158074.fb2 Der Thron der Welt - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 53

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XLVIII

Die Erlaubnis, Sir Walter zu besuchen, erreichte sie am nächsten Nachmittag. Vallon machte sich zusammen mit Hero und Wayland auf den Weg. Er hatte darauf bestanden, dass Drogo separat untergebracht wurde, und er hatte nicht vor, ihm in diesem Stadium eine Begegnung mit seinem Bruder zu gestatten.

Zwei Seldschuken eskortierten sie. «Wann werdet Ihr Walter von Drogo erzählen?», fragte Hero.

«Ich warte einen günstigen Moment ab.»

«Er wird vermutlich denken, Ihr treibt ein doppeltes Spiel.»

«Ich weiß. Ich hätte Drogo an dem Abend töten sollen, an dem wir an Land gegangen sind, aber ohne ihn und Fulk wären wir heute nicht hier. Es ist schwer, kaltblütig jemanden niederzustechen, mit dem man Seite an Seite gekämpft und der einen engen Freund verloren hat.»

Die Eskorte ging voraus zu einem kleinen Pavillon auf der anderen Seite des Lagers. Einer der Männer rief auf Türkisch etwas durch die Zeltklappe. Eine Stimme antwortete in derselben Sprache. Die Seldschuken riefen erneut, der Eingang wurde geöffnet, und ein feingliedriger Jüngling mit geschminkten Augenlidern hastete heraus und bedeckte sein Gesicht. «Tch!», sagte einer der Soldaten von der Eskorte. Der andere schlug dem Jüngling ins Gesicht und schimpfte ihm nach, als er davonlief. Vallon starrte mit zusammengepressten Lippen vor sich hin.

Die Eskorten schoben die Besucher in das Zelt. Vallon betrat das mit Teppichen ausgelegte Geviert zuerst, dann kam Hero und als Letzter ein zaudernder Wayland. Walter räkelte sich auf einem Diwan, gekleidet in ein loses persisches Gewand, einen Krug Wein und zwei leere Becher neben sich auf einem Messingtablett. Seine erstaunte Miene verriet, dass er keine Ahnung hatte, wer sie waren. Er erhob sich und ließ seinen Blick vom einen zum anderen wandern. Sein Aussehen kam Vallons Vorstellung von ihm sehr nahe – schlank und breitschultrig, blonde Locken, ein tief eingekerbtes, eckiges Kinn. Und, vielleicht als Hinweis auf spätere Hängebacken, leichte Tränensäcke unter den Augen. Sein Lächeln enthüllte perfekte weiße Zähne.

«Ihr seid im Vorteil. Seid Ihr Diplomaten? Seid Ihr eine Gesandtschaft aus Konstantinopel?»

«Ich bin Vallon, ein fränkischer Glücksritter. Das hier ist Hero, ein griechischer Wissenschaftler. Und diesen Mann kennt Ihr …»

Doch Walter hatte die Gestalt, die am Eingang stehen geblieben war, inzwischen erkannt. «Wayland? Bei Gott, ich glaub es nicht.» Er schritt auf Wayland zu und legte ihm die Hände auf die Schultern. «Du bist es wirklich. Wie erwachsen du geworden bist. Wie ernst du mich ansiehst.» Er drehte sich zu Vallon um. «Ich fasse es nicht. Hat das etwas mit der Auslöseforderung zu tun?»

«Ja. Es würde einen Tag dauern, wenn wir die ganze Geschichte erzählen wollten.»

«Meister Cosmas?»

«Ist tot. Er hat versucht, Euer Lösegeld in Konstantinopel zu beschaffen. Als ihm das nicht gelang, hat er sich mit Hero auf den Weg nach England gemacht. Ich bin ihnen in den Alpen begegnet, wo Cosmas im Sterben lag, und ich habe mich bereit erklärt, die Reise an seiner statt fortzusetzen. Wir haben Eure Heimat im Februar erreicht. Eure Mutter hat ihre Ländereien in der Normandie beliehen, um die Mittel zu Eurer Freilassung aufzubringen. Seitdem sind wir auf dem Weg hierher.»

Walter öffnete den Mund, doch ihm gingen zu viele widersprüchliche Gedanken durch den Kopf, sodass er nur sagte: «Ich vernachlässige Eure Bequemlichkeit. Bitte, setzt Euch. Ich werde Euch etwas Wein bestellen.» Er ging zum Eingang und rief einem Diener seinen Wunsch zu. Als er sich wieder umdrehte, fuhr er Wayland mit der Hand über den Rücken und lächelte. «Mein guter Wayland. All das aus Liebe für deinen Herrn.»

Vallon und Hero hatten sich auf den Diwan gesetzt. «Bevor Ihr fragt», sagte Vallon, «ich bin in der Absicht hierhergekommen, die Belohnung einzufordern, die Ihr Cosmas versprochen habt.»

«Das Thomasevangelium und den Brief des Priesterkönigs Johannes», sagte Hero.

Walter warf einen Blick zum Eingang. «Wo bleibt denn der Diener?»

