158065.fb2 Der Hai von Frisco - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 11

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»Ja, das wäre möglich«, meinte Irene leise.

»Fragen wir sie doch einfach!« schlug Hansen vor. »Das Essen ist eh noch nicht fertig.« »Geht nur«, nickte Irene. »Ich bleibe bei Jamie.« »Einverstanden«, sagte Jacob zu dem Kapitän. Der junge Auswanderer war begierig, mehr über Vivian Marquands Schicksal zu erfahren.

*

Don Emiliano Maria Hidalgo de Tardonza war der erste, der die eintönige Geräuschkulisse der gegen den Schiffsrumpf schlagenden Wellen übertönte: »Das alles ist ganz allein Ihre Schuld, Senor Schelp! Sie haben diesen Capitän Hansen angeschleppt, der uns hier eingewickelt hat wie gefangene Fische. Dafür wird meine Regierung Sie zur Verantwortung ziehen!«

Trotz der trüben Lage zauberte Arnold Schelp zur allgemeinen Verwunderung der anderen Gefangenen ein breites Grinsen auf sein Gesicht.

»Erstens existiert Ihre Regierung nur auf dem Papier, Don Emiliano. In Mexiko gibt es im Augenblick wohl nur zwei Parteien, die etwas zu sagen haben: die Franzosen und die Anhänger von Benito Juarez.« Er achtete nicht auf den protestierenden Gesichtsausdruck des Mexikaners und fuhr fort: »Zweitens dürfte es, wie es jetzt aussieht, eher die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika sein, die mich zur Verantwortung zieht. Und nicht nur mich, sondern uns alle, Sie eingeschlossen, Hidalgo.«

Mit voller Absicht verzichtete Schelp auf das förmliche >Don Emilianoc. Er wollte dem hochnäsigen Mexikaner bewußt machen, daß sie alle in einem Boot saßen - oder in einem Schiff lagen, was in diesem Fall aufs selbe herauskam.

»Mich bestimmt nicht«, zischte der Mexikaner. »Als Sonderbeauftragter der mexikanischen Exilregierung genieße ich diplomatische Immunität!«

Wieder grinste Schelp.

»Ich glaube nicht, daß sich die Yankees davon beeindrucken lassen, Senor. Schließlich steht Mr. Lincoln eher auf der Seite von Juarez. Und Lincoln ist nicht erbaut über die europäische Einmischung, die Ihre sogenannte Exilregierung nach Mexiko gebracht hat. Außerdem fackeln die Nordstaatler nicht lange mit Spionen, Saboteuren und Blockadebrechern. Ich könnte mir gut vorstellen, daß Ihre diplomatische Immunität vor einem Erschießungskommando endet!«

»Das alles ist nur Ihre Schuld!« keifte Don Emiliano, trotzig wie ein kleines Kind. Aber er konnte damit nicht übertünchen, daß die Worte des Deutschen ihm Angst gemacht hatten.

Schelp, der ihn genau beobachtete, fühlte sich bei dieser Erkenntnis befriedigt.

Der Deutsche kam aus einfachen Verhältnissen und hatte sich immer weiter nach oben durchgekämpft. Er haßte alle hochwohlgeborenen Herren und Damen, die auf Männer wie ihn voller Abscheu herabblickten, falls sie ihn denn überhaupt zur Kenntnis zu nehmen pflegten. Jedesmal, wenn er einem adligen Fatzken eins auswischen konnte, war es ihm eine besondere Genugtuung, selbst in dieser bescheidenen Lage.

Die Frau in Schwarz - Vivian Marquand, die sich zur Tarnung Vivian Smith genannt hatte - hatte sich wieder in der Gewalt. Als sie jetzt sprach, klang ihre Stimme fast so kühl und gefühllos wie stets. Fast - denn ein Vorwurf war unüberhörbar:

»Wenn wir uns gegenseitig zerfleischen, bringt uns das nicht weiter! Wir sollten lieber gemeinsam nach einem Ausweg suchen. Und zwar schnell, bevor wir San Francisco erreichen!«

»Ganz Ihrer Meinung, Lady«, erwiderte Schelp. Er ignorierte den Vorwurf und sprach ganz so, als handle es sich bei der Suche nach einem Ausweg um eine bloße Formsache.

»Sie scheinen ja sehr zuversichtlich zu sein, daß uns rechtzeitig etwas einfällt«, bemerkte die Frau.

»Das brauche ich gar nicht, Madam, denn mir ist schon etwas eingefallen.«

»Was?«

»Wir sollten uns befreien und das Schiff mit einem der Rettungsboote verlassen. Später in der Nacht, wenn sich die Aufregung gelegt hat und die meisten Menschen an Bord schlafen.«

»Und die Ladung?« fragte Vivian Marquand.

