158070.fb2 Der Speer der Vergeltung - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 19

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Eine Stunde später rief das helle, fordernde Läuten der Kirchenglocke die Menschen zur Trauung zusammen. Und sie strömten in die große Kirche, den Mittelpunkt der Missionsstation.

Martin und Urilla, die sich umgezogen hatten und nun ihre besten Kleider trugen.

Martin einen dunklen Anzug, dem man bei näherer Betrachtung allerdings ansah, daß er schon viele Jahre auf dem Buckel hatte. Der sommersprossige Bauernsohn aus der Lüneburger Heide konnte nicht sein erster Besitzer sein.

Urillas hellblaues, rüschenverziertes Kleid stammte noch aus der Zeit als Saloongirl in Kansas City. Aber das sah man dem hochgeschlossenen, wirklich schönen Kleidungsstück nicht an.

Die meisten der Indianer wohnten der Hochzeit bei, so daß die langen Holzbänke nicht für alle Gäste ausreichten. Mehr als dreißig Leute mußten hinter den Bänken stehen. Narcissa Mercer spielte mit mehr Leidenschaft als Können auf einer kleinen Orgel, die in dieser Wildnis bestimmt etwas Besonderes darstellte.

Irene kam in der Begleitung von Eliza Bradden und Anne Myers. Mrs. Bradden trug Jamie im Arm.

Niemandem schien aufzufallen, daß die Männer aus Greenbush sämtlich fehlten.

Nur Irene wunderte sich darüber.

Und sie ahnte Böses.

*

Die lauten Töne der Orgel drangen durch die geschlossene Kirchentür gedämpft zu den sechs Männern, die sich hinter dem Stall des Missionshauses versammelten. Es waren die Braddens und die Myers, sämtlich schwer bewaffnet und mit harten, entschlossenen Gesichtern.

»Wo bleibt bloß Ebenezer?« fragte Frazer Bradden nervös.

»Da kommt er schon«, antwortete sein Bruder und zeigte zur kleinen Hintertür des Missionshauses, durch die der vollbärtige Owen seine massige Gestalt zwängte.

»Ihr wollt es also wirklich tun«, sagte er zu den anderen, als er deren Waffen sah.

»Deshalb sind wir hergekommen«, erwiderte der Treck-Captain hart. »Wie geht es Carol?«

»Wie Mercer sagte, ist sie auf dem Weg der Besserung.«

»Gut«, grinste John Bradden. »Dann brauchen wir den guten Onkel Doktor nicht mehr. Genauso wenig wie ihn unsere Leute noch brauchen, die in Greenbush begraben liegen.«

»Und warum wollt ihr gerade jetzt zuschlagen?« fragte Owen.

»Weil solch eine Gelegenheit so schnell nicht wiederkommt«, antwortete der Mann mit der Narbe. »Die Mercers und fast alle Rothäute sind in der Kirche versammelt. Wir kriegen sie auf einen Streich!«

»Ein paar Rote sind noch bei ihren Hütten«, warf Fred Myers ein.

»Um die kümmern wir uns zuerst«, entschied John Bradden. »Wir machen kurzen Prozeß mit ihnen. Die anderen werden davon nichts mitkriegen, so laut dudelt die Musik.« Der Treck-Captain sah wieder zu Owen und erklärte: »Außerdem sollten wir so schnell wie möglich weiter zur Küste. Wenn die Krieger der Nez Perce hier auftauchen, möchte ich nicht mehr hier sein.« Er zeigte auf die Schlinge. »Machst du mit, Ebenezer? Oder willst du lieber deinen Arm pflegen?«

»Ich mache nicht mit. Aber nicht wegen meiner Verletzung, sondern weil ich kein Mörder bin!«

»Davon haben wir aber im Dorf der Nez Perce nichts gemerkt!« wandte Frazer Bradden ein.

