158067.fb2 Der S?dstern oder Das Land der Diamanten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 9

Der S?dstern oder Das Land der Diamanten - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 9

8. KAPITEL Das große Experiment

Bei seinen schönen Untersuchungen über die Löslichkeit fester Körper in Gasen - Untersuchungen, mit denen er sich das ganze vorausgegangene Jahr beschäftigt hatte - war Cyprien natürlich aufgefallen, daß gewisse Substanzen, wie Kieselsäure und Tonerde zum Beispiel, die an sich in Wasser nicht löslich sind, das doch in Wasserdampf unter starkem Druck und hoher Temperatur werden können.

Diese Erfahrung führte ihn auf den Gedanken, zuerst zu prüfen, ob er nicht ein gasartiges Lösungsmittel des Kohlenstoffs entdecken könne, um diesen dann zur Kristallisation zu bringen.

Aber alle seine Versuche in dieser Hinsicht blieben erfolglos, und nach mehreren Wochen vergeblicher Bemühungen sah er sich genötigt, seine Angriffsbatterien zu verändern.

»Batterien« ist wirklich das richtige Wort, denn wie sich aus dem folgenden ergibt, sollte eine Kanone darin eine Rolle spielen.

Verschiedene Analogien führten den jungen Ingenieur zu der Annahme, daß der Diamant sich in den Kopjen viel-leicht auf genau die gleiche Weise bilden könne, wie der Schwefel in den Solfataren. Nun weiß man aber, daß der Schwefel hier durch eine halbe Oxydation des Schwefelwasserstoffs entsteht, aus dem sich, während ein Teil in Schwefelsäure übergeführt wird, ein anderer Teil in Form von Kristallen an den Wänden der Solfataren niederschlägt.

»Wer weiß«, sagte sich Cyprien, »ob die Diamantfundstätten nicht wirkliche Karbonataren sind? Denn offenbar gelangt eine Mischung von Wasserstoff und Kohlenstoff notwendig dahin mit dem Wasser und den alluvialen Ablagerungen, und zwar in Form von Sumpfgas. Warum könnte es nicht die Oxydation des Wasserstoffs in Verbindung mit der teilweisen Oxydation des Kohlenstoffs sein, welche die Auskristallisierung des Kohlenstoffs veranlaßte?«

Von diesen Gedanken bis zu dem Versuch, irgendeinen Körper in analoger, aber künstlicher Reaktion die theoretische Funktion des Sauerstoffs spielen zu lassen, war es für einen Chemiker natürlich nicht weit.

Cyprien ging denn auch sofort daran, diesen Vorsatz zur Ausführung zu bringen. Zunächst handelte es sich darum, für das Experiment eine Anordnung zu treffen, die sich so weit wie möglich den bei der natürlichen Erzeugung des Diamants vermuteten Verhältnissen näherte. Diese Anordnung mußte auch sehr einfach sein. Alles, was Natur oder Kunst nur Großes leisten, trägt diesen Charakter. Gibt es etwas weniger Kompliziertes, als gerade die schönsten von den Menschen gemachten Entdeckungen und Erfindungen, die Gravitation, der Kompaß, die Buchdruckerkunst, die Dampfmaschine, der elektrische Telegraph?

Cyprien holte selbst aus dem Grund der Mine einigen Vorrat an Erde jener Art, die er für sein Experiment am geeignetsten hielt. Dann vermengte er mit dieser Erde ein ziemlich fettes Material, mit dem er das Innere eines Stahlrohrs von einem halben Meter Länge, bei einer Wanddicke von 5 Zentimetern und einem inneren Durchmesser von 8 Zentimetern, sorgfältig ausfüllte.

Dieses Rohr aber bestand aus nichts anderem, als dem abgeschnittenen Stück einer nicht mehr gebrauchten Kanone, die er zufällig in Kimberley kaufen konnte, wo eine freiwillige Schar, die in einem Feldzug gegen benachbarte Kaffernstämme Dienste geleistet hatte, eben aufgelöst wurde. In der Werkstatt von Jacobus Vandergaart passend zurechtgeschnitten, lieferte diese Kanone genau den Apparat, den er benötigte, das heißt ein Behältnis von hinreichender Widerstandsfähigkeit, um einen enormen inneren Druck auszuhalten.

