158065.fb2 Der Hai von Frisco - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 9

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In seiner Euphorie bemerkte er die Männer zu spät, die in die Kabine eindrangen.

In alle Kabinen!

Gewaltsam aufgebrochene Türen.

Schnelle, harte Schritte.

Das aufblitzende Licht von Blendlaternen.

Revolverläufe, die sich auf die Menschen in den Kabinen richteten.

Arnold Schelp und Don Emiliano wurden in den Kojen überrascht. Piet Hansens bewaffnete Schar ließ ihnen keine Chance zur Gegenwehr.

Der Kapitän selbst drang mit ein paar Begleitern in die Kabine ein, in der sich McCord und die Frau der Lust hingaben.

Der Südstaatler registrierte den Lärm erst, als ihn bereits grelles Licht traf.

Es blendete seine an die Dunkelheit gewöhnten Augen so stark, als würden sie von tausend spitzen kleinen Nadeln traktiert. Für Sekunden sah der Captain überhaupt nichts außer der unwahrscheinlichen Helligkeit, die ihn schmerzhaft umfing.

Kräftige Arme rissen ihn zurück und hielten ihn mit festem Griff gepackt.

Selbst wenn er seine Gegner, die sich ihm nur als phantomhafte Schatten jenseits der gleißenden Mauer aus Helligkeit darstellten, hätte sehen können, wäre er kaum zur Gegenwehr fähig gewesen.

Dies hier war die Kabine der schwarzen Frau. Sein Waffengurt mit dem schwarzen Armeeholster, in dem der langläufige Leach & Rigdon steckte, hing an der Koje in seiner Kabine.

Hose und Unterhose, die um seine Unterschenkel baumelten, behinderten ihn zusätzlich. Er schämte sich fast zu Tode, dem unbekannten Feind auf diese wenig ruhmreiche Art in die Hände gefallen zu sein.

Er hörte ein wildes, abartiges Kreischen. Laut und schrill. Wie von einem gefangenen Tier in Todespanik.

Als der Schmerz in seinen sich an die Helligkeit gewöhnenden Augen nachließ, erkannte er, daß kein Tier schrie, sondern die Frau, die eben noch vor Lust gestöhnt hatte. Sie schlug und trat um sich wie ein gefangenes Wildpferd, das zum erstenmal einen Reiter auf seinem Rücken spürte. Mehrere kräftige Männer hatten damit zu tun, sie einigermaßen im Zaum zu halten.

Was Abel McCord dann sah, ließ seinen Atem für Sekunden stocken. Die nackten Beine der Frau. Der Anblick war so grauenhaft, daß ihn ein Würgen überfiel.

Hansens Männer hatten die Frau endlich im festen Griff. Ihr Auskeilen wurde zu einem Zucken und Winden in den rauhen Händen, wie sich im Zirkus eine Schlange in der Gewalt ihres Bändigers wand.

»Schluß mit den Fisimatenten!« knurrte der alte Seebär, in dessen rechter Faust der Stahl des Kerr-Revolvers bedrohlich im Schein der Blendlaternen blitzte.

Er trat auf die überwältigte Frau zu und streckte die Linke nach dem Schleier vor ihrem Gesicht aus.

»Jetzt will ich endlich wissen, wer mein geheimnisvoller Passagier ist!«

Diese Ankündigung erweckte neue, ungeahnte Kräfte in der Gefangenen. Für die Seeleute kam es überraschend. Die Frau bäumte sich mit solcher Heftigkeit auf, daß sie ihren rechten Arm frei bekam.

Nur für Sekundenbruchteile verschwand die Hand in den Falten des schwarzen Kleides. Dann zeigte der vierläufige Sharps Derringer auf den Kapitän. Der Daumen im schwarzen Leder zog den Hahn zurück.

Einer der Seeleute war schneller. Mit einem brutalen Griff entwand er der Frau die kleine Schußwaffe und hielt ihren Arm fest.

»Danke, Großer«, brummte Hansen und trat dicht vor die Frau. »Mal sehen, wie diese gefährliche Seehexe aussieht!«

»Nein, bitte nicht!« flehte die Frau. »Bitte!« .

