158070.fb2 Der Speer der Vergeltung - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 3

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Als er mit dem Oberkörper auf festem Boden lag, durchströmte ihn ein Glücksgefühl. Er genoß es für ein paar Sekunden und zog dann die Beine nach.

Der Freudentaumel verschwand schnell. Die Nähe des Indianers machte Jacob bewußt, daß er sich nicht außerhalb jeder Gefahr befand.

Wo ein Nez Perce war, konnten noch mehr stecken. Der Treck aus Greenbush war gestern von einer ganzen Kriegerhorde angegriffen worden.

Aufmerksam sah er sich auf dem von einer natürlichen Felsbarriere umgebenen Plateau um, auf dem der Wagentreck übernachtet hatte.

Außer dem zusammengebrochenen Nez Perce sah er weit und breit keinen Menschen: Natürlich wäre es sinnvoll gewesen, auch die nähere Umgebung abzusuchen. Aber erst mußte er sich um den Krieger kümmern. Jacob kniete sich neben ihn und drehte ihn vorsichtig auf den Rücken.

Der große dunkle Fleck, der das gelbe Lederhemd über der Brust bedeckte, zeigte Jacob den Grund für den Zusammenbruch. Er schob das Hemd so weit hoch, bis er den Verband sah, der heilende Kräuter auf die Wunde drückte.

Natürlich kannte der Deutsche die wenigsten der Kräuter, und von noch weniger kannte er die Wirkung. Aber es mußten Heilkräuter sein, das war die einzige Erklärung. Sie schienen zu helfen, brachten die Blutung zum Stillstand und verhinderten den gefürchteten Wundbrand.

Aber sie konnten nicht die Kugel aus der Brust des Nez Perce holen.

Jacob hielt sein Ohr gegen die linke Seite des Kriegers, dort, wo das Herz saß. Es schlug, gleichmäßig, aber sehr schwach. Genauso schwach war der Pulsschlag, den Jacob erfühlte.

Kein Zweifel, das Blei in seiner Brust preßte das Leben aus dem Nez Perce. Der Zusammenbruch des Kriegers war der Anfang vom Ende. Er würde innerhalb weniger Stunden sterben, wenn ihm niemand half.

Aber wer konnte ihm helfen?

Molalla Spring, wo der Missionar und Arzt Simon Mercer wohnte, lag viele Meilen im Westen, drei oder vier Tagesreisen.

Und die eigenen Leute, des verwundeten Kriegers?

Jacob wußte nichts über sie. Er wußte nicht einmal, ob es nach dem Massaker im Dorf der Nez Perce und nach der gestrigen Schlacht noch Leute gab, zu denen der Bewußtlose gehörte.

Es gab nur einen Menschen, der dem Indianer helfen konnte: Jacob.

Traurig blickte der junge Deutsche nach Westen, wo die Sonne gerade hinter eine scharf gezackte Felsenreihe wegtauchte.

Er spürte, daß Irene seine Hilfe brauchte. Doch Irene war weit weg.

Und dieser Indianer vor ihm würde sterben, wenn Jacob nichts für ihn tat.

Es war eine schwierige Entscheidung, vielleicht die schwierigste seines Lebens.

*

»Nein, laß das!« schrie Ebenezer Owen, packte Frazer Bradden am Kragen und riß ihn zurück.

Der Mann mit dem Bowiemesser stolperte, taumelte und mußte mit den Armen heftig in der Luft herumrudern, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Rasch stand Irene, die noch am Boden kniete, auf. Ihre Glieder zitterten, ihre Beine waren wie Pudding. Sie hielt sich an einem Baumstamm fest und hoffte, daß Owen sie vor dem Schicksal bewahrte, das der wahnsinnige Bradden ihr zugedacht hatte.

»Was ist denn?« fauchte Bradden den anderen Mann ungehalten an. »Warum läßt du mich die Schlampe nicht erledigen?«

»Weil das Mord wäre!« erwiderte der vollbärtige, massige Owen entschlossen. »Du kannst doch nicht einen Menschen deshalb umbringen, weil er zu den Rothäuten eine andere Einstellung hat als wir!«

Bradden zog die Augen zu Schlitzen zusammen und fragte: »Warum nicht?«

»Du bist verrückt, Frazer«, erkannte Owen endlich und schüttelte ungläubig den Kopf. »Vollkommen verrückt!«

»Macht das was aus?«

Noch während er sprach, sprang Bradden vor und hieb den schweren Bügelgriff seines Messers gegen Owens Stirn.