Nachdem er in das vorläufig an einem Ende verstopfte Rohr Kupferbruchstücke und etwa 2 Liter Wasser gebracht hatte, füllte es Cyprien vollständig mit Sumpfgas an. Dann verkittete er diesen Satz sorgfältig und ließ nun beide Enden mit Metallpfropfen von unzweifelhafter Festigkeit abschließen. Der Apparat war nun fertig und es galt nur noch, ihn einer höchst intensiven Hitze auszusetzen.

Er wurde also in einer Art großen Reverberierofens untergebracht, in dem das Feuer Tag und Nacht unterhalten werden sollte, um eine auf die Dauer von 2 vollen Wochen berechnete Weißglühhitze zu erzeugen.

Rohr und Ofen wurden außerdem noch mit feuerbeständigem Ton umgeben, der nur eine möglichst große Wärme halten und dann eine sehr langsame Abkühlung zulassen sollte, wenn die Zeit dazu herankam.

Das Ganze glich mehr einem ungeheuren Bienenkorb oder etwa einer Eskimohütte.

Matakit war jetzt schon in der Lage, seinem Herrn einige Dienste zu leisten. Er hatte alle Vorbereitungen zu dem Experiment mit äußerster Aufmerksamkeit verfolgt, und als er erfuhr, daß es sich um die Darstellung von Diamanten handelte, zeigte er sich nicht wenig eifrig, zu dem Gelingen des Unternehmens nach Kräften beizutragen. Er hatte bald gelernt, das Feuer so zu unterhalten, daß man ihm diese Arbeit getrost allein überlassen konnte.

Es kann sich übrigens kaum jemand vorstellen, wieviel Zeit und Mühe es in Anspruch nahm, diese Vorbereitungen zu treffen. In jedem größeren Labor würde man imstande gewesen sein, dieses Experiment 2 Stunden, nachdem es beschlossen worden, zur Ausführung zu bringen, während Cyprien in diesem wilden Land nicht weniger als 3 Wochen brauchte, um seine Idee nur unvollkommen zu verwirklichen. Dabei hatten ihn noch besondere Glücksum-stände begünstigt, indem er in der genannten Stadt nicht nur die alte Kanone fand, sondern auch die ihm so notwendige Kohle bekam. Dieses Material war sonst in Kimberley so selten, daß man sich, um eine Tonne davon zu erhalten, wohl an mindestens drei Händler wenden mußte.

Endlich waren alle Schwierigkeiten überwunden, und nachdem das Feuer einmal in Brand gesetzt war, übernahm es Matakit, es nicht wieder verlöschen zu lassen. Der junge Kaffer war übrigens sehr stolz auf seine Funktion. Diese konnte ihm jedoch kaum neu sein, denn ohne Zweifel hatte er zu Hause bei seinem Stamm schon häufig in einer Art Höllenküche hantiert.

Cyprien hatte sich einmal bei verschiedenen Gelegenheiten überzeugt, daß Matakit, seit er in seine Dienste getreten war, bei den übrigen Kaffern das Ansehen eines Zauberers genoß. Einige Kenntnisse elementarer Chirurgie und zwei oder drei Taschenspielerkunststückchen, die er von seinem Vater gelernt haben mochte, bildeten seine ganzen Zauberkünste. Trotzdem kamen die Leute, um ihn wegen wirklicher oder eingebildeter Krankheiten zu befragen, um sich Träume deuten, Prophezeiungen vorsagen oder ein Urteil fällen zu lassen. Seine Vorschriften waren meist ebenso unsinnig wie seine Aussprüche albern, die nackten Landsleute schienen damit jedoch zufrieden zu sein. Was brauchte es mehr?

Wir müssen hier auch bemerkten, daß die Retorten und Flaschen, von denen er jetzt im Labor des jungen Ingenieurs umgeben war, ohne die geheimnisvollen Arbeiten zu rechnen, an denen er mitwirkte, nicht wenig dazu beitrugen, sein Ansehen noch zu erhöhen.

