158078.fb2 Die Entscheidung: Kapit?n Bolitho in der Falle - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 10

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Nur die Tapferen

Stockdale watschelte über das Achterdeck und hielt ihm einen Zinnkrug hin.»Hier, Sir, Kaffee.»

Bolitho hob den Krug an die Lippen. Der Kaffee war kaum warm, nahm ihm aber die Trockenheit im Hals.

Stockdale fügte heiser hinzu:»Das Feuer in der Kombüse war gelöscht, also mußte ich ihn auf einer Laterne in der Waffenkammer aufwärmen.»

Bolitho nickte ihm zu. War es Einbildung, oder wurden Stockdales Züge im Dämmerlicht deutlicher? Er schauderte vor Kälte. Es war wahrscheinlicher, daß er zu lange an Deck geblieben war, wartend und überlegend. Es konnte nichts Gutes dabei herauskommen, wenn er auf Deck hin und her ging und seine Ideen wieder und wieder überdachte.

«Das war ein guter Gedanke. «Er gab ihm den Krug zurück.»Ich fühle mich jetzt wach.»

Er spähte hinauf zur Takelage und den zusammengerollten Segeln. Die Sterne waren noch da, aber blasser. Das war keine Einbildung.

«Wo steht der Wind?»

Stockdale überlegte sich die Frage.»Wie vorher, Sir. NordNordwest, wenn ich nicht irre.»

Bolitho biß sich auf die Lippen. Er war schon zu demselben Schluß gelangt. Stockdale hatte gewöhnlich recht, aber seine Bestätigung half ihm auch nicht weiter.

Er sagte:»Geh und hol den Steuermann. Er ist beim Niedergang.»

Buckle sprang bei Stockdales erster Berührung hellwach auf die Beine.»Was gibt es? Ein Angriff?»

«Langsam, Mr. Buckle. «Bolitho winkte ihn an die Reling.»Der Wind hat nachgelassen, kommt aber noch immer zu weit aus Norden, um uns zu helfen.»

Der Steuermann sagte nichts und wartete ab, was der Kapitän vorhatte.

«Wenn wir hier zu etwas nütze sein sollen, dann müssen wir tief in die Bucht einfahren. Es würde aber Stunden dauern, immer hin und her kreuzen, und unsere Mühe würde kaum belohnt. Wenn wir andererseits hier vor Anker liegenblieben, können wir weder dem Ersten Leutnant noch uns selbst helfen, sobald der Feind kommt.»

Buckle gähnte.»Das stimmt.»

«Rufen Sie also alle Mann an Deck und lassen Sie die Riemen auslegen. Wir werden sofort aufbrechen und nicht auf den Morgen warten.»

Buckle zog seine Uhr heraus und hielt sie an das Licht des Kompasses.

«Hm. Es wird hart werden, Sir. Aber die Strömung steht nicht zu stark gegen uns. «Er ging zu den Wanten hinüber und stieß eine dunkle Gestalt an, die friedlich auf den bloßen Planken schlief.

«Hoch, Junge! Sage Mr. Glass, er soll die Leute rufen. Vorwärts!»

Bolitho ging rasch in seine Kajüte und konzentrierte sich einige Minuten lang auf seine Seekarte. Er erinnerte sich an das, was Tyrell ihm gesagt hatte, fügte die neuen Informationen dazu und entschied sich für einen Plan. Über der Kabine hörte er das Trampeln der Füße am Ankerspill, das regelmäßige Klicken, als der Anker aufgeholt wurde.

Er zog seinen Rock an und befestigte das Degengehenk. Wie seltsam die Kajüte im Licht der einsamen Laterne aussah. Klar zum Gefecht wie das übrige Schiff, ächzten die Geschütze leise hinter ihren geschlossenen Pforten; Pulver und Munition, Ladestücke und Rohrwischer, alles lag in Reichweite. Aber niemand stand daneben, denn wie die restlichen Männer vom Geschützdeck wurden alle benötigt, um den Anker zu lichten und die Riemen zu bemannen. Die letzteren hatten sie schon einmal aus Gefahr gerettet. Diesmal konnten sie das vielleicht für Tyrell und seine Männer tun.

Er verließ die Kajüte und rannte leichtfüßig die Leiter hinauf.

Es war heller, darüber bestand kein Zweifel. Eine Art grauer Schleier lag über Cape Henry, und er konnte die Strömung querab vom Rumpf gut erkennen.

Er sah die langen Riemen auf jeder Seite über das Wasser ausschwingen, die Männer unterhielten sich leise, während sie auf einen Befehl von Achtern warteten.

Heyward berührte seinen Hut.»Anker ist kurzstag, Sir. «Seine Stimme klang gespannt und sehr vorsichtig.

Bolitho ging von einer Seite zur anderen und beobachtete die Bewegung seines Schiffes, das Kräuseln des Wassers unter den Fallreeps.

«Nun, wie fühlt man sich? Vom Fähnrich zum Ersten Leutnant fast ohne Wartezeit?»

Er hörte Heywards Antwort nicht und wußte, daß er die Frage nur gestellt hatte, um seine eigene Unruhe zu verbergen. Wenn die Männer die Herrschaft über die Riemen verloren, mußte er sofort ankern. Und selbst dann konnte er noch zu weit zur Küste abgetrieben werden.

Von vorn hörte er Bethunes Schrei:»Anker los, Sir!«Die Männer vom Ankerspill eilten den Ruderern zu Hilfe. Dann kam Glass' Stimme:»Stützt Riemen!»

