158065.fb2 Der Hai von Frisco - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 12

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»So ein Leichtsinn. Das hätte es in der mexikanischen Armee nicht gegeben!«

»Welche mexikanische Armee meinen Sie, Don Emiliano?« fragte McCord scharf. »Die, die für Benito Juarez kämpft? Oder die, die dem französischen Marschall Bazaine gehorcht?«

Der Sonderbeauftragte der mexikanischen Exilregierung sah den Captain der Konföderierten konsterniert an. Arnold Schelp konnte einen lauten Lachanfall nur mit Mühe unterdrücken und in ein ersticktes Husten verwandeln.

*

Piet Hansen und Jacob Adler führten die Frau in Schwarz nach achtern in einen engen Raum, ganz am Ende der ALBANY. Er bot gerade genug Platz für die drei Menschen. Neben allerlei Hausrat und einem kleinen Ofen gab es einen winzigen Tisch und einen Hocker, der auf drei wackligen Beinen stand.

»Setzen Sie sich, Ma'am«, sagte der Kapitän und zeigte auf den grob geschnitzten Hocker. Zögernd gehorchte die Frau und fragte: »Wo sind wir?« »Im Bereitschaftsraum für den Stewart«, erklärte Hansen. »Aber auf dieser Fahrt hat die ALBANY keinen Stewart an Bord. Wir sind hier also ungestört.« »Warum wollen Sie, daß wir ungestört sind?« »Damit Sie uns ein paar Fragen beantworten, Ma'am.« Hansen zeigte auf Jacob, der die Blendlaterne auf ein niedriges Bord zwischen verstaubte Tassen und Teller gestellt hatte.

»Mein junger Freund hat mir erzählt, was sich auf dem Ohio ereignet hat. Er hielt Sie für tot und war ziemlich überrascht, Sie wiederzutreffen. Und jetzt fragt er sich, weshalb Ihnen so viel daran liegt, sein Leben drastisch verkürzen zu wollen.«

»Das haben Sie doch schon gesehen!« fauchte Vivian Marquand und ließ alle vorgetäuschte Gefühllosigkeit fahren. »Sie beide. Oder möchten Sie noch einmal in mein schönes Gesicht blicken?«

Jacob hörte deutlich den Vorwurf in ihren Worten. Und wieder fragte er sich, ob die schreckliche Entstellung der alleinige Grund für ihren Haß war.

Ein anderer Gedanke tauchte auf: Konnte es sein, daß die Frau beim Untergang der ONTARIO den Verstand verloren hatte?

Laut fragte er: »Mrs. Marquand, werfen Sie mir etwa vor, was Ihnen zugestoßen ist?«

»Jaaa!« schrie die Frau. »Sie haben die Schuld daran, Adler. Sie, dieser Martin Bauer und Ihre blonde Freundin!«

»Das verstehe ich nicht«, erwiderte der junge Deutsche und deutete auf den Schleier. »Wie ist das geschehen?«

»Ich war bereits im Ohio, als das Feuer über mich kam. Plötzlich war es überall. Selbst das Wasser schien zu brennen!«

»Vielleicht ausgelaufenes Petroleum«, vermutete Jacob.

»Hm«, brummte Hansen, »könnte sein.«

»Ich konnte mich nur retten, indem ich untertauchte«, fuhr Mrs. Marquand fort. »Aber da war es schon zu spät. Alles war verbrannt, meine Kleidung und mein ganzer Körper. Nur meine Haare nicht!« Sie schüttelte den Kopf und ließ die prächtigen roten Locken wie eine Fahne wehen. »Ist das nicht komisch?«

»Komisch ist wohl kaum der richtige Ausdruck«, meinte Jacob und fragte: »Wie ging es weiter mit Ihnen?«

»Ein paar Hinterwäldler fischten mich aus dem Fluß. Sie lebten in einer kleinen Siedlung zusammen mit irgendwelchen Indianern. Ich weiß nicht mal, von was für einem Stamm die waren. Aber sie schafften es durch ihre Kräuter, mit denen sie meinen Körper immer und immer wieder einhüllten, die Wunden zu verschließen und mich am Sterben zu hindern. Lange Zeit wünschte ich mir nichts so sehr wie zu sterben. Ich war wie von Sinnen. Aber langsam kehrte mein Verstand zurück, und ich dachte an Alec.«

Sie schluckte schwer und fuhr dann fort: »Eines Nachts stahl ich mich davon. Es trieb mich zu Alec, obwohl ich wußte, daß ich ihm niemals wieder unter die Augen treten konnte. Nicht so, wie ich aussah.«

Ihre hastig hervorgestoßenen Worte gingen in ein Schluchzen über.

