

    "O, es ist rührend und staunenswert zugleich. Welch seltenes Geschick! Wie soll es mich freuen, einen Sproß meines teueren Coronel zu sehen."

    "So habt Ihr auch für die Sache der Libertados gefochten, Sennor -?"

    "Molino, wenn's beliebt, Hochwürdiger. - Ja," sagte mit der Miene eines Märtyrers Tejada, "gefochten und gelitten."

    Ein Klopfen an der Türe beantwortete der Cura mit einem "Entra!" und herein trat Alonzo.

    "O Väterchen, du hast Besuch? Entschuldige mich."

    "Nein, komm nur, Kind, hier ist ein Gast, der sich freut, dich begrüßen zu können."

    Alonzo hatte mit dem ersten Blick den Mann aus der Posada in Naëva erkannt, und sein Gesicht nahm den Ausdruck starrer Ruhe an, der keine Gefühlsbewegung mehr verriet.

    Der Geistliche, der den verwilderten Knaben mit eines Vaters Liebe erzogen hatte, kannte dieses Gesicht und wußte, daß es dem Fremden gegenüber Bedeutung haben müsse.

    Doch sagte er ohne zu Zögern: "Dies ist Don Alonzo d'Alcantara, Don Pedros Sohn, Sennor. Ein reisender Caballero, Kind, der uns die Ehre erwiesen hat, auf Otoño vorzusprechen. Sennor Molino, wenn ich recht verstand."

    Tejada, der seit gestern wußte, daß er in Alonzo d'Alcantara den verwegenen Reiter und meisterhaften Schützen aus Naëva erkennen würde, war doch durch die Haltung und den Ernst des jungen Mannes, der hochaufgerichtet vor ihm stand, überrascht.

    "O" - sagte er dann sich zusammennehmend - "ja, das ist meines teueren Don Pedros Blut, ich erkenne es, ich fühle es. O Sennor, gestatten Sie mir, daß ich Sie umarme."

    Er erhob sich und wollte seine Absicht ausführen.

    Alonzo, in dem wieder der Verdacht sich regte, in diesem Mann denjenigen vor sich zu haben, der den tödlichen Schuß auf Gomez abgegeben hatte, verbeugte sich, ohne daß ein Zug in seinem Gesicht sich bewegte, mit höflicher Kälte und sagte: "Es wäre dies zu viel der Ehre für mich, Sennor."

    Selbst die Hände, die Tejada ihm entgegenstreckte, schien er nicht zu sehen.

    Der Cura bemerkte es, Tejada aber war gewandt genug, schnell noch mit der Hand nach den Augen zu fahren, als ob er sich eine Träne abwische und sagte: "Verzeihen Sie, Sennores, wenn einem alten Soldaten, der für die Freiheit dieses Landes gefochten hat, bei der Erinnerung an seinen glorreichen Capitano die Weichheit überkommt. O, wie es mich freut, einen Sohn Don Pedros noch am Leben zu finden, o, das wird großes Aufsehen im Lande erregen."

    "Jedenfalls bei allen Freunden der Familie," sagte der Cura, der den Fremden jetzt aufmerksamer betrachtete, nachdem ihm Alonzo mit solcher Kälte begegnet war.

    "Sie waren schon früher in diesem Teile des Landes, Sennor?" fragte Alonzo, ohne auf die Gefühlsäußerungen des alten Soldaten Rücksicht zu nehmen.

    Tejada stutzte bei dieser Frage, die ihm recht unerwartet kam, entgegnete aber doch gefaßt: "Mein wildes Kriegsleben hat mich wohl auch vorübergehend mit diesem Teile des Landes in Berührung gebracht; es gab eine Zeit, wo echte Patrioten nur in der Wüste sicher waren; doch das ist lange her."

    "Sie kommen aus dem Norden, Sennor Molino?"

    "So ist es, hochwürdiger Herr. Ich habe Eigentum am Magdalena, doch die Zeiten sind so unruhig, und man ist mir in Bogotá so wenig gewogen, daß ich in das Land geritten bin, um, wenn es möglich ist, mir eine Heimstätte im Süden zu suchen."

    "O, drohen uns wieder Unruhen?" fragte der Cura.

    "Das möchte ich nicht sagen," erwiderte Tejada ausweichend. "Doch gehört eine feste Hand dazu, um alle widerstrebenden Elemente des Landes im Zaum zu halten."

    "Die wir ja glücklicherweise in Sennor de Valla haben," ergänzte der Cura.

    "O ja, gewiß."

    Zu welcher politischen Partei die Vivandas sich bekannten, wußte Tejada nicht, doch war klar, daß die Beschützer eines d'Alcantara nicht freundlich gegen einen Minister gesonnen sein konnten, der die Güter dieser Familie in Besitz hatte, abgesehen von allem anderen, was den Sprößling Don Pedros von de Valla trennte.

    Da er, als vom Norden kommend, mit den Verhältnissen dort besser vertraut sein mußte als die Bewohner des Ocoaufers, obgleich er weniger davon wußte als sie, scheute er sich, durch Fragen sich Blößen zu geben und äußerte nur: "Ein gütiges Geschick möge unser teueres Vaterland vor Unglück behüten und ihm den Frieden erhalten."

    "Amen," sagte der Cura.

    "Sie werden gewiß bald Bogotá aufsuchen, Don Alonzo?" fragte Tejada dann.

    "Das wird mit der Zeit gewiß geschehen," erwiderte der Cura freundlich an Stelle des Jünglings, "einstweilen wollen wir unseren Pflegesohn noch etwas in unserer Nähe behalten."

    "Man wird den Sohn des edlen Don Pedro mit Freuden in Bogotá willkommen heißen, und wenn ich ihm dort etwas nützen kann -?"

    "Sehr freundlich, Sennor, aber unsere Verbindungen genügen."

    Er hieß Tejada noch einmal willkommen und befahl dem Majordomo, ihm ein Gastzimmer anzuweisen.

    Als der Gast sich entfernt hatte, befragte der Cura den Jüngling um die Ursache seines abstoßenden Benehmens gegen diesen.

    "Ich halte den Mann für einen Bandido, Vater," erwiderte er kurz.

    Der alte Herr erschrak bei dieser schroffen Äußerung.

    "O -o, Alonzo, womit begründest du ein solches Urteil?"

    "Sieh dir sein Gesicht an, Vater, ich wittere die Nähe des Raubtieres."

    Bei der Besorgnis, die die Vivandas für Alonzo hegten, die gestiegen war, seit er öffentlich als d'Alcantara proklamiert worden war, schoß jetzt dem Cura der Gedanke durch den Kopf, daß Alonzo von dem Menschen, der die unverkennbaren Zeichen des Abenteurers trug, eine Gefahr drohen könne, die der Jüngling instinktiv vorausfühle.

    Daß ein Mann, gleich de Valla, nicht davor zurückschaudern würde, nach dem Erben Pedro d'Alcantaras den Meuchelmörder auszusenden, war dem Cura traurige Gewißheit; darum war ja dessen Abstammung ängstlich als Geheimnis bewahrt worden, bis zu dem Augenblicke, wo Alonzo selbst in hochherziger Aufwallung Eugenio Kenntnis davon gegeben hatte.

    Bei einigem Nachdenken mußte sich der Cura indessen sagen, daß de Valla, wenn er von Alonzos Dasein jetzt erführe, zugleich auch wisse, daß dieser seinem Sohne mit eigener Gefahr heldenmütig Freiheit und Leben gerettet habe.

    So verworfen war kein Mensch, um dem Retter seines Kindes nach dem Leben zu streben.

    Außerdem konnte de Valla kaum Kunde von den Vorgängen im Gebirge durch Eugenio haben.

    "Nein, nein," sagte sich tröstend der Greis, "meine Besorgnisse sind übertrieben, von diesem Fremden ist nichts für Alonzo zu besorgen."

    Er ging deshalb auf seine Äußerungen nicht weiter ein, sondern ermahnte ihn, seine Antipathie gegen den Mann zu bekämpfen und die üblichen Höflichkeiten dem Fremden gegenüber nicht außer acht zu lassen, worauf er ihn in der gewohnten gütigen Weise verabschiedete.

    Die Brüder Vivanda, die jetzt, wo Alonzo durch seinen verwegenen Zug gegen die fast unangreifbaren Aimaràs der Held des Tages geworden war, die Zeit gekommen glaubten, das Dunkel, das über seiner Abkunft schwebte, zu lüften, und die viel tiefer in die Bewegungen der politischen Parteien eingeweiht und besser über die Vorgänge in Bogotá unterrichtet waren, als es bei ihrer Zurückgezogenheit den Anschein erweckte, hatten lange Schreiben an den Präsidenten Alonzos wegen gerichtet. Abschriften aller Beweismittel über dessen Abkunft, für den Fall diese überhaupt bezweifelt werden sollte, waren beigefügt, um Alonzos Ansprüche auf Namen und Abstammung zu begründen und zwar im Einverständnisse mit den einflußreichsten ihrer Nachbarn, die wie sie bereit waren, diese Ansprüche zu vertreten.