Bolitho krampfte seine Hände ineinander, bis die Finger fast brachen. Warum, in drei Teufels Namen, wartete er so lange? Das Schiff würde jeden Moment auf Grund laufen.

«Riemen an!»

Die Riemen schwangen vorwärts, tauchten ein und kamen langsam nach achtern.

Hinter sich hörte Bolitho, wie das Steuer sanft nachgab, und Buckles leises Fluchen — seine eigene Art, die Spannung zu verarbeiten. Glass hatte recht gehabt, bei diesem ersten Riemenschlag ganz sicherzugehen. Aber es war eine Sache, dies zu wissen, und eine andere, angesichts der Gefahr fürs Schiff ruhig zu bleiben.

Hoch und nieder, von vorn nach achtern, knarrten die Riemen geschäftig, aber ohne unnötige Hast, bis Buckle endlich rief:»Steuerung spricht an, Sir!»

«Gut. Steuern Sie Kurs Nord, bitte.»

Heyward zog seinen Rock aus.»Ich gehe und helfe mit, Sir.»

«Gut. Passen Sie auf, daß jeder verfügbare Mann arbeitet. Auch diese Rotröcke, wenn sie die Kraft haben. «Er hielt ihn zurück, als er zur Leiter laufen wollte.»Übrigens besteht keine Notwendigkeit, den Soldaten zu erzählen, daß wir dem Feind entgegen fahren, Mr. Heyward!«Er sah ihn grinsen.»Das werden sie früh genug erfahren.»

Buckle und ein Matrose standen am Ruder; Bolitho ging schweigend zur Heckreling. Er sah die nächste Landzunge jetzt klarer, das Muster der Wellenkämme am Ufer, wo sie eine kleine Bucht markierten. Ein einsamer Ort. Wenn sich bei Tag herausstellte, daß die Heran verschwunden war, würden seine Männer seine Handlungsweise in Frage stellen, und dies zu Recht. Wenn aber ihre Gegenwart dem Admiral etwas nützen sollte, dann mußten sie alles erfahren.

Die befreiten Soldaten hatten ihnen viel erzählt. Aber es konnte sich seit ihrer Festnahme manches geändert haben. Bolitho lächelte grimmig. Er machte sich selbst etwas vor. Wenn nicht die Sorge um Tyrell und die anderen gewesen wäre, wäre er dann wirklich in der Bucht geblieben?

Er hörte Schreie an Deck und jemanden französisch sprechen. Heyward war mehr als ein guter Kamerad, er erwies sich als ausgezeichneter Offizier. Ohne weiter zu fragen, und auf das Risiko hin, seinem Kapitän zu mißfallen, hatte er die französischen Gefangenen freigelassen und an die Riemen gesetzt. Da es lauter starke Soldaten waren, die ein verhältnismäßig ruhiges Leben als Gefangenenwärter geführt hatten, würden sie an den schweren Riemen einen kleinen, aber entscheidenden Unterschied machen.

Einige Möwe n erhoben sich ärgerlich kreischend vom Wasser, wo sie geschlafen hatten, als die Sparrow stetig durch sie hindurchkroch. Die Zeit dehnte sich, und Bolitho sah, daß die Röcke der Soldaten wieder rot waren anstatt schwarz, wie sie in der Dunkelheit ausgesehen hatten. Die Gesichter gewannen Profil, und er konnte unterscheiden, wer der Anstrengung standhielt und wer häufiger ausgewechselt werden mußte.

Ein dunklerer Schatten ragte vor dem Bug auf und blieb auf Steuerbord sichtbar. Er entschied, daß das die innere Seite von Cape Charles sein mußte, mit Tyrells Untiefe in einiger Entfernung dahinter.

«Gehen Sie einen Strich höher, Mr. Buckle. «Er hörte das Ruder quietschen.»Wir müssen Kap und Festland auf Backbord lassen. Das Fahrwasser dürfte nicht allzutief sein, also immer langsam voran.»

«Aye, Sir. Kurs Nord zu Ost!»

Das Schiff lag jetzt fast direkt im Wind, und Bolitho konnte ihn auf seinem Gesicht fühlen, das Land und die Frische der Morgenluft riechen. So war es aber sicherer, und er war erleichtert, die Riemen im Einklang eintauchen zu sehen, obwohl die tatsächliche Fahrt wahrscheinlich weniger als einen Knoten betrug.

Er suchte nach dem jungen Fähnrich und rief ihn nach achtern. Er kam keuchend auf dem Achterdeck an, und Bolitho sagte:»Schauen Sie hinüber. Wie nahe sind Ihre Posten?»

Der Soldat spähte durch die Backbordwanten und hob einen Arm.

«Dieses Landstück wird der Wendepunkt sein. Es gibt eine Menge Sand dort. Wir haben vor einigen Wochen mehrere Barken verloren, als sie auf Grund liefen. Nach etwa einer Meile oder so können Sie die Mündung des York River hinter zwei kleinen Inseln sehen.»

Bolitho lächelte.»Ich nehme an, daß Sie überrascht sind über die Richtung, in der wir fahren.»

Der Fähnrich zuckte die Schultern.»Ich bin über Überraschungen hinaus, Sir. «Er zuckte zusammen.»Ein Signalhorn! Das werden unsere Kameraden sein. «Er umspannte die Reling mit den Händen, sein Gesicht war gespannt. Dann kam ein langgezogener Trompetenstoß, der eine Wolke Möwen flügelschlagend und kreischend vom Land aufjagte. Er sagte:»Das sind die Franzosen. Immer eine Minute nach unserem Wecken.»

