158067.fb2 Der S?dstern oder Das Land der Diamanten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 3

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2. KAPITEL Zum Diamantenfeld

Was dem jungen Ingenieur in der ihm von Mr. Watkins zuteil gewordenen Erwiderung auf seinen Antrag am meisten zu Herzen ging, war der Umstand, daß sie - von der Rauheit ihrer Form einmal abgesehen - im Grunde gar nicht so ungerechtfertigt erschien. Bei näherer Überlegung staunte er jetzt selbst, nicht schon vorher die Einwände erwogen zu haben, die ihm der Farmer fast notwendig machen würde, und wunderte sich, wie er sich überhaupt einer solchen Zurückweisung auszusetzen vermocht hatte.

In der Tat hatte er freilich bis zum jetzigen Augenblick niemals an die Kluft gedacht, die ihn wegen des Unterschieds in Vermögensverhältnissen, Abstammung, Erziehung und Umgang von dem jungen Mädchen trennte. Schon seit 5 bis 6 Jahren gewöhnt, die Mineralien nur vom rein wissenschaftlichen Standpunkt zu betrachten, besaßen zum Beispiel Diamanten in seinen Augen nur den Wert eigentümlicher Exemplare von Kohlenstoffkörpern, die nur dazu geschaffen schienen, in den Sammlungen der Bergwerksschule ihren Platz auszufüllen. Da er in Frankreich überdem eine die der Familie Watkins weit überragende soziale Stellung einnahm, hatte er den kaufmännischen Wert der im Besitz des reichen Farmers befindlichen Fundstätte ganz aus den Augen verloren. Infolgedessen war ihm auch niemals in den Sinn gekommen, daß zwischen der Tochter des Eigentümers der Vandergaart-Kopje und ihm als fran-zösischem Ingenieur ein trennendes Mißverhältnis herrschen könne. Selbst wenn diese Frage vor ihm aufgetaucht wäre, würde er, in seinem gewohnten Vorstellungsgang als Pariser und ehemaliger Zögling der berühmten polytechnischen Schule dort, wahrscheinlich zu dem Schluß gelangt sein, daß vielmehr er mit jener Bewerbung einen Schritt tue, der ihn nah an eine »Mißheirat« führte.

Die ganz unverblümte Strafpredigt von Mr. Watkins riß ihn jetzt sehr schmerzlich aus seinen Träumen. Cyprien besaß jedoch viel zuviel nüchternen Menschenverstand, um ihre sachlichen Einwürfe nicht gebührend zu würdigen, und viel zuviel Ehrenhaftigkeit, um sich durch eine Entscheidung, die er im Grunde für richtig anerkannte, beleidigt zu fühlen.

Der Schlag, den ihm jene versetzte, wurde deshalb freilich nicht minder empfindlich, und gerade jetzt, wo er auf Alice verzichten sollte, bemerkte er plötzlich desto deutlicher, wie lieb und wert sie ihm während der verflossenen 3 Monate geworden war.

In der Tat kannte Cyprien Mere das junge Mädchen seit kaum 3 Monaten, das heißt seit seiner Ankunft im Griqua-land.

Wie fern lag ihm das jetzt schon alles! Er sah sich noch, nach einer durch Hitze und Staub höchst beschwerlichen Landreise am Ziel seiner langen Fahrt von einer Erdhalbkugel zur andern eintreffen.

Nachdem er mit seinem Freund Pharamond Barthes -einem alten Studiengefährten, der nun schon zum dritten

Mal einen Jagdausflug nach dem südlichen Afrika unternahm - gelandet, hatte sich Cyprien bereits am Kap von diesem getrennt. Pharamond Barthes war nach dem Land der Bassutos aufgebrochen, um dort eine kleine Schar bewaffneter Neger anzuwerben, die ihn bei seinen zygenetischen Zügen begleiten sollten. Cyprien dagegen hatte in dem mit sieben Paar Pferden bespannten schwerfälligen Wagen Platz genommen, der auf den Straßen des Veld als Postomnibus dient, und war in das eigentliche Diamantengebiet gereist.

