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XLVI
Es wurde Abend, als die anatolische Küste in Sicht kam. Eine wolkenverhangene bewaldete Hügelkette erhob sich hinter dem schmalen Küstenstreifen. Etwa fünfzig Meilen östlich blinkte ein Leuchtturm auf dem Kap von Sinop. Andere Lichter waren nicht zu sehen.
«Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?», fragte Vallon.
Hero nickte. «Bardas hat hier mehrere Male angelegt, um Bauholz zu laden. Er sagt, hier sind Jason und seine Argonauten auf der Suche nach dem Goldenen Vlies an Land gegangen. Und Xenophon hat seinen Zug der Zehntausend hier entlanggeführt. Wir treten in die Fußstapfen von Göttern und Helden.»
Vallon lächelte. «Bleiben wir lieber mit den Füßen auf dem gewöhnlichen Boden. Wie kommen wir über die Berge?»
«Ein Holzfällerweg führt in die Hügel. Wir kommen durch ein paar Weiler. Wenn wir die ganze Nacht durchreiten, sollten wir bis zum Hellwerden in unbewohntem Gebiet sein. Wir überqueren die Gebirgskette auf einem Pass zwischen zwei hohen Gipfeln. Danach halten wir uns Richtung Süden.»
Vallon hörte das leise Rauschen der Wellen, die auf den Strand liefen und sich wieder zurückzogen. «Sind die Pferde bereit?»
«Wir satteln gerade das letzte», antwortete Wayland aus dem Laderaum.
Drogo stand grübelnd mittschiffs. «Gib Bardas, was wir ihm noch schulden», sagte Vallon zu Hero.
Als Hero zurückkam, waren sie nahe genug an der Küste, um die weiße Gischt der Brandungswellen zu erkennen, die sich an den Landspitzen brachen.
«Alles erledigt», sagte Hero. «Wir sind beinahe blank.»
«Ich glaube nicht, dass wir dort, wo wir hingehen, viel mit Silber anfangen können.»
Sie liefen in eine Bucht zwischen zwei bewaldeten Landzungen ein. Bardas wartete den letzten Moment ab, um die Segel zu streichen. Der Wanderer glitt auf den Strand, und Wayland ging mit Syth an Land, um sicherzustellen, dass niemand in Sicht war. Die Seeleute legten eine Planke vom Laderaum zum Vordeck. Sie redeten den Pferden so lange gut zu, bis sie zögernd aufs Vordeck stiegen. Dann legten sie die Planke vom Dollbord auf den Strand, und Vallon führte mit Hero die Pferde an Land.
Syth rannte wieder auf das Schiff zu. «Alles menschenleer. Wayland hat den Weg gefunden.»
Bardas wünschte ihnen Lebewohl, schüttelte jedem Einzelnen die Hand und segnete sie. Als er zu Syth kam, nahm er die Schnur mit dem Kreuz ab und legte sie ihr um den Hals. «Das Kreuz hat meiner Mutter gehört», erklärte er ihr. «Ich hätte es meiner Tochter gegeben, wenn mir Gott eine geschenkt hätte.» Syth küsste den hässlichen alten Seebären auf die Wange, und er berührte die Stelle, als sei ihm ein himmlischer Segen zuteilgeworden.
Die Mannschaft schob das Schiff wieder ins Wasser.
«Aufsitzen», befahl Vallon.
Der Wanderer wurde in die Dunkelheit hinausgerudert, und da hörten sie ein lautes Platschen.
Hero drehte sich mit einem Stöhnen um. «Ihr wisst, was das bedeutet, oder?»
Fluchend zog Vallon sein Schwert, stieg ab, hastete zum Ufer und spähte in die Finsternis.
«Wir können ihn nicht mitnehmen», sagte Hero. «Er wird jede Chance zunichtemachen, Walter zu befreien.»
Drogo watete ans Ufer und blieb einige Schritte vor ihnen stehen. Vallon hob sein Schwert. «Ich habe dir Gnade gewährt, als du sie nicht verdient hattest. Jetzt lässt du mir keine Wahl.»
Drogo breitete die Arme aus. «Dann mach schon. Töte mich. Und was hast du davon? Du besitzt nichts, um Walter auszulösen. Deine Anstrengungen waren umsonst, und ich will dabei sein, wenn du dir deine Niederlage eingestehen musst.»
