158067.fb2 Der S?dstern oder Das Land der Diamanten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 20

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19. KAPITEL Die Wundergrotte

Es war wirklich Templar, den Cyprien am folgenden Morgen vor sich sah, als er aufwachte. Das Wiedersehen gestaltete sich fast zärtlich. Man hätte wohl sagen können, daß das Pferd ein ebenso großes Vergnügen empfand wie der Reiter, als er den treuen Reisebegleiter wiederfand.

Cyprien fühlte sich nach dem Frühstück kräftig genug, um sich in den Sattel zu schwingen und sofort aufzubrechen. Pharamond Barthes packte dabei all seine Habselig-keiten auf Templars Rücken, faßte das Tier am Zügel, und man machte sich nun auf den Weg nach der Hauptstadt Tonaias.

Unterwegs erzählte Cyprien seinem Freund die merkwürdigsten Vorkommnisse der Expedition seit dem Verlassen des Griqualands. Als er auf das letzte Verschwinden Matakits, von dem er eine Personalbeschreibung lieferte, zu sprechen kam, fing Pharamond Barthes laut zu lachen an.

»Ah, halt einmal, das ist ja noch etwas Neues, und ich glaube, imstande zu sein, dir einige Neuigkeiten über deinen Dieb, wenn auch nicht über deinen Diamanten, mitteilen zu können.«

»Was willst du damit sagen?« fragte Cyprien verwundert.

»Nun, daß meine Bassutos vor kaum 24 Stunden einen Gefangenen, einen jungen, im Land umherschweifenden Kaffern gefangen und an Händen und Füßen gefesselt meinem Freund Tonaia eingeliefert haben. Ich bin überzeugt, daß diesem recht übel mitgespielt werden könnte, denn Tonaia hat große Furcht vor Spionen, und der, einem mit dem seinigen verfeindeten Stamm angehörende junge Kaffer mußte von Anfang an der Spionage verdächtig erscheinen. Bisher hat man sein Leben noch geschont. Zum Glück für den armen Teufel ergab sich, daß er ein paar Zauberkunststückchen kannte und auf den Rang eines Propheten Anspruch machen konnte . . .«

»Jetzt zweifle ich keinen Augenblick mehr, daß das Mata-kit ist!« rief Cyprien.

»Nun, er kann sich Glück wünschen, so mit einem blauem Auge davongekommen zu sein«, antwortete der Jäger. »Tonaia hat für seine Feinde eine große Musterkarte von Strafen ersonnen, die wahrlich nichts zu wünschen übrig lassen. Doch ich wiederhole dir, du darfst wegen deines alten Dieners ganz ruhig sein. Ihn schützt seine Eigenschaft als Zauberer, und wir werden ihn noch heute abend heil und gesund antreffen.«

Wir brauchen wohl nicht hervorzuheben, daß diese Mitteilung Cyprien zur größten Befriedigung gereichte.

Jetzt war sein Ziel so gut wie erreicht, denn er zweifelte gar nicht, daß Matakit, wenn er sich noch im Besitz des Diamanten John Watkins' befand, ihn ohne Widerstand herausgeben würde.

So plauderten die beiden Freunde im Laufe des Tages weiter, während sie die Ebene durchmaßen, die Cyprien einige Tage früher auf dem Rücken der Giraffe durchzogen hatte.

Gegen Abend wurde die Hauptstadt Tonaias sichtbar, die halbkreisförmig auf einer Bodenerhöhung lag, die den Horizont im Norden abschloß. Es war eine wirkliche Stadt von 10 - bis 15.000 Einwohnern, mit guten Straßen und geräumigen, fast eleganten Hütten darin, und verriet einen gewissen, hier herrschenden Wohlstand. Der von hohen Pfahlwänden umschlossene und von schwarzen Kriegern bewachte Palast des Königs nahm selbst ein Viertel von der ganzen Oberfläche des Stadtgebiets ein.