Fünf oder sechs große Kisten und Koffer - ein vollständiges chemisches und mineralogisches Labor bergend, von dem er sich nicht gern hatte trennen wollen - bildeten das Reisegepäck des jungen Gelehrten. Die Postkutsche gestattet jedem Reisenden aber nicht, mehr als 50 Kilo an Effekten mit sich zu führen, und so war er gezwungen gewesen, seine kostbaren Koffer einem Büffelfuhrwerk anzuvertrauen, das sie jedenfalls mit ganz merowingischer Langsamkeit nach dem Griqualand befördern sollte.

Der Postwagen, wie gesagt eine Art 12sitziger Omnibus mit Leinwandplane, war auf einem rohen Gestell mit vier ungeheuren Rädern aufgebaut, die immer von dem Wasser der Flußläufe, die durch eine Furt passiert wurden, naß blieben. Die paarweise vorgespannten Pferde, die im Notfall noch durch Maultiere Unterstützung fanden, wuden von zwei auf dem Bock nebeneinandersitzenden Kutschern mit großer Geschicklichkeit geleitet; der eine Kutscher führt dabei die Zügel, während der andere mit Hilfe einer sehr langen, mehr einer Angelrute mit Schnur gleichenden

Bambuspeitsche das Gespann nicht nur nachhaltig antreibt, sondern es auch gleichzeitig mit lenken hilft.

Die Straße verläuft über Beaufort, eine hübsche, am Fuß der Nieuweld-Berge erbaute Stadt, über den Kamm der letzteren, wendet sich dann nach Victoria und führt endlich nach Hopetown - der Stadt der Hoffnung - am Ufer des Oranjeflusses, und von da nach Kimberley und nach den bedeutendsten Diamantenfundstätten, die nur wenige Meilen davon entfernt sind.

Durch den öden Veld hat man eine traurige, höchst einförmige Fahrt von 8 bis 9 Tagen. Die Landschaft bietet fast überall einen geradezu trostlosen Anblick - rötliche Ebenen, mit ähnlich wie Moränen darauf verstreuten Steinen, graue Felsmassen im Niveau des Erdbodens, gelbliches, spärliches Gras und halbverhungerte Gesträuche, das ist alles! Nirgends eine Spur von Kultur oder natürlichem Reiz. In weiteren Abständen eine elende Farm, deren Inhaber, wenn er von der Regierung die Landeskonzession erhält, auch die Verpflichtung übernimmt, Reisende zu verpflegen. Das geschieht freilich nur in der primitivsten Weise. In diesen eigentümlichen Herbergen gibt es weder Betten für die Menschen noch Lagerstätten für die Pferde; höchstens einige Büchsen mit konservierten Nahrungsmitteln, die womöglich schon ein paarmal die Fahrt um die Erde mitgemacht haben, und die man fast mit Gold aufwiegen muß.

Infolgedessen werden die Zugtiere in den Ebenen freigelassen, um sich selbst Futter zu suchen, wovon sie indes nur magere Grasbüschel zwischen den Feldsteinen finden.

Wenn die Fahrt dann weitergehen soll, macht es nicht geringe und mit ziemlichem Zeitverlust verknüpfte Mühe, jene wieder einzufangen.

Und welche Stöße gibt es in dem höchst primitiven Wagen auf den noch primitiveren Wegen! Die Sitze werden einfach von den Kastendecken gebildet, die zur Unterbringung der Gepäckstücke dienen und auf denen der unglückliche Insasse eine endlos lange Woche lang die Rolle einer Mörserkeule spielt. Wie zur Wiedervergeltung rauchen die Reisenden Tag und Nacht wie Fabrikschlote, trinken unmäßig und speien nach Belieben aus. An ein erquickendes Schlafen ist unter solchen Umständen natürlich nicht zu denken.