    Man mußte harren, was von Bogotá aus erfolgen werde, und freilich Alonzo d'Alcantara, dessen Name bei der herrschenden Partei sehr verhaßt war, gut bewachen. Schritte hierfür waren, obgleich für den Augenblick nichts zu besorgen war, durch Don Vivanda, freilich ohne Wissen Alonzos, schon getan. Und der Fremde? Nun auch ihm gegenüber konnte man ja vorsichtig sein.

    Derselben Meinung war übrigens des Cura Bruder, als er zurückkehrte, er äußerte aber: "Wenn Alonzo diesen Menschen für einen Bandido hält, wird er sich schon vor ihm hüten, dennoch wollen wir auf unseren werten Gast acht geben, die Zeiten sind wild und wir sind in Bogotá nicht gut angeschrieben. Wer weiß, ob man uns den Herrn nicht von dort geschickt hat, um ein wenig zu spionieren."

    Trotz dieser Stimmung der beiden Brüder wurde Tejada mit einer rücksichtsvollen Höflichkeit von ihnen behandelt, die nichts zu wünschen übrig ließ.

    Tejada selbst aber war sehr ernst und nachdenklich geworden, und der ihm erteilte Auftrag schien ihm immer schwieriger zu werden.

    Tejada war scharfsinnig genug, zu erkennen, daß er in den Vivandas lebenskluge, mächtige und einflußreiche Leute vor sich hatte, und daß es auf der reich mit Arbeitern versehenen Hacienda nicht leicht sein werde, einen Streich gegen Alonzo zu führen, abgesehen davon, daß der Bursche ungewöhnliche Kraft und viel Mut besaß. Und wie hatte ihn der Mensch behandelt? Dieser Knabe, ihn, einen Caballero? Geradezu mit Verachtung.

    Sein Leben auf das Spiel zu setzen, um sich in den Besitz der fünftausend Pesos zu bringen, dazu verspürte der tapfere Kriegsmann keine Neigung und auf den stupiden Peon, den er sich angeworben hatte, war ja kein Verlaß.

    Dabei tauchte ihm von neuem der Gedanke auf, daß de Valla, der ja in den nächsten Tagen Kenntnis von dem erlangen mußte, was auf Otoño in Gegenwart vieler Menschen vor sich gegangen war, einen anderen beauftragen möchte, Alonzo hinwegzuräumen, und dann entging ihm der Preis. Daß jetzt de Valla mehr als je daran gelegen sein mußte, den Träger eines Namens, der, wie er sich überzeugt hatte, von weithin hallendem Klang war, zu beseitigen, war klar. Doch für den Augenblick war nichts von de Vallas Seite zu besorgen, und man mußte zusehen; es war ja nicht das erste Mal, daß er mit Erfolg eine Kugel aus dem Hinterhalt abgefeuert hatte. Er bewegte sich auf Otoño mit großer Sicherheit, schwatzte von seinen Kriegsabenteuern, von den Gefahren, die er an der Seite Pedro d'Alcantaras überstanden, benahm sich gegen Donna Elvira mit einer caballeromäßigen Höflichkeit und gegen den kühl höflichen Alonzo mit einer gönnerhaften Zärtlichkeit.

    Donna Elvira fühlte gleich Alonzo einen instinktiven Widerwillen gegen den geschwätzigen Menschen mit der ihr unheimlichen Physiognomie. Tejada aber schien das alles nicht zu bemerken. Sein Peon, der der Dienerschaft zur Pflege übergeben war, fühlte sich augenscheinlich sehr wohl auf Otoño und zwar umsomehr, als sein Herr seine Dienste kaum in Anspruch nahm. Maxtla oder Juan schlenderte auf der ausgedehnten Besitzung umher, teilte seine Zigaritos mit den indianischen Arbeitern und horchte aufmerksam ihren Erzählungen von dem Sennorito, den alle sehr zu lieben schienen. Von seiner Kühnheit und Kraft berichteten sie Wunderdinge. Alle wußten auch, daß Don Alonzo der Sohn eines großen Capitanos sei und jetzt selbst ein großer Capitano werde. Aber sie wußten auch, daß böse Menschen ihm nach dem Leben strebten und hatten oftmals große Angst um ihn, wenn er in die Llanos ritt.

    Ein nicht minder scharfes Auge wie auf die Umgebung hatte Maxtla auf Tejada und Alonzo und beobachtete sie in einer so unscheinbaren Weise, daß dies selbst Alonzo entging, der die Wachsamkeit des wilden Indianers besaß und außerdem von ihm vor drohender Gefahr gewarnt worden war.

    Maxtla saß auf einem Hügel, der sich zwischen den Gebäuden der Hacienda und dem Wald, der den Fluß einfaßte, erhob und rauchte nach seiner Gewohnheit. Er hatte von hier einen weiten Rundblick. Sein Maultier hatte er angepflockt.

    Während seine dunklen Augen umherschweiften, fiel ihm ein Reiter auf, der von Westen kam und am Waldsaume herritt. Der Mann unterschied sich kaum von den Landbewohnern oder den Vaqueros, nur etwas in seiner Haltung, das nur den Caballeros eigen war, fiel dem scharfsichtigen Indianer auf, der auch erkannte, daß der Reiter nicht zur Hacienda Otoño gehöre.

    Maxtla sank in das Gras zurück und bewegte sich dann mit einer staunenswerten Geschicklichkeit mit großer Eile vorwärts, um den Weg des Reiters zu kreuzen.

    An einer Stelle angelangt, wo dieser vorüber mußte, setzte er sich nachlässig nieder.

    Er harrte nicht lange, so kam der Reiter heran. Maxtlas funkelnde Augen erweiterten sich, denn er erkannte sofort in dem nach Vaqueroart gekleideten Manne Don Ignacio Caldas, den er in Bogotá und im Hause de Vallas oft gesehen und als verrufenen Schurken kannte.

    Der Reiter hielt sein Pferd an, als er Maxtla, der schläfrig dasaß, erblickte.

    "Sage mir, Muchacho," rief er Maxtla zu, "bin ich eigentlich auf dem Wege nach Esmeralda, der Hacienda Sennor Reals?"

    "Du kannst auch am Flusse her hingelangen, Sennor, doch ist es ein Umweg, die Straße führt dort oben."

    "So bin ich falsch berichtet worden. Welche Hacienda ist dies?"

    "Es ist meines Sennors Hacienda."

    "Nun ja, und der heißt?"

    "O, du kennst Sennor Vivanda nicht?"

    "O, so ist das Otoño, wo vor einigen Tagen das große Fest gefeiert wurde, von dem die Leute überall reden."

    "O ja, es war schön."

    "Es galt Eurem jungen Sennor, ich hörte davon erzählen. Das muß ein mächtiger Herr sein."

    "O ja."

    Don Ignacios Auge war forschend auf das Gesicht des Indianers gerichtet und plötzlich sagte er: "Ich habe dich schon gesehen, Bursche!"

    "O, das sehr möglich," entgegnete ruhig Maxtla, "ihm werden viel gesehen, noch in Naëva zu Jahrmarkt gewesen."

    "Nein, ich habe dich in Bogotá gesehen."

    "Das sehr gut," entgegnete lachend Maxtla, "er oft in Bogotá, dreimal, zweimal mit Rindern von Sennor, o, Juan dich nicht gesehen."

    "Diese Roten haben so verwünscht ähnliche Gesichter," brummte Caldas vor sich hin, und ein Verdacht, der in ihm aufgetaucht war, schien gewichen zu sein.

    "Wie weit habe ich noch bis Esmeralda?"

    "O, drei Leguas."

    "Das ist weit und dazu die Hitze. Hätte fast Lust Rast zu machen, schon um euren berühmten Sennorito einmal zu sehen, von dem alle wie von einem Wundertier reden; mein Brief kommt noch zeitig genug nach Esmeralda. Wie heißt er eigentlich jetzt?"

    "Er immer noch Don Alonzo heißen."

    "Estupido," murmelte Don Ignacio.

    "Du nur hinreiten, dort zu Castello, dann ihn sehen, o, er schöner Caballero."

    "So," dachte Ignacio, "er ist also hier?"

    Er sann einen Augenblick nach und sagte dann: "Ich muß mir die Freude jetzt doch versagen, ich könnte zu spät in Esmeralda eintreffen, aber auf dem Rückwege will ich bei euch vorsprechen, solche Heroes sieht man doch selten. Adios."

    Und davon ritt Sennor de Caldas.

    Der Indianer versank wieder in seine nachlässige Haltung. Kaum aber war der Reiter hinter den Bäumen verschwunden, als Maxtla mit einer staunenswerten Behendigkeit aufsprang und ihm zwischen Büschen, die ihn deckten, hastig folgte.