Pharamond Barthes brauchte sich nur zu zeigen, da senkten sich schon alle Barrieren vor ihm, und er wurde sofort mit Cyprien durch eine Reihe geräumiger Höfe geführt bis zu dem Zeremoniensaal, in dem sich der »unbesiegliche Eroberer« inmitten zahlreicher Gesellschaft, in der es an Offizieren und Wachen nicht fehlte, gewöhnlich aufhielt.

Tonaia mochte etwa 40 Jahre zählen. Er war groß und stark. Bedeckt mit einer Art Diadem aus Eberzähnen, bestand seine Kleidung aus einem Überwurf aus rotem Stoff ohne Ärmel und aus einem reich mit Glasperlen gestickten Schurz von derselben Farbe. An Armen und Beinen trug er viele Spangen aus Kupfer. Sein Gesichtsausdruck war geistvoll und fein, aber auch herrisch und hart.

Pharamond Barthes, den er seit mehreren Tagen nicht gesehen hatte, wurde höchst feierlich empfangen, und, da er einmal mit ihm kam, auch Cyprien als der Freund seines getreuen Verbündeten.

»Die Freunde unserer Freunde sind auch die unseren!« sagte er, wie es jeder Spießbürger auch getan hätte.

Und als er hörte, daß sein neuer Gast leidend sei, beeilte sich Tonaia, ihm eines der besten Zimmer seines Palasts einzuräumen und ein vortreffliches Abendessen auftragen zu lassen.

Auf Pharamonds Rat hin wurde die Frage wegen Mata-kits nicht sofort berührt, sondern für den nächsten Tag aufgeschoben.

Am nächsten Morgen hatte Cyprien seine Gesundheit vollständig wiedererlangt und war imstande, vor dem König zu erscheinen. Im großen Saal des Palasts war jetzt der ganze Hof versammelt; Tonaia und seine beiden Gäste befanden sich in der Mitte des Kreises. Pharamond Barthes führte in der ihm schon ziemlich geläufigen Landessprache die Verhandlungen.

»Meine Bassutos«, sagte er zum König, »haben dir kürzlich einen jungen, von ihnen gefangenen Kaffern gebracht. Nun hat sich herausgestellt, daß dieser Kaffer der Diener meines Begleiters, des großen weisen Cyprien Mere ist, der von deinem Edelmut erwartet, daß du ihm denselben auslieferst. Aus diesem Grund nahe ich, sein Freund und der deinige, mich dir mit dieser Bitte.«

Bei den ersten Worten hatte Tonaia geglaubt, sich ein diplomatisches Ansehen geben zu müssen.

»Der große Weise ist mir willkommen!« antwortete er. »Doch was bietet er für den Austausch meines Gefangenen?«

»Eine vortreffliche Flinte, 10 mal 10 Patronen und ein Säckchen mit Glasperlen«, erklärte Pharmond Barthes.

Ein zustimmendes Murmeln lief durch den Kreis der Zuhörer, die dieses freigebige Angebot in Erstaunen setzte. Nur Tonaia allein hielt noch immer an sich und schien davon gar nicht besonders berührt.

»Tonaia ist ein großer Fürst«, fuhr er, sich auf seinem Königssessel aufrichtend, fort, »und die Götter beschützen ihn! Erst vor 1 Monat haben sie ihm Pharamond Barthes mit wackeren Kriegern und Gewehren gesendet, ihm zu helfen, seine Gegner zu überwinden. Deshalb soll, wenn

Pharamond Barthes darauf besteht, jener Diener seinem Herrn heil und gesund wiedergegeben werden.«

»Und wo befindet er sich jetzt?« fragte der Jäger.

»In der heiligen Grotte, wo er Tag und Nacht bewacht wird«, antwortete Tonaia mit der Feierlichkeit, die einem der mächtigsten Herrscher des ganzen Kaffernlands zukam.

Pharamond Barthes beeilte sich, Cyprien diese Antwort mitzuteilen, und erbat sich vom König die Begünstigung, mit seinem Freund nach der bezeichneten Grotte zur Aufsuchung des Gefangenen gehen zu dürfen.