Cyprien konnte sich oft des Lachens nicht enthalten, so-bald er die feierliche Miene sah, die der brave Bursche annahm, wenn er seine bescheidene Arbeit als Heizer verrichtete, entweder die Kohlen auf dem Rost erneuerte, das Feuer schürte oder gar ein Probiergläschen und einen Schmelztiegel abstaubte. Immerhin lag etwas Einnehmendes in dieser Ernsthaftigkeit. Sie war der naive Ausdruck des Respekts, den die Wissenschaft einer rohen, aber intelligenten und wissensdurstigen Natur einflößte.

Matakit hatte daneben auch seine lustigen, fast übermütigen Stunden. Besonders wenn er sich in Gesellschaft Lis befand. Zwischen diesen beiden Wesen von so verschiedener Abstammung hatte sich eine wirklich innige Freundschaft entwickelt, infolge der jetzt ziemlich häufigen Besuche, die der Chinese auf der Farm Watkins abstattete. Beide sprachen notdürftig französisch, beide waren durch Cyprien vor dem drohenden Tod gerettet worden und bewahrten ihm eine lebhafte Erkenntlichkeit. Es erschien also natürlich, daß sie sich durch aufrichtige Anteilnahme zueinander hingezogen fühlten, und diese Teilnahme hatte sich allmählich in Zuneigung verwandelt.

Wenn sie unter sich waren, gaben Li und Matakit dem jungen Ingenieur einen ebenso einfachen wie rührenden Namen, der recht gut die Natur der Gefühle ausdrückte, die sie für seine Person hegten: sie nannten ihn »das Väterchen« und sprachen von ihm nur mit hoher Bewunderung und fast übertriebener Hingebung.

Diese Ergebenheit trat seitens Lis in der äußersten Aufmerksamkeit zutage, die er beim Waschen und Bügeln der

Leibwäsche Cypriens beobachtete; seitens Matakits in der wahrhaft religiösen Sorgfalt, mit der er sich bemühte, allen Anordnungen seines Herrn gewissenhaft zu entsprechen.

Zuweilen gingen die beiden Kameraden in ihrem Eifer, »das Väterchen« zu erfreuen, etwas zu weit. So kam es, daß Cyprien zum Beispiel auf seinem Tisch - er aß jetzt zu Hause - Früchte oder Leckereien vorfand, die er gar nicht verlangt und deren Ursprung ihm unerklärlich blieb, denn auf den Rechnungen der Lieferanten fanden sie sich nicht wieder. Oder es kam auch vor, daß in seinen Hemden, wenn sie aus der Wäsche zurückkamen, goldene Knöpfchen unbekannter Herkunft steckten. Ebenso vervollständigten von Zeit zu Zeit ein eleganter, bequemer Stuhl, ein gesticktes Kissen, ein Pantherfell oder sonst eine wertvolle Kleinigkeit auf geheimnisvolle Weise die Ausstattung seines Hauses.

Nahm Cyprien Li oder Matakit ins Gebet, so konnte er von beiden nur ausweichende Antworten erlangen.

»Ich weiß es nicht! ... Ich bin es nicht gewesen! ... Mich geht das nichts an!«

Cyprien fand ja diese kleinen Überraschungen an sich recht angenehm, nur plagte ihn der Gedanke, daß ihre Quelle doch nicht ganz rein sein mochte. Hatten diese Geschenke etwa nichts gekostet als die Mühe, sie sich anzueignen? Immerhin bestätigte nichts diese Vermutungen, und so peinliche Untersuchungen er deshalb auch vornahm, so lieferten diese doch hinsichtlich dieser Erwerbungen niemals ein greifbares Ergebnis.

Hinter seinem Rücken wechselten dann Matakit und Li wohl flüchtige Blicke, lächelten und machten sich allerhand geheimnisvolle Zeichen, die etwa sagen sollten:

»Ach, das Väterchen! . . . Er sieht immer nur Feuer und Flammen!«

Übrigens beschäftigten Cyprien gleichzeitig ganz andere und weit ernstere Sorgen. John Watkins schien entschlossen, Alice nun unter die Haube zu bringen, und infolgedessen bildete sein Haus schon seit einiger Zeit ein wirkliches Museum von Brautwerbern.