Vallon nahm einen Becher von dem Tablett. «Wir haben Euch in einem delikaten Augenblick unterbrochen. Er will Euch vermutlich nicht stören, während Ihr Besuch habt.»

Walters Lächeln erstarrte. «Ich bediene Euch selbst.»

Er holte frische Becher. Seine Hand zitterte beim Einschenken.

«Das Evangelium und den Brief», wiederholte Hero. «Habt Ihr sie noch?»

«Sie sind in Sicherheit», sagte Walter und gab ihnen den Wein. «Nicht hier.» Er hob einen Becher. «Also hat meine Mutter die Lösegeldsumme aufgebracht?»

«Einen Teil.»

Walter leerte seinen Becher in einem Zug. «Ich hätte nicht gedacht, dass die Ländereien auch nur ein Viertel der Summe einbringen, die Suleiman gefordert hat.»

«Wir lösen Euch auch nicht mit Gold aus. Der Emir hat eine Alternative genannt. Zwei weiße Gerfalkenpärchen. Wir haben beinahe ein Jahr damit verbracht, sie zu suchen.»

«Und Ihr habt sie gefunden?»

«Wir haben einen – einen Falken, meine ich.»

«Nur einen?»

«Die übrigen sind eingegangen.»

«Was sagt Suleiman dazu?»

«Er wird seine Entscheidung heute Abend bekannt geben.»

Walter stellte seinen Becher ab und zog eine Grimasse. «Das ist seltsam. Wenn er vier Falken zur Bedingung gemacht hat, wird er sich nicht mit weniger zufriedengeben.»

«Das tut mir leid. Wayland hat die Falken mit allergrößter Sorgfalt gepflegt.»

Walter rang sich ein Lächeln ab. «Wisst Ihr, Vallon, vielleicht wäre es besser gewesen, Ihr wärt gar nicht erst gekommen.»

Vallon durchbohrte ihn beinahe mit seinem düsteren Blick.

Walter sah weg. «Ein Söldner, sagt Ihr. Wärt Ihr vielleicht so freundlich, mir genauer zu erklären, was Euch dazu gebracht hat, diese Reise auf Euch zu nehmen?»

«Das Evangelium und der Brief. Wir können ein anderes Mal ausführlicher über meine Beweggründe sprechen. Im Augenblick ist es wichtiger, dass Ihr uns sagt, was für ein Mann Suleiman ist.»

Walter nahm den Krug und hielt ihn hoch. Vallon legte die Hand über seinen Becher. Also füllte Walter nur seinen eigenen auf und ließ sich auf die Kissen sinken. «Sein Vater war Kutalmiş, ein Cousin Alp Arslans, und ein früherer Anwärter auf das Sultanat des Seldschukenreiches. Als Kutalmiş starb, wurden Suleiman und seine drei Brüder des Verrats beschuldigt und mussten ins Taurusgebirge flüchten, um ihr Leben zu retten. Alp Arslan hat ihnen Suchtrupps hinterhergeschickt, und bis auf Suleiman haben sie alle Brüder getötet. Als er aus den Bergen zurückkam, war er zum Anführer sämtlicher Turkmenen in Südanatolien aufgestiegen.» Walter trank einen Schluck. «Das sagt Euch alles, was Ihr über Suleimans Charakter wissen müsst.»

«Warum hat ihm der Sultan den Titel eines Emirs verliehen?»

«Er hatte kaum eine andere Wahl. Suleimans Armee ist zu mächtig, Alp Arslan kann sie nicht besiegen. Davon abgesehen passt es dem Sultan ganz gut, einen starken Seldschukenverband in Westanatolien zu haben. Suleimans Gebiet wirkt wie ein Puffer gegen die Byzantiner, und der Sultan weiß, dass der Emir ihn nicht in Persien angreifen wird, weil er dann sein eigenes Land ungeschützt lassen müsste.»

«Also schielt Suleiman auf den Thron der Seldschuken.»

«Er ist mehr daran interessiert, seine Position in Anatolien zu stärken. Seit Manzikert nutzt er den Machtkampf in Konstantinopel für sich, indem er sich einmal mit dieser und einmal mit jener Fraktion verbündet. Lasst Euch nicht von seinem ungeschliffenen Benehmen täuschen. Suleiman ist so raffiniert, wie man es sich nur denken kann.»

«Eure eigene Situation scheint Euch keine großen Sorgen zu bereiten.»

«Wie Ihr seht, habe ich es ja denkbar bequem. Ich bin sogar ein recht hoch geschätztes Mitglied im Kriegsrat des Emirs. Er ist davon überzeugt, dass die Christenheit einen Kreuzzug gegen den Islam führen und zuerst in der Nähe der Pilgerstraßen zuschlagen wird, die jetzt von Suleiman kontrolliert werden. Von mir erwartet er militärstrategischen Rat, ganz besonders, was den Einsatz von schweren Reitern angeht. Davon abgesehen, bin ich an seinen Verhandlungen mit den Byzantinern beteiligt.»

«Also habt Ihr die Seiten gewechselt.»