Cyprien Mere befand sich also hier in Gesellschaft einer ausreichenden Musterkarte jener flottierenden Bevölkerung, die aus allen Enden der Welt nach Gold- oder Diamantfundstätten zusammenströmt, sobald von solchen etwas verlautet. Hier war ein lendenlahmer großer Neapolitaner mit rabenschwarzem Haar, lederbraunem Gesicht und wenig Gutes versprechenden Augen, der Annibal Pantalacci zu heißen vorgab; ein portugiesischer Jude namens Nathan, der sich als Aufkäufer von Diamanten in seiner Ecke immer sehr still verhielt und die Menschheit als Philosoph betrachtete, ein Bergmann aus Lancashire, Thomas Steel, ein großer Kerl mit rotem Bart und mächtigen Hüften, der von der Steinkohle desertierte, um sein Glück im Griqualand zu versuchen; ein Deutscher, Herr Friedel, der wie ein Orakel sprach und offenbar sehr bewandert in der Diamantengrä-

berei war, ohne jemals einen solchen Stein in seiner Gangart gesehen zu haben; ferner ein Yankee mit sehr dünnen Lippen, der nie mit jemand anderem als mit seiner Lederflasche sprach und auf den Konzessionen jedenfalls eine jener Kantinen errichten wollte, wo die Steinesucher einen Löwenanteil ihrer Beute sitzen zu lassen pflegen; ein Farmer vom Ufer der Haart; ein Bure aus dem Oranje-Freistaat; ein Elfenbeinhändler, der nach dem Land der Namaquas ging; zwei Ansiedler aus dem Transvaal-Gebiet und endlich ein Chinese namens Li - wie es einem Sohn des Himmlischen Reichs zukommt - vervollständigte die höchst scheckige nacktbrustige, zusammengelaufene und lärmende Gesellschaft, mit der ein anderen Umgang gewöhnter Mann nur je in die Lage kommen konnte, sich abfinden zu müssen.

Nachdem sich Cyprien eine Zeitlang mit den Gesichtern und dem Benehmen der Leute beschäftigt hatte, wurde er dessen doch bald müde. Es blieben ihm nur Thomas Steel mit seiner mächtigen Gestalt und dem erschütternden Lachen, und der Chinese Li mit seinen geschmeidigen, katzenartigen Bewegungen übrig, für die ihn einiges Interesse erfüllte. Der Neapolitaner dagegen mit seinen Narrenspos-sen und der Galgenphysiognomie machte auf ihn einen völlig widerwärtigen Eindruck.

Seit 2 oder 3 Tagen schon lief einer der Lieblingsspäße des Kerls darauf hinaus, dem Chinesen an seinen längs des Rückens hinabfallenden Zopf, den er entsprechend den Sitten seines Landes trug, eine Menge nichtsnutziger Gegenstände zu knüpfen, wie Grasbüschel, Krautstrünke, einen

Kuhschweif oder ein vom Erdboden aufgelesenes Pferdeschulterblatt.

Ohne sich zu erhitzen, löste Li den seiner langen Flechte heimlich hinzugefügten Appendix ab, gab aber weder durch ein Wort noch durch eine Bewegung zu erkennen, daß der ihm gespielte Scherz die erlaubten Grenzen überschreite. Sein gelbes Gesicht wie die kleinen geschlitzten Augen bewahrten eine unerschütterliche Ruhe, als ständ' er dem, was um ihn her vorging, gänzlich fremd gegenüber. Man hätte glauben können, daß er kein Wort von dem verstand, was in dieser Arche Noah auf dem Weg nach dem Griqualand gesprochen wurde.

Annibal Pantalacci unterließ auch niemals, seine billigen Späße in schlechtem Englisch mit dem nötigen Kommentar zu begleiten.

»Glauben Sie, daß seine gelbe Hautfarbe anstecken könnte?« fragte er seinen Nachbarn ganz laut.

Oder auch:

»Wenn ich nur eine Schere hätte, ihm den Zopf abzuschneiden, da sollten Sie staunen, was er für ein Gesicht dazu machen würde.«

Die meisten andern lachten herzlich darüber. Die Heiterkeit wurde dadurch noch verdoppelt, daß die Buren immer einige Zeit brauchten, ehe sie verstanden, was der Neapolitaner eigentlich sagen wollte; dann überließen sie sich - gegen die übrige Gesellschaft meist um 2 bis 3 Minuten im Rückstand - einer lärmenden, unbändigen Heiterkeit.

Endlich fing Cyprien an sich zu ärgern über diese Hart-näckigkeit, den armen Li als Zielscheibe fader Späße zu benützen, und sprach sich Pantalacci gegenüber dahin aus, daß sein Betragen nicht besonders anständig sei. Dieser schien zwar schon eine unverschämte Antwort auf der Zunge zu haben, aber ein einziges Wort Thomas Steels genügte, ihm den Mund zu schließen und den Stachel seines giftigen Spotts einziehen zu lassen.