«Warum sollte ich dir diese Genugtuung verschaffen?»
Drogo trat auf Armeslänge vor ihn. «Ich kann dir jetzt nicht schaden, und du vergisst, was ich für dich getan habe. Ohne Fulk und mich wärst du nie in Nowgorod angekommen. Und wenn Fulk die Kumanen nicht aufgehalten hätte, wärst du an der Furt krepiert.»
Caitlin legte Vallon die Hand auf den Arm. «Hör nicht auf ihn.»
Vallon schob ihre Hand weg und packte Drogo am Kittel. «Lass mich dir mal etwas erklären. Ich habe diese Expedition als Buße unternommen. Spar dir das dreckige Grinsen. Ich habe geschworen, keinen Menschen zu töten, es sei denn, er brächte meine Leute und mich in Lebensgefahr. Das ist der einzige Grund dafür, dass ich dich nicht schon auf Island umgebracht habe.»
«Dann werde ich dir keinen Grund liefern, deinen Eid zu brechen.»
Vallon schob ihn weg. «Nimm das Ersatzpferd. Und bleib mir aus den Augen.»
Vallon stieg wieder auf und kehrte dem Meer den Rücken. Hero ritt neben ihn. «Was Walter wohl denkt, wenn wir mit seinem verhassten Stiefbruder im Feldlager des Emirs auftauchen?»
«Es ist mir gleich, was Walter denkt. Ich kenne den Mann schließlich nicht einmal. Drogo hat recht. Dieses Unterfangen war nichts als Eitelkeit und Verblendung.»
«Auch wenn überhaupt nichts dabei herauskommt, werde ich stolz sein, wenn Ihr uns eines Tages an Suleimans Hof führt. Niemand vor uns hat je solch eine lange und abenteuerliche Reise unternommen.»
«Sie hat Richard und Raul das Leben gekostet.»
«Richard hat seine Entscheidung mitzukommen keinen einzigen Augenblick bereut. Und ich auch nicht.»
Sie ritten inzwischen durch den Wald. Vallon streckte die Hand aus und drückte Heros Arm. «Das ist tröstlich.»
Hero beugte sich zu ihm herüber. «Und Drogo weiß nichts von dem verlorenen Evangelium. Vielleicht hält das Schicksal ja doch noch ein oder zwei Überraschungen bereit.»
Wayland führte die Gruppe den ansteigenden Waldweg hinauf. Die Pferdehufe rutschten laut über den steinigen Untergrund, und sie waren noch nicht weit gekommen, als ein Hund zu bellen anfing und von einer Stimme zur Ruhe gemahnt wurde. Noch zwei weitere schlafende Haushalte weckten sie auf. Vor einem der Gehöfte rannten zwei zähnefletschende Wachhunde auf den Weg und erschreckten die Pferde, bevor Wayland sie vertrieb. Die ganze Nacht stiegen sie zwischen immergrünen Eichen und Esskastanienbäumen höher. Als es dämmerte, waren keine Ansiedlungen mehr zu sehen, und sie hielten bei einem Fluss in einer Kalksteinschlucht.
Nachdem sie gegessen hatten, schliefen sie bis mittags und setzten dann ihren Aufstieg zwischen nebelverhangenen Kiefern fort. Die Dunstschwaden wurden immer dichter, zogen kalt und grau vom Gipfel herab. In den Senken lag Schnee, und die Pferde keuchten angestrengt in der dünner werdenden Luft.
Als sie aus dem Nebel herauskamen, sahen sie die beiden Gipfel blendend weiß aus einer Wolkenbank ragen. Sie ritten zur Passhöhe weiter, der Schnee reichte den Pferden nun bis zu den Fesseln. Oben auf dem Schneefeld glitt ein Raubvogel mit dem Umriss eines Riesenfalken niedrig und langsam über ihren Weg, ein Flügel streifte beinahe den Schnee. Sein Kopf schimmerte golden im Sonnenlicht, und er sah sie mit blutroten, schwarzumrandeten Augen, unter denen ein schwarzer Bart hing, so durchdringend an, dass jeder Einzelne von ihnen das Gefühl hatte, unversehens vor seinem Richter zu stehen.