    Bald hatte er ihn auch wieder im Auge.

    Don Ignacio hielt, überschaute die Felder, blickte aufmerksam nach den Gebäuden der Hacienda hinüber und trieb sein Pferd in den Wald, der hier weniger Unterholz zeigte als an anderen Stellen.

    Maxtla schlich durch die Büsche, was hie und da der Dornen wegen große Schwierigkeiten bereitete und sah den, dem er folgte, bald wieder.

    Don Ignacio hatte den Sattel verlassen und band sein Pferd an. Dann schritt er auf einem kaum bemerkbaren Pfade dem Wasser zu; zu seiner Seite folgte mit der Geräuschlosigkeit des Waldkriegers Maxtla. Der Kreole mußte den Pfad kennen.

    Nach kurzer Zeit, denn an dieser Stelle war der den Fluß umsäumende Waldstreifen dünn, erreichten sie Bambus und Schilf und Weiden, ein Zeichen der Nähe des Wassers. Auf dieses zu führte der Pfad weiter. Maxtla erkletterte einen jungen Kautschukbaum. Von seiner Höhe sah er ein Canoa im Schilf versteckt liegen, in dem ein alter Neger saß. Mit diesem wechselte Don Ignacio einige Worte. Der Schwarze reichte ihm eine Büchse und einem Kugelbeutel aus dem Boote, und so ausgerüstet schritt der Kreole den Pfad zurück, den er gekommen war. Maxtla wie vorher zu seiner Seite.

    Der Indianer hatte keinen Zweifel, daß es Alonzo galt - daß Don Ignacio von Bogotá mit demselben Auftrag ausgesendet worden sei wie Tejada - und zwar mit genauer Kenntnis des Aufenthaltes des Jünglings. Don Ignacio besaß jedenfalls mehr Mut und mehr Geschicklichkeit als der Bandit, dem Maxtla diente und ihn zugleich überwachte.

    Ignacio war gefährlicher.

    Aus den dichten Tabakfeldern, den Kaffeesträuchern war leicht ein Schuß abzugeben, sie deckten den Schützen und dessen Rückzug nach dem Waldsaum und dem Wasser; der Plan war gut ausgeheckt. Der Ocoa war zu sicherer Flucht geeignet. Caldas mußte sich auf diese Art des Angriffs und des Rückzugs vorbereitet haben.

    Mittag war vorüber, aber Arbeiter und Aufseher hielten noch ihre Siesta; es war leicht, ungesehen in die weit ausgedehnten Felder zu gelangen, die um diese Jahreszeit niemand betrat.

    Don Ignacio führte sein Pferd etwas tiefer in den Wald zu einer Stelle, wo es nicht leicht gefunden werden konnte, sah sich vom Waldsaume aus aufmerksam um und schlüpfte dann mit großer Gewandtheit in ein nahe gelegenes Maisfeld, das an Tabaksfelder grenzte, die sich bis in die Nähe der Gebäude ausdehnten. Aber hinter ihm schlich der düstere Indianer einher, die blanke Machete in der sehnigen Hand, einem Schweißhunde gleich, der auf der Spur seines Wildes geht.

    Don Alonzo war in den Gebäuden, das wußte Maxtla, er hätte ihn sonst abreiten sehen. Tejada war, wie er wiederholt getan, allein ausgeritten, um sich, wie er sagte, Land und Leute anzusehen.

Maxtla schlich hinter Don Ignacio einher, die blanke Machete in der Hand.

Während Don Ignacio und Maxtla sich durch die Tabakfelder bewegten, war Don Sancho Tejada, alias Molino, wohl eine Legua entfernt von jener Stelle und ritt verdrießlich am Waldsaume hin. Da er einsah, wie schwierig und auch gefährlich es sei, die Mordwaffe hier gegen Alonzo zu erheben, ging sein einziges Trachten dahin, einen verworfenen Gesellen zu finden, der gegen möglichst wenig Geld das Verbrechen ausführe.

    Diese Leute waren zu jener Zeit gar nicht zu schwer aufzutreiben, doch mußte man sie in den Städten suchen. Die Arbeiter hier waren dem Sennorito alle auf Tod und Leben ergeben, es blieb also wohl nichts übrig, als einen der kleinen Hafenorte der Flüsse aufzusuchen, wo sich Raubgesindel genug herumtrieb, um dort einen Mann zu dem Meuchelmorde zu gewinnen. Seine menschenfreundlichen Betrachtungen wurden unterbrochen durch den unerwarteten Anblick eines Reiters, der ihm hier auf ungewohntem Wege am Waldsaum entgegen kam.

    Der Mann ritt ein gutes Pferd und sah stattlich aus.

    Tejada hielt und ließ ihn ruhig herankommen. Zu seinem nicht geringen Erstaunen erkannte er in dem Fremden den Flüchtling von Naëva, den der Alguacil so gern vertraulich sprechen wollte.

    "Bin doch begierig, ob der mich auch erkennt," dachte er.

    Der Reiter kam heran, grüßte höflich und fragte: "Habe ich die Ehre, den Herrn dieses Grund und Bodens vor mir zu sehen?"

    Tejada erwiderte den Gruß in gleich höflicher Weise und entgegnete: "Nicht doch, Sennor, ich bin nur Gast hier."

    "Aber, ich bin vom Wege abgekommen, auf wessen Eigentum befinde ich mich?"

    "Auf dem Sennor Vivandas."

    "O, da bin ich in der Tat weit ab von meinem Ziele."

    Der Fremde hatte Tejada von der flüchtigen Begegnung in der Posada zu Naëva her nicht wieder erkannt. Seine Gedanken waren wohl damals hinreichend beschäftigt gewesen, um einem ihm gleichgültigen Fremden Aufmerksamkeit zu widmen.

    "Hoffentlich haben Sie Ihr flinkes Boot in der Nähe, um zum rechten Wege zurück zu gelangen."

    Der Fremde stutzte und warf Tejada einen drohenden Blick zu, fühlte auch zugleich nach seinem Pistolenhalfter.

    "Lassen Sie ruhig stecken, Sennor, denn wenn ich Sie verraten wollte, konnte ich das in Naëva tun, wo Ihnen der Alguacil so nahe auf den Fersen war."

    Der Genosse der Flußpiraten sah ihn an wie ein Fuchs den Hund, der ihn plötzlich gestellt hat.

    "Euer Gnaden irren sich gewiß in der Person - ich bin -"

    "Der Lockvogel der Ehrenmänner, die den Orinoko unsicher machen," ergänzte Tejada höhnisch, "und für den Strick längst reif."

    Der Mann erbleichte und tastete wieder nach seiner Pistole.

    "Der Alguacil, der das Unglück hatte, Sennor in Naëva zu verfehlen, ist ebenfalls in der Nähe und eine Nachricht von mir an ihn wird Sie überzeugen, ob es klug war, den Ocoa als Zufluchtsort zu erwählen. Jedenfalls sind die Pferde der Vaqueros ringsum sehr schnell, ihre Lanzen spitz und ihre Lassos unfehlbar. Euer Gnaden würden sich also in einer sehr gefährlichen Lage befinden, wenn Ihnen der Weg nach dem Meta verlegt würde."

    Der Pirat gewann doch die Überzeugung, daß er es mit jemand zu tun hatte, der nichts Böses gegen ihn beabsichtigte. Er sagte: "Ich habe entschieden einen vollendeten Caballero vor mir, der unschuldig Verfolgten gern beisteht." Und da er voraussetzte, daß sein Gegenüber einen Gegendienst für sein Schweigen verlange, setzte er hinzu: "Ich würde es mir zur Ehre schätzen, wenn ich mich für Euer Wohlwollen dankbar erzeigen könnte."

    "Hm," meinte Tejada, "eine Liebe ist der andern wert, ich behalte, was ich von Euer Gnaden werter Person weiß, für mich, der spürnasige Alguacil kann anderwärts suchen und Ihr erweist mit die Gegengefälligkeit und beseitigt einen höchst gefährlichen Menschen, der mich tödlich beleidigt hat. Ich nehme an, daß Ihr an Bord Eures Fahrzeugs die Leute dazu habt."

    "Einem beleidigten Ehrenmann zu dienen ist mir stets Pflicht gewesen. Wollen sich Euer Gnaden nicht deutlicher ausdrücken?"

    "Mir ist es aus Gründen, die kein Interesse für Euch haben, darum zu tun, daß der Erbe dieser Hacienda, Don Alonzo Vivanda, alsbald von hier entfernt werde, wo seine Anwesenheit sehr nachteilig wirkt. Versteht Ihr?"

    "O - ist das derselbe, von dem jetzt überall die Ruhmesposaune tönt, als einem echten Alcantara?"