Der Getroffene stürzte zu Boden. Ein blutiger Riß klaffte über seinem linken Auge.

Bradden stand über ihm, das Bowie drohend erhoben, und knurrte: »Du stellst dich Frazer Bradden nicht noch einmal in den Weg, Ebenezer. Merk dir das!«

Irene löste sich von dem großen Pinyonbaum und wollte davonlaufen.

Abrupt wirbelte Bradden herum und schrie: »Bleib da, Dutch-Squaw! Ich kriege dich doch, und dann wird alles nur noch schmerzhafter für dich!«

Die Frau gefror, aber nur äußerlich.

Innerlich kochte Irenes Blut, und ihr Herz raste.

Aber sie gehorchte und blieb stehen.

Bradden hatte recht, sie hatte keine Chance, wenn sie versuchte, in ihrem langen Kleid durch das dichte Gehölz zu fliehen. Er würde sie einholen, wie schon einmal.

»Brav«, grinste Bradden in satanischer Zufriedenheit, während er sich Irene langsam näherte. »Wenn du weiter so brav bist, blonde Squaw, werde ich dir die Kopfhaut ganz schnell abziehen. Du wirst kaum etwas davon merken.«

»Sie wird es gar nicht merken, denn es wird nicht passieren!«

Diesmal war es Frazer Bradden, der mitten in der Bewegung gefror. Verantwortlich dafür war Ebenezer Owens aufgeregte Stimme und mehr noch das gefährliche metallische Klicken, das sie begleitete. Dieses Klicken war das Geräusch, das beim Zurückziehen eines Revolverhahns entstand.

Ganz langsam drehte sich Bradden um und sah den 36er Whitney Navy in Owens großer Faust. Die dunkle Mündung zeigte auf Braddens Bauch.

»Das wirst du doch nicht tun, Ebenezer!« sagte Bradden im beschwörenden Ton. »Du wirst doch nicht auf deinen alten Freund Frazer schießen!«

»Wenn du das Messer nicht sofort fallen läßt, werde ich es tun!« erwiderte Owen hart.

Obwohl der massige Mann am Boden kniete, sah er nicht aus, als ob er bluffte. Sein Gesicht machte einen verbissenen Eindruck. Das Blut, das von der Wunde über dem Auge über die Wange rann und den Bart benetzte, verlieh ihm ein fast diabolisches Aussehen. Die rechte Faust umklammerte den Griff des Whitneys so fest, daß die Knöchel weiß hervortraten.

Alles in und an Ebenezer Owen verkrampfte sich, während er abwartete, wie Bradden sich verhielt.

Gerade darin sah der Mann mit dem Messer seine Chance. Ein Mensch, der sich verkrampfte, mußte sich erst wieder entkrampfen, bevor er etwas unternehmen konnte. Das kostete wertvolle Sekundenbruchteile, die Bradden schneller sein konnte.

Trotz des Wahns, der von ihm Besitz ergriffen hatte, stellte er diese Überlegungen fast kühl an. Diese Fähigkeit zum taktischen Überlegen war eine der Ursachen für die Gefährlichkeit seines Wahnsinns.

Und dann handelte Frazer Bradden... »All right, du hast gewonnen«, sagte er zu Owen und ließ die Rechte sinken, so als wolle er das Bowiemesser tatsächlich fallen lassen.

Seine Faust öffnete sich, aber nicht um das Bowie einfach loszulassen. Gleichzeitig machte der rechte Arm eine blitzschnelle Bewegung nach vorn, womit Bradden seine Geschicklichkeit im Umgang mit der Blankwaffe verriet.

Das Messer flog durch die Luft, fast zu schnell für das menschliche Auge, und bohrte sich in Owens rechten Oberarm. So tief, daß die blutige Spitze an der anderen Seite wieder hervortrat.