158063.fb2 Der Gefangene der Aimar?s - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 20

Der Gefangene der Aimar?s - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 20

Neunzehntes Kapitel.Mariquita

    Nach ruhig verbrachter Nacht erwachten die Schläfer im Morgensonnenschein. Alonzo erhob sich und nie, so schien es ihm, hatte er das Antlitz der Erde schöner gesehen als jetzt, wo er nach furchtbaren Tagen, die er in Banden am Boden eines Kahnes liegend, umgeben von rohen Mordgesellen, zugebracht, die Luft der Freiheit wieder atmete.

    Der strahlende Himmel, der mächtige Strom, dessen Wasser die Sonnenstrahlen glitzernd widerspiegelte, die Pracht unzähliger Diamanten, die in Form von Tautropfen an Strauch und Gras hingen, das Umherschwirren der bunten Kolibris, der schöngefärbten Schmetterlinge, die Blütenpracht der Lianen, der Duft des Waldes, die köstliche, erfrischende Morgenluft - das alles erfüllte ihn mit unendlichem Entzücken. Die Wonne der wiedererlangten Freiheit gab sich darin kund. Nur eine Sehnsucht war in ihm lebendig, rasch nach Otoño zurückzukehren, um dort seine sorgenvollen Lieben zu beruhigen. Ihm gesellte sich Maxtla zu.

    Nachdem er diesem mitgeteilt hatte, wie er in die Hände der Bandidos gefallen war, und es war genau so geschehen, wie der Indio aus den Spuren erraten hatte, verlieh er seiner Sehnsucht nach beschleunigter Rückkehr Worte.

    Die Fahrt nach Cabuyaro im Canoa stromauf war anstrengend und zeitraubend, aber Maxtla hatte bereits vom Waldsaum aus einen einsamen Rancho entdeckt und sprach die Hoffnung aus, dort Reittiere zu erlangen, um so schneller den Ocoa zu erreichen.

    Gleich darauf betraten die drei Männer die Llanos und schritten auf das einsam unter einigen Palmen liegende Gehöft zu.

    Alonzo ging, als sie dort angekommen waren, um die Gastfreundschaft des Rancheros anzusprechen.

    In der Tür des aus Adobeziegeln gebauten Hauses erschien ein Mädchen und Alonzo blieb stehen. Das Kind - es war noch ein Kind von vielleicht zwölf Jahren - stand in der Tür und ihre zarte, in das weiße tunikartige Gewand der Frauen des Landes gehüllte Gestalt hob sich einem Bilde gleich von dem dunklen Hintergrunde ab, das die Tür wie ein Rahmen einfaßte.

    Er sah es vor sich, das sanfte, unschuldsvolle, von lockigem Haar umwallte Gesichtchen, die braunen Augen, die fromm zum Himmel gerichtet waren, und ein Gefühl, wie er es nie gekannt hatte, zog ihm durch Herz und Seele.

    Eine hierniedergestiegene Himmelskönigin deuchte ihm die Erscheinung, Schauer der Andacht durchbebten sein Herz - und doch - er hatte ein gleiches holdes Gesicht schon gesehen - er hatte -? was war es doch, das seine Seele so erbeben machte?

    Atemlos stand er und schaute auf das holde Menschenbild.

    Da senkte die jugendliche Gestalt die Augen, und ihr Blick traf auf den fremden Mann - der sie so seltsam mit großen Augen ansah.

    Ein leichtes Erstaunen zeigte sich in ihrem Gesicht, dann aber sagte sie mit freundlichem Lächeln in einem Tone, der ihn freudig berührte: "Komm näher, Amigo - sei willkommen!"

    Er schritt auf sie zu - das Herz klopfte ihm ungestüm und er wußte nicht warum, - immer den Blick fast scheu auf ihr Antlitz gerichtet.

    "Suchst du Don Esteban? Er ist ausgeritten - aber die Mutter ist im Garten, sei willkommen," und sie reichte ihm mit kindlicher Gebärde die Hand. Er erfaßte sie - und wiederum überlief ihn eine seltsamer Schauer. Was war es?

    Welch wunderbares Gefühl flößte ihm dieses Kind mit den madonnenhaften Zügen ein?

    "Ich bin Mariquita oder Maruja, wenn du willst - so ruft mich Mama. Wie heißest du?"

    "Alonzo," sagte er leise, "Alonzo d'Alcantara."

    Eine alte runzelvolle Indianerin kam um das Haus herum und störte den Zauber, von dem Alonzo sich dem Kinde gegenüber gefangen fühlte.