»Nein, das ist kein ehrliches Spiel, so mit dem armen Teufel umzuspringen, der nicht einmal versteht, was Sie sagen!« meinte der wackere Bursche, der sich schon Vorwürfe machte, mit den anderen gelacht zu haben.

Die Sache war damit also vorläufig erledigt. Bald nachher wunderte sich Cyprien einigermaßen, einen leichten ironischen Blick - in dem sich jedenfalls dankbare Anerkennung ausdrücken sollte - zu bemerken, den der Chinese ihm zuwandte, so daß er auf die Vermutung kam, Li möge doch vielleicht mehr Englisch verstehen, als er durchblicken zu lassen wünschte.

Vergeblich suchte Cyprien jedoch bei der nächsten Haltestelle ein Gespräch mit ihm anzuknüpfen. Der Chinese blieb teilnahmslos und stumm. Mehr und mehr reizte der eigentümliche Mann den Ingenieur, so wie ein Rätsel, dessen Lösung er finden müsse. Cyprien konnte sich infolgedessen auch nicht enthalten, seine Aufmerksamkeit wiederholt diesem gelblichen, platten Gesicht zuzuwenden, den feingeschnittenen Mund zu betrachten, der sich über einer Reihe sehr weißer Zähne öffnete, sowie die kurze, weit offene Nase, die breite Stirn und die schiefen Augen, die der

Mann fast immer niedergeschlagen hielt, als wolle er einen boshaften Blick verbergen.

Wie alt mochte Li wohl sein ? 15 Jahre oder 60? Das hätte man unmöglich entscheiden können. Wenn seine Zähne, sein Blick, die kohlschwarzen Haare noch auf dessen Jugend hinzudeuten schienen, so sprachen doch die Falten der Stirn, wie die der Wangen und um den Mund für ein schon vorgeschritteneres Alter. Er war klein und schwach von Gestalt, lebhaft in seinen Bewegungen, hatte aber doch etwas Altmütterliches, überhaupt etwas Weibisches an sich.

War er reich oder arm? Wieder eine zweifelhafte Frage. Seine Hose aus grauer Leinwand, das Hemd aus gelbem Seidenstoff, die Mütze aus geflochtener Schnur und die Schuhe mit Filzsohlen, welche Strümpfe von untadelhafter Weiße bedeckten, konnten ebensogut einem Mandarin 1. Klasse, wie einem Mann aus dem Volk angehören. Sein Reisegepäck bestand aus einem einzigen Koffer aus rotem Holz mit der schwarz mit Tinte angebrachten Aufschrift:

H. Li from Canton to the Cape, das heißt H. Li aus Canton, auf der Reise nach dem Kap.

Der Chinese erschien überdies ausgezeichnet reinlich, rauchte nicht, trank nur Wasser und ließ keine Haltestelle vorübergehen, ohne sich den Kopf mit größter Sorgfalt zu rasieren.

Mehr konnte Cyprien nicht in Erfahrung bringen, und verzichtete also bald darauf, sich mit diesem lebendigen Rätsel zu beschäftigen. Inzwischen verfloß Tag um Tag und reihte sich eine Meile an die andere. Manchmal trabten die Pferde ziemlich schnell dahin, ein andermal schien es unmöglich, ihren Schritt nur einigermaßen zu beschleunigen. Immerhin wurde der Weg nach und nach zurückgelegt, und eines schönen Tages kam der Personenwagen in Hopetown an. Noch eine Etappe, dann war Kimberley erreicht. Hinter diesem zeigten sich Holzhütten am Horizont.

Das war New Rush.

Der Lagerplatz der Minengräber unterschied sich kaum von den provisorischen Städten, wie sie in allen der Zivilisation unlängst erschlossenen Ländern fast wie durch Zauberschlag aus der Erde emporzuwachsen scheinen.

Häuser aus sehr dicken Brettern, meist sehr klein und etwa den Hütten entsprechend, wie man sie auf den Flößen europäischer Ströme findet; einige Zelte, ein Dutzend Kaffeehäuser oder Schenken, ein Billardsaal, eine Alhambra oder Tanzsalon, einige »Stores« oder Handelsläden mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen - das war der Anblick, der sich zunächst dem Auge des Fremdlings bot.