    "Gleichviel ob Vivanda, ob Alcantara, ich stelle Euch Eure Aufgabe. Ist bis morgen zwölf Uhr dieser Alonzo nicht verschwunden, lasse ich Euch den Weg zum Meta verlegen und Euch in der Steppe zu Tode hetzen. Ist das klar?"

    "Euer Gnaden reden sehr deutlich. Aber da mir sehr viel daran liegt, den Meta wohlbehalten zu erreichen, so darf ich Euch die Versicherung geben, daß der junge gefährliche Mann um zwölf aufgehört hat, Euch zu schaden."

    "Versucht es nicht, mich zu täuschen," sagte Tejada drohend, "Ihr glaubt klug zu tun, als Ihr ein Seitengewässer aufsuchtet, aber Ihr habt Euch in eine Falle begeben, die zuklappt, wenn ich winke. Ist um zwölf Uhr morgen mittag Alonzo nicht beseitigt, versteht Ihr, so gehen Correos nach der Mündung des Ocoa ab, die Schiffer des Flusses und die Llaneros werden auf beiden Ufern aufgeboten und keiner von euch erreicht die Insel."

    Der Piratengenosse, der einen äußerst gefährlichen Mitwisser seiner Tätigkeit in Tejada erkannte und doch nicht wußte, was er aus ihm machen sollte, dabei aber zu jedem Bubenstück bereit war, erschrak, als er die Insel erwähnt hörte.

    "Nun, ich schwöre Euch -"

    "Schwört nicht. Bis um zwölf Uhr morgen mittag habt Ihr einen Freund an mir, von da an, wenn Ihr Euer Wort nicht haltet, einen Todfeind, richtet Euch danach."

    "Ihr sollt unser Freund bleiben, Sennor, verlaßt Euch darauf. Doch, darf ich nicht wissen, wem ich zu dienen die Ehre habe?"

    "Nehmt an, Ihr hättet einen alten Soldaten vor Euch, der sein Blut für das Vaterland vergossen hat und den Staat gern vor neuen Verwicklungen bewahrt sähe," sagte Tejada mit Würde.

    "Umso lieber diene ich Euer Gnaden," war die kriechend höfliche Antwort.

    "Also Ihr wißt - Ihr spielt ums Leben. Adio."

    Damit wandte Tejada stolz sein Roß und ritt dem Herrenhause zu, einen Ausdruck hämischer Freude auf seinem Banditengesicht.

    "Es ist auf den Alcantara abgesehen," murmelte der Fremde. "Gib dich zufrieden - er soll beseitigt werden. Wer dieser Mensch nur ist?"

    Nachdenklich ritt er dann zurück.

- - - - - - - - - - -

Auf der schattigen Veranda des Hauptgebäudes saßen Donna Elvira und Don Alonzo. Sie hatte eine Stickerei vor sich, ließ sie aber unberührt und handhabte nur mit der den Spanierinnen eigenen Grazie den Fächer.

    "Du hast mir mehr als einmal versprochen, zärtlicher Bruder, mir einige von den großen blauen Faltern mitzubringen, die am Flusse umherstreifen."

    "Versprochen," erwiderte Alonzo lächelnd, "ja, aber nur bedingungsweise; wenn sich mir einer auf die Hand setzte, versprach ich ihn dir mitzubringen."

    "Ausflüchte. Aber natürlich seitdem Don Alonzo ein berühmter Mann geworden ist, ist er zu vornehm, seiner Schwester einen Schmetterling zu fangen."

    "Talent habe ich dazu wirklich nicht, Elvira, aber ich will die Büchse nehmen und dir einen schießen."

    "Sieht dir ähnlich, berühmter Krieger. Nein, ich bestehe darauf, daß du mir einige der blauen Falter fängst und wohlbehalten hierherbringst, wohlbehalten, verstehst du? Emilia Hormito hat mich darum gebeten, sie will ihren Fächer damit schmücken, und du als wohlerzogener Caballero wirst den Wunsch zweier Damen erfüllen."

    "Du bist eine Tyrannin, mein liebes Schwesterchen."

    "Nein, ich verlange nur, was ein guter Bruder zu tun schuldig ist."

    "Gut, sei es wie du sagst, ich werde den Schmetterlingsjäger spielen, hoffentlich ist mir das Glück hold."

    "So lasse ich es mir gefallen."

    "Höre, Alonzo," fuhr sie nach einer Weile fort, "schaffe doch diesen greulichen Menschen, diesen Molino hinweg, mir graust, wenn ich dieses widerlich lächelnde Gesicht sehe."

    "Dein Vater würde es für einen Flecken auf der Ehre seines Hauses halten, wenn Otoño selbst diesem seltsamen Herrn nicht alle Gastfreundschaft gewährte. Er ist übrigens nicht nur dir, er ist uns allen zuwider. Hoffentlich setzt er seinen Stab bald weiter - und sollte er damit zögern, werde ich ihm einen Wink geben."

    "Nein, Alonzo, das darfst du nicht."

    "O, er soll so zart, so gewählt und nur ihm verständlich sein, daß kein Caballero etwas dagegen einwenden kann."

    In Alonzo stiegen mit den Erinnerungen an den Mann mit dem blaugestreiften Poncho auch die an das Tal der drei Quellen und das tragische Geschick der Seinen auf und seine Miene wurde finster.

    "O, Alonzo, da machst du wieder dein böses Gesicht; ich fürchte mich vor dir."

    "Du kennst das Geschick meines Lebens, Schwester, und darfst dich nicht wundern, daß ich ernst aussehe, wenn mir die Vergangenheit durch den Sinn zieht, und dieser Pseudocaballero, der sich hier herumtreibt, kein Mensch weiß warum, ruft sie mir zurück."

    "O, bringst du diesen Menschen damit in Verbindung?" fragte sie erschreckt.

    "Nur mittelbar."

    "Ich habe aus den Andeutungen von Vater und Onkel gut genug verstanden, daß Alonzo d'Alcantara von Gefahren bedroht ist, die dem einfachen Vivanda erspart blieben - ist dieser Mensch vielleicht ein Spion - ist er gefährlich?" fragte sie ahnungsvoll.

    "Gefährlich? Nein," erwiderte Alonzo mit verächtlichem Lächeln, "dieser Mann ist nicht gefährlich."

    Nach einer Weile sagte Elvira, die auch ernst geworden war: "Aber du gehst nach Bogotá, wie ich höre."

    "Sobald meine lieben Väter, die für mich und meine Zukunft denken, es für an der Zeit halten, ja, doch noch ist nichts bestimmt darüber."

    "Doch dort," und ihr zartes Gesicht sah ängstlich und sorgenvoll aus, "bedrohen dich noch größere Gefahren als hier, Alonzo."

    "Größere als die ich bereits überstanden habe? Ich glaube kaum. Übrigens, ich muß gehen - und -"

    "Da machst du schon wieder ein Gesicht, das alle Menschen erschreckt."

    "Ich gehe nach Bogotá, wenn die Zeit dazu gekommen ist, ich gehe in einer besonderen Mission, zu der ich ausersehen bin. Gefahren? Ich gehe als Richter, das Verbrechen zu strafen und die Strafe wird vollstreckt werden."

    Er stand hoch aufgerichtet, und das schöne ausdrucksvolle Gesicht zeigte eine wilde Energie.

    Sie kannte den stolzen, entschlossenen Zug, der in diesem Jünglingsantlitz erscheinen konnte, aber noch nie hatte sie ihn mit diesem Furcht einflösenden Ernst gepaart gesehen.

    Das zarte Mädchen bebte.

    Er gewahrte es und seine Miene wurde sanft.

    "Verzeihe, Schwesterchen, wenn ich dir von Dingen spreche, die dir fern bleiben sollten - doch wird der Zorn öfters lebendig in mir, jetzt, wo die Stunde naht, die begangenes Unrecht sühnen soll."

    "Du bist furchtbar, Alonzo, wenn du so zornig blickst, und ich zittere nicht allein vor dir, sondern auch für dich."

    Mit einem liebenswürdigen Lächeln in dem Antlitz, das eben noch tödlichen Zorn widerspiegelte, sagte er: "Du weißt, Hermana, daß ich für dich nur Sonnenschein in meinem Herzen habe, nimm es hin, wenn auch einmal eine Wolke über die Stirne zieht."

    "Ich weiß ja, wie gut du bist, Alonzo."

    "Und damit du siehst, wie gut ich bin, und wie gehorsam der kleinen Tyrannin von Otoño, will ich dir auch einen der blauen Falter fangen. Bist du nun zufrieden?"

    "Wie liebevoll du nun bist. Ich bin immer zufrieden, wenn du recht froh aussiehst. Und was die Tyrannin betrifft, so werde ich mich bei Papa über dich beschweren."

    "Der ist kein unparteiischer Richter."

    "Dann beim Onkel Cura."

    "Der ist es erst recht nicht."

    "So? Dann bist du wohl die einzige Instanz?"

    "Ja, Hermana, die einzige."