    "O, Estrangeros?" ließ sie sich mit wenig melodischer Stimme vernehmen - sie hatte die beiden weiter zurückstehenden Indianer bemerkt - "Estrangeros? Wo sind eure Pferde? Estrangeros? Wie kommen sie hierher? Das muß Sennora wissen," und sie ging zurück hinter das Haus.

    Alonzo hatte nicht bemerkt, wie auch Maxtlas Augen mit einem Ausdruck der Überraschung auf des Kindes Gesicht gerichtet waren, eine seltene Erscheinung bei einem Indianer.

    "Komm, setz dich, Don Alonzo," sie wies auf einen Sitz in einer schattigen Laube, hinter der Bananen sich erhoben. "Du hast auch Indios bei dir? Laß sie herbeikommen. Ah, da ist die Mutter."

"Suchst du Don Esteban? Er ist ausgeritten!"

Eine Frau in mittleren Jahren trat herzu und schaute erstaunt, aber nicht unfreundlich auf Alonzos jugendlich männliche Erscheinung, die unverkennbar den Caballero verriet. Er begrüßte sie achtungsvoll und sagte, wie er es mit Maxtla verabredet hatte: "Verzeiht, Sennora, daß wir die Gastfreundschaft Eures Hauses in Anspruch nehmen, aber wir haben unser Boot auf dem Strom verloren und suchen den Weg nach Cabuyaro zurück."

    Das Äußere Alonzos und seine Haltung schien der einfach gekleideten Frau sehr zu gefallen, und sie sagte freundlich: "Seid willkommen, Sennor - unser Haus ist das Eurige. Habt Ihr Unglück auf dem Strome gehabt? Ja, es ist ein tückisches Wasser. Laßt Euch nieder, mein Mann wird bald zurückkehren. Es ist selten, daß Fremde zu uns kommen, seid willkommen. Ich will Euch gleich Kaffee bringen. Die Indios können sich dort in den Schatten der Agave setzen. Habt Ihr schon Marujas Bekanntschaft gemacht, Sennor? Verzeiht ihr ihre Schüchternheit, aber sie sieht wenig fremde Menschen. Sei artig gegen Sennor, Maruja, wie eine wohlerzogene Sennorita, und unterhalte ihn. Ich komme gleich zurück."

    Sie ging in das Haus und Maruja, die Alonzo gegenüber gar keine Schüchternheit zeigte, setzte sich neben ihn. Unter der Agave saß Maxtla und schaute sie unverwandt an.

    "Du wirst ein paar Tage bei uns bleiben, Don Alonzo, nicht wahr? Es ist sehr schön hier, und Papa und Mama freuen sich, wenn Fremde kommen."

    "Ich muß bald davonreiten, Mariquita, wenn dein Vater uns Tiere verkauft oder leiht."

    "O, mußt du sobald wieder fort? O, wie schade! Ich wollte, du bliebest lange hier, du gefällst mir so, Don Alonzo."

    Ihr holdes Gesichtchen zeigte aufrichtige Betrübnis.

    "Es freut mich, daß ich dir gefalle - es freut mich sehr."

    Ihm traten Tränen in die Augen als er fortfuhr: "Ich hatte einmal ein kleines Schwesterchen, das müßte jetzt so alt sein wie du." Vor seinem Geistesauge stand das kleine liebliche Kind.

    "Ist es ein Engel im Himmel geworden?" fragte das Kind teilnahmsvoll und sah ihn an. "Weißt du, alle kleinen Kinder werden Engel, wenn Gott sie abruft."

    "Ja, meine kleine Juana ist im Himmel."

    Sie sah seine Tränen und sagte: "Du mußt nicht weinen, Don Alonzo, sie ist glücklich in den himmlischen Gefilden."

    "Ja, du hast recht." Er wischte die Tränen aus den Augen und fragte ruhiger: "Wie alt bist du, Mariquita?"

    "Zwölf Jahre."

    "Hast du Geschwister?"

    "Nein, ich bin allein. O, Papa und Mama lieben mich sehr und auch die alte Mali, sie lieben mich alle."

    "Wer sollte dich auch nicht lieben?"

    "Dir gefalle ich auch, nicht? - Mir ist so, als ob ich dich schon lange kenne, Don Alonzo, und doch sehe ich dich zum ersten Male."

    Ihn rührten das kindliche Geplauder des in der Stille und Einsamkeit der Llanos erwachsenen Mädchens tief in der Seele.

    Die Indianerin kam aus dem Hause und brachte ihren Stammesgenossen Maisbrot und Fleisch.

    "Dienst du schon lange hier?" fragte Maxtla sie in der Chibchasprache.

    "Viele Jahre, die Weißen sind gut."

    "Hast du keinen Mann?"