In diesen Läden gab es alles: Kleidungsstücke und Hausgeräte, Schuhe und Fensterscheiben, Bücher und Sättel, Waffen und Stoffe, Besen und Jagdmunition, Lagerdecken und Zigarren, frisches Gemüse und Arzneien, Pflüge und Seifen, Nagelbürsten und konzentrierte Milch, Backöfen und Steindruckbilder - mit einem Wort alles - nur keine Einkäufer.

Die Insassen des Lagerplatzes waren zur Zeit noch in dem 3 - bis 400 Meter entfernten New Rush in den Minen bei der Arbeit.

Wie alle Neuankömmlinge, beeilte sich Cyprien Mere, dahin zu gehen, während man in der prunkhaft mit dem Schild »Hotel Continental« geschmückten Hütte das Essen zurechtmachte.

Es war jetzt gegen 6 Uhr nachmittags. Schon hüllte sich die Sonne am Horizont in einen feinen, goldigen Dunst. Der junge Ingenieur beobachtete hier noch einmal den besonders großen Durchmesser, den die Sonne und der Mond in südlicheren Breiten zu haben scheinen, ohne daß es bisher gelungen wäre, eine zufriedenstellende Erklärung dieser auffälligen Erscheinung beizubringen. Dieser Durchmesser beträgt nämlich mindestens das Doppelte von dem, den man in Europa wahrnimmt.

Cyprien Mere erwartete aber ein noch weit ungewohnteres Schauspiel in der Kopje, das heißt in dem eigentlichen Diamantfeld.

Beim Anfang der Arbeit bildete die Mine einen flachen Hügel, der hier die im übrigen gleich der Meeresfläche glatte Ebene überragte. Jetzt aber erschien sie in Form einer gewaltigen Aushöhlung mit steilen Wänden, einer Art Zirkus von elliptischer Gestalt und 400 Quadratmeter Seitenfläche, der an derselben Stelle ausgehoben war. Auf dieser Fläche verteilt lagen nicht weniger als 3 - oder 400 »Claims« oder Konzessionen von je 31 Fuß Breite, die deren Inhaber ganz nach Belieben ausbeuteten.

Die Arbeit dabei besteht ganz einfach darin, mit Spitz-

haue und Schaufel den Boden auszuheben, der im allgemeinen aus rotem Sand mit Kieseln gemischt besteht. An den Rand der Minen befördert, wird diese Erde nach Erzscheidetischen geschafft, um gewaschen, zerkleinert, gesiebt und endlich mit größter Sorgfalt auf ihren etwaigen Gehalt an kostbaren Steinen untersucht zu werden.

Da diese Claims alle unabhängig voneinander ausgegraben wurden, bilden sie natürlich Gruben von sehr verschiedener Tiefe. Die einen reichen wohl 100 Meter und noch mehr hinunter, während andere nur 15, 20 oder 30 Meter tief sind.

Aus Rücksicht auf die Arbeit und den Verkehr ist jeder Konzessionär durch amtliche Verordnung streng verpflichtet, an den Seiten seines Lochs 7 Fuß Durchmesser unberührt stehen zu lassen. Diese Fläche bildet, zusammen mit einer gleich großen, die der Nachbar liegen lassen muß, eine Art Straße oder Erdwall im Niveau mit dem eigentlichen Erdboden. Darauf kommt dann dicht aneinander eine Reihe Balken zu liegen, die auf jeder Seite über den Rand noch 1 Meter hinausragen, um dem Gang hinreichende Breite zu geben, daß zwei Karren bequem aneinander vorübergelangen können. Zum Schaden der Solidität dieses schwebenden Weges wie der Sicherheit der Minengräber unterlassen es die Konzessionäre leider nicht, den Fuß der Mauer allmählich und je weiter sie in die Tiefe dringen, zu untergraben, so daß dieser Wall, der oft die Höhe gewaltiger Kirchtürme übertrifft, endlich eine umgekehrte Pyramide bildet, die auf ihrer Spitze ruht. Die Folgen dieses unverzeihlichen Verfahrens sind leicht vorauszusehen. Die Minen stürzen eben häufig ein, entweder während der Regenzeit oder wenn eine plötzliche Temperaturveränderung die schon vorhandenen Sprünge in der Erdmasse erweitert. Trotz der periodischen Wiederkehr solcher Unfälle lassen sich die Diamantgräber aber nicht abhalten, ihre Wand bis zur äußersten Grenze abzuschachten.