Damit berührte er offenbar einen wunden Punkt. Walter zuckte zusammen und verschüttete etwas von seinem Wein. «Die Byzantiner sind auf niemandes Seite, nicht einmal auf ihrer eigenen. Kaiser Romanos wurde bei Manzikert besiegt, weil er Verräter in den eigenen Reihen hatte. Der Sultan hat ihn im Austausch für einen Friedensvertrag und ein Heiratsabkommen in allen Ehren aus der Gefangenschaft entlassen. Und was haben die Byzantiner getan? Sie haben ihm die Augen ausgestochen und ihn mit wimmelnden Wundmaden in seinen toten Augenhöhlen in die Wildnis verstoßen. Als der Sultan von dem Mord hörte, hat er den Friedensvertrag für nichtig erklärt.»

Vallon hatte seinen Wein nicht angerührt. «Habt Ihr beim Emir um Eure Freilassung ersucht?»

«Nein.»

«Und wenn Ihr es tun würdet?»

Walter dachte eine Weile nach. «Ich glaube, er würde mein Gesuch bewilligen.»

«Warum habt Ihr dann nicht darum gebeten?»

Walter drehte seinen Becher in den Händen. «Um die Wahrheit zu sagen: Mir gefällt dieses Leben hier. Ich trinke Wein statt Sauerbier, esse im Winter Trauben und Pfirsiche, trage Gewänder aus Seide und Brokat. Ich erhalte eine ansehnliche Vergütung für meine Verhandlungen mit den Byzantinern. Es treibt mich nicht gerade zurück in eine zugige Burg im Norden, wo ich den Rest meines Lebens mit Gefechten gegen die Wilden verbringen müsste. Dazu ist es noch genug Zeit, wenn ich das Erbe meines Vaters antrete, nachdem er gestorben ist.»

«Steht Ihr denn in Kontakt mit Eurer Familie?»

«Ich habe im Frühling einige Briefe an sie losgeschickt, aber bislang noch keine Antwort erhalten. Das Einzige, was ich aus England gehört habe, ist, dass mein Halbbruder Drogo auf einem Kriegszug in Schottland getötet wurde.»

Vallon stellte seinen Becher weg. «Euren Eltern geht es noch ebenso gut wie bei Eurer Abreise. Euer Halbbruder Richard ist tot. Er hat uns auf unserer Reise begleitet und ist im Mündungsgebiet des Dnjepr an einer Pfeilwunde gestorben.»

«Richard? Richard war bei Euch?»

«Ein hoch geschätzter und tief betrauerter Gefährte.»

«Es bekümmert mich sehr, das zu hören. Armer Richard. Ich habe immer vermutet, dass er das Mannesalter nicht erreichen wird. Was ist nur in Euch gefahren, dass Ihr solch einen Waschlappen mitgenommen habt?»

«Er wollte mit. Er wollte unbedingt weg von Eurer Familie.» Vallon stand auf und übersah absichtlich Heros Gesten, der ihn zurückhalten wollte.

Walter erhob sich ebenfalls. «Wollt Ihr schon gehen?»

«Wir werden uns heute Abend beim Emir wiedersehen.»

Walter trat einen Schritt vor. «Wayland. Geh doch nicht.»

Alle blieben stehen.

Walter legte Wayland den Arm um die Schultern. «Weißt du noch, wie viel Spaß wir auf der Jagd hatten? Das war gar nichts im Vergleich zu dem, was uns Anatolien bieten wird. Bären, Löwen, Leoparden – Tiere, die du noch nie gesehen hast.»

Vallon fiel auf, wie angespannt Wayland wirkte. «Willst du bleiben?»

Wayland schüttelte den Kopf.

Vallon nahm ihn am Ellbogen. «Dann komm.»

Walter packte Wayland am anderen Arm. «Ihr habt in dieser Sache nichts zu bestimmen.» Er lächelte. «Wayland ist mein persönlicher Besitz, das habe ich mir vor Gericht bestätigen lassen. Ihr habt vermutlich gehört, wie ich ihn kurz vorm Verhungern ihm Wald gefunden und in mein Haus aufgenommen habe.»

«Normannisches Recht hat in dieser Weltgegend keinerlei Bedeutung. Falls Wayland wieder in Eure Dienste treten will, werde ich ihn nicht daran hindern. Er kann für sich selbst sprechen.»

«Soll das ein Scherz sein? Der Junge ist stumm.»

«Ich bin nicht dein Sklave», sagte Wayland. «Ich diene Vallon als freier Mann.»

«Das scheint mir deutlich genug», sagte Vallon.

Er ging als Erster hinaus. Walter schloss zu ihm auf. «Nicht so eilig, Vallon. Wie hoch hat meine Mutter ihre Ländereien beliehen?»

Vallon ging weiter. «Mit einhundertzwanzig Pfund.»

«Sie müssen mindestens doppelt so viel wert sein.»

«Das war alles, was der Geldverleiher zu geben bereit war. Ich habe die Dokumente.»

«Wie viel ist noch davon übrig?»