Bei diesen Worten erhob sich aber ein mißbilligendes Gemurmel in der Versammlung. Das Verlangen dieser Europäer überstieg doch alles. Noch niemals war ein Fremder unter irgendeinem Vorwand in diese geheimnisvolle Grotte zugelassen worden. Eine Überlieferung drohte, daß an dem Tag, wo einst weiße Männer dieses Geheimnis kennenlernten, das Reich Tonaias zu Staub zerfallen werde.

Der König aber liebte es nicht, daß sein Hof sich zustimmend oder mißbilligend über seine Entscheidungen äußerte, und gerade jenes Murmeln brachte ihn infolge tyrannischer Launen dahin, zuzugestehen, was er ohne jene öffentliche Meinungsäußerung vielleicht doch abgeschlagen hätte.

»Tonaia hat mit seinem Verbündeten Pharamond Barthes Blut getauscht«, antwortete er in befehlendem Ton, »und er braucht vor ihm nichts mehr verbergen. Du und dein Freund, versteht ihr einen Eid zu halten?«

Pharamond Barthes machte ein bejahendes Zeichen.

»Nun gut«, fuhr der König fort, »dann schwört, nichts anzurühren, was ihr in jener Grotte sehen werdet! Schwört, daß ihr, wenn ihr die Grotte wieder verlassen habt, euch stets so verhalten werdet, als wenn euch deren Vorhandensein gänzlich unbekannt geblieben wäre! Schwört, daß ihr nie versucht, noch einmal in sie einzudringen, noch auch nur deren Eingang aufzuspüren! Schwört endlich, daß ihr niemals jemandem ein Wort von dem sagt, was ihr sehen werdet!«

Mit emporgehobener Hand wiederholten Cyprien und Pharamond Barthes jedes Wort der ihnen auferlegten Eidesformel.

Als Tonaia dann mit gedämpfter Stimme einige Befehle erteilte, erhob sich der ganze Hof, und die Krieger bildeten zwei Reihen. Einige Diener brachten leinene Streifen her, um den beiden Fremdlingen die Augen zu verbinden; dann setzte sich der König selbst in einen großen Palankin, den ein Dutzend Kaffern auf den Schultern trugen, zu ihnen, und der Zug setzte sich in Bewegung.

Der Weg war ziemlich weit; er nahm wohl 2 Stunden in Anspruch. Aus den Stößen, die sie selbst im Palankin empfingen, schlossen Pharamond Barthes und Cyprien sehr bald, daß sie nach einer bergigen Stelle geführt wurden.

Dann verriet die auffallende Frische der Luft und der laute Widerhall der Schritte des Gefolges, der sich an einander offenbar ziemlich nah stehenden Wänden brach, daß man einen unterirdischen Raum betreten hatte. Endlich be-lehrte sie auch noch der Rauch von brennendem Harz, der ihnen ins Gesicht kam, daß wohl Fackeln angezündet worden waren, um dem ganzen Zug voranzuleuchten.

Noch dauerte der Weg etwa eine halbe Stunde; nachher wurde der Palankin auf die Erde niedergesetzt. Tonaia ließ seine Gäste aussteigen und befahl, ihnen die Binde von den Augen abzunehmen.

Unter dem Einfluß jener Blendung, die durch die plötzliche Rückkehr zum Licht dann entsteht, wenn die Funktion der Sehorgane längere Zeit unterbrochen gewesen war, glaubten Pharamond Barthes und Cyprien zunächst, die Beute einer außerordentlichen Halluzination geworden zu sein, so glänzend und unerwartet gestaltete sich das Schauspiel, das sich jetzt ihren Augen darbot.

