158065.fb2 Der Hai von Frisco - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 14

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»Wie können Sie so etwas sagen?« erwiderte die junge Frau entrüstet.

»Es ist die Wahrheit«, beharrte der Kapitän. »Wäre ich nicht so hitzköpfig gewesen, hätte ich mir die HENRIETTA genauer angesehen, bevor ich in See stach. Äußerlich schienen die Pumpen ja in Ordnung zu sein, aber ich hätte sie auf Herz und Nieren prüfen müssen, bevor ich ihnen das Leben der Auswanderer und meiner Besatzung anvertraute. Es mußte nur alles so verflucht schnell gehen!«

Er leerte sein Weinglas in einem langen Zug und stellte es mit hartem Klirren zurück auf den Tisch.

»Doch es war ganz klar mein Fehler. Und deshalb hatte das Seefahrtsgericht recht, als es mir das Recht absprach, jemals wieder ein eigenes Schiff zu führen. Aber wie ihr seht, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen. In Deutschland wäre es mir wohl nicht gelungen. Aber da die ALBANY unter amerikanischer Flagge segelt, gelang es. Mein falscher Name machte es möglich. Dabei nahm ich ihn kurz nach dem Prozeß nicht deswegen an, sondern nur, weil ich mich zu sehr schämte. Inzwischen habe ich mich so an ihn gewöhnt, daß ich nur noch selten an den Namen denke, unter dem ich geboren wurde.«

»Trotzdem wundert es mich, daß Sie unter falschem Namen anheuern konnten«, merkte Jacob an.

»Ich suchte mir keine deutschen Schiffe aus, sondern ausländische. Und ich versah meinen Dienst anfangs in viel niedrigeren Stellungen, als es meiner Ausbildung entsprach. Für wenig Geld. Da fragte niemand nach ordentlichen Papieren. Mir war's gleichgültig. Ich wollte nur weg von Deutschland, hinaus aufs Meer.«

Hansen schwieg. Seine Augen blickten durch die beiden ergriffenen Zuhörer hindurch, Raum und Zeit überwindend, in seine eigene Vergangenheit.

Jacob und Irene verstanden, daß er Vergangenes noch einmal durchlebte. Sie wußten nicht, ob es gut oder schlecht war, ihn zu stören. Also schwiegen auch sie.

Bis Hansen zur Weinflasche griff und gedankenverloren sein Glas füllte.

»Das ist eine bittere Geschichte, Piet«, sagte Jacob einfühlsam. »Aber sie erklärt uns nicht, weshalb sie sich mit Schelp eingelassen haben.«

»Schelp!« stieß der Kapitän der ALBANY grimmig hervor. »Seinetwegen habe ich das wieder getan, was ich nie mehr tun wollte. Wieder habe ich mein Schiff und die Menschen an Bord ohne Notwendigkeit in Todesgefahr gebracht! Die Kriegsschiffe hätten uns um ein Haar versenkt.«

Er trank einen Schluck und fuhr fort: »Schelps älterer Bruder Robert war Maat auf der HENRIETTA. Er war ein guter Kerl, nicht so ein Schwein wie Arnold Schelp. Es ging ihm wie den meisten guten Kerlen: Er ist beim Untergang der HENRIETTA gestorben. Arnold Schelp tauchte bei den Prozessen gegen mich auf und sorgte dafür, daß in der Presse einige höchst unfeine Berichte über mich erschienen. Ich schätze, daß ich nicht ins Zuchthaus gekommen bin, hat ihn schwer getroffen.«

»Und jetzt sind Sie beide Geschäftspartner?« fragte Irene ungläubig.

»Schelp hat Karriere gemacht, für einen Mann seiner Herkunft eine sogar außerordentliche Karriere. Da wiegen finanzielle Interessen schwerer als persönliche Animositäten. Er betreibt eine Frachtvermittlungsagentur in Hamburg. Wie ich erfahren habe, vermittelt er hauptsächlich Geschäfte am Rande oder jenseits der Legalität. Der Bürgerkrieg hier in Amerika hat ihm ein neues Betätigungsfeld eröffnet.«

»Waffenhandel«, sagte Jacob bitter.

»Ja, Waffenhandel. Wir trafen uns zufällig in Hamburg. Schelp war händeringend auf der Suche nach einem Schiff, das die Kanonen nach Texas bringen sollte. So kamen wir ins Geschäft.«

»Sie hätten ablehnen können!« meinte Irene.