    "Er ist tot."

    "Und Kinder."

    "Sie sind - zur Sonne gegangen."

    "Du stammst aus den Bergen," sagte Maxtla jetzt im Dialekt der Gebirgschibchas.

    "Ja," antwortete sie, und ihre Augen leuchteten jetzt freudig bei dem Klange auf, - "aus den Bergen - und du auch, wie ich höre."

    Die Sennora kam aus dem Hause und brachte Alonzo Kaffee, Brot und Eier.

    Mit Erstaunen sah sie, wie vertraulich ihr Kind mit dem Fremden verkehrte.

    "Nun, das ist ein Wunder, Sennor, Ihr habt rasch des scheuen Vögelchens Herz gewonnen."

    "Ja, Madrecilla, er gefällt mir und ich ihm auch. Er hatte ein kleines Schwesterchen, das jetzt bei den lieben Englein im Himmel ist, und darum ist er mir gut."

    Die Frau warf einen fast schreckensvollen Blick auf Alonzo.

    "Es ist so, Sennora, sie ist mir in jugendlichem Alter durch eine schaudervolle Tat entrissen worden, von der das Tal der drei Quellen noch lange widerhallen wird - sie müßte jetzt im Alter Ihres Kindes sein."

    Die beiden Indianer und Mali, die Indianerin, hatten den Worten, die in der Laube mit der Sennora gewechselt wurden, gelauscht. Als das Tal der drei Quellen erwähnt wurde, zeigte sich in dem Gesicht der Indianerin ein schreckenvolles Erstaunen. Maxtla bemerkte es wohl.

    Er stand auf und sagte zu seiner Stammesgenossin in tiefem Ernste: "Die Tochter der Berge wird mit mir kommen, ihr Bruder hat eine Frage an sie zu richten."

    Er schritt nach einer Baumgruppe, und scheu folgte sie ihm.

    Der Llanero Esteban Mauricio ritt heran. Der Mann, ein ehrlich aussehender, derber Geselle, war erfreut, einen Caballero als Gast in seinem Hause zu finden und erstaunt gleich seiner Frau, zu sehen, wie zutraulich sein scheues Kind mit ihm verkehrte, und kein Auge von ihm wandte.

    Alonzo sagte ihm, wie er hierhergekommen und fügte seine Wünsche hinzu.

    Der Llanero erklärte sich alsbald bereit, ihn mit seinen Begleitern nach Cabuyaro zu bringen, und wenn er darauf bestehen sollte, ihm auch Pferde oder Mulos zu dem landesüblichen Preise zu verkaufen.

    Mariquita saß still und traurig während dieser Verhandlungen da, und leise sagte sie: "Ich wollte, er ginge nicht."

    Als der Llanero gegangen war, um in seinem Corral die Tiere auszusuchen, trat Maxtla zu Alonzo, zu dem er in der Chibchasprache sagte: "Weißt du, junger Adler der Berge, wem sie ähnlich sieht?" Er meinte Mariquita.

    "Nun?" fragte Alonzo erstaunt.

    "In deines Vaters Hause hing ein Bild von deiner Mutter, das zeigte, wie sie als Sennorita ausgesehen hat."

    Wie Schuppen fiel es Alonzo vom Auge. Er sah im Geiste das lebensgroße Ölbild, das seine Mutter als sechzehnjähriges Mädchen darstellte, vor sich - ja - das war's - das hatte ihn so mächtig erschüttert - unbewußt als er das Kind sah - jetzt wußte er es, der Indianer hatte ihm die Augen geöffnet. Es war zehn Jahre her, daß er als zehnjähriger Knabe das elterliche Haus verlassen hatte, und vieles hatten die Gefangenschaft, die Zeit von seinen Jugenderinnerungen verwischt - aber jetzt stand das Bild lebendig vor ihm - und - er richtete einen angstvoll fragenden Blick auf Mariquitas Gesicht. Eine Flut von Gedanken und Ahnungen stieg ihm zu Haupte und betäubte ihn fast.

    Erstaunt sah das Kind, das die Worte in der Chibchasprache nicht verstanden hatte, zu Alonzo auf, sie erkannte, wie sehr er bewegt war.

    "O, amigo mio, fehlt dir etwas? Bist du traurig?"

    "Ja, ja, nein - o welch ein Glücksgefühl durchzieht mich!"

    Er riß das Mädchen an sich und küßte es auf die Stirn. - "Ebenbild der Mutter -" hauchte er vor sich hin und sah ihr in das kindliche Gesicht.

    Im Hintergrunde stand die Indianerin Mali und schaute bald auf Alonzo, bald auf Mariquita.

