158070.fb2 Der Speer der Vergeltung - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 18

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Irene fiel es schwer, die bittere Wahrheit auszusprechen. Sie sagte es sehr leise und sehr langsam: »Er ist tot.«

»Tot?« rief Martin ungläubig und schüttelte den Kopf so heftig, daß sein Hut verrutschte. »Das. das kann doch nicht sein!«

»Es ist leider so. Er ist gestorben.« Irene blickte zu der Bergkette hinüber, die sich im Osten des Molalla Valley bis in die Unendlichkeit zu erstrecken schien. »Dort, in den Cascades.«

»Wie?« fragte Martin nur, völlig erschüttert.

»Er stürzte in eine tiefe Schlucht.« Sie schluckte und fügte nach einem weiteren Blick auf Jamie und Eliza Bradden hinzu: »Beim Kampf mit Indianern, die uns angriffen.« Sie zeigte zu den Wagen, die bei der Schmiede standen. »Die Menschen vom Treck haben die Nez Perce vertrieben und uns, Jamie und mich, mitgenommen.«

Urilla kletterte vom Wagen, schloß Irene in die Arme und drückte sie fest an sich. Sie sagte nichts, aber das brauchte sie auch nicht. Ihre Nähe und ihre Freundschaft waren Irene Trost genug.

Plötzlich dachte Irene an die Gefahr, in der Martin und Urilla schwebten, solange sie sich auf dem Gelände der Mission befanden. Falls sie merkten, wie die Dinge wirklich lagen, konnten sie leicht die Feindschaft zu spüren bekommen, mit der die Leute aus Greenbush allen begegneten, die sich ihnen entgegenstellten. Irene wollte nicht, daß den Freunden etwas zustieß.

Nicht Martin, der gemeinsam mit Jacob wie ein Schutzengel auf der langen Reise von Hamburg bis nach Oregon über Irene und Jamie gewacht hatte.

Und nicht Urilla, in deren Bauch neues Leben heranwuchs.

Sie wollte Urilla eine Warnung ins Ohr flüstern. Aber sie traute sich nicht.

Die beiden Augenpaare, die ständig auf sie gerichtet waren, hielten sie davon ab. Die Augen von Eliza Bradden und die von ihrem Schwager Frazer.

»Guten Tag und willkommen in Molalla Spring!« sagte eine tiefe Stimme hinter Irene. »Seid ihr auch auf der Flucht vor den Nez Perce?«

Es war Simon Mercer, der mit großen und doch gemessenen Schritten auf den Wagen zutrat und sich vorstellte.

»Nein«, antwortete Martin. »Wir kamen her, um uns von Ihnen trauen zu lassen, Sir. Aber jetzt weiß ich nicht, ob das die rechte Zeit ist.«

»Wieso?« fragte der Missionar.

»Weil ich gerade erfahren habe, daß mein bester Freund gestorben ist.«

»Ihr Freund?«

Irene erklärte es dem Missionar.

»Versorgen Sie Ihre Tiere und kommen Sie dann mit Ihrer Braut in mein Haus, Mr. Bauer«, schlug Mercer vor. »Dort sprechen wir über alles.«

Ein Indianerjunge lief herbei, um den Neuankömmlingen zu helfen. Er und Martin kümmerten sich um die Maultiere, während Urilla mit Irene zu Jamie, Mrs. Bradden und Ebenezer Owen ging.

Als Martin kam, um mit Urilla zum Missionshaus zu gehen, fragte er Irene, ob sie mitkommen wolle.

»Ich bleibe lieber mit Jamie hier, an der frischen Luft«, antwortete sie.

»Wir sehen uns nachher«, versprach Martin und nahm Urilla mit.

Irene fühlte sich erleichtert und beschwert zugleich.

Erleichtert darüber, daß ihre Freunde nichts bemerkt hatten und daß Jamie nichts zugestoßen war.

Beschwert, weil sie Martin und Urilla belogen hatte. Und weil das junge Paar jetzt ebenfalls in Gefahr schwebte.

*

Nach einer knappen Stunde kehrten Martin und Urilla zurück. Sie schienen sich ähnlich zu fühlen wie Irene. Ihr leichter Gang verriet, daß eine Last von ihnen genommen war. Aber ihre Mienen wirkten eher düster.

Irene saß noch mit Mrs. Bradden und Jamie vor dem Gästehaus. Ebenezer Owen war zum Missionshaus gegangen, um nach seiner Frau zu sehen. Frazer Bradden lungerte in der Nähe des Gästehauses herum und tat so, als schnitze er mit seinem großen Bowiemesser einen Holzscheit zurecht. In Wahrheit hobelte er nur dicke Späne ab. Jede seiner Bewegungen verriet, mit welcher Lust er die scharfe Klinge führte.

»Wir werden heiraten«, erklärte Martin. »Ich hoffe, du verstehst das nicht falsch, Irene.«

»Warum sollte ich?«

»Weil Jacob erst so kurze Zeit. tot ist. Wir haben daran gedacht, erst später zu heiraten. Woanders, in Deutschland, hätten wir es so gehalten. Aber wer weiß, wann wir hier wieder einmal einem Geistlichen begegnen?«

»Ihr müßt euch nicht entschuldigen«, sagte Irene. »Ich verstehe das voll und ganz.«

»Gut«, sagte Martin erleichtert.

Urilla fragte: »Du bist doch bei unserer Hochzeit dabei?«

Irene sah zu Frazer Bradden hinüber und erwiderte: »Ich weiß nicht, ob ich dann noch hier bin.«

»Bestimmt«, sagte Urilla. »Die Trauung ist in einer Stunde.«

»So schnell schon?« fragte Irene überrascht.

»Ja, so schnell«, nickte Martin. »Mr. Mercer hielt es für besser. Und wir auch. Wenn die Nez Perce wirklich auf dem Kriegspfad sind, ist es wichtig, daß Urilla und ich morgen schon heimkehren. Wir müssen unsere Freunde in Abners Hope vor den Indianern warnen.«

»Ja, das stimmt«, meinte Irene.

Es war wirklich am besten so, auch für Martin und Urilla, fand Irene nach kurzem Nachdenken. Je eher das Paar Molalla Spring wieder verließ, desto besser.

Nicht nur für die beiden.

»Kommst du mit uns?« fragte Urilla.

»Wie?« Irene blickte die Freundin fragend an.

»Urilla möchte wissen, ob du mit uns nach Abners Hope zurückkehrst«, erklärte Martin. »Wir würden uns sehr darüber freuen.«

»Ich weiß nicht«, sagte Irene zögernd.

Natürlich begrüßte sie die Gelegenheit, von dem Treck der Verdammten wegzukommen. Die Frage war nur, ob die Leute aus Greenbush sie so einfach gehen ließen. Sie und Jamie!

»Natürlich würden wir dir helfen, nach Kalifornien zu kommen, um Carl Dilger zu finden«, sagte Martin. »Sobald unser Kind da ist und sich die Indianerunruhen gelegt haben.«

»Ich überlege es mir«, erwiderte Irene.

*