Sie quälten sich über den Pass, ihre Schatten begleiteten sie in den flachen Sonnenstrahlen als langgezogene, magere Schemen. Jenseits der Wasserscheide fiel die Gebirgskette in dünn bewaldeten Berggraten ab, die zu einem unfruchtbaren Hochplateau hin ausliefen, das sich als eintönige Welt der Horizontalen bis weit in die Ferne zog, wo es sich in einem rosigen Hauch aufzulösen schien. Dann verblassten die Sonnenstrahlen unversehens, und das Land versank in trübem, bleiernem Grau. Sie führten ihre Pferde durch kalte Schatten abwärts und waren immer noch oberhalb der Schneegrenze, als es zu dunkel wurde, um noch etwas zu sehen. Wayland fand einen geschützten Platz unter einem Felsvorsprung, wo sie viele alte Feuerstellen und Knochen entdeckten. Die Flammen ihres Lagerfeuers warfen Schattenspiele auf die Felswände und erweckten Bilder von Tieren und Jägern zum Leben, die vor zehntausend Jahren gestorben waren.
Am nächsten Morgen stiegen sie bis zum Hochplateau ab und machten sich an dessen Überquerung. Sie blieben den ganzen Tag im Sattel, immer dieselbe eintönige Landschaft vor Augen. Gegen Abend erreichten sie die obere Kante eines steilen Geländeabbruchs und entdeckten in dem weiten Talkessel unter sich überall die fledermausförmigen Formen von Nomadenzelten. Über Dutzenden von ihnen schwebte der Rauch von Kochfeuern. Sie schlugen einen weiten Bogen und lagerten in einer Schlucht des Ödlandes. Dort aßen sie und starrten in die roten Flammen des Lagerfeuers, in dem die Gedanken aller Reisenden in der Wildnis geschmiedet werden.
«Wie viel haben wir noch zu essen?», fragte Vallon Hero.
«Genug, um noch einen oder zwei Tage durchzuhalten.»
«Ich habe kein Futter mehr für den Gerfalken», sagte Wayland.
Vallon stocherte mit einem Zweig im Feuer herum. «Wir können den Nomaden nicht mehr lange ausweichen. Wir geben beim nächsten Lager auf und bitten sie, einen Boten zum Emir zu schicken.»
«Sie könnten uns töten», sagte Drogo.
«Der Emir hat Cosmas eine Art Schutzbrief gegeben», wandte sich Vallon an Hero. «Hast du ihn noch?»
«Er ist in meinem Kasten.»
«Halte ihn bereit.»
«Nomaden können aber nicht lesen», sagte Drogo.
«Sie werden das Siegel des Emirs erkennen.»
«Und was ist, wenn sie zu einem rivalisierenden Clan gehören?»
Vallon warf den Zweig ins Feuer. «Drogo, warum hältst du nicht einfach den Mund?»
Zur Mittagszeit des nächsten Tages arbeiteten sie sich eine Schieferrinne zu einem Gebirgssattel hinauf, den die Pferde auf dem losen Gestein nur mühsam bewältigten. Ein grässlicher Wind blies ihnen Staub ins Gesicht, sodass sie mit zusammengekniffenen Augen ritten und die berittenen Seldschuken nicht sahen, die sie leise wie Katzen einkreisten, sodass sie sich mit einem Mal zwischen ihnen wiederfanden. Es waren sechs, nein doppelt so viele. Und als Vallon sich umsah, wurden es immer mehr, bis ihnen schließlich zwanzig berittene Soldaten den Weg versperrten. Sie saßen mit lässigem Aplomb auf ihren Pferden, die Lanzen vertikal in den Händen, die Wimpel unter den Eisenspitzen flatterten im Wind. Alle trugen Bögen mit Doppelkrümmung an ihren Gürteln oder quer über die Sättel gelegt. An Seitenwaffen waren sie mit Schwertern und Keulen ausgerüstet, und jeder Mann trug auf dem Rücken einen runden Holzschild.
«Keiner rührt sich.»
Hero tastete unter seinem Gewand herum, ohne den Blick von den Seldschuken zu lösen. Er fand den Schutzbrief und hielt ihn in die Höhe. «Von Emir Suleiman», rief er auf Arabisch. «Seht, sein tughra.»