    Langsam sagte Maxtla, immer sich der Chibchasprache bedienend: "Diese Frau fand jenes Mädchen vor zehn Sommern im Tale der drei Quellen."

    Gleich einem Irrsinnigen starrte Alonzo ihn an.

    "Fand - im - Tale der - drei Quellen?" wiederholte er leise - "fand?"

    "Der junge Adler sinne nach - zwei Schwestern nannte er sein - Maxtla weiß es - er kannte sie alle, die Kinder Don Pedros - zwei Sommer zählte Juana und jene Frau trug sie fort - aus dem Tale der drei Quellen."

    Alonzo wurde totenbleich - der starke Jüngling zitterte - und mußte sich setzen.

    "Ein großer Krieger muß die Freude ertragen können wie den Schmerz."

    Stumm horchte Mariquita, den Blick voll tiefer Teilnahme auf Alonzo gerichtet, Maxtla aber fuhr in der Sprache der Chibcha zu reden fort: "Mali ist eine Chibcha aus den Bergen und schwor, mir die Wahrheit zu sagen bei den alten Göttern ihres Volkes."

    Die Sennora trat hinzu und lauschte den ihr unverständlichen Worten, aber niemand achtete ihrer.

    Und nun berichtete der Indianer, während die Indianerin mit niedergeschlagenen Augen neben ihm stand, daß sie mit ihrem Gatten auf der Flucht vor den Leuten der Regierung, die alle kräftigen Männer mit Gewalt zu Soldaten aushob, am Abend des Unglückstages über die blutige Stätte in den drei Quellen gekommen sei. Unter den Toten fand sie ein junges, blühendes Leben, ein zweijähriges Kind, das angstvoll um sich schaute. Eine Machete hatte es gestreift und betäubt niedergeworfen, die Mörder hatten es für tot liegen lassen. Mali, der ein Liebling gestorben war, nahm mitleidsvoll das kleine Mädchen mit. Bald aber bemächtigte sich ihrer die Angst, als der Mann erkundete, daß man Indios im Verdacht habe, die Tat vollbracht zu haben, daß man sie für die Täter halten könne, und da Mali von dem kleinen lieblichen Wesen nicht lassen wollte, flohen sie weiter und weiter durch Berge und Wälder, immer in Angst vor den Offizieren der Militäraushebung und den Alguacils, die nach den Mördern forschten.

    Der Llanero war zur Laube getreten und lauschte Maxtlas Worten.

    So kamen sie zu den hier einsam wohnenden Leuten und nahmen Dienste bei ihnen. Das Kind erklärten sie in einem Kahne auf dem Flusse treibend gefunden zu haben, immer in der Angst, für die Tat auf dem jetzt so weit entfernten Schauplatz verantwortlich gemacht werden zu können.

    Sennora Mauricio nahm sich der Kleinen an, alle Nachforschungen nach ihrer Abkunft blieben natürlich vergebens. Spät erst und so entstellt gelangte die Nachricht von dem Morde im Tale der drei Quellen hierher, daß damit die Kleine nicht in Verbindung zu bringen war. Malis Mann, der aus den Llanos stammte, starb - das Kind wuchs im Schutze der kinderlosen Sennora als deren Tochter auf - und - "da steht es, das kleine Mädchen aus dem Tale der drei Quellen. Die Narbe, welche die Machete der Aimaràs zurückließ, ist, wie du siehst, noch zu erkennen."

    In der Art und Weise, wie der Indianer sprach, in dem ungewöhnlichen Klange, der seine Worte belebte, lag etwas Feierliches.

    Der Llanero, der Chibchasprache mächtig, war sehr bleich geworden und schaute mit Angst auf Mariquita. Als Maxtla schwieg, herrschte tiefe Stille in der Laube.

    Da aber vermochte Alonzo sich nicht länger zu beherrschen, der Sturm in seinem Herzen durchbrach alle Schranken, warf allen künstlichen Stoizismus über den Haufen: "O - Gott - o Gott, Schwester - o - du bist gerettet worden - o Schwester -" er kniete neben dem Kinde nieder, schloß es in seinen Arm und weinte in einer Erregung, die sein ganzes Wesen erschütterte.

    Ergriffen war Mariquita bei dem Gebaren des fremden, ihr so sympathischen Mannes, und weil sie ihn herzbrechend weinen sah, weinte sie mit.

    Stumm stand die Frau, stumm der Herr des Hauses - der sehr niedergeschlagen aussah.

    Endlich hatte Alonzo die Kraft zu sagen: "Ich bin Alonzo d'Alcantara - bis zu dieser Stunde glaubte ich all die Meinen im Tale der drei Quellen verloren zu haben - nun sendet mir Gott - die jüngste unseres Hauses - dies ist meine Schwester Juana."