«Nichts. Alles ist aufgebraucht.»

«Ihr habt mehr als hundert Pfund vom Geld meiner Mutter ausgegeben, und alles, was Ihr vorweisen könnt, ist ein einziger Gerfalke?»

«Der Preis war viel höher als das.»

«Wie viel habt Ihr für Euch selbst behalten?»

Vallon blieb stehen. «Keinen Penny.»

Walter konnte sich gerade noch zurückhalten, Vallon mit dem Zeigefinger gegen die Brust zu tippen. «Es fällt mir schwer, das zu glauben. Ihr seid schließlich Söldner. Ich erwarte eine vollständige Abrechnung.»

Vallon musterte Walters ausgestreckten Finger. «Eines muss ich noch ergänzen. Ihr seid über den Tod Eures Bruders falsch informiert. Er befindet sich hier im Lager des Emirs.»

Walter sah ihn verständnislos an. «Ihr habt mir doch selbst erzählt, dass Richard am Dnjepr gestorben ist.»

«Ich rede von Drogo.»

Das Blut wich aus Walters Gesicht. «Drogo ist in Schottland umgekommen.»

«Er ist nach Norden gezogen, das stimmt. Er hat uns verfolgt, weil er unseren Versuch, Euch zu befreien, zunichtemachen wollte. Ich weiß, dass es ein trübes Licht auf unser Vorhaben wirft, aber wenn ich Euch die Umstände schildere …»

«Schweigt.» Walter trat einige Schritte zurück. «Ihr stolziert in meine Unterkunft und behauptet, Ihr wärt gekommen, um mich auszulösen, und mit dem nächsten Atemzug erwähnt Ihr, dass Ihr Drogo mitgebracht habt.»

«Sir Walter, lasst mich erklären.»

«Dafür gibt es nur eine einzige Erklärung. Ich wusste in dem Moment, als ich zum ersten Mal in Eure kalten Augen gesehen habe, dass ein Feind vor mir steht.»

Hero schob sich vor Vallon. «Lasst mich sprechen. Sir Walter, wir haben Euren ärgsten Feind nicht aus freien Stücken mitgebracht. Ich will Euch erklären, wie es dazu kam, dass er sich an uns gehängt hat.»

Doch die alte Geschwisterrivalität hatte einen Teil von Walters Gehirn für alle Vernunft unzugänglich werden lassen. Ein stieß einen erstickten Laut aus. «Ich weiß nicht, welchen Plan Ihr und Drogo ausgebrütet habt, aber ich rate Euch, keine Spielchen mit mir zu treiben. Der Emir schätzt mich. Wenn ich ihm erzähle, dass Ihr mit Mord im Herzen gekommen seid, werdet Ihr seine Antwort außerordentlich unangenehm finden.»

Auf dem Weg zurück zu ihrer Unterkunft bemerkte Vallon Heros vorwurfsvolle Seitenblicke.

«Du findest, dass ich dieses Gespräch schlecht angepackt habe.»

«Jämmerlich schlecht. Warum konntet Ihr nicht ein bisschen diplomatischer sein?»

«Das hätte keinen Unterschied gemacht.» Vallon warf einen Blick zurück und sagte kopfschüttelnd: «Der undankbare Hund hat uns nicht einmal für all die Mühen gedankt.» Mit großen Schritten durchquerte er das Lager. «Gott sei mir gnädig, aber da bevorzuge ich beinahe Drogo.»

Hero beeilte sich, um mit Vallon Schritt zu halten. «Jetzt werden wir das verlorene Evangelium niemals zu Gesicht bekommen.»

«Wir hatten schon alle Aussicht darauf verloren, als die Falken eingegangen sind. Es ist wahr, was Walter gesagt hat, und ich hätte ihn nicht gebraucht, um mir darüber klarzuwerden. Der Emir ist kein Mann, der Abstriche an einmal gestellten Bedingungen macht.»

In ihrer Unterkunft ließ sich Vallon auf sein Bett fallen und legte den Unterarm über die Augen. Hero ging mit Trauermiene auf und ab.

Da wurde die Zeltklappe zurückgeschlagen, und boshaft lächelnd steckte Drogo den Kopf herein. «Und? Wie hat er dir gefallen?»

Vallon atmete tief ein. «Er ist nicht so einnehmend, wie ich nach den Erzählungen über ihn angenommen hatte. Und für so einen aufgeblasenen Schuft haben Richard und Raul ihr Leben geopfert. Die andere bittere Pille ist: Es scheint, als könnte Walter gehen, wann immer es ihm gefällt. Unsere Ankunft hier und dass wir die Lösegeld-Forderung nicht vollständig erfüllen können, hat die Situation nur komplizierter gemacht, und er ärgert sich, statt dankbar zu sein.»

Drogo lachte. «Wie hat er darauf reagiert, dass ich hier bin?»

«Mit Angst, Wut und blindem Hass. Er hat einen gewissen Einfluss am Hof des Emirs. Wenn ich du wäre, würde ich im Dunkeln nicht alleine herumlaufen, und ich würde mir jemanden suchen, der mein Essen vorkostet.»