Als Cyprien Mere sich der Mine näherte, sah er zunächst nichts als Karren, die leer oder beladen auf dem schwebenden Weg dahinrollten. Weiter herangekommen, konnte er jedoch einen Blick bis in die Tiefen dieses eigenartigen Steinbruchs werfen und gewahrte nun die große Menge von Leuten jeder Rasse, Farbe und Tracht, die eifrig am Grund der Claims wühlten. Hier gab es Neger und Weiße, Europäer und Afrikaner, Mongolen und Kelten - die meisten fast ganz nackt oder höchstens bekleidet mit Leinensandalen, Flanellhemden, einem baumwollenen Schurz und auf dem Kopf einen häufig mit Straußfedern geschmückten Strohhut.

Alle diese Männer füllten die Erde in Ledereimer, die dann sofort an den Rand der Gruben emporstiegen, indem sie an langen Eisenkabeln, gezogen von aus Kuhhäuten geschnittenen Riemen, die über durchbrochene Rollen liefen, dahinglitten. Hier wurden die Eimer ebensoschnell in Karren entleert und gelangten dann zum Grund des Claims zurück, um wieder mit neuer Ladung emporzusteigen.

Diese langen Eisendrahtkabel, die schräg über die von den Claims gebildeten länglichen Vierecke weggespannt sind, geben den »Dry Diggings«, den trockenen Diamantgruben, ein ganz eigentümliches Aussehen. Man möchte glauben, die Fäden eines riesigen Spinnengewebes vor sich zu sehen, dessen Herstellung plötzlich unterbrochen wurde.

Cyprien amüsierte sich einige Zeit mit der Betrachtung dieses menschlichen Ameisenhaufens, dann kehrte er nach New Rush zurück, wo alsbald eine gewaltige Tischglocke ertönte. Dort fand er im Laufe des Abends Gelegenheit, die einen von reichen Funden sprechen zu hören, Mineure, so arm wie Hiob, die durch einen einzigen Diamanten urplötzlich reich geworden waren, während wieder andere sich über erfolglose Bemühungen, über die Habsucht der Unterhändler oder die Unzuverlässigkeit der in den Gruben beschäftigten Kaffer beklagten, die oft die schönsten Steine stehlen sollten. Überhaupt trug das Gespräch einen rein technischen Charakter. Es drehte sich einzig allein um Diamanten, Karatgewicht und gleich um Hunderte von Pfund Sterling.

Im großen und ganzen machten die Leute einen elenden Eindruck, und auf einen glücklichen »Digger«, der geräuschvoll eine Flasche Champagner verlangte, um sein Glück anständig zu begießen, sah man zwanzig traurige Gesichter, deren Eigentümer sich mit einem sehr dünnen Bier begnügten.

Gelegentlich ging wohl auch ein Stein am Tisch von Hand zu Hand, wurde gewogen, geprüft und abgeschätzt, um endlich wieder im Gürtel seines Eigentümers zu ver-schwinden. Dieser halbgraue, glanzlose Kiesel, der nicht mehr Feuer zeigte, als jeder von einem Bergbach herabgerollte Feldstein, war der Diamant in seiner natürlichen Gangart.

Bei Einbruch der Nacht füllten sich die Kaffeehäuser, und wieder folgten dieselben Gespräche, die schon das Mahl gewürzt hatten, jetzt aber begleitet von so manchem Glas Gin oder Brandy.

Cyprien selbst hatte sich beizeiten in einem Bett niedergelegt, das ihm unter einem dem »Hotel« benachbarten Zelt angewiesen worden war. Hier schlief er bald ein, trotz des Geräuschs eines Balls unter freiem Himmel, den sich die Kaffern aus der Umgebung gaben, und trotz des Geschmetters eines Klappenhorns, das in einem öffentlichen Salon den choreographischen Übungen der weißen Herren den Takt angab.