Beide befanden sich nämlich im Mittelpunkt einer ungeheuren Grotte, deren Boden mit feinem, mit goldigen Flimmern übersäten Sand überdeckt war. Ihre Wölbung, die der eines gotischen Doms gleichkam, verlor sich doch in für den Blick unerreichbarer Tiefe. Die Wände dieses unterirdischen Baus zeigten sich ausgekleidet mit Stalaktiten von unvergleichlicher Verschiedenheit des Tons, von denen die zurückstrahlenden Fackeln farbige Regenbogen bildeten, die halb gebrochen wurden und halb unter dem ersten Schein des hereinstrahlenden Morgenrots verschwanden. Die schimmernden Färbungen, die merkwürdigsten Formen und auffallendsten Schnittwinkel charkterisierten diese zahllosen Kristallisationen. Hier sah man, nicht wie in den meisten Grotten, nur einfache Anhäufungen von Quarz in Säulen, die sich einförmig immer wiederholen; die Natur schien vielmehr ihrer Fantasie völlig freien Spielraum gelassen zu haben, alle Zusammenstellungen von Farben und Effekten zu erschöpfen, wozu sich ja die Verglasung ihrer Mineralienschätze - wenn man so sagen darf - vorzüglich eignete.

Felsen aus Amethysten, Mauern aus Sardonix, Bänke aus Rubinen, Nadeln aus Smaragden, Säulengänge aus Saphir, die wie Weidenbäume tiefe Wälder bildeten, Eisberge aus Aquamarin, Girandolen aus Türkisen, Spiegel aus Opalen, Gänge aus rosa Gips, und Lapislazuli mit Goldadern - alles, was das Mineralreich nur Kostbares, Seltenes, Durchsichtiges und Glänzendes bieten konnte, hatte als Material zu diesem bezaubernden Bauwerk gedient. Allerlei Formen, sogar solche aus dem Pflanzenreich, schienen bei diesem, die menschliche Einbildungskraft weit hinter sich lassenden Werk verwendet zu sein. Tapeten aus mineralischem Moos von derselben Samtweiche wie der feinste Rasen, kristallinische Baumgeflechte mit Blumen und Früchten aus edlem Gestein erinnerten stellenweise an die Feengärten, die die Japaner zuweilen so naiv bei ihren Illuminationen nachzuahmen suchen.

Weiterhin bot ein See, bestehend aus einem einzigen Diamanten von 20 Meter Länge, der in dem Sand versenkt lag, offenbar Schlittschuhläufern seine Spiegelfläche an. Luftige Paläste aus Chalcedon, Kioske und Glockentürmchen aus Beryll und Topas erhoben sich Stockwerk über Stockwerk so hoch, bis das durch ihren Glanz ermüdete Auge ihnen weiter zu folgen versagte. Endlich bildeten die Spalten der Lichtstrahlen durch diese ungezählten Tausende von Prismen das Funkenfeuerwerk, das von allen Seiten aufschoß und in Garben wieder niederfiel, die erstaunlichste Symphonie von Licht und Farben, die mehr als hinreichend war, das Auge des Menschen vollkommen zu blenden.

Cyprien Mere konnte jetzt nicht länger in Zweifel sein. Er sah sich in eines jener geheimnisvollen Becken versetzt, deren Vorkommen er schon so lange geahnt, in denen die Natur die kostbarsten Edelsteine anhäufen und kristallisieren lassen konnte, die sie den Menschen auch in den reichsten Fundstätten nur als vereinzelte unzusammenhängende Bruchstücke zukommen läßt. Zuerst versucht, an der Wirklichkeit dessen, was er vor sich sah, zu zweifeln, hatte es doch, als er beim Vorüberkommen an der ungeheuren Kristallbank mit seinem Ring über sie strich, hingereicht, ihm zu beweisen, daß sie dem Geritztwerden vollständig widerstand.

Das war hier also Diamant, Saphir und Rubin, was diese ausgedehnte Höhle barg, und das in so enormer Menge, daß der Preis des Ganzen, wenn man an ihn den für jene Mineralstoffe gebräuchlichen Maßstab anlegte, sich jeder Berechnung entzog. Nur astronomische Zahlen hätten davon eine annähernde, wenn auch nur unsichere Vorstellung gewähren können. Hier lagen unbekannt und unbenutzt wirklich Billionen und Billiarden an Wert begraben.

Daß Tonaia von dem ungeheuren Reichtum, der hier zu seiner Verfügung stand, etwas wußte, war kaum anzuneh-men, denn auch Pharamond Barthes, der in solchen Dingen freilich unbewandert war, schien keinen Augenblick zu ahnen, daß diese Kristalle alle die edelsten Gesteine waren.