»Ich hätte ablehnen sollen! Damals aber glaubte ich, es mir nicht leisten zu können, aus zwei Gründen. Grund eins war, daß Schelp drohte, meine Vergangenheit ans Licht zu bringen. Versteht ihr, was das bedeutet? Ich war als Schiffskapitän in Hamburg, obwohl ich doch niemals mehr ein Schiff führen durfte. Wäre das herausgekommen, wäre ich ohne Umschweife hinter Gitter gewandert!«

»Das ist kein schöner Grund, aber ein guter«, sah Jacob ein. »Und Grund zwei?«

»Grund zwei war das Geld, das es bei dieser Geschichte für mich zu verdienen gibt. Es lohnt sich, die Blockade der Nordstaaten zu brechen. Ich habe von amerikanischen Kapitänen gehört, die sonst hundertfünfzig Dollar im Monat verdienen, daß sie es mit der Frachtfahrt für die Konföderierten auf fünftausend bringen. Manche Reeder schaffen sich extra fürs Blockadebrechen neue Schiffe an. Schon nach drei Fahrten sind die Anschaffungskosten eingebracht, und der üppige Gewinn beginnt zu fließen.«

Jacob warf dem Seemann einen traurigen, enttäuschten Blick zu. »Ich habe Sie nicht für einen Mann gehalten, dessen Götze das Geld ist, Piet.«

»Ich mich auch nicht«, lächelte Hansen dünn und unecht.

»Aber Josiah Haskin will die ALBANY verkaufen. Er macht es wohl nicht mehr lange und will seiner Tochter lieber Bargeld hinterlassen als ein so unsicheres Erbe, wie es dieser alte Segler ist. Der kann schließlich jederzeit in einen Orkan geraten und mit Mann und Maus untergehen, wie damals die HENRIETTA. Ich habe mich an das Kapitänsleben gewöhnt, die ALBANY ist meine Heimat geworden. Wer weiß, ob sich ein neuer Schiffseigner mit einem Mann wie mir zufriedengibt. Deshalb brauchte ich dringend Geld, um die ALBANY selbst zu kaufen. Was ich für diese Fahrt bekommen hätte, wäre fast die Hälfte gewesen. Zusammen mit meinen Rücklagen hätte es Haskin als Anzahlung genügt. Den Rest hätte ich von den zukünftigen Gewinnen abbezahlt.«

Er hob langsam die breiten Schultern und ließ sie mutlos wieder sinken.

»Vorbei.«

Piet Hansen schien das Unglück gepachtet zu haben.

Jacob und Irene blickten den Seemann betroffen an. Sie hätten ihm gern Mut zugesprochen. Aber ihnen fiel nichts ein, was nicht hohl und unglaubhaft geklungen hätte.

Bedrückendes Schweigen breitete sich in der Kapitänskajüte aus.

*

Ungefähr drei Stunden später.

Als auch der letzte Strick, von Arnold Schelps scharfer Stockklinge zerschnitten, auf den Kajütenboden fiel, rieben alle vier Gefangenen ihre schmerzenden Glieder.

Sie hatten mit ihrer Befreiung gewartet, bis der Wachtposten abgelöst worden war. Jetzt hatten sie genügend Zeit und mußten nicht befürchten, daß ihre Flucht von einer Wachablösung gestört oder frühzeitig entdeckt wurde.

Als Don Emiliano, gepeinigt von den engen Fesseln, die in sein Fleisch schnitten, vor Schmerzen zu stöhnen begann, zischte der Deutsche: »Seien Sie doch still, Senor! Denken Sie an die Wache vor der Tür!«

Der Mexikaner biß auf seine Unterlippe und sah den Deutschen weniger schuldbewußt als zornig an.

»Ja, die Wache«, flüsterte Vivian Marquand. »Was machen wir mit ihr?«

»Folgendes«, antwortete Schelp und gab leise seine Anweisungen.

Stillschweigend hatte er sich zum Führer der Gruppe aufgeschwungen.

Er, Don Emiliano und Captain McCord nahmen Aufstellung hinter der schmalen Tür, die zum Gang führte.

Die Frau in Schwarz legte sich wieder auf den Boden und begann laut zu wimmern. Es klang wirklich herzzerreißend. In das Wimmern mischte sich Stöhnen.

Schließlich keuchte sie: »Hilfe! Bitte, ich brauche Hilfe!«

Wie erwartet, meldete sich die Stimme des Wachtpostens durch die geschlossene Tür: »Was ist denn da drinnen los?«

»Helfen Sir mir, bitte!« flehte die Stimme hinter dem schwarzen Schleier. »Ich bin krank!«

»Wohl seekrank, wie?« fragte der Wächter.

»Nein, das nicht.« Sie stöhnte laut und heftig. »Ich brauche schnell Hilfe. So kommen Sie doch! Bitte!«

Der Seemann auf dem Gang murmelte etwas, das die Menschen in der Kajüte nicht verstanden. Es war auch nicht wichtig. Wichtig war das kratzende Geräusch des Schlüssels, den der Wächter in dem großen Türschloß herumdrehte.

Die drei hinter der Tür verborgenen Männer hielten den Atem an, als sich die Tür mit leisem Quietschen bewegte. Der Wächter wollte besonders vorsichtig sein und streckte die Rechte mit dem Webley-Revolver vor.

Schelp nickte McCord zu.

Der große, wuchtige Offizier der Konföderierten packte den Arm des Wächters und riß ihn mit solcher Kraft herum, daß der Seemann in die Kajüte gezogen wurde. Gleichzeitig fiel die Waffe zu Boden.

Ein zweites Nicken Schelps galt dem Mexikaner.

Don Emiliano trat mit einer raschen, fast elegant wirkenden Bewegung hinter den Wächter und hielt ihn fest.