Bolitho versuchte, ihn aus seiner Stimmung zu reißen.»Und was machen die Amerikaner?»

Der Offizier seufzte.»Sie haben Kanonen über dem Fluß stationiert. Die werden beim ersten Morgenlicht anfangen zu feuern. Viel wirkungsvoller als alle verdammten Hörner!»

Bolitho wandte sich an Buckle.»Wir werden auf diesem Kurs bleiben, so lange unsere Leute die Kraft dazu haben. Der Wind wird günstig sein, wenn wir später halsen, aber ich möchte so weit wie möglich über den York River hinauskommen.»

Er blickte nach oben und sah zum erstenmal den Masttopstander. Der flappte leise achteraus, zeigte aber kein Auffrischen des Windes an. Wenn er jetzt stärker wurde, konnten die Männer den Schlag nicht halten. Sogar mit Tyrells Bootsmannschaften wäre es hart gewesen, ohne sie war es unmöglich.

Querab sah er die überhängende Landspitze von Cape Charles, und weit dahinter, wie einen dünnen goldenen Faden, den Horizont. Er zeigte sich der Sonne, die allmählich in Sicht kam und See von Himmel, Nacht von Tag trennte.

Es gab einen gedämpften Knall, und Sekunden später sah er die vielsagende weiße Gischtfontäne die Stelle bezeichnen, wo die Kugel in die Bucht geschlagen war.

Der Fähnrich bemerkte ungerührt:»Auf diese Distanz werden sie Sie nie erreichen. Sie haben gut eine halbe Meile Spielraum.»

«Wo steht die Batterie?»

Der Soldat betrachtete ihn neugierig.»Überall, Sir. Überall in diesem Gebiet stehen Geschütze. Yorktown und die Zugänge sind in einen Eisenring gelegt. Und die Armee steht mit dem Rücken zur See. «Plötzlich sah er sehr jung und verletzbar aus.»Nur die Flotte kann uns retten.»

Bolitho stellte sich vor, wie Farrs Heran in aller Eile nach New York fuhr. Selbst dort traf er Hood vielleicht schon nicht mehr an, vielleicht war der bereits nach Newport gefahren, um de Barras aufzuhalten.

Er dachte auch an Odell und dessen einsame Wache mit Lucifer. Wenn die Franzosen durch den wenig benützten Bahamakanal kamen, würde er keine Aufforderung brauchen, um Segel zu setzen und schleunigst zu verschwinden.

Er blinzelte, als einen Sonnenstrahl über das ferne Kap spielte und die Rahen und Spieren honigfarben aufleuchten ließ. Er zog seine Uhr heraus. Mittlerweile sollte Tyrell in Kontakt mit den Wachtposten von Cornwallis gekommen und auf dem Weg zurück nach Lynnhaven sein. Durch das Ankerlichten und Rudern würden sie mindestens eine Stunde eher zusammentreffen.

Glass rannte die Leiter herauf, keuchend vor Anstrengung.»Ich kann sie nicht viel länger halten, Sir. «Er blickte auf die Riemen hinunter, auf ihr träges Auf und Ab.»Soll ich sie das Tauende spüren lassen?»

«Das werden Sie nicht tun. «Bolitho schaute weg. Glass war nicht bösartig, noch war er für unnötige Härte. Er wußte einfach nicht, was er sonst tun sollte.»Sagen Sie ihnen: Noch eine halbe Stunde, dann werden wir Segel setzen oder ankern.»

Glass wand sich verlegen.»Es wäre besser, wenn Sie es selbst sagen, Sir.»

Bolitho ging zur Reling und rief:»Noch eine Drehung des Stundenglases, Leute!«Er hörte Stöhnen, die mit Seufzern gemischten Flüche derer, die im Schatten verborgen waren.»Entweder das, oder unsere Leute da draußen sind sich selbst überlassen. Denkt daran, es hättet ihr sein können!»

Er drehte sich um und wußte nicht, ob seine Worte mehr als Wut hervorgerufen hatten.

Glass beobachtete kritisch und spuckte dann in die Hände.»Das war genau das Richtige! Schon besser!»

Bolitho seufzte. Der Riemenschlag sah genauso träge aus wie vorher, aber wenn der Bootsmann zufrieden war, dann…

Er fuhr herum, als eine Stimme rief:»Boot backbords voraus, Sir.»

Bolitho umklammerte die Reling.»Nur eines?»

«Aye, Sir.»

«Gehen Sie zwei Strich nach Backbord.»

Bolitho versuchte, nicht an das fehlende Boot zu denken. Er spürte, wie der Rumpf ächzte, der Schlag aussetzte, als das Ruder überkam.

Der Soldat sagte ruhig:»Nicht näher, bitte. Sie kommen gleich in Reichweite der Kanonen.»

Bolitho ignorierte ihn.»Pullt, Leute! Vorwärts, gebt euer Letztes!»

Ein Mann fiel erschöpft von der Ruderbank und wurde von Dalkeith weggezogen.

Der Ausguck schrie:»Es ist der zweite Kutter, Sir. Der von Mr. Graves!»

Dalkeith zog sich die Leiter hinauf an die Reling.»Ich weiß, was Sie jetzt denken, Sir. «Er hielt Bolithos kaltem Blick stand.»Tyrell würde Sie nie verlassen. Nicht um alles in der Welt.»