Nicht allein James Hilton verkehrte jetzt hier jeden Abend, sondern auch alle unverheirateten Steingräber, deren glückliche Erfolge in der Mine ihnen die seitens des Farmers für einen Schwiegersohn unumgänglich nötigen Eigenschaften verliehen hatten, wurden von ihm eingeladen, zu Tisch behalten und schließlich seiner Tochter zur Auswahl vorgestellt.

Der Deutsche Friedel und der Neapolitaner Pantalacci gehörten auch zu dieser ausgewählten Gesellschaft. Beide galten jetzt für die glücklichsten Steingräber auf dem Van-dergaartfeld. Das allgemeine Ansehen, das überall den Erfolg begleitet, fehlte ihnen weder in der Kopje noch in der Farm. Friedel war pedantischer und absprechender als je zuvor, seit sein Dogmatismus sich auf einige Tausend Pfund Sterling stützte. Annibal Pantalacci, der sich in letzter Zeit zum Kolonialdandy umgewandelt hatte und im Glanz goldener Ketten und Ringe, wie in dem von Diamantnadeln einherging, trug jetzt eine Kleidung aus weißer Leinwand, die seinen gelben, erdfarbenen Teint nur noch mehr hervortreten ließ.

Freilich suchte der lächerliche Mensch mit seinen Scherzen, seinen italienischen Gassenhauern und seinen Bemühungen, den Geistreichen zu spielen, vergeblich einen Eindruck auf Alice zu machen. Wenigstens behandelte diese gerade ihn fast verächtlich und schien über das Motiv, das ihn nach der Farm führte, keineswegs im Zweifel zu sein. Sie begnügte sich, niemals freiwillig auf seine Worte zu hören, und lachte nie, weder über seine Lazzi noch über seine komisch sein sollenden Bewegungen. Nur zu unwissend bezüglich seiner moralischen Mängel, um ihn ganz zu durchschauen, sah sie in ihm nur einen gewöhnlichen Passanten, der nicht mehr und nicht weniger langweilig war, als die meisten anderen. So erschien es wenigstens Cyprien, und er litt oft grausam darunter, sie, die er so hochachtete und so innig verehrte, mit jenem verächtlichen Menschen in Unterhaltung zu sehen.

Es schmerzte ihn um so mehr, als sein Stolz ihm verbot, etwas davon merken zu lassen, und er es unter seiner Würde fand, selbst einen so erbärmlichen Rivalen in den Augen von Miss Watkins noch weiter herabzusetzen. Welches Recht hatte er auch dazu?

Worauf sollte er auch sein Urteil gründen? Er wußte ja eigentlich nichts von Annibal Pantalacci und ließ sich bei seiner Geringschätzung des Mannes doch nur durch eine Art instinktiven Widerwillens leiten. Ihn in tragischem Licht darzustellen, das hätte nur Gelächter hervorrufen können. Das sah Cyprien vollständig ein, und es hätte ihn gewiß zur Verzweiflung getrieben, wenn Alice einem solchen Mann irgendwie Aufmerksamkeit schenkte.

Außerdem war er ja eifrig mit seiner Arbeit beschäftigt, die ihn fast Tag und Nacht in Anspruch nahm. Es handelte sich nicht um ein einziges Verfahren, Diamanten herzustellen, sondern um zehn oder zwanzig verschiedene Methoden, die er sich zurechtgelegt hatte und die er prüfen wollte, wenn der erste Versuch beendet wäre. Er begnügte sich nicht mehr mit theoretischen Lehrsätzen und den Formeln, mit denen er während ganzer Stunden seine Notizhefte füllte. Jeden Augenblick eilte er nach der Kopje, holte von da neue Fels- und Erdproben und wiederholte seine Analyse hundertmal, aber mit so peinlicher Genauigkeit, daß jeder Fehler dabei ausgeschlossen schien. Je ärger ihn die Gefahr bedrohte, Miss Watkins sich entgehen zu lassen, desto fester war er entschlossen, nichts unversucht zu lassen, diese abzuwenden.

Dabei hegte er aber gegen sich selbst ein solches Mißtrauen, daß er es vorzog, dem jungen Mädchen von den Experimenten, die er eben ausführte, lieber nichts zu erzählen. Miss Watkins wußte nur, daß er, ihrem Rat folgend, sich wieder chemischen Studien hingegeben habe, und schon darüber fühlte sie sich glücklich.