    "Nun warte, dann will ich dich wirklich tyrannisieren."

    "Ich gebe mich bereitwillig zum Opfer hin."

    Sie sah in Alonzos jetzt so freundliches Gesicht und lachte und der Jüngling lachte mit.

    In einiger Entfernung erschien ein Peon mit Alonzos gesatteltem Pferde.

    "Willst du reiten, Alonzo? Jetzt bei der Hitze?"

    "Nur ein wenig die Felder abreiten, um zu sehen, ob alles an der Arbeit ist. Zwei von den Aufsehern sind krank und der Administrator kann nicht überall sein, also, wenn dein Vater sich erhebt, sage ihm, ich sei schon ausgeritten; mich ficht die Sonne der Llanos nicht an."

    Elvira, welche wohl wußte, daß Alonzo ihrem Vater eine in der Hitze beschwerliche Mühe abnehmen wollte, nickte ihm freundlich zu und sagte: "So reite, aber erhitze dich nicht, und kommst du zurück, sollst du Limonade von meiner Hand zubereitet finden."

    "Für diesen Preis tue ich alles. Ich bin bald zurück."

    Er schwang sich in den Sattel und ritt davon.

    Das bebaute Land von Otoño war sehr ausgedehnt, zwischen den Feldern erhoben sich überall kleine Gehölze, die den Umblick hemmten.

    Alonzo ritt an den weit vom Hause abgelegenen, sich endlos ausdehnenden Tabakfeldern entlang, die völlig einsam dalagen, als sein scharfes Jägerauge gewahrte, daß die Wipfel einiger Stauden sich bewegten; er glaubte, ein Tier werde dort aufgescheucht - aber schon erhoben sich zwischen den Blättern der Kopf eines Mannes und die Mündung einer Büchse, die sich nach ihm zu senkte. Alonzo war so überrascht, daß er statt sich niederzubeugen oder sich aus dem Sattel zu werfen, regungslos saß - schon blitzte aber dort etwas Metallisches im Sonnenglanze auf, Kopf und Büchse verschwanden, ein dumpfes Stöhnen ward hörbar, und stärker bewegten sich die Tabakstauden. Dann war es still.

    Das vollzog sich mit einer Schnelligkeit, die den Reiter kaum zur Besinnung kommen ließ. Jetzt aber zog Alonzo eine Pistole aus dem Sattelhalfter, die er seit einiger Zeit auf Wunsch Don Vincentes mit sich führte, und sprengte auf das Tabakfeld los.

    Da trat ruhig Maxtla zwischen den Stauden hervor und wischte kaltblütig mit einem Tabakblatte Blut von seiner Machete. Alonzo erkannte den Diener Tejadas.

    "Was machst du da? Was geschah da?"

    "Er wollen Don Pedros Sohn erschießen - ich nicht dulden, er ganz tot."

    Alonzo hatte den Kopf und die Büchsenmündung gesehen in weniger als fünfzig Schritt Entfernung. Ein Schuß aus solcher Nähe war sicherer Tod. Er hatte auch die emporblitzende Machete gesehen, die den Schuß verhinderte. Wie kam der Mann vor ihm dazu?

    "Wer bist du?" fragte Alonzo, trotz seiner innerlichen Erregung, ruhig.

    Mit einem Lächeln, das dem braunen Gesicht des Indianers sonst ganz fremd war, und einem hellen freundlichen Blick der dunklen Augen, sagte er: "Sennorito kennen wohl noch das Lied des Arieros, aber nicht mehr ihn selbst. Maxtla nie dulden, daß Don Pedros Sohn ein Leid widerfährt."

    "Warst du der unbekannte Warner in Naëva?"

    "Ja, ihn warnen."

    "Und du bist der Maultiertreiber, der mich als Kind oft auf seinen Tieren reiten ließ; der dann mit meinem Vater in den Krieg ging?"

    Vergnügt nickte Maxtla: "Ja, ihm selbst."

    "Wer war es, der mir nach dem Leben strebte?"

    "Ein Caballero aus Bogotá, ein Freund von Sennor de Valla. Ihn sehen, ihn kennen, er böser Mensch. Er glauben sehr klug, Maxtla Chibchakrieger aus den Bergen, er klüger, schleichen ihm nach - verhindern ihn, Sennorito zu töten."

    "Weißt du seinen Namen?"

    "Er, Don Ignacio de Caldas, kennen ihn gut."

    "Und er ist tot?"

    "Er ganz tot, Maxtla braucht die Machete nur einmal."

    Alonzo betrat schweigend das Tabakfeld und stand bald darauf vor der Leiche des jungen Mannes, neben der die noch gespannte Büchse am Boden lag. Er warf einen Blick auf das Gesicht des Toten und ging in tiefem Ernste davon.

    Der Todesengel war nah an ihm vorbeigeschritten.

    "Du hast mir das Leben gerettet, Maxtla."

    Der Indio nickte.

    "Das gern tun."

    "So nimmst du also teil an mir?"

Alonzo betrat das Tabakfeld.

Mit einem tiefen Ernste sagte Maxtla: "Ich Chibcha aus den Bergen, Sennor, nie vergessen, nicht Gutes, nicht Böses. Don Pedro gut gegen armen Indio, er ihn machen gesund als er krank, er ihm retten Leben im Krieg - nie vergessen. Maxtla armer Indio, aber geben gern Leben für Sennorito d'Alcantara."

    Alonzo fühlte, wie der braune Mann, den die eben vollzogene Vernichtung eines Menschenlebens vollständig gleichgültig ließ, aus der Tiefe des Herzens sprach und das rührte ihn. Er reichte ihm die Hand und sagte: "Maxtla, ich danke dir." Begierig ergriff der rote Mann die Hand des Jünglings.

    "Du bist der Peon dieses Sennor Molino?"

    "Ja, aber er nicht Molino, er anders heißen, er Tejada, er Bandido. Ich ihm nachgeschickt, ich gern gegangen, um zu hüten d'Alcantaras Leben."

    "Komm, setz dich zu mir, Maxtla," - beide ließen sich im Schatten einer Banane nieder, - "und nun erzähle mir, was du weißt, und sprich deine Muttersprache, ich verstehe sie."

    Und nun hob der Indianer, der beredt wurde, als er im Chibcha reden konnte, an zu erzählen, wie er als Jüngling von den Bergen ins Land hinabgestiegen sei, um als Maultiertreiber sein Brot zu verdienen. Wie Don Pedro den an der Straße krank niedergesunkenen Menschen einigen Leuten zur Pflege übergeben und dafür bezahlt hatte. Wie er öfters als junger Maultiertreiber nach Bogotá gekommen und dankbar das Haus seines Wohltäters besucht und ihm, als der Krieg begann, willig ins Feld gefolgt sei.

    Im Gefecht hatte ihm der Capitano das Leben gerettet, und seit jener Stunde gehörte dieses Leben Pedro d'Alcantara und den Seinen.

    "O, junger Adler, ich weiß nicht, warum die Blancos miteinander streiten, und es ist mir gleichgültig. Ich war im Norden bei meinem Regimente, als Don Pedro nach Süden ging und mit den Seinen den Tod fand. Hätte ich gewußt, daß der junge Adler der Alcantaras bei den Aimaràs weile, ich hätte ihn längst aus ihrer Mitte geholt, aber ich wußte es nicht. Ich kam nach Bogotá zurück, suchte das Haus auf, in dem sie gewohnt hatten, die gut gegen den Indio gewesen waren, und blieb dort als Peon und Bote. Ich sah die Sennora, die kleinen Sennoritos und Sennoritas durch das Haus wandeln, wenn ich still in meiner Ecke saß, und hörte ihre Stimmen. Ich hatte sie lieb gehabt. Dein Oheim mußte fortgehen, und Sennor de Valla kam, ich blieb auch bei ihm, denn ich wollte im Hause der Alcantaras weilen. Die Leute sprachen schlecht von de Valla, Weiße und Rote, und manche flüsterten, daß seine Hand im Tale der drei Quellen fühlbar gewesen sei. Da blieb ich erst recht, denn sprachen sie wahr, mußte de Valla von Maxtlas Hand sterben."

    Dann berichtete er weiter, wie er durch den Minister zuerst vernommen, daß ein Sohn Don Pedros lebe und wie dieser ihn Tejada und mit welchem Auftrag nachgeschickt habe. In Naëva hatte er alsbald den Sohn seines Capitanos erkannt.

    "Ich sehe, Maxtla, daß mein Vater in dir einen dankbaren Freund gewonnen hat."

    Auf seine Frage, ob der Indianer glaube, daß Tejada hinter diesem Mordanfall stecke und der Tote im Einverständnis mit ihm gehandelt habe, verneinte Maxtla dieses. Seine Ansicht ging dahin, daß Caldas ein ohne Wissen Tejadas abgesandter Mörder sei, der ganz unabhängig von diesem gehandelt habe. Er machte Alonzo auch Mitteilung von dem Neger und dem Boote auf dem Ocoa.