Der Negerkönig hielt sich ohne Zweifel nur für den Herrn und Besitzer einer ziemlich merkwürdigen Höhle, deren Geheimnis zu bewahren ihn ein Orakelspruch oder irgendeine Art Überlieferung zu bestimmen schien.

Diese Anschauung fand noch dadurch weitere Bestätigung, daß Cyprien bald eine ziemlich bedeutende Anhäufung menschlicher Gebeine fand, die da und dort in Winkeln der Grotte lagen. Bildete sie den Begräbnisplatz des Stammes oder - freilich eine schrecklichere, aber wahrscheinlichere Annahme - diente sie früher oder vielleicht auch noch jetzt zur Abhaltung schauerlicher Feste, bei denen Menschenblut, vielleicht zu kannibalischen Zwecken, in Menge vergossen wurde?

Pharamond Barthes neigte der letzteren Anschauung zu und sagte das auch heimlich seinem Freund.

»Übrigens hat Tonaia mir versichert, daß eine solche Zeremonie seit seiner Übernahme der Herrschaft niemals stattgefunden habe«, fügte er hinzu. »Ich gestehe aber, daß der Anblick dieser Gerippe mich in meinem bisherigen Zutrauen erschüttert hat.«

Er wies dabei auf einen gewaltigen Knochenhaufen, der erst kürzlich aufgeschüttet schien und an dem man noch Spuren davon bemerkte, daß das frühere Fleisch daran gekocht worden war.

Dieser Eindruck sollte nur wenige Augenblicke später noch mehr bekräftigt werden.

Der König und seine beiden Gäste waren nach dem Grund der Grotte gelangt, bis vor den Eingang einer Wandvertiefung, die etwa den Seitenkapellen ähnelte, die man öfter in Domkirchen findet. Hinter dem Gitter aus sehr festem Holz, das den Eingang abschloß, sah man in einem hölzernen Käfig einen Gefangenen, der nur Raum hatte, um darin zusammenkauern zu können, und offenbar bestimmt war, durch erzwungene Ruhe etwas - gemästet zu werden.

Das war Matakit!

»Sie! Sie! Väterchen!« rief der unglückliche Kaffer, sobald er Cyprien bemerkt und erkannt hatte. »Ach, nehmen Sie mich mit fort von hier! Befreien Sie mich! ... Ich will lieber nach dem Griqualand zurückkehren und wenn ich dort gehenkt werden sollte, als länger in diesem Hühnerbau zu schmachten und den schrecklichen Tod zu erwarten, den der grausame Tonaia mir aufgespart hat, ehe ich verzehrt werde!«

Diese Worte sprach er mit so kläglicher Stimme, daß Cyprien sich, als er den armen Teufel hörte, ganz ergriffen fühlte.

»Gut, Matakit!« antwortete er ihm. »Ich kann dir die Freiheit wieder verschaffen, aber ehe du den Diamanten nicht herausgegeben hast, wirst du diesen Käfig nicht verlassen.«

»Den Diamanten, Väterchen!« rief Matakit. »Den Dia-

manten! Den hab' ich nicht! ... Den hab' ich niemals gehabt! ... Ich schwöre es Ihnen!«

Das sagte er mit einem solchen Tonfall der Wahrheit, daß Cyprien an seiner Aufrichtigkeit nicht zweifeln konnte. Wir wissen übrigens, daß es ihm von Anfang an schwer gewesen war, Matakit für den Urheber eines solchen Verbrechens zu halten.

»Wenn du es aber nicht warst«, fragte er weiter, »der jenen Diamanten entwendet hat, warum ergriffst du überhaupt die Flucht?«

»Warum, Väterchen?« erwiderte Matakit. »Weil man, wenn meine Kameraden die Probe mit der Gerte bestanden hätten, sicher gesagt haben würde, ich selbst sei der Dieb und habe durch List den Verdacht nur auf falsche Fährte lenken wollen. Im Griqualand, das wissen Sie ja selbst nur zu gut, henkt man, wenn es sich um einen Kaffern handelt, einen Beschuldigten noch bevor man ihn verhört und verurteilt . . . das flößte mir Angst ein, und ich floh wie ein Schuldiger durch den Transvaal.«

»Was der arme Teufel da ausgesagt, scheint mir wirklich auf Wahrheit zu beruhen«, bemerkte Pharamond Barthes.