Drogo sah beinahe mitleidig auf Vallon hinab. «Du hättest auf mich hören sollen. Du hättest die Aufgabe bestimmt nicht so eifrig angenommen, wenn du gewusst hättest, was für ein Mensch mein Bruder ist.»

Vallon zog den Arm von den Augen weg. «Wenn wir das Resultat unserer Taten wüssten, bevor wir sie ausgeführt haben, würden wir morgens gar nicht erst aufstehen.»

Zusammen mit dem Rauch der Lagerfeuer stiegen Gebete auf, als Vallon und seine Gefährten zum Pavillon des Emirs geführt wurden. Sterne funkelten in einer diffusen Wölbung über der Hochebene, und ein Sichelmond hing zwischen den beiden vereisten Bergkegeln im Süden. Im Thronraum herrschte Gedränge. Der Emir musste entschieden haben, diese Gelegenheit für eine Demonstration seiner richterlichen Weisheit zu nutzen. Er trug einen Zeremonienstab und bohrte sich mit desinteressierter Miene in der Nase, während sich die Ungläubigen vor ihm niederwarfen. Faruq wies sie an, sich zu erheben.

«Seiner Exzellenz sind gewisse neue Erkenntnisse zu Ohren gekommen. Ich habe den Auftrag, sie zu überprüfen.»

Vallon konnte sich schon denken, wer der Zuträger des Emirs war. Walter stand neben einem von Suleimans Beratern und starrte Drogo mit einem mörderischen Blick an.

«Ich werde sprechen», erklärte Vallon an Hero gewandt. Er verbeugte sich vor Suleiman, bevor er sich an Faruq wandte. «Entschuldigt mein dürftiges Arabisch. Es ist nur das wenige, das ich als Gefangener der Mauren in Spanien aufgeschnappt habe.»

Gemurmel lief durch die Reihen der Zuhörer, und ganz hinten stellten sie sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können.

Faruq sorgte mit einer Geste für Stille. Er sprach erst, als das lauteste Geräusch das Flackern der Öllampen war. «Hier ist das erste Problem: Ihr habt gesagt, Ihr wärt gekommen, um Walter zu befreien.»

«Das war unser einziges Motiv.»

«Dennoch habt Ihr seinen Stiefbruder mitgebracht, einen Mann, der Walter hasst.»

«Drogos Anwesenheit habe ich nicht geplant. Im Gegenteil. Er versuchte, unsere Anstrengungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zunichtezumachen. Als wir aus England entkommen sind, war er so entschlossen, uns aufzuhalten, dass er uns nach Island gefolgt ist.»

«Wo er Eurer Gnade ausgeliefert war.» Faruq deutete auf Drogo. «Und doch steht er hier.»

«Er ist nicht leicht loszuwerden.»

«Ihr hättet ihn töten können.»

«Das ist wahr, aber wenn ich es getan hätte, wären wir nicht am Ziel unserer Reise angekommen.»

Faruq, Suleimans Sprecher, rieb sich zweifelnd übers Kinn. «Ach?»

«Drogo hat mit mir tapfer gegen die Wikinger und die Kumanen gekämpft. Wenn man mit einem Mann Seite an Seite in der Schlacht gestanden hat, ist es schwer, ihn zu beseitigen.» Vallon warf einen kurzen Blick auf Suleiman. «Das gilt jedenfalls für mich.»

Faruq begann auf und ab zu gehen, er genoss die Rolle des Anklägers sichtlich. «Also habt Ihr Drogo weiterleben lassen.» Er lächelte seine Zuhörer an, die mit skeptischem Kopfschütteln reagierten. Dann wirbelte er mit anklagend ausgestreckter Hand wieder zu Vallon herum. «Leugnet Ihr, die Geldmittel, die Euch von Walters Mutter anvertraut worden sind, in Eure eigene Tasche gesteckt zu haben?»

«Jeder Penny ist für unsere Mission ausgegeben worden. Wir haben ein Rechnungsbuch geführt. Prüft es, wenn Ihr wollt.»

«Aber Ihr seid ein Söldner und habt diesen Auftrag in der Hoffnung auf persönlichen Profit angenommen.»

«Ich habe damit gerechnet, mit dem Handel Gewinn erzielen zu können. Leider haben unsere Ausgaben unsere Kosten überstiegen. Das steht alles in den Rechnungslisten.»

«Rechnungslisten, die Ihr selbst geführt habt. Wie viel zahlt Euch Drogo?»

«Drogo hat überhaupt kein Geld. Er ist nur hier, weil ich ihn mitversorgt habe.»

«Ich glaube Euch nicht. Walter glaubt Euch nicht.»

Vallon hatte das Gefühl, in einem Sumpfloch zu versinken. «Glaubt, was Ihr wollt. Was zählt, ist die Entscheidung des Emirs, und ich werde mich seinem Urteil beugen.»