    "Und würdest du mit Sennor Tejada umgegangen sein wie mit dem, der dort liegt, wenn er die Hand gegen mich erhoben hätte?"

    Ein grimmiges Lächeln erschien in des Indianers Gesicht.

    "Der Coyote war Lugarteniente unter deinem Vater und hat Maxtla geschlagen. Ein Chibcha vergißt das nicht, aber Don Pedro hatte Tejada als Spieler und Dieb schon fortgejagt aus dem Lager, ehe ich die Beleidigung sühnen konnte, und nach zehn Sommern sah ich ihn zuerst wieder im Hause der Deinen in Bogotá."

    "Dies alles muß sofort Don Vincente erfahren. Ich reite voraus, Maxtla, komm mir nach."

    Er rief sein Pferd und sprengte den Wohngebäuden zu. Er traf den alten Herrn in seinem Arbeitszimmer zugleich mit dem Cura und machte seinen väterlichen Freunden Mitteilung von dem, was geschehen und was er von Maxtla vernommen hatte.

    Auch sagte er ihnen jetzt, daß er Tejada, genannt Molino, für den Mörder des Gomez halte.

    Die beiden Herren waren nicht wenig erschreckt und erschüttert über einen grauenvollen Vorgang, der das Leben des Jünglings so nahe bedroht hatte. Da niemand das, was im hohen Tabakfelde sich abspielte, gesehen hatte, beschloß man, über den Vorfall und besonders Elvira gegenüber zu schweigen.

    "Wenn du aber," sagte Don Vincente, "diesen Menschen, diesen Tejada in einem solchen Verdacht hattest, Alonzo, warum sagtest du das nicht?"

    "Ich hatte keine Beweise, den blaugestreiften Poncho tragen noch mehr Leute, und du weißt, mein Vater," fügte er lächelnd hinzu, - "Indianer sprechen nur, wenn sie müssen - doch war ich vor dem Menschen auf der Hut."

    "Er ist ein feiger, erbärmlicher Mensch, doch auch ein solcher trifft aus dem Hinterhalte. Er könnte den Mörder nach dir aussenden."

    "Wo sollte er hier eine Hand gegen mich bewaffnen können?"

    Nicht wenig überrascht war man auch von der Entdeckung, daß der schweigsame Indio eine so tiefe Dankbarkeit an Don Pedro und eine solche Anhänglichkeit an Alonzo besaß.

- - - - - - - - - - -

Maxtla saß wie gewöhnlich in der Nähe der Ställe und rauchte, wenn ihn sein Dienst nicht zwang, seinem Herrn zu folgen, als Tejada heranritt.

    Der Indio erhob sich, um diesem das Pferd abzunehmen.

    "Sattle dein Mulo und hole dann meinen Mantelsack, wir werden Otoño verlassen."

    Maxtla gab zu erkennen, daß er verstanden hatte.

    Tejada fragte, ob Don Vincente zu sprechen sei, und stand gleich darauf vor den beiden alten Herren, denen Alonzo zur Seite stand.

    Er stutzte über den ernsten Ausdruck der Gesichter, sagte aber doch mit seiner gewöhnlichen unverschämten Vertraulichkeit: "Ich habe die Gastfreundschaft dieses Hauses doch schon zu lange in Anspruch genommen, meine sehr verehrten Freunde. Rasch von Entschluß, wie ich bin, habe ich mir vorgenommen, noch heute Otoño zu verlassen. Ich komme, Ihnen meinen herzinnigsten Dank zu sagen und mich zu verabschieden."

    "Haben Sie eine besondere Veranlassung, so rasch aufzubrechen?" fragte Don Vincente ernst.

    Der Bandit stutzte.

    "Wie meinen Sennor das?"

    "Sollte man es vielleicht an der schuldigen Aufmerksamkeit gegen Sie fehlen haben lassen?"

    "O, keineswegs - im Gegenteil, Otoños Gastfreundschaft wird ewig in meinem dankbaren Herzen leben - aber Sie müssen mir verzeihen, es steckt immer noch etwas vom Soldaten in mir - ich bin zu dem Entschluß gekommen, das Land weiter nördlich auf meine Zwecke hin zu untersuchen."

    Die beiden Vivandas neigten ernst das Haupt und sahen die dargebotene Hand Tejadas nicht.

    "Gib unserem Gast das Geleite, Alonzo."

    "Sennores, nochmals meinen besten Dank und meine Empfehlung an Donna Elvira."

    Tejada verbeugte sich und ging innerlich unruhig über diese Verabschiedung hinaus, gefolgt von Alonzo, der sein "indianisches Gesicht", wie seine Freunde seine undurchdringliche Miene nannten, aufgesetzt hatte.

    "Ich komme gleich," sagte Tejada draußen, "ich will nur noch einen Blick in mein Zimmer werfen, um zu sehen, ob mein Peon nichts vergessen hat."

    Damit schritt er in den Korridor.

    Alonzo ging hinaus.

    Da stand Maxtla mit Tejadas Pferd und seinem Maultier.

    Alonzo stellte sich mit dem Rücken nach dem Indianer hin und fragte leise in der Chibchasprache: "Hörst du mich?"

    "Ich höre," erwiderte Maxtla ebenso leise und nach einer anderen Richtung blickend.

    "Wirst du ihn begleiten?"

    "Ich muß ihn überwachen, damit er nicht Unheil stiftet, aber ich kehre zu dir zurück."

    "Es ist gut."

    Schon kam Tejada aus dem Hause und schritt auf sein Pferd los.

    "So muß ich auch von dem Sohne meines alten teueren Kriegsgefährten scheiden, doch ich hoffe auf ein glückliches Wiedersehen in Bogotá."

    Mit seinem ernsten Gesicht sagte Alonzo: "Empfehlen Sie mich jedenfalls Ihrem Freunde Sennor Tejada, und sagen Sie ihm, daß ich selten mit der Büchse fehle, wie im Tale der drei Quellen vor fünf Jahren."

    Der Bandit wurde fahl im Gesichte bei diesen Worten und griff unwillkürlich nach dem versteckt getragenen Doppelpistol.

    "Wie, Sennor - ich verstehe nicht."

    "Meine Worte sind auch nur Sennor Tejada verständlich."

    Hastig schwang sich Tejada in den Sattel. "Adio, Sennor," murmelte er, und in seinen Augen zeigte sich unverkennbare Angst.

    Alonzo zog grüßend den Hut.

    Der Bandit sprengte hastig davon, und mit einem seltsamen Lächeln folgte ihm Maxtla.

    "Was war das?" murmelte Tejada, dessen Gesicht immer noch fahl war, vor sich hin. "Wahrhaftig, da war ich in die Höhle eines Kuguar geraten. Woher weiß der junge Mensch, wer ich bin, was weiß er von dem Tale der drei Quellen? Wer mag hier geschwatzt haben? Man kennt mich hier? Hat dieser Picaro den Schuß damals abgefeuert? Gut, daß ich aus dieser Nachbarschaft fortkomme, das ist unheimlich. Nun, lange, Bursche, wirst du es nicht mehr treiben, wenn der Mann von der Pirateninsel sein Wort hält."

    Er ritt so rasch, daß Maxtla auf seinem Maultiere ihm kaum folgen konnte.

    Bald nach Dunkelwerden erreichten sie die Posada, in der sie, ehe sie nach Otoño gingen, Aufenthalt genommen hatten, und blieben da die Nacht.

- - - - - - - - - - -

Auf Otoño beriet man ernst, ob man versuchen sollte, des Negers, der auf Caldas wartete, habhaft zu werden, obgleich das bei der früh in jenen Gegenden hereinbrechenden Nacht schwierig sein mußte, und wie man den Leichnam des Erschlagenen still in die Erde senkte.

    Alonzo erbot sich, seiner kühnen Natur entsprechend, den Neger zu fangen.

    "Es ist zu gefährlich, Kind."

    Alonzo lachte.

    "Glaubst du, daß noch mehr Bandidos in den Feldern lauern? Tejada ist fort und Maxtla hinter ihm. Ich kenne den Wald und den Pfad nach dem Ocoa und will den Schwarzen vor meiner Büchse haben, ehe er es ahnt. Habe ich umsonst zwischen den schleichenden Kriegern der Wildnis gelebt?"

    Die beiden Vivandas kannten die Klugheit ihres Schützlings, seine Vorsicht und seinen Mut, und es war nicht unwichtig, den Neger in die Gewalt zu bekommen.

    "Nimm einige von unseren besten Leuten mit, Alonzo."

    "Ja, ich will einige mitnehmen."

    Nun stimmten die beiden alten Herren zu.