»Ich zweifle daran auch nicht«, antwortete Cyprien, »und vielleicht hat er gar nicht so unrecht daran getan, sich der griqualändischen Justiz gleich ganz zu entziehen.«

Dann wandte er sich wieder an Matakit.

»Nun gut«, sagte er zu ihm, »ich bezweifle nicht, daß du an dem Diamantendiebstahl, dessen man dich angeklagt hat, unschuldig bist. Doch wenn wir auch beteuern, daß du keinen Anteil daran hattest, wird man das in der Vander-gaart-Kopje schwerlich glauben. Willst du dich dennoch der Gefahr aussetzen, dahin zurückzukehren?«

»Ja . . . ich will alles wagen . . . um nicht noch länger hier zu bleiben!« versicherte Matakit, dem der Schrecken alle Glieder zu lähmen schien.

»Wir werden das Nötige regeln«, antwortete Cyprien, »und hier mein Freund Pharamond Barthes wird die Verhandlungen führen.«

Der Jäger zögerte keinen Augenblick, dem großen Tonaia die Angelegenheit vorzutragen.

»Sprich offenherzig! ... Was verlangst du im Austausch gegen deinen Gefangenen?« fragte er den Negerkönig.

Dieser besann sich kurze Zeit und erklärte schließlich:

»Ich verlange 4 Flinten; 10 mal 10 Patronen für jede Waffe und 4 Säckchen mit Glasperlen. Das ist doch nicht zuviel, nicht wahr?«

»Das ist zwanzigmal zuviel; doch Pharamond Barthes ist dein Freund und wird alles tun, dir gefällig zu sein!«

Dann schwieg auch er ein Weilchen und fuhr nachher fort:

»Hör mich an, Tonaia! Du sollst die 4 Gewehre, die 400 Patronen und die 4 Säckchen Perlen erhalten. Du aber lieferst uns dafür das nötige Ochsengespann nebst Nahrungsmitteln und ein Ehrengeleit, um alle diese Männer durch das Transvaalgebiet zu schaffen.«

»Abgemacht!« erklärte Tonaia mit höchst befriedigter Stimme.

Dann schlug er einen vertraulicheren Ton an und sagte, sich zu Pharamond Barthes' Ohr neigend:

»Die Ochsen wären schon vorhanden. Sie sind von den Leuten, die meine Krieger im Begriff fanden, nach den Ställen heimzukehren, und die sie in meinen Kraal trieben . . . Oh, das war ein schöner Kriegszug, nicht wahr?«

Der Gefangene wurde freigelassen, und nachdem sie noch einen letzten Blick auf die Wunderherrlichkeiten der Höhle geworfen hatten, ließen sich Cyprien, Pharamond Barthes und Matakit ohne Widerspruch die Augen verbinden und gelangten so zurück nach dem »Palast« Tonaias, wo zur Feier des abgeschlossenen Vertrags ein großes Fest gegeben wurde.

Man einigte sich schließlich dahin, daß Matakit nicht sofort in der Vandergaart-Kopje erscheinen, sondern in deren Nähe nur zum Dienst bei dem jungen Ingenieur bereit bleiben solle, bis dieser es für sicher genug ansehen würde, ihn wirklich zurückzurufen. Der Gang der Ereignisse wird lehren, daß das keine unnütze Vorsichtsmaßnahme war.

Am folgenden Tag brachen Pharamond Barthes, Cy-prien, Li und Matakit unter zahlreicher Bedeckung wieder nach dem Griqualand auf. Jetzt konnte man sich freilich keiner Selbsttäuschung mehr hingeben. Der »Südstern« war unwiederbringlich verloren, und Mr. Watkins konnte ihn nicht nach dem Londoner Tower senden, um dort inmitten der prächtigsten Edelsteine Englands deren Glanz zu überstrahlen.