»Es ist natürlich bedauerlich, daß wir die kostbare Fracht auf der ALBANY zurücklassen müssen. Aber wie der Überfall durch Käpten Hansen gezeigt hat, kann ich mich nicht auf die Männer verlassen, die sich mein gutes Geld in die Taschen gestopft haben. Deshalb schlage ich vor, daß wir versuchen, uns die Fracht in Frisco zurückzuholen. Der Goldrausch zieht allerlei Gesindel an, und die meisten finden nicht einmal ein Körnchen Gold. In Frisco dürften sich eine Menge Männer herumtreiben, die für Geld zu allem bereit sind.«

»Das klingt ja alles sehr vernünftig«, sagte Don Emiliano säuerlich. »Nur fürchte ich, daß Ihr hochtrabender Plan schon in seiner Anfangsphase an einem kleinen, aber nicht unwichtigen Detail scheitern wird, Senor Schelp!«

»So?« Der Deutsche zog die rötlichen Brauen hoch. »Wollen Sie so gütig sein, mir dieses Detail zu verraten, Don Emiliano?«

»Aber gern. Ich meine die Befreiung. Die Heilige Jungfrau Maria mag wissen, wie wir uns befreien sollen, so zusammengeschnürt, wie wir sind! Dieser Fuchs von Capitän hat uns nicht die kleinste Klinge gelassen.«

»Doch, er hat!«

Schelp sonnte sich zwanzig, dreißig Sekunden in der Wirkung seiner Worte. Dann zeigte er den anderen, was er meinte.

Zwar konnte er die Arme nicht bewegen, aber durch geschicktes Hin- und Herrollen hatte er es geschafft, seinen Stock zwischen die Finger der gefesselten Hände zu bekommen. Er drehte sich noch ein Stück, so daß die anderen ihn gut sehen konnten.

»Was soll das?« grunzte der Mexikaner unwillig. »Wollen Sie den Capitän verprügeln, damit er uns freiläßt?«

»Nicht nötig, für unsere Befreiung sorge ich schon selbst.«

Schelps Finger drehten an dem Silberknauf. Es gab ein leises Klacken. Aus dem unteren Stockende sprang eine etwa acht Zoll lange, scharfe Klinge.

Nur wenig Licht drang durch die Fensteraufbauten auf Deck hinunter in die Kajüte. Kapitän Hansen hatte alle Lampen einsammeln lassen, damit sich die Gefangenen nicht Feuer und Glas zunutze machen konnten. Aber als Schelp den Stock langsam drehte, reichte das Licht, um den scharfen Stahl aufblitzen zu lassen.

»Sehr gut«, lobte die Frau.

»Si, Sie haben mich überzeugt, Senor Schelp«, verkündete großmütig Don Emiliano. »Worauf warten Sie noch? Schneiden Sie uns endlich los!«

»Noch nicht. Wir müssen uns noch ein paar Stunden gedulden. Bis die Nacht älter ist und wir näher an Kalifornien sind.« Schelp warf einen langen Blick auf den Mexikaner und fügte hinzu: »Ich meine das amerikanische Kalifornien, Don Emiliano, nicht Ihr Baja California.«

»Still!« zischte Vivian Marquand.

Sie hörten die Schritte, die sich rasch der Kajüte näherten. Jemand sprach mit dem Wachtposten vor der Tür.

Schnell ließ Schelp durch eine Drehung am Knauf die Klinge in den Stock zurückgleiten und verbarg das wertvolle Stück unter seinem Körper.

Da wurde die Tür auch schon geöffnet.

*

Piet Hansen betrat den Raum.

Halb hinter ihm stand Jacob Adler, die Finger der rechten Hand um die dünnen, gebogenen Blechstäbe geklammert, aus denen der Doppelgriff einer Blendlaterne bestand. Der Griff war so gearbeitet, daß man die Laterne an einen Gürtel hängen konnte und beide Hände bei der Arbeit frei hatte. Der helle Lichtstrahl, der durch die mattglasige Vergrößerungslinse drang, wanderte über die vier am Boden liegenden Menschen und verharrte auf den Stricken, mit denen sie gefesselt waren.

»Scheint alles in Ordnung zu sein«, stellte der junge Deutsche fest.

Er konnte nicht ahnen, wie sehr er sich täuschte. Schelp lag so auf seinem Stock, daß von der zur Waffe umfunktionierten Gehhilfe auch nicht die kleinste Spitze zu sehen war. Der rothaarige Geschäftemacher hatte ein unbeteiligtes, abweisendes Gesicht aufgesetzt und ließ sich seine Erleichterung nicht anmerken, daß der Kapitän der ALBANY sich nicht für ihn interessierte.

Hansen beugte sich über die Frau, öffnete ein abgegriffenes Klappmesser und zerschnitt ihre Fußfesseln. Er zögerte, ob er sie auch von den Armfesseln befreien sollte, entschied sich dann dagegen und klappte die Klinge zurück in den hölzernen Messergriff.

»Mrs. Marquand, stehen Sie bitte auf«, sagte er fast übertrieben höflich. »Ich helfe Ihnen dabei.«

»Ist das Ihr richtiger Name?« entfuhr es Abel McCord. Seit der Gefangennahme hatte der Südstaaten-Captain geschwiegen. Scham über die Art seiner Überwältigung, Verwirrung über die plötzlich veränderte Lage, Selbstvorwürfe wegen seiner Leichtsinnigkeit und Abscheu vor den erlebten Intimitäten mit der Frau in Schwarz hatten seine Gedanken beschäftigt und seine Lippen versiegelt.

Er erhielt keine Antwort.

Die Frau schwieg, ließ sich von Hansen aufhelfen und verließ mit ihm und Adler die Kajüte.

Erst als sich die Tür geschlossen hatte, drehte sich der Mexikaner zu dem Südstaatler um und fragte vorwurfsvoll: »Capitän, Sie wissen nicht, wer Ihre Begleiterin ist?« »Nein.«