Bolitho schaute über Dalkeiths Schulter zum Land. Im stärker werdenden Licht sah er große Bäume und dahinter einen runden Hügel. Die Sparrow lag bewegungslos. Die Riemen hielten sie nur gegen Wind und Strömung. In einer Minute würden die Leute lockerlassen und zur Küste hinabtreiben. Sie hatten ihr Bestes getan, aber es war nicht genug.

Er sagte scharf:»Zum Teufel, Mr. Dalkeith! Ich lasse mich von Ihnen nicht belehren!«Dann lehnte er sich über die Reling.»Mr. Heyward! Klar zum Ankerwerfen!»

Bolitho wartete, während die Männer dem Befehl Folge leisteten und Glass andere nach unten sandte, um die wild schlagenden Riemen jener zu halten, die ausgepumpt auf Deck gefallen waren. Er hörte einen Knall und sah die Kugel sehr nahe bei dem herankommenden Kutter eine Wasserfontäne aufwerfen. Das Boot fuhr schnell auf sie zu, und er konnte Graves an der Pinne sehen, sein Hut hing schief, als er seinen Rudergängern den Takt angab.

«Fertig, Sir.»

Er gab mit dem Arm das Zeichen.»Fallen Anker!»

Als der Anker griff und der Rumpf am Tau herumschwang, schrie er:»Riemen ein! Mr. Glass, bringen Sie die Leute auf Trab!»

Dalkeith blieb fest.»Sie können nichts dafür, Sir. «Er hielt Bolithos Blick stand.»Sie können mich verfluchen, wenn Sie wollen, aber ich werde nicht danebenstehen und zuschauen, wie Sie sich quälen!»

Der Kutter hatte am Fallreep angelegt, und er hörte Graves den Männern an Deck zurufen.

Er sagte leise:»Danke für Ihre Besorgnis. Es gibt aber niemand anderen, den ich verantwortlich machen könnte.»

Er zwang sich zu warten, bis Graves an Bord geklettert war, dann rief er scharf:»Kommen Sie nach achtern! Der Bootsmann kann sich um den Kutter kümmern!»

Graves eilte auf ihn zu, sein Gesicht zuckte heftig.

Bolitho fragte:»Wo sind die anderen?«Er zwang sich zur Ruhe, doch war er sich bewußt, daß sein ganzes Wesen in Graves' betroffenes Gesicht schrie.

«Wir liefen bei einigen Untiefen auf Grund, Sir. Beide Boote trennten sich. Es war die Idee des Ersten Leutnants. Eine Soldatenpatrouille hatte signalisiert, wo wir die Boote festmachen sollten, es gab aber eine Schießerei. Ich vermute feindliche Scharfschützen.»

«Und dann?«Er konnte die anderen in der Nähe Stehenden fühlen, sah Heywards erstarrtes Gesicht, als er Graves' sprunghaftem Bericht lauschte.

«In der Dunkelheit versuchten wir Schutz zu finden. Ich verlor einen Mann, und Tyrell sandte uns Anweisung, im Bachbett versteckt zu bleiben. «Er schüttelte vage den Kopf.»Die Kugeln flogen aus allen Richtungen. Tyrell wollte einen der Offiziere an Land sprechen. Sie wußten offensichtlich, daß wir kommen würden. Ihre Posten hatten uns gesehen. «Sein Mund zuckte unkontrolliert.»Wir blieben da und warteten, dann wurde das Feuer stärker, und ich hörte Männer durch die Büsche hasten. Es mußte ein ganzer Zug oder noch mehr gewesen sein!»

«Haben Sie nicht daran gedacht, Mr. Tyrell zu Hilfe zu eilen?»

Graves starrte ihn mit leeren Augen an.»Wir waren in Lebensgefahr! Ich sandte Fowler nach den anderen aus, aber…»

«Sie taten was?«Bolitho streckte die Hand aus und faßte ihn am Rock.»Sie haben diesen Jungen ganz allein losgeschickt?»

«Er meldete sich freiwillig, Sir. «Graves blickte Bolithos Hand auf seinem Rock an.»Als er nicht zurückkam, beschloß ich«- er hob die Augen, hatte seine Fassung wiedererlangt —,»Ihren Befehlen zu gehorchen und mich zum Schiff zurückzuziehen.»

Bolitho ließ ihn los und wandte sich ab. Ihm war übel vor Entsetzen über das, was Graves getan hatte. Die jämmerliche Verteidigung des Leutnants machte es fast noch schlimmer, wenn das möglich war. Er hatte nur seinen Befehlen gehorcht. Daher war sein Verbrechen annehmbar.

Eine Rauchwolke stieg von der nächsten Landzunge auf, und er sah die Kugel nur eine halbe Kabellänge vom Schiff entfernt einschlagen. Schon jetzt mochte irgendein Offizier drüben ein stärkeres Geschütz anfordern. Eines, das mit einem so vielversprechenden Ziel kurzen Prozeß machte.

Er hörte sich selbst sagen:»Sagen Sie Mr. Yule, er soll das Backbordbuggeschütz ausrennen und auf den Pulverrauch dort richten. Er soll mit Kartätschen schießen, bis er einen anderen Befehl erhält. Vielleicht wird das ihren Eifer dämpfen.»

Er ging an Graves vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

«Bemannen Sie sofort den Kutter. «Er musterte die schweigenden Seeleute auf dem Geschützdeck.»Ich möchte Freiwillige für. «Er schluckte, als alle Männer geschlossen auf ihn zukamen, wie an Drähten gezogen.»Danke. Nur eine Bootsmannschaft. Mr. Glass, erledigen Sie das sofort.»