»Er sollte mich doch als die Frau in Erinnerung behalten, die er geliebt und geheiratet hatte.«

Jacob glaubte zu verstehen, was sie meinte. Er dachte an die Vivian Marquand, die er in Pittsburgh kennengelernt hatte. Eine schöne, stolze, von den Männern bewunderte Frau Anfang der Dreißig, mit einem schmalen, makellosen Gesicht, für das die flammendroten Locken den richtigen Rahmen abgaben.

Damals!

Jetzt war es anders geworden. Die Schönheit hatte sich in ein Schreckgespenst verwandelt, jedenfalls in den Augen der oft gedankenlosen Mitmenschen.

Schon eine Frau, die vorher häßlich wie die Nacht gewesen war, hätte unter Vivian Marquands Entstellungen Höllenqualen gelitten. Wieviel schlimmer mußte es erst dieser einstmals wunderschönen Frau gehen?

Eigentlich wäre sie zu bemitleiden gewesen, wäre mit ihrem Körper - wie es schien - nicht auch ihre Seele verbrannt.

Jacob hob in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme. »Aber warum geben Sie mir und meinen Freunden die Schuld an Ihrem Schicksal?«

»Ohne Sie wäre alles anders gekommen. Dann wäre die ONTARIO vielleicht nicht gesunken. Und ich. ich wäre noch die Frau von früher!«

»Sie selbst haben uns an Bord der ONTARIO geholt«, erinnerte Jacob die Frau.

Sie schwieg lange und sagte dann: »Vielleicht haben Sie damit recht, Adler. Vielleicht bin ich ungerecht, was die Sache auf dem Ohio betrifft. Aber Sie können nicht leugnen, daß Sie die Schuld an dem trifft, was Alec zugestoßen ist! Captain Quantrill hat dem Hauptquartier alles berichtet.«

Jacob schüttelte den Kopf und begann laut zu lachen.

»Was finden Sie daran so lustig, Adler?« erkundigte sich Mrs. Marquand im scharfen Ton.

»Nicht lustig, sondern tragikomisch«, berichtigte der junge Zimmermann. »Ihr Mann hielt Sie nach dem Untergang der ONTARIO für tot, wie wir alle. Deshalb wollte er sich an mir rächen, wie er mir auf der McMillan-Farm sagte. Dabei konnte ich ihn überwältigen. Und dafür wollen Sie sich jetzt an mir rächen, Mrs. Marquand! Finden Sie das nicht verrückt?«

»Verrückt?«

Die Frau zuckte mit den Schultern.

»Würde mir mal jemand auf die Sprünge helfen?« bat Piet Hansen. »Was hast du mit diesem Mr. Alec Marquand zu tun, Jacob?«

»Nicht viel. Ich habe nur einen bescheidenen Beitrag dazu geleistet, ihn und seine Kumpane daran zu hindern, Lincoln zu ermorden. Dabei geriet Marquand in Gefangenschaft.«

»Lincoln?« betonte Hansen jede Silbe. »Sprichst du von Präsident Abraham Lincoln, Junge?«

»Ich kenne keinen anderen.«

»Beim muschelgeschmückten Barte Neptuns, du mußt seit New York wirklich allerhand erlebt haben«, staunte der Kapitän. »Sag bloß, du hast Lincoln selbst gesehen?«

Der Auswanderer nickte. »Ich habe ihn gesehen und mit ihm gesprochen. Er hat Martin, Irene und mir sogar als Beweis seiner Dankbarkeit die Fahrt den Mississippi hinauf bezahlt.«

Jacob wandte sich wieder der Frau zu.

»Wollen Sie nicht versuchen, Ihren Haß zu begraben, Mrs.

Marquand? Vielleicht gibt es doch eine gemeinsame Zukunft für Sie und Ihren Mann, wenn dieser verdammte Krieg erst vorbei ist. Wenn Ihr Mann Sie wirklich liebt.«

»Für uns gibt es keine gemeinsame Zukunft!« unterbrach sie den Deutschen barsch.

»Woher wollen Sie das so genau wissen?«

»Vor anderthalb Monaten erhielt ich die Nachricht, daß Alec wegen Spionage, Verschwörung und des versuchten Mordanschlags auf Lincoln zum Tode verurteilt und in Philadelphia erschossen worden ist.«

»Das wußte ich nicht«, sagte Jacob leise.

Die verschleierte Frau stand auf.