Faruq sah Suleiman an, bevor er den nächsten Anklagepunkt vorbrachte. «Ich werde Euch sagen, was ich denke. Ihr seid nur deshalb in Drogos Begleitung hierhergereist, um Walter zu befreien, damit Ihr ihn töten könnt. Wenn Walter tot ist, erbt Drogo den Titel und den Besitz seines Vaters. Und dafür entlohnt er Euch mit Gold.»

Vallon knurrte: «Wenn ich Walter etwas antun wollte, wäre ich nicht mit nur einem Viertel der Forderung hier angekommen.»

«Bewahrt die Ruhe», flüsterte Hero.

Vallon nickte und sah Faruq an. «Seht Euch die nackten Tatsachen an, statt nach verborgenen Motiven zu suchen. Befragt uns getrennt, wenn Ihr wünscht. Wir sind aus dem kalten Norden hierhergekommen, und auf der Reise haben wir viele Menschenleben und alle Falken bis auf einen verloren. Seine Exzellenz hat den Gerfalken in Augenschein genommen, und ich weiß, dass er trotz all seiner Macht und all seiner Mittel keinen beschaffen kann, der auch nur halb so prachtvoll ist. Genügt er den Bedingungen oder nicht?»

Faruq und Suleiman steckten zur Besprechung die Köpfe zusammen, und die Zuschauer spitzten die Ohren, um etwas mitzubekommen. Schließlich winkte der Emir Faruq zur Seite und legte seine Erwägungen dar. Er wiegte sich im Sitzen auf seinem Thron und unterstrich mit beiden Händen gestikulierend seine ausführlichen Erläuterungen, um zu zeigen, wie gewissenhaft er das Für und Wider des Falles abwog. Die Zuhörer nickten zu jedem seiner Argumente. Schließlich senkte der Emir seinen Zeremonialstab, und Faruq trat vor, um das endgültige Urteil zu verkünden.

«Seine Exzellenz hat den Bericht von Euren Anstrengungen mit Interesse verfolgt. Der Emir lobt Euer Durchhaltevermögen und spricht Euch sein Beileid zum Tod Eurer Gefährten aus. Der Falke, den Ihr ihm gebracht habt, ist von seltener Schönheit und ein vielversprechendes Tier für die Beizjagd. Dennoch genügt er der Forderung nicht. Das Problem ist Folgendes: Der Emir hat vier Falken verlangt. Ihr habt nur einen abgeliefert.» Faruq legte den Zeigefinger an die Lippen. «Seine Exzellenz ist ein Mann, der zu seinem Wort steht. Wenn er einem seiner Armeeführer zwei Pferde bewilligt, wird dieser Mann zwei Pferde erhalten. Wenn umgekehrt ein Armeeführer zusichert, für einen Kriegszug zehn Bogenschützen aufzubringen, dann erwartet Seine Exzellenz zehn Bogenschützen. Es darf keine Ausnahme geben. Wenn Seine Exzellenz heute über Eure ungenügende Erfüllung der Vertragsbedingungen hinwegsieht, werden seine Gefolgsleute morgen die gleiche Nachsicht für sich selbst fordern. ‹Seht euch die Milde an, mit der unser Herr die Ungläubigen behandelt›, würden sie sagen. ‹Um wie viel großzügiger muss er dann erst die Unzulänglichkeit seines eigenen Volkes dulden.›»

«Sir Walter hat mir erklärt, Seine Exzellenz habe ihm seine Freiheit gegeben, und zwar mit oder ohne ein Lösegeld.»

Suleiman blitzte den Normannen giftig an.

«Damit hat sich Sir Walter zu viel angemaßt», sagte Faruq. «Was Seine Exzellenz zu geben beliebt, steht auch in seiner Macht zu verweigern.»

«Wenn er beschlossen hat, Sir Walter weiter gefangen zu halten, habe ich nichts mehr zu sagen. Meine Aufgabe ist beendet, und mein Interesse an dieser Verhandlung ist erschöpft.»

«Die Verhandlung ist beendet, wenn es der Emir beschließt.»

Vallon zuckte mit den Schultern.

Faruq trat mit gekünstelter Freundlichkeit einen Schritt auf ihn zu. «Seine Exzellenz hat mit großem Interesse gehört, dass Ihr bei den Mauren in Gefangenschaft wart. Vermutlich habt Ihr Euch mit einem Lösegeld freigekauft. So war es doch?»

«Nein. Ein Lösegeld war zugesagt, wurde jedoch nie überbracht. Nach achtzehn Monaten in entwürdigender Haft habe ich meinen Wächter getötet und bin entkommen.» Vallon sah den Emir an. «Dass ich selbst einmal in Gefangenschaft war, hat mir ein gewisses Mitgefühl für Sir Walter eingegeben.»

Suleiman achtete nicht auf Walters Versuch, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Bedächtig strich er sich über den Schnurrbart, betrachtete Vallon und winkte dann Faruq zu sich, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Als sich der Sprecher an Vallon wandte, war sein Ton sanft wie Balsam.

«Es gibt eine Möglichkeit, das Problem zu jedermanns Zufriedenheit zu lösen.»