    Alonzo rief drei der Indios an, befahl ihnen, sich vom Majordomo Büchsen geben zu lassen, nahm selbst seine Büchse und den Lasso, und alle vier ritten dem Waldsaum zu. An der Mündung des Pfades angelangt, sagte Alonzo seinen Begleitern, daß es darauf ankomme, einen spitzbübischen Neger auf dem Flusse zu fangen und befahl ihnen, ihm in hundert Schritt Entfernung zu folgen. Er wollte den Neger beschleichen und fürchtete das Geräusch, das die Indianer, die nicht gewohnt waren, sich im Walde anzupirschen, machen würden. Er mußte lautlos am Ufer ankommen und den Neger, ihn überraschend, vor der Büchse haben, ehe dieser das offene Wasser gewinnen konnte. Dann konnten seine Begleiter ihn binden und fortführen.

    Man band die Pferde an, und Alonzo schritt leichten Fußes in das Dunkel des Waldes, geräuschlos, alle Sinne wach; der wilde Krieger war in ihm lebendig.

    Eben wollten seine Leute ihm nachgehen, was des schmalen Pfades wegen hintereinander geschehen mußte, als dumpf der Hall eines Büchsenschusses an ihr Ohr schlug - einen Hilferuf glaubten sie zu vernehmen - erschreckt standen sie still. Aber nur einen Augenblick. Die Leute waren mutig und liebten ihren Sennorito.

    "Vorwärts - es gilt Don Alonzo - vorwärts!" und in Eile drängten sie rücksichtslos vor, die Büchsen, die sie zu brauchen verstanden, in der Hand.

    Das Schweigen des Waldes umgab sie bei ihrem eiligen Vormarsch, kein Laut außer dem Zwitschern eines Vogels war hörbar. Sie gelangten an das Schilf - vorsichtig gingen sie gebückt hindurch dem Wasser zu - endlich hatten sie die Wasserfläche vor sich. Kein Boot, kein Neger war zu sehen, nichts von dem jungen Herrn zu gewahren.

    In heller Verzweiflung sahen sich die armen Menschen an.

    "O, Don Alonzo!" stöhnte der eine.

    "O, was wird Sennor sagen?"

    Sie riefen laut, auf jede Gefahr hin - nichts antwortete - sie gingen in den Wald rechts und links von dem Pfade, suchten und schrieen sich heiser. Aber schon kam die Nacht, und trostlos schritten die Leute, die auf Otoño aufgewachsen waren, zurück. Als sie an den Waldsaum kamen, wieherte im Walde ein Pferd, und einer der drei Männer ging dem Laut nach und brachte Caldas Roß mit sich.

    Schon lag auch die Nacht auf den Llanos.

    Langsam, zum Tode traurig ritten sie zur Hacienda zurück, das Roß Alonzos und das des Erschlagenen mit sich führend.

    Mit maßlosem Entsetzen lauschten die beiden alten Herren ihrem Berichte.

    Der Cura, der den Jüngling wie seinen Sohn liebte, kniete nieder und betete in tiefem Jammer.

    Don Vincente, der sich zuerst faßte, trotzdem auch er ungemein litt, schien es klar, daß der Mörder, den sein Schicksal so jäh erreicht, nicht allein gewesen sei. Die Feinde Alonzos mußten auf dem Rücken des einsam strömenden Ocoa gekommen sein, wie auch Caldas augenscheinlich diesen Weg gekommen und sich das Pferd irgendwo am Ufer verschafft hatte.

    "Geh zu Elvira, Bruder, und bereite sie vor, ich will das Land und die Flußufer alarmieren," sagte er.

    Während der tiefgebeugte Priester seine Nichte aufsuchte, ließ Don Vincente die Glocke läuten, deren Ton die Arbeiter nach den Herrschaftsgebäuden rief, und die Fanale entzünden, die die Vaqueros von den Llanos herbeiführten.

    Während der Cura die in ihrem tiefen Schmerz tränenlose Elvira zu trösten versuchte, er, der selbst des Trostes bedurfte, kamen die Arbeiter zusammen. Der Majordomo hatte Pferde und Maultiere bereit gestellt. Schon nahten auch die Vaqueros, die in der Nähe ihre Herden geweidet hatten.

    Don Vincente trat zwischen sie und teilte ihnen mit, Don Alonzo sei verschwunden, getötet oder fortgeführt worden.

    Ein dumpfer Laut des Schreckens erhob sich unter den dicht um ihren Herrn gedrängten Leuten.

    Er sagte ihnen dann von dem Mordversuche des Tages, ohne Maxtla dabei zu erwähnen, und daß die Mörder den Ocoa heraufgekommen sein müßten. Daß es jetzt gelte, das Schicksal des Jünglings aufzuklären und die Spuren der Verbrecher zu finden.

    Ein Teil der berittenen Leute wurde den Fluß entlang geschickt, um überall auf jeder Hacienda, bei jedem Flußübergang das Verschwinden Alonzos zu verkünden und die Bevölkerung auf Flußpiraten aufmerksam zu machen. Die andere Hälfte wurde mit dem gleichen Auftrage in die Llanos geschickt, um auch hier die Bevölkerung zur Wachsamkeit und zum Beistand aufzurufen. Der Gedanke, daß der so plötzlich abgereiste Tejada mit dieser Gewalttat in Verbindung stehe, lag nahe. Don Vincente, der für einen ausgedehnten Distrikt polizeiliche Obergewalt hatte, fertigte einen Verhaftbefehl für ihn aus und sandte den Majordomo, einen entschlossenen Mann, dem Abgereisten mit einigen sicheren Leuten nach, ihm dabei mitteilend, wie Maxtla zu diesem und zu Don Alonzo stehe, und daß der Jüngling nur dem Indianer das Leben verdanke.

    Auch der Majordomo sprengte in die Nacht hinein.

    Kaum war die Sonne aufgegangen, so war Don Vincente mit einigen seiner Leute bereits selbst im Uferwalde, um nach Spuren Alonzos zu suchen, geängstigt von der schreckensvollen Vorstellung, seinen Leichnam zu finden.

    Auch diese Nachforschung verlief in dem dicht von Schlingpflanzen und Stechpalmen häufig undurchdringlich gemachten Wald resultatlos.

    Nichts ward gefunden.

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Don Sancho Tejada war unruhiger, als es den Anschein hatte. Die mit Alonzo gewechselten Worte hatten ihn sehr verstimmt. Schien es ihm darum wünschenswert, möglichst rasch einen größeren Zwischenraum zwischen Otoño und seine werte Person zu legen, so hielt die Begierde, das Resultat von des verfolgten Piraten Tätigkeit kennen zu lernen, ihn wiederum in dessen Nähe gebannt, um hoffentlich gute Nachrichten zu empfangen und in aller Eile nach Bogotá bringen zu können.

    Daß der Mann mit seinen Leuten ohne besondere Schwierigkeiten das finstere Werk auszuführen vermöge, daran zweifelte er nicht, obgleich dieser d'Alcantara ein äußerst gefährlicher Bursche war.

    Die Posada lag nicht übel, um Neuigkeiten von Otoño zu erfahren, und Don Sancho hätte gern dort länger geweilt, wenn nur sein Name und wer weiß was noch nicht auf der Hacienda bekannt gewesen wären - das war ihm sehr unangenehm.

    Er beeilte seine Abreise trotzdem nicht, so ungern verließ er den Schauplatz seiner Tätigkeit. Eben war er im Begriff, sich in den Sattel zu schwingen und sich von dem Posadero zu verabschieden, als in vollem Rosseslaufe ein junger Llanero herbeijagte.

    "O, Don Jaquino," schrie er dem Posadero zu, während er sein vom rasenden Laufe zitterndes Pferd anhielt, "o, welches Unglück, welches Unglück für uns alle!"

    Der Posadero, Tejada und Maxtla horchten auf und aus dem Hause traten Frau und Tochter des Wirtes und einer seiner indianischen Diener.

    "Was ist geschehen?"

    "Don Alonzo ist ermordet!"

    "Don Alonzo?!" schrieen alle auf, mit Ausnahme von Maxtla, dessen Augen unter dem schattenden Hute gleich glühenden Kohlen leuchteten.

    "Don Alonzo, der junge Alcantara von Otoño?"

    "Ja, ja, ermordet. Die Peons und Vaqueros Sennor Vivandas jagen durchs Land und verkünden es; ich hörte es und bin davongejagt, es weiter zu sagen."

    "Nun," sagte Tejada, "es wäre schrecklich, Mann, wenn du die Wahrheit sagtest; wann ist das geschehen, ich komme von Otoño und habe mich erst gestern mittag von Don Alonzo verabschiedet."

    "Gestern abend - sie haben ihn gräßlich ermordet."

    Tejada wurde jetzt in solcher Nähe der Hacienda unheimlich zu Mute. Daß der Verbündete der Flußpiraten sich so rasch seines Auftrages entledigen werde, hatte er nicht gedacht - doch sagte er mit vieler Ruhe: "Ja, das ist ein großes Unglück für alle, besonders für meine werten Freunde Vivanda. O, wie bedaure ich, daß mich ernste Pflichten nach Bogotá zurückrufen. Weiß man nichts Näheres über dieses schreckliche Verbrechen? Ist es vielleicht ein Racheakt der Leute der Hacienda?"