Wie Öl, das sich auf Wasser trennt, hatten die Seldschuken zwei Kolonnen gebildet. Einige stiegen von ihren elegant tänzelnden Pferden und kamen näher. Breite, glatte Gesichter, auf denen Ruß und Wollfett glänzten. Lebhafte, achatgrüne Augen. Sie trugen gesteppte Wickelmäntel, deren Seitennähte unterhalb der Taille offen waren, Filzhosen, die sie in ihre hohen Stiefel gesteckt hatten, und kegelförmige Hüte mit Pelzrand. Einige hatte sich gegen die Kälte in Schafsfelle gewickelt.
Einer nahm Hero das Dokument aus der Hand und reichte es einem Offizier, der einen Wappenrock aus Seide trug. Er konnte kaum älter sein als zwanzig, und sein Gesicht glänzte wie ein Apfel. Nachdem er das Siegel gemustert hatte, hielt er es seinen Männern zu Beurteilung hin.
Sie kamen überein, dass es sich um Suleimans tughra handelte, und sein Name wurde von einem zum anderen weitergegeben.
Der junge Seldschuken-Hauptmann wandte sich in seiner gutturalen Sprache an Hero.
«Ich verstehe Euch nicht», sagte Hero. «Spricht einer von Euren Leuten arabisch?»
Der Hauptmann rief einen Reiter mit dunklerer Haut und schärferer Nase, als seine Kameraden sie besaßen, zu sich. Der Mann ritt auf Hero zu. «Was wollt Ihr von Seiner Exzellenz?»
Hero dankte ihm im Stillen für die «Exzellenz». Seine Wortwahl bedeutete, dass diese Seldschuken in den Diensten des Emirs standen. «Wir sind auf dem Weg zum Hauptquartier, um einen Soldaten freizukaufen, der bei Manzikert gefangen genommen wurde.»
Das war ein Name, den sie erkannten. Grinsend schubsten sie sich an, während der Arabischsprecher für seinen Hauptmann übersetzte. Dann wandte er sich wieder an Hero. «Was habt Ihr als Auslösung mitgebracht?»
Wayland hielt den Falkenkäfig vor sich im Sattel. Hero deutete darauf. «Shaheen», sagte er. «Edelfalke.» Er kannte das arabische Wort für Gerfalke nicht.
Der Seldschuken-Hauptmann zog sein Schwert und hob mit der Spitze das Tuch von dem Käfig. Der erschreckte Falke begann mit den Flügeln zu schlagen, und der Hauptmann zuckte zurück. Seine Männer lachten. Der Hauptmann lachte ebenfalls, bevor er das Tier genauer in Augenschein nahm. «Sonqur», erklärte er seinen Männern. «Chagan sonqur.»
Er taxierte die Reisenden erneut, sah die Frauen nur flüchtig an, dann blieb sein Blick an Vallon hängen. Er nahm den juwelenbesetzten Schwertknauf zur Kenntnis, sah Vallon in die Augen und neigte kaum merklich das Kinn. Vallon nickte zurück. Auf ein scharfes Kommando hin nahmen die Seldschuken um die Gefangenen herum Aufstellung. Ein weiterer Befehl, und sie ritten los. Zwei der Reitersoldaten galoppierten über den Gebirgssattel voran, um die Nachricht von ihrer Gefangennahme zu überbringen.
Die Seldschuken ritten ohne Pause, und sie ritten immer noch, als es schon lange dunkel geworden war und ihre Gefangenen vor Müdigkeit im Sattel zusammensackten. Es begann zu schneien. Vallon fragte sich schon, ob sie blind durch die Nacht reiten sollten, als irgendwo vor ihnen ein Hund zu bellen anfing und ein Mann einen Gruß rief. Die Seldschuken hatten ein Nomadenlager gefunden. Der Hauptmann befahl den Gefangenen abzusteigen. Während seine Männer ihre Pferde wegführten, führte er sie in ein geräumiges Wollzelt. Taumelnd vor Kälte und Erschöpfung zogen sie ihr Schuhwerk aus und ließen sich ums Lagerfeuer nieder.