Die Kälte war ebenso aus ihrer Stimme verschwunden wie die Wildheit, mit der sie beim Kampf gegen die Seeleute geschrien hatte. Jetzt wimmerte sie mitleiderregend. Es hörte sich fast an wie ein kleines Kind, das darum bat, nicht von der Mutter getrennt zu werden.

»Nicht, Käpten, bitte nicht!« beschwor sie Hansen noch einmal, als seine Hand schon den schwarzen Schleier berührte.

Aber sie stieß bei Piet Hansen auf taube Ohren. Er hatte die Nase gestrichen voll, von der Heimlichtuerei und von den Leuten, die zu Arnold Schelp gehörten.

Außerdem gab das vorherige Verhalten der Frau nicht dazu Anlaß, jetzt Mitleid mit ihr zu empfinden.

Aus welchem Grund auch?

Was hatte sie dagegen, daß man ihr Gesicht sah?

Der alte Seebär dachte daran, wie sie mit voller Absicht auf Jacob Adler geschossen hatte, der jetzt im Zwischendeck lag und zwischen Leben und Tod schwebte. Mit einem festen Ruck zog er den schwarzen Hut und den daran befestigten Schleier weg.

Der Anblick ließ ihn ebenso erstarren wie alle anderen Männer in der Kabine. Entsetzte Rufe drangen aus einigen Mündern. Ein Mann bekreuzigte sich.

Auch Abel McCord stierte mit hervortretenden Augen das an, was man nur schwerlich ein Gesicht nennen konnte. Bei dem Gedanken an seine intimen Erlebnisse mit dieser Frau stülpte sich sein Magen um. Er konnte sich nicht einmal mehr nach vorn beugen, so schnell mußte er sich übergeben.

»Grundgütiger!« seufzte Piet Hansen und beeilte sich, Hut und Schleier wieder an den angestammten Platz zu bringen. Dann streifte er die Röcke über die nicht minder entstellten Beine, deren Zustand er bisher gar nicht bemerkt hatte.

Er starrte die Frau an und fragte: »Wie. wie ist das bloß passiert?«

Als er keine Antwort erhielt, fragte er: »Wer sind Sie überhaupt?«

Endlich sagte die Frau etwas, das an das Zischen einer Schlange erinnerte: »Dafür werde ich Sie töten, Kapitän!«

Hansen wandte sich von ihr ab.

Er befahl, die vier Gefangenen an Armen und Beinen zu fesseln und in der vordersten und größten Kabine, Schelps Unterkunft, zusammenzulegen. Vor der Tür wurde ein bewaffneter Wachtposten aufgestellt.

Alle Kabinen und die Gefangenen wurden sorgfältig nach Waffen durchsucht. Schußwaffen und Messer wurden eingesammelt und mitgenommen.

Aber niemand achtete auf den kleinen, für seinen Besitzer in der jetzigen Situation scheinbar unnützen Angeberstock, der neben dem gefesselten Schelp auf dem Kabinenboden lag.

*

»Alles in Butter«, rieb Piet Hansen zufrieden seine ledernen Seemannshände, als er ins Zwischendeck hinabstieg und sich Irene und Jacob näherte. »Die ALBANY hat ihren Kurs zum zweitenmal in dieser höllischen Nacht geändert, jetzt endgültig. Es geht nach Norden, nach Frisco. Und die vier Obergauner liegen hübsch zusammengeschnürt in der Kabine. Ist für sie zwar nicht gerade die bequemste Art zu reisen, aber ein bißchen zu leiden, wird ihren schwarzen Seelen nicht schaden.«

Die Miene des Kapitäns wurde ernst, als er vor den deutschen Auswanderern stand.

Irene hockte vor Jacob, der mit geschlossenen Augen auf dem Rücken lag, und tupfte seine Stirn mit einem feuchten Tuch ab.

»Wie geht es ihm?« fragte Hansen.

»Wie es einem so geht, über dessen Kopf eine ganze Büffelherde getrampelt ist«, stöhnte Jacob und schlug die grünbraunen Augen auf. »Jedenfalls fühle ich mich, als sei ich in eine Stampede geraten.«

Vorsichtig tastete seine Hand zum Kopf. Als die Finger den verbundenen Schädel berührten, zuckte der junge Deutsche vor Schmerzen zusammen.