Zu Heyward sagte er:»Sie bleiben hier. «Er schaute Graves immer noch nicht an.»Wenn ich fallen sollte, werden Sie dem Steuermann helfen, das Schiff in Fahrt zu bringen, verstanden?»

Heyward nickte mit großen Augen.

Dalkeith berührte seinen Arm.»Sehen Sie, Sir!»

Es war der andere Kutter, oder was noch davon übrig war. Selbst in diesem schwachen Licht konnte man das zersplitterte Dollbord erkennen, die paar übriggebliebenen Riemen, die ihn so langsam in dem unruhigen Wasser vorwärtsbrachten.

Noch ein Krachen, und eine weitere Wasserfontäne spritzte genau achteraus vom Kutter himmelwärts. Das versteckte Geschütz hatte ein kleineres, aber näheres Ziel gefunden.

Bolitho zuckte zusammen, als Yules Mannschaft vorn den ersten Schuß abgab, sah die Bäume wie im Sturm erzittern, als die geballten Kartätschen auf die verwehende Rauchwolke zuschössen.

«Ein Fernrohr!»

Er wagte kaum, es an die Augen zu heben. Dann sah er den Kutter, die von Musketenkugeln herrührenden Schrammen in der Bordwand, die schlaffen Körper zwischen den noch verbleibenden Rudergängern. Schließlich erblickte er Tyrell. Er saß ganz achtern auf dem Dollbord, einen Körper über seinen Knien, und steuerte das Boot an dem weißen Schaumfleck vorbei, den die feindliche Kugel hinterlassen hatte.

Leise sagte er:»Gott sei Dank.»

Das Buggeschütz fuhr wieder nach innen, riß ihn aus seinen Gedanken, seiner überwältigenden Erleichterung.

Er schrie:»Mr. Bethune, nehmen Sie den Kutter und helfen Sie Mr. Tyrell. «Er sah zu Buckle hin.»Lassen Sie aufentern und bereiten Sie das Setzen der Topsegel vor!»

Die Erschöpfung und die ganze Empörung über Graves' Bericht schien zu verfliegen, als die Männer an ihre Stationen eilten. Der Kutter stieß ab, Bethune stand aufrecht darin und feuerte seine Mannschaft zu größeren Anstrengungen an.

Dalkeith sagte:»Nun, Sir…«Er kam nicht weiter.

Einer der Toppgasten, der die höchste Rahe noch vor seinen Kameraden erreicht hatte, rief:»Wahrschau an Deck! Segel umrundet die Landspitze!»

Bolitho ergriff ein Glas und richtete es aus. Das Schiff war noch weit draußen vor der Bucht, kreuzte aber mit verzweifelter Hast auf Cape Henry zu. Es war die Lucifer.

Odell würde entsetzt sein, hier keine Flotte vorzufinden, nicht einmal die Heran vor Anker. Bolitho erstarrte. Der Besanmast des Schoners war beschädigt, er reagierte nur widerwillig, als er versuchte, näher an die Einfahrt heranzukreuzen. Er mußte, vielleicht im Schutz der Dunkelheit, unvorbereitet angegriffen worden sein. Es gab keinen Zweifel über die klaffenden Risse in ihrem Focksegel, die ungleiche Verteilung der Takelage.

Er sah Flaggen sich im Wind entfalten, hielt das Glas reglos, während seine Lippen das kurze Signal buchstabierten.

Er wandte sich zu Buckle um: «Feind in Sicht.»

«Allmächtiger Gott!»

«Mr. Heyward!«Dieser drehte sich am Ankerspill um.

«Klar zum Kappen des Ankers! Wir werden die Boote nicht erst einholen, sondern gleich Segel setzen, sobald unsere Leute an Bord sind!»

Er hörte einen wilden Aufschrei, und als er wieder nach achtern blickte, sah er, wie die Lucifer ihre großen Segel zusammenfaltete wie die Schwingen eines sterbenden Vogels. Sie mußte alles riskiert haben, um ihn mit ihren Neuigkeiten zu erreichen, mit diesem einen lebenswichtigen Signal. Sie war zu nahe heran und auf die Untiefe gelaufen, die Tyrell so lebendig beschrieben hatte.

Er zwang sich, zur Reling zu gehen und nach den Booten auszuschauen. Tyrells Kutter war fast überspült, aber Bethune war bei ihm, die Verwundeten wurden herübergezogen, und ein roter Fleck zeigte, daß mindestens ein Soldat bei der Gruppe war.

Jetzt feuerten noch mehr Geschütze, die Kugeln warfen große Fontänen im blassen Sonnenlicht auf, wie eine Reihe von springenden Delphinen.

Einige der Toppgasten riefen heiser Hurra, als Bethune den vollgeschlagenen Kutter abstieß und den seinen zurück zur Sparrow steuerte.

Bolitho wandte sich an Graves, der noch wie vorher dastand.»Kümmern Sie sich um Ihre Geschütze. «Sein Ton war formell, obwohl er sich selbst nicht mehr verstand. Er konnte sich vorstellen, wie der zerbrechliche Rumpf der Lucifer auf den Felsen zerschellte, während Tyrells angeschlagenes Boot versuchte, die Sparrow noch zu erreichen. Er konnte sich sogar den jungen Fowler vorstellen, ein richtiges Kind, wie er durch einen unbekannten Wald rannte, während überall um ihn Schüsse krachten» Tun Sie Ihre Pflicht. Das ist alles, was ich von Ihnen verlange. «Er blickte weg.»Und was ich jemals von Ihnen verlangen werde.»