Vallon sah, wie Walter grinsend einen seiner Begleiter anstieß. Ganz gleich, welches Katz-und-Maus-Spiel der Emir im Sinn hatte, Walter wusste Bescheid. Möglicherweise hatte er es selbst angezettelt.

Faruq ging ein paar Schritte zur Seite. «Ihr habt zwei Gegenstände mitgebracht, die sogar die Schönheit des Falken in den Schatten stellen. Ich spreche von den Frauen.»

Vallon stieg das Blut in die Wangen. «Die Frauen sind keine Gegenstände.»

Faruq gab vor, ihn nicht gehört zu haben. «Der Hauptmann, der Euch hierher eskortiert hat, wünscht das Mädchen mit der Sonne in den Haaren und dem Mond in den Augen zur Frau zu nehmen.»

«Syth ist Waylands Braut und trägt sein Kind.»

Wayland erstarrte. «Ihr habt Syth erwähnt.»

Vallon schüttelte den Kopf. «Später.»

Der Emir wedelte mit der Hand, als er von Syths Zustand erfuhr. «Sehr gut», sagte Faruq. «Seine Exzellenz trennt nicht Mann und Frau. Er wird nichts mehr dazu sagen.»

«Alles in Ordnung», sagte Vallon zu Wayland.

«Was ist in Ordnung? Worum geht es?»

Vallon bat ihn zu schweigen, denn Faruq hatte erneut das Wort an ihn gerichtet.

«Soweit Seine Exzellenz weiß, wird kein solcher Anspruch auf die Waräger-Frau namens Caitlin erhoben. Der griechische Jüngling, der so gut arabisch spricht, hat uns erzählt, dass ihre Familie tot und sie allein auf der Welt ist. Seine Exzellenz hat Mitleid mit ihr und gelobt, sie unter seinen persönlichen Schutz zu stellen. Erklärt Euch damit einverstanden, und der Emir verzichtet auf alle anderen Forderungen. Er wird Walter freilassen, wenn er gehen möchte, und Ihr seid frei weiterzuziehen.»

Da wurde Vallon klar, dass der Emir Caitlin von Anfang an gewollt hatte und die gesamte Verhandlung nur auf dieses Ziel hinführen sollte.

Drogo nahm ihn am Ellbogen. «Was sagt er über Caitlin?»

Vallon trat einen Schritt vor. Die Zuhörer reckten die Hälse.

«Hero ist über mein Verhältnis mit der isländischen Frau falsch informiert. Die Wahrheit ist, dass ich mit Caitlin in Nowgorod einen Bund besiegelt habe.»

«Ihr seid verlobt?»

«Wir sind ein Liebespaar.»

Hero schnappte nach Luft. Die Zuhörern keuchten erschrocken auf. Ihr Emir war in aller Öffentlichkeit gedemütigt worden. Suleiman verzog wütend das Gesicht. Er sagte etwas zu Walter, das den Normannen zusammenzucken ließ.

«Und wieder haben wir es mit zwei unterschiedlichen Versionen zu tun», sagte Faruq. «Wo liegt die Wahrheit? Seid gewarnt. Seine Exzellenz wird es herausfinden.»

Suleiman hielt hinter vorgehaltener Hand flüsternd eine Besprechung mit seinen Beratern ab. Vallons Begleiter redeten durcheinander. Drogo wollte wissen, warum Suleiman Caitlin erwähnt hatte, und Hero entschuldigte sich dafür, dieses schreckliche Missverständnis herbeigeführt zu haben. Wayland machte sich über das Stimmengewirr hinweg verständlich.

«Fragt ihn, warum er zwei Gerfalken braucht.»

«Einfach, weil er sie verlangt hat. Vergiss es. Es geht nicht mehr um die Falken.»

«Nein, ich meine, welchen praktischen Sinn erfüllen vier Falken? Fragt ihn. Bitte.»

Erschöpft stellte Vallon die Frage und gab Faruqs kurzangebundene Antwort weiter. «Er sagt, ein einzelner Falke kann keinen Kranich jagen.»

«Keiner von seinen Sakerfalken vielleicht. Aber der Gerfalke kann beinahe alles töten, was Flügel hat.»

«Das weißt du doch gar nicht.»

«Ihr habt den Falken nur im Käfig gesehen. Ich dagegen habe ihn bei der Jagd beobachtet, und er ist absolut tödlich. An unserem ersten Abend hier hat Hero gesagt, dass der Emir einen Wettstreit der besten Falken mit einem Nachbarn gewinnen wollte. Mein Gerfalke kann jedes Sakerpaar schlagen. Sagt ihm das.»

«Er ist nicht dein Falke. Wenn du so von seinen Qualitäten überzeugt bist, beschreibe sie dem Emir, und dann soll er ihn selbst auf die Probe stellen.»

«Er bringt seine Höchstleistung nur für mich.»

Hero mischte sich ein. «Nehmt Waylands Vorschlag an. Der Emir steht kurz davor, eine Entscheidung bekannt zu geben, und Ihr könnt sicher sein, dass sie nicht zu unseren Gunsten ausfällt. Wenn sich Suleiman auf den Wettkampf mit den Falken einlässt, haben wir Zeit, die Lügen und Widersprüche aufzuklären.»