»Damals wußte ich nicht, was ich tat«, erwiderte Owen leise, und seine dunklen Augen blickten traurig. »Der Schmerz um den Verlust meiner Kinder hatte meinen Geist verdunkelt.« »Wie auch immer, komm uns nicht in die Quere, Ebenezer!« warnte John Bradden. »Wir können keine Rücksichten nehmen - auf niemanden!«

Ein Mann bog um die Ecke, blieb erstaunt stehen und fragte: »Was ist denn hier los? Seid ihr auch zu spät dran?«

Es war der alte Walt Hickly, der sich fein herausgeputzt hatte. Der graue Anzug und der gleichfarbige Bowler waren ihm zwar etwas zu groß, wirkten aber gleichwohl feierlich.

Sein Lächeln erstarb, als er die Waffen sah.

»Was soll denn das bedeuten? So etwas braucht man aber nicht bei einer Trauung.« Seine Augen blickten plötzlich skeptisch. »Oder wollt ihr gar nicht zur Hochzeit?«

»Wir wollen das!« rief Frazer Bradden.

Er sprang zu Hickly, zog dabei das große Bowie und schlitzte mit einer raschen Bewegung die Kehle des Alten auf.

Gurgelnd sank Hickly zu Boden. Der Bowler fiel von seinem Kopf. Ein Blutschwall befleckte den Festtagsanzug.

Ebenezer Owen schluckte schwer bei diesem Anblick und stammelte: »Was hat euch dieser Mann getan?«

»Er kam uns in die Quere«, antworte der Mörder kalt und wischte die blutige Klinge an Hicklys Hosenbein ab.

Sein Bruder fügte hinzu: »Wie ich eben schon sagte, wir können keine Rücksichten nehmen. Also halt dich zurück, Ebenezer, wenn du uns schon nicht hilfst!«

Dann marschierten die sechs Männer zu den Hütten der Indianer.

*

Ebenezer Owen hörte keinen einzigen Schuß, nur die Schreie der Sterbenden.

Die Männer aus Greenbush erledigten alles mit der blanken Klinge, um die in der Kirche Versammelten nicht zu warnen. Und sie hatten dabei leichtes Spiel. In den Hütten waren überwiegend Alte, Kranke und kleine Kinder zurückgeblieben.

Der Mann mit dem verletzten Arm war froh, daß er nicht sah, was in den Hütten vor sich ging. Es mußte ein scheußliches Gemetzel sein.

Er konnte es sich vorstellen. Er selbst hatte an so einem Massaker teilgenommen, als sie das Dorf der Nez Perce überfielen.

Sterbende. Verwundete. Schreiende. Vor Todesangst Verstummte. Indianer. Menschen. Ja, sie waren Menschen. Auch wenn sie eine dunklere Hautfarbe und andere Sitten hatten.

Menschen mit Träumen, Hoffnungen und Ängsten. Vor allem aber mit dem Recht zu leben!

Er dachte an die fast zweihundert Menschen in der Kirche und stellte sich vor, wie die Männer aus Greenbush den einzigen Ausgang besetzten und einfach alles zusammenschossen. Dann rannte er los, um sie zu warnen.

Er stolperte in seiner Hast über einen Stein, fiel hin, auf seinen Arm. Ein Schmerz wie von einem glühenden Eisen fuhr durch seinen Körper.

Mit dem gesunden Arm stützte er sich ab, stand auf und lief weiter.

Er riß die Kirchentür auf.

Die Orgelmusik setzte gerade wieder ein und tat alles, um sein Schreien zu übertönen. Nach den ersten Takten kam ein lauter, euphorischer Gesang aus fast zweihundert Kehlen hinzu. Die Menschen dankten singend dem Herrn.

Owen sah nicht viel. Nur die Rücken und Hinterköpfe der Indianer, die dichtgedrängt hinter den Bänken standen.

Er riß einen von ihnen herum und schrie auf ihn ein.

Der Rote mit dem kurzen Haar und dem bunten Baumwollhemd blickte ihn verständnislos an.