    Jetzt erschrak auch die Sennora, deren ganzes Herz an Mariquita hing, und das Kind selbst sah durch seine Tränen fragend bald zu denen, die sie für ihre Eltern hielt, bald zu Alonzo und Mali empor.

    "Kind, Mariquita - Juana - du hörst, was ich sage, - daß mich ein gütiges Geschick zu dir - dem Ebenbild unserer Mutter geführt hat. Willst du gern mein Schwesterchen sein?"

    "Ja, ja, ich habe dich gleich lieb gehabt."

    Und nun gab es ein Fragen und Antworten, Mali mußte ihre Mitteilungen wiederholen, Alonzo sprach von den Seinen und seinem Schicksal, und das tiefbetrübte Llaneropaar mußte erkennen, daß eine höhere Fügung ihren Liebling an das Herz des Bruders geführt hatte.

    "Ihr tragt einen großen Namen, Sennor," sagte der Llanero. "Ich habe von Eures Vaters Schicksal gehört, doch keine Ahnung davon gehabt, daß ich seine Tochter in meinem Hause berge. Gottes Wille geschehe - aber das Glück meines Hauses schwindet mit Maruja dahin."

    Seine Frau weinte, und das Kind schmiegte sich zärtlich an sie.

    "Nein, meine Freunde." sagte Alonzo. "Juana d'Alcantara muß die ihr gebührende Stellung in der Welt an der Seite ihres Bruders einnehmen, aber Ihr sollt sie nicht verlassen, Ihr habt Elternrechte an ihr erworben. Kommt mit an den Ocoa, Ihr sollt Haus und Land dort haben, und wie sich mein Schicksal auch gestalte, Ihr sollt in des Kindes Nähe, das Ihr zu einer schönen Menschenblüte erzogen, bleiben. Willst du mit mir kommen, mit mir, deinem Bruder?"

    "Ja," sagte sie - "aber Mama muß auch mitgehen."

    "Das soll sie, mein Liebling, mein Schwesterchen. O du holdes, rührendes Bild der teuren Mutter, o - o, wie bin ich glücklich, wie bin ich glücklich!"

    Zärtlich drückte er sie an sein Herz.

    "Reite voraus, Maxtla, nach Otoño und erzähle von mir, von ihr - ich komme mit dem Kinde nach."

    Maxtla jagte bald darauf auf einem der Rosse des Llanero nach Cabuyaro, wo sein Pferd stand.

    Nach eingehender Verständigung mit Juanas Pflegeeltern wurde beschlossen, daß die Sennora mit ihr und Alonzo nach Otoño reisen sollte, um das Kind hinzugeleiten und dort Vereinbarungen für die Zukunft zu treffen.

    Am anderen Tage machten sie sich auf den Weg.

    Mariquita küßte und streichelte die braunen Wangen des tiefbewegten Llanero: "Sei nur ruhig, Papa, wenn ich auch eine Sennorita werde, ich habe dich immer lieb - dich und Mama, sei nur ruhig - du sollst bald wieder bei mir sein."

    Huatl folgte als Peon den Reisenden.

    In Cabuyaro fanden sie eine aufgeregte Bevölkerung vor, die durch viele anwesende Landleute aus der Steppe vermehrt war.

    Der Präsident des Landes, Don Manuel Obando, war gestorben, und es waren Wahlausschreiben erlassen worden, die große Junta des Landes zusammenzurufen, um einen Nachfolger für Don Manuel zu ernennen.

    Alonzo traf in der Posada, in der er durch Maxtlas Verwendung Unterkunft fand, viele aufgeregte Landleute. Obgleich er seinen Namen nicht nannte und sich nur mit fast mütterlicher Zärtlichkeit der Schwester widmete, so drangen doch die behandelten Tagesfragen zu seinem Ohr.

    Er hörte de Vallas Namen mit wilden Verwünschungen nennen, erkannte aber daneben auch, daß man selbst hier in der abgelegenen Stadt für seine Wahl als Präsident agitierte. Am meisten aber klang der Name des Generals Mosquera als der eines für den Präsidentenstuhl geeigneten Mannes an sein Ohr, ein Name, den er auch von beiden Sennores Vivanda mit großer Achtung hatte erwähnen hören.

    Doch seine Seele war von dem Glücke, eine Schwester zu besitzen, so voll, daß die politischen Fragen für ihn bedeutungslos waren.

    Am anderen Tage setzten sie die Reise nach Otoño, wo freudig erregte Menschen ihrer harrten, fort.