Er hörte das Boot längsseits kommen und sah, wie Tyrell und die anderen durch die Schanzkleidpforte gezogen wurden, man ihnen auf die Schultern schlug und sie mit Fragen und Hochrufen bombardierte.

Bolitho ging auf ihn zu und bemerkte mit plötzlicher Verzweiflung, daß Tyrell Fähnrich Fowler trug. Es mußte also sein Körper gewesen sein, der auf seinen Knien lag.

Tyrell sah ihn unbewegt an, grinste nur müde.»Er ist in Ordnung. Erst weinte er sich das Herz aus dem Leibe, dann ist er im Boot eingeschlafen. «Er übergab den Fähnrich einigen Seemännern.»Völlig erschöpft, der arme kleine Kerl. «Er sah Graves an und fügte hinzu:»Aber er hat Mut. Sogar ziemlich viel. «Dann trat er vor und ergriff Bolithos Hände.»Er ist nicht der einzige, wie es scheint.»

Eine neue Stimme sagte schleppend:»Ich hab's doch gleich gesagt, daß wir uns wiedersehen würden!»

Es war Oberst Foley. Eine Bandage um den Hals, die Uniform in Fetzen, wirkte er dennoch genauso untadelig, wie ihn Bolitho in Erinnerung hatte.

Bolitho sagte:»Ich auch. «Er blickte Tyrell an.»Wir haben noch einen heißen Tag vor uns, fürchte ich. Die Lucifer ist erledigt, und wir müssen schnell auslaufen, wenn wir ihrem Schicksal entgehen wollen.»

«Aye. «Tyrell hinkte zum Steuerrad.»Das dachte ich mir schon.»

Ein Schrei von oben ließ jedes Auge zur Landspitze hinüberschauen. Sehr langsam, mit gebraßten Rahen, segelten eine Fregatte und ein tiefgehender Transporter etwa auf der Höhe des schiffbrüchigen Schoners in die Bucht.

Bolitho sagte nur:»Schneller als ich dachte. «Er blickte Heyward an.»Wir kappen den Anker. «Zu Tyrell gewandt, fügte er hinzu:»Danach geben Sie Befehl, die Geschütze zu laden und auszurennen.»

Der Kutter mit seinen toten Rudergängern löste sich von der Bordwand, ein Mahnmal für ihr aufgegebenes Opfer.

Bethune kam nach achtern gerannt, sein Gesicht glühte vor Erregung.

Bolitho sagte:»Gut gemacht. Ich sehe Sie schon als Leutnant, trotz aller Risiken, die Sie eingehen. «Er fühlte sich plötzlich ausgeglichen, sogar entspannt.»Heißt die Flagge! Wir wollen der Armee zeigen, daß wir sie nicht ohne Grund im Stich lassen!»

Das Tau war gekappt, und mit vollen Royalsegeln drehte sich die Sparrow in engem Bogen herum; das Donnern ihrer Leinwand übertönte das Geschützfeuer von Land her, ihre Seeleute waren zu beschäftigt, um an etwas anderes als ihre Arbeit zu denken und an die Notwendigkeit, die offene See zu erreichen.

Bis die Sparrow gewendet und Kurs auf die Kaps genommen hatte, konnte niemand mehr die Absichten des Feindes bezweifeln. Als Tyrell meldete, daß alle Geschütze feuerbereit seien, hob Bolitho sein Glas, um ein weiteres Schiff zu studieren, das soeben die südliche Landspitze umrundete: noch ein schwerer Transporter, und gleich dahinter die geblähten Segel einer Geleitschutzfregatte.

Tyrell sagte:»Beim Allmächtigen, nichts Geringeres als eine ganze Flotte!»

Buckle rief:»Kurs liegt an, Sir! Süd zu West!»

Der erste Transporter hatte schon Anker geworfen; Bolitho sah durch sein Fernrohr, daß seine Boote mit geübter Präzision zu Wasser gelassen wurden, das Sonnenlicht glänzte auf Waffen und Uniformen, als Soldaten über Leitern und Netze in einer Weise hinunterkletterten, die auf viel Praxis schließen ließ. Er richtete sein Glas auf das zweite große Schiff. Es war ebenfalls voller Soldaten, auf dem Deck standen Protzen, außerdem waren an ihren Rahen so schwere Taljen befestigt, wie man sie dazu verwendete, um Pferde in Boote oder Leichter zu verladen.

Oberst Foley sagte gedehnt:»Wir haben gehört, daß Rochambeau Verstärkung erwartet. Man könnte sagen, daß sie jetzt eingetroffen ist.»

Bolitho blickte ihn an.»Was ist jetzt Ihre Aufgabe?»

«Falls Sie mich nach New York bringen können, habe ich Depeschen für General Clinton. Sie werden wahrscheinlich Cornwallis nicht mehr helfen, aber der General wird trotzdem hören wollen, was hier vorgeht. «Er lächelte kurz.»Wie ich erfuhr, sind Sie mit unserem alten Freund Blundell streng umgesprungen. Es war an der Zeit. «Er zog eine Augenbraue hoch.»Und Sie haben seine Nichte wiedergesehen?»

Bolitho beobachtete, wie der Klüverbaum langsam herumschwang und schließlich auf die äußerste Landspitze zeigte. Wie konnten sie sich nur so ruhig und distanziert unterhalten, wenn der Tod so nahe war?

Er erwiderte:»Ja. Sie wird jetzt in England sein.»