Im Hintergrund liefen drei Generationen Nomaden durcheinander, die ein Essen kochten. Die meisten von Vallons Gruppe waren im Sitzen eingeschlafen, als das Oberhaupt der Familie unterstützt von weiteren Familienmitgliedern einen in Hammelfett schwimmenden Kichererbseneintopf hereintrug. Auf Waylands Bitte hin erklärte Hero dem Seldschuken-Hauptmann, dass der Falke seit zwei Tagen nichts gefressen hatte. Einer der Seldschuken ging hinaus und brachte ein lebendes Hühnchen herein. Wayland drehte dem Tier den Hals um, viertelte es, nahm den Falken aus dem Käfig und fütterte ihn. Die Seldschuken verfolgten jede seiner Gesten mit größter Aufmerksamkeit und wechselten bewundernde Kommentare. Die Atmosphäre entspannte sich. Der Hauptmann erzählte ihnen, sein Name sei Chinua, das bedeute «Wolf», und dass er bei Manzikert gekämpft und viele Griechen getötet habe. Er fragte seine Gefangenen, auf welchem Weg sie nach Anatolien gekommen seien, und Hero erzählte einen Teil ihrer Geschichte. Die Seldschuken hörten sehr interessiert zu und schmückten die Passagen, die sie verstanden, noch aus, als würde es sich um eine Geschichte handeln, die ihnen auf den Knien ihres Großvaters oder ihrer Großmutter erzählt wurde.
Einige der Nomaden waren schon auf den Beinen, als Vallon tief in der Nacht aufwachte und vor das Zelt trat. Es hatte aufgehört zu schneien, und eine Million Sterne funkelte am schwarzblauen Firmament. Die Luft war schneidend kalt, und unter seinen Schritten knirschte der Frost. Er war fast mit Pissen fertig, als ein großer, welliger Eisbrocken vor ihm buckelte wie ein Monsterschneehuhn und drei Kamele schlingernd auf die Füße kamen, wobei ihnen die Schneeschicht von den Flanken rutschte. Schnee hing auch in ihren Wimpern, und von ihren Mäulern hingen winzige Eiszapfen herunter.
Vor dem Morgengrauen waren sie schon wieder unterwegs, ritten ein breites Flusstal hinauf, in dem überwinternde Nomaden ihr Lager aufgeschlagen hatten. Nach zwei weiteren Tagen erreichten sie eine steinige Anhöhe und sahen einen milchig blauen See, der sich bis zum Horizont erstreckte und von flachen, schneeweißen Salzpfannen umgeben war. Tuz Gölu, erklärte ihnen Chinua. Der Große Salzsee. Sie schlugen ihr Lager an seinem Ostufer in der Nähe eines uralten Steinturms auf, und am nächsten Morgen ritten sie auf den Resten einer gepflasterten Römerstraße weiter nach Süden. Der See hatte keinen Abfluss, und die Flüsse, die ihn speisten, sickerten von Süden her durch ein verwuchertes Gebiet mit Röhricht und Sumpfarealen ein. Sie ritten weiter über eine Ebene, die an den tiefen Schatten eines Berges endete, den zwei vereiste Kegelspitzen krönten. Die Sonne verwandelte die Hänge in Reliefs, als sie sich auf einer breiten Handelsstraße westwärts wandten. In beiden Richtungen waren Reisende unterwegs, und als das letzte Rosarot des Himmels auf den vereisten Zwillingsgipfeln hinter ihnen verblasste, klapperten die Hufe ihrer Pferde durch das Backsteinportal einer Karawanserei auf der Seidenstraße östlich von Konya.
Sie schliefen in einem Schlafsaal gemeinsam mit anderen Reisenden und waren noch vor dem Hellwerden zurück auf der Straße nach Konya. Zehn Meilen weiter verließen sie die Handelsstraße und bogen Richtung Norden in eine Ebene ab, durch die sie einem pappelgesäumten Flusslauf folgten. Sie kamen an schwarzen Ziegenhaarzelten vorbei und ritten durch Herden von Fettschwanzschafen und struppigen Ziegen, die von Hunden bewacht wurden. Die kristallinen Salzpfannen des Großen Salzsees waren wieder zu sehen, als sich Chinua in seinem Sattel aufrichtete und auf eine Zeltstadt deutete, die sich in der Ebene erhob.
«Suleiman.»
Hero grinste Vallon an. «Wir haben’s geschafft.»
Als die Ansammlung von Zeltkiosken und Pavillons näher kam, überfiel Vallon die Vorahnung eines drohenden Zusammenbruchs. Nachdem er so lange unterwegs gewesen war, hatte er vergessen, dass auch die längste Reise einmal zu Ende gehen muss.