    "Wo denkt Ihr hin, Sennor? Die waren Don Alonzo alle auf Tod und Leben ergeben."

    "Wie gern würde ich nach Otoño umkehren, aber die Interessen des Staates gehen jedem persönlichen Interesse vor - wie leid tun mir seine sorgsamen Pflegeväter."

    Er verabschiedete sich von dem Posadero und ritt langsam, gefolgt von Maxtla, davon, um erst in einiger Entfernung seinem Pferde die Sporen zu geben.

    "So, Don Carlos, jetzt bist du mir fünftausend Pesos schuldig," murmelte er vor sich hin.

    Hätte er einen Blick auf das düstere Gesicht seines Peons geworfen, dessen Blicke mit einem Ausdruck furchtbaren Hasses auf ihn ruhten, würde er sich weniger rosigen Zukunftshoffnungen hingegeben haben.

    In des Indianers Seele wogte es heftig. Er zweifelte nicht an der Kunde, die der Llanero gebracht und machte sich bittere Vorwürfe. Er hatte Tejada während ihres Aufenthaltes mehrmals außer acht gelassen, wenn dieser die Umgebung durchritt und seine Wachsamkeit auf Alonzo beschränkt.

    Sollte der verworfene Caldas, der vielleicht von Bogotá geflüchtet war, ihm auf einem dieser Ritte in den Weg gekommen und doch von ihm für das Verbrechen gewonnen worden sein?

    Es war schwer denkbar.

    Näher lag es, daß dieser ein Sendling von Bogotá war. Hatte de Valla außer diesem noch einen Bandido auf dem Wege gehabt?

    So wogten seine Gedanken hin und her. Er wäre bei der ersten Kunde von Alonzos Geschick sofort nach Otoño umgekehrt, um sich auf die Spur der Mörder zu setzen, wenn er nicht in dem vor ihm reitenden Manne den Mitschuldigen vermutet hätte, von dem Aufschlüsse über die Tat zu erlangen waren.

    Der Weg, den sie ritten, war einsam.

    Einige Gehölze grenzten den Horizont an verschiedenen Stellen ein und Maxtla wußte, daß auf Leguas weit kein Haus sich erhob.

    Er löste den Lasso vom Sattel seines Tieres und legte ihn bereit zum Wurfe.

    Tejada, der Gewissensbisse nicht kannte und dem immer behaglicher zu Mute wurde, je weiter er sich aus der gefährlichen Nähe Otoños, wo seine Maske durchschaut war, entfernte, lächelte selbstzufrieden vor sich hin, als ein mit großer Sicherheit geschleuderter Lasso ihn umschlang und ein kräftiger Ruck ihn aus dem Sattel auf den Boden brachte, den er recht unsanft berührte.

    Betäubt von der jähen Unterbrechung seiner Zukunftsträume, wie von dem jähen Sturz lag er, kaum seiner Sinne mächtig, da. Der Lasso schnürte ihm die Arme an den Leib. Die Augen öffnend sah er mit ebensoviel Staunen als Schreck Maxtlas drohendes Gesicht über sich gebeugt und die blinkende Machete in dessen Hand, deren Spitze seiner Kehle sehr nahe war. Mit ungemeiner Geschicklichkeit nahm Maxtlas linke Hand das Doppelpistol aus Tejadas Tasche, das Messer aus dessen Gürtel und warf beides fort, dann band er des verblüfften Mannes Hände.

    Erst jetzt fand der Bandit, den der Lasso noch immer hielt, Worte: "Was tust du, Juan, willst du mich berauben? Ich will dir alles geben, was du haben willst, binde mich nur los."

    "Maxtla ist kein Dieb," erwiderte finster der Indianer.

    "Was habe ich dir getan? Willst du mich ermorden?" fragte zitternd Tejada.

    "Nicht jetzt. Der Sargento wird den Teniente, der ihn vor den Soldados schlug, später töten."

    Tejada wußte nicht, was er aus dem Benehmen und den Worten des Indianers, der ihn so unvermutet überfallen, schließen sollte, denn daß er vor Jahren einmal, während er als Offizier unter d'Alcantara diente, einen indianischen Sargento geschlagen vor den Augen der Soldaten, hatte er längst vergessen, wie auch das Gesicht Maxtlas.

    Ihm kam der Gedanke, der Mann sein geistesgestört.

    "Ich verstehe dich nicht, Juan, was willst du?"

    "Don Sancho wird noch alles verstehen. Er ist von Excellenza ausgeschickt, um Don Alonzo zu töten, und Maxtla, um Don Sancho die Machete durch die Kehle zu ziehen."

    Der gebundene Bandit sah ihn mit namenlosem Entsetzen an.

Vom Lasso umschlungen, sank Tejada aus dem Sattel.

Hatte er in dem stumpfsinnigen Indio den Henker vor sich, den ihm de Valla nachgesandt, um ihn hinwegzuräumen nach geschehener Tat? Nein, das war zu ungeheuerlich - und doch? - Kaltblütig untersuchte jetzt Maxtla Tejadas Taschen, nahm eine dicke Brieftasche und einen Beutel mit Geld und steckte beides in seine Ledertasche. Der Indianer hätte Tejada am liebsten gleich an der Posada verhaftet, aber kannte seine rechtlose Stellung einem Weißen gegenüber, kannte das Mundwerk Tejadas und mußte fürchten, daß man dort die Partei des Caballero ergreifen würde; so hatte er gewartet, bis er mit ihm allein war.

    Er holte jetzt Tejadas Pferd herbei, befahl ihm aufzusteigen und half ihm in den Sattel, nachdem er ihn vom Lasso befreit hatte. Dann band er ihm die Füße unter dem Bauche des Pferdes zusammen.

    Tejada, der einsah, daß es nicht auf seine augenblickliche Ermordung abgesehen war, schöpfte neuen Mut.

    Maxtla legte seinen Lasso um des Pferdes Hals, bestieg sein Maultier und wandte dessen Kopf der Posada zu.

    "Wo führst du mich hin?"

    "Ihr alles erfahren, Galgen hier wie in Bogotá."

    Das Pferd an der Fangschnur, das dieser ängstlich folgte, galoppierte er jetzt auf dem Wege zurück, den sie gekommen waren.

    Tejada, der in seinem wüsten Leben schon in mancher dringenden Gefahr gewesen war, gewann Zeit zur Überlegung, auch hoffte er auf eine baldige Begegnung mit Weißen. Wer war dieser Indio, und was wollte er mit ihm beginnen? Wessen konnte man ihn überhaupt beschuldigen? Daß er Tejada sei, mußte noch bewiesen werden. Alonzo, der davon wußte, war tot und dieser Indio war als Zeuge belanglos. Hätte der ihn in die Wüste geführt, stand es schlimm um sein Leben, aber er führte ihn bewohnten Stätten zu. Die Frechheit Tejadas gewann wieder die Oberhand, was wollte man gegen ihn vorbringen?

    Nach kurzer Zeit sahen sie Reiter sich entgegenkommen, es war der Majordomo von Otoño mit drei Vaqueros.

    "O, du hast ihn schon, mein braver Indio," rief er Maxtla entgegen und hielt gleich darauf vor den beiden.

    "Ah, welch ein Glück, daß Sie kommen, Sennor," sagte Tejada zungengewandt, "dieser Mensch hat mich heimtückisch auf dem Wege überfallen und mich beraubt. Ich stelle mich unter Ihrem Schutz, lassen Sie mich rasch losbinden."

    "Später, Sennor. Ich habe da einen Haftbefehl auf Sancho Tejada, genannt Molino, ausgestellt von dem Alkalden dieses Territorio, verdächtig des Mordes an Don Alonzo d'Alcantara, den wollen wir erst vollstrecken. Ich verhafte Euch im Namen des Gesetzes!"

    "Don Diego, das ist ein ganz greulicher Irrtum. Verhaften Sie lieber diesen Räuber, der mich angefallen hat auf offener Straße."

    "Nimm ihn, Majordomo, und bewache ihn wohl," sagte in aller Ruhe Maxtla, "er ist ein grimmiger Mörder, auf den in Bogotá der Strick wartet. Hier hast du, was ich ihm abgenommen habe," er übergab dem Majordomo die Brieftasche und das Geld, "ich muß fort."

    "Wo willst du hin?"

    "Nach Otoño - die Mörder Don Alonzos sollen einen Chibchakrieger aus den Bergen noch heute auf ihrer Spur haben, sie sollen sterben wie Caldas, wie jener, der sie ausgesandt."

    Damit gab er seinem Maultier die Sporen und jagte davon.

    Der Majordomo folgte langsamer mit dem Gefangenen.