Foley seufzte.»Das erleichtert mich. Sie wollte doch, daß Sie den Dienst quittieren und sich ihren Bewunderern anschließen, nicht wahr?«Er hielt eine Hand hoch. Machen Sie sich nicht die Mühe zu antworten! Es steht Ihnen klar im Gesicht geschrieben, genauso wie es in meinem gestanden haben muß.»

Bolitho lächelte ernst.»Etwa in der Art.»

«Als sie meiner müde war, wurde ich zu Cornwallis abkommandiert. Das hat sich sogar als Vorteil erwiesen. Und Sie?»

Tyrell trat von der Reling zurück.»Sie ließ ihn fast töten!»

Foley schüttelte den Kopf.»Eine außerordentliche Frau.»

«Wahrschau an Deck! Linienschiff umrundet das Kap!»

Bolitho fühlte, wie es ihm beim Gedanken an Odells Blitzfahrt kalt den Rücken hinunterlief. Tag für Tag hatten sie achteraus nach den verfolgenden Schiffen ausgeschaut. Es mußte für jeden Mann an Bord ein Alptraum gewesen sein.

Die Boote von beiden Transportern hielten nun auf das Land zu, ihr Tiefgang ließ erkennen, wie vollbesetzt sie waren.

«Lassen Sie Bramsegel setzen, Mr. Tyrell. Wir müssen heute jeden Fetzen ausnutzen.»

Foley zog seinen Säbel und drehte ihn in den Händen.»Ich nehme an, daß Sie nicht einfach nur fliehen?»

Bolitho schüttelte den Kopf.»Diese beiden Fregatten kürzen Segel, Colonel. Sie wollen uns zusammenschießen, wenn wir versuchen, von der Untiefe freizukommen. «Er deutete auf die vor Anker liegenden Transportschiffe.»Dort verläuft unser Kurs. Dicht unter Land, wo man uns am wenigsten erwartet.»

Foley grinste.»Oder willkommen heißt.»

Bolitho blickte Buckle an.»Wenn wir über Stag gehen, müssen Sie so weit wie möglich auf Cape Henry zuhalten.»

«Aye, Sir. «Buckle spähte durch Wanten und Stagen nach den Schiffen aus.

Bolitho hob wieder sein Glas. Die beiden Fregatten standen unter einem Minimum an Leinwand mit einiger Schwierigkeit vor dem Wind und warteten auf die kleine Korvette, die an ihnen vorbeifahren sollte. Kaum eine Meile Abstand. Er beobachtete sie genau, bemerkte ihre Abdrift, die Sonne, die auf ihren Breitseiten und auf den erhobenen Ferngläsern ihrer Offiziere glänzte.

Er fragte:»Wie viele Boote sind jetzt zu Wasser?»

Bethune rief:»Mindestens dreißig!»

«Gut.»

Bolitho stellte sich vor, wie die zusammengedrängten Soldaten die Fahrt der Sparrow in eine trügerische Sicherheit beobachteten. Ein Schauspiel, das ihre eigenen Zweifel und Ängste über das, was sie auf dem amerikanischen Festland erwartete, vertreiben mochte.

Bolitho zog seinen Säbel und hob ihn über den Kopf. Am Geschützdeck sah er die Mannschaften an den Taljen kauern, jeder Geschützführer spähte mit einsatzbereiter Lunte nach achtern. Am Großmast oben wurden zwei Drehbassen hin und her geschwenkt, ein Seemann saß auf der Verkleidung, frische Kartätschen gegen seine Brust gedrückt. Als Bolitho seine Augen über das ihm anvertraute Schiff gleiten ließ, wurde er merkwürdigerweise an die Worte erinnert, die Colquhoun vor so langer Zeit gesagt hatte: «Wenn alle anderen achtern auf Sie schauen…»

Er hörte einen scharfen Knall und Sekunden später das hohe Pfeifen einer Kugel über sich. Eine der Fregatten hatte einen Probeschuß abgefeuert. Er aber sah nur das nächstliegende Transportschiff, das am Ankertau schwölle, das hohe Achterdeck der Küste zugewandt. An Bord der Fregatten würden die Geschützmannschaften untereinander Wetten abschließen. Wie viele Kugeln konnten sie abfeuern, ehe die Sparrow im Kreuzfeuer unterging oder sich ergab?

Er riß den Säbel nach unten.»Jetzt!»

Das Ruder ächzte laut, und als die Männer an den Brassen hievten, um die Rahen wieder zu trimmen, begann sich der Bug der Sparrow zu drehen. Bolitho hielt den Atem an und schaute zu den Fregatten hinüber, die mehr und mehr backbords verschwanden, während das nächstliegende Transportschiff und dann eine Unzahl von Ruderbooten vor den Klüverbaum gerieten; hinter ihnen öffnete sich das Land, als ob es sie mit beiden Armen erdrücken wollte.

«Kurs halten!»

Bolitho rannte an die Reling, dachte an Tyrells Beschreibung der Lynnhaven Bay, an die Tiefen und Strömungen, die Gefahren und knappen Überlebenschancen.

Buckles Rudergänger fluchten und drehten das Rad gegen den doppelten Angriff von Wind und See; als Gischt über den Bugspriet schoß, sah Bolitho die nächsten Ruderboote in wilder Hast ausweichen. Endlich waren die Gefahren seiner Absichten allen nur zu klar.

Geschützfeuer donnerte über die Bucht, Kugeln pfiffen und schlugen sehr nahe am Rumpf ein. Aber die beiden Fregatten waren von dem Manöver überrascht worden, und als die Sparrow auf die Küste zuhielt, wußte Bolitho, daß sie in wenigen Minuten durch das erste Transportschiff vor dem Feuer geschützt sein würden.

Er konnte fühlen, daß die Ekstase ihn durchzuckte wie ein Fieberstoß, und als er zum Geschützdeck hinunterschrie, wußte er, daß diese Erregung ansteckend war, sah die Männer wie halbnackte Dämonen an ihren offenen Geschützpforten lauern.

«Achtung!«Der Säbel schwebte wieder über seinem Kopf.»Tief halten!»

Die Läufe neigten sich zum schäumenden Wasser, die Geschützführer tanzten von einer Seite auf die andere, während ihre Männer mit neuer Munition für die nächste und die darauffolgende Salve bereitstanden.

«Gut so!«Der Säbel hing in der Luft, die Morgensonne glänzte wie Gold darauf. »Feuer!»

Die Luft wurde von der Gewalt der beiden Breitseiten förmlich auseinandergerissen. Als der dichte Rauch noch auf die Decks wirbelte, die Geschützmannschaften mit ihrem Hurrageschrei das Quietschen der Lafetten, das Klappern de Handspaken und Ladestöcke übertönten, sah Bolitho schon die nächsten feuerspeienden Zungen am Bug, die doppelten Ladungen schlugen in Boote und Soldaten, Splitter und Gischt wirbelten umher. Über dem Deck erzitterten die angebraßten Segel bei jeder Explosion, der Rauch stieg zu beiden Seiten auf wie würgender Nebel, während die Geschütze der Sparrow wieder und wieder feuerten.

Der schärfere Knall von Musketen, die metallischen Einschläge der Drehbassen machten eine Verständigung unmöglich. Es war ein Alptraum, eine Welt der Verzweiflung. Boote taumelten gegen den Rumpf, und Bolitho fühlte, wie das Deck erbebte, als die Sparrow mit dem Bug eine Barkasse rammte, die mitten entzweibrach und die viel zu zahlreichen Soldaten in schreiender und um sich schlagender Verwirrung ausspie.

Ein Transportschiff feuerte jetzt, seine oberen Geschütze spien Kugeln über die zerfetzten Boote und schlugen durch die Segel der Sparrow wie mit Riesenfäusten.

Eine Kugel zischte durch die Wanten, Bolitho hörte schrille Schreie, als zwei Seeleute an der gegenüberliegenden Seite zerrissen wurden. Er sah Fowler benommen an den zerstückelten Leichen vorbeigehen, das Gesicht wie in Gedanken verschlossen. Er bemerkte, daß er wieder mit den Fingern schnippte.

Der Rumpf rollte nochmals stark, und unter seinen Füßen spürte er den Einschlag einer feindlichen Kugel im Geschützdeck, das nachfolgende Rumpeln eines umstürzenden Zwölfpfünders. Ein weiteres Langboot glitt an Steuerbord entlang, einige Männer feuerten ihre Musketen ab, andere stolperten über die Ruderer an den Riemen. Kugeln schlugen in Reling und Schanzkleid, ein Seemann fiel blutspuckend, als eine Kugel ihn in den Hals traf.

Bolitho rannte zur Reling und wischte sich die tränenden Augen, damit er nach achtern sehen konnte. Die Wasseroberfläche war übersät mit zerschmetterten Booten und treibendem Holz. Einige Männer schwammen, andere wurden durch das Gewicht ihrer Ausrüstung unter Wasser gezogen.

Foley lud gerade seine Muskete wieder; er schrie:»Noch ein paar weniger, gegen die unsere Leute kämpfen müssen!«Er lehnte sich über die Reling und erschoß einen Soldaten, der gerade auf die Korvette feuern wollte.

Bolitho spähte zur Küste. Sie war ziemlich nah, fast zu nah.

«Wenden!«Er mußte den Befehl wiederholen, ehe Buckle ihn verstand.

Mit kreischenden Blöcken und wieder rundgebraßten Rahen krängte die Sparrow gefährlich auf Backbordbug, ihr Klüver schien genau auf das Festland zu zeigen.

Und dort lag das zweite Transportschiff, schwoite wie trunken quer vor ihrem Bug, die Geschützpforten schon geöffnet und feuerspeiend.

Eine Kugel durchschlug die Achterdeckreling, zersplitterte sie wie ein Streichholz und tötete einen Bootsmannsmaat, der gerade den Leuten an den Besanbrassen etwas zuschrie. Blut spritzte auf Bolithos Kniehosen, er sah andere Männer im Geschützdeck fallen; die Schutznetze darüber bewegten sich ruckartig, als Taue und zerfetzte Segel hineinfielen.

Ein kurzer Blick nach oben zeigte ihm, daß der Masttopstander fast genau achterlich stand. Sie waren so hart am Wind wie eben möglich. Ein Strich mehr oder weniger machte jetzt keinen Unterschied. Es war kein Platz zum Manövrieren vorhanden, keine Zeit, den Kurs zu wechseln.

Tyrell schrie:»Zerschmettert dem Bastard das Achterdeck!«Er gestikulierte zum nächststehenden Geschützführer.»Kartätschen! Macht ihn fertig!»

Er starrte Bolitho mit vor Müdigkeit glasigen Augen an, in denen sich die Kampfeswut spiegelte.

«Sie kommt über!«Er fing einen Seemann auf, der aus den Wanten fiel, das Gesicht eine blutige Masse.»Noch einer für den Doktor!«Er wandte sich erneut zu Bolitho um, stieß