Vallon sah ein, dass Heros Argumente etwas für sich hatten. «Dann erklär du es ihm. Und schmücke alles so aus, dass der Emir einfach nicht ablehnen kann. Versuch, die Zuhörer auf unsere Seite zu ziehen.»

Hero begann in demselben Moment zu sprechen, in dem sich Faruq vom Emir wegdrehte. Er beschrieb erneut die Gefahren ihrer Reise in die Regionen aus Feuer und Eis. Er schilderte Waylands Begegnung mit dem weißen Bären, den Kampf mit den Wikingern, die vier Monate dauernde Fahrt in den Süden. Er sang ein Loblied auf die Vorzüge des Gerfalken und wies darauf hin, dass er als einziger Falke all die Strapazen überlebt hatte. Sicher erkenne auch der Emir darin einen göttlichen Willen.

Suleiman kaute auf seinem Schnurrbart, während das Publikum auf seine Entscheidung wartete. Er befahl seinen Falkenmeister zu sich. Die beiden Männer sprachen ausgiebig miteinander und unterbrachen sich nur, um auf Wayland zu zeigen oder ihn anzustarren. Faruq wartete in leicht vorgebeugter Erwartungshaltung, bis der Emir seinen Stab hob, dann richtete er sich auf.

«Dieser Wettstreit ist keine unbedeutende Angelegenheit. Ist der englische Falkner sicher, dass der Gerfalke einen Kranich allein töten kann?»

Vallon sagte mit einem Seitenblick auf Wayland: «Ich habe ihn noch nie leere Versprechungen machen hören.»

«Der Falke darf Seine Exzellenz unter keinen Umständen Schande bringen. Er muss den Wettbewerb gewinnen.»

«Auch wenn er es nicht tut», sagte Wayland, «Schande macht er dem Emir bestimmt nicht.»

«Du hast ihn nicht richtig verstanden», sagte Vallon. «Dein Falke muss auf jeden Fall gewinnen.»

«Das wird er.»

«Du weißt doch nicht einmal, nach welchen Regeln dieser Wettbewerb durchgeführt wird.»

«Ich habe noch genügend Zeit, sie kennenzulernen.»

Vallon schob seine Bedenken zur Seite. Er sah den Emir an und nickte förmlich. «Der Falke wird Euch nicht enttäuschen.»

Faruq sah zu Suleiman hinüber. «Seine Exzellenz ist einverstanden.»

Aufgeregtes Gewisper lief durchs Publikum. Faruq hob die Stimme, um die näheren Umstände des Wettkampfs zu beschreiben.

Vallon drehte sich zu Wayland um. «Wie lange brauchst du, um den Falken vorzubereiten?»

«Drei Wochen.»

«Du hast zwölf Tage. Wenn das nicht reicht, sag es jetzt.»

«Er ist ein ausgewachsener Vogel. Er hat über ein Jahr lang täglich seine Beute gejagt. Alles, was ich tun muss, ist, seine Muskulatur zu stärken.»

Vallon sah den Sprecher an. «Der Falke wird bereit sein.»

«Seine Exzellenz wird die Herausforderung morgen aussprechen. Wenn der weiße Falke die Saker seines Nachbarn überflügelt, wird er den Normannen freilassen und Euch mit Geschenken weiterziehen lassen.»

«Und wenn nicht?»

«Seine Exzellenz ist ein gerechter Mann. Ihr habt vor diesem Hof erklärt, dass der Falke nicht versagen wird.» Faruq hielt inne, um seine Worte wirken zu lassen. «Wenn er es dennoch tut, wird Seine Exzellenz zum Gespött seines Rivalen. Ihr könnt nicht die Belohnung für den Erfolg akzeptieren und es zugleich ablehnen, für den Misserfolg geradezustehen.»

Zu spät sah Vallon die Grube, die er selbst ausgehoben hatte.

Faruq sprach weiter: «Wenn der Falke nicht siegt, wird Seine Exzellenz den englischen Jüngling Walter zum Sklaven geben.» Vallon wollte etwas sagen, doch Faruq hielt ihn mit erhobener Hand zurück. «Und Ihr als Verteidiger des Falkners müsst ebenfalls für die Niederlage zahlen.» Faruq hielt inne, um jedes Missverständnis zu vermeiden. «Und zwar mit der Waräger-Frau.»

Wayland grinste. «Was hat er da zuletzt gesagt?»

Es gab keinen Weg zurück, das war Vallon bewusst. Vor hundert Zuhörern hatte er Suleiman einen Sieg versprochen. Er musste all seine Selbstbeherrschung aufbieten, um ruhig zu antworten. Hinter Wayland sah er Heros entsetzten Blick und Walters hämisches Grinsen. Lächelnd klopfte er Wayland auf den Arm. «Nichts Wichtiges. Von jetzt an konzentrierst du dich ganz auf die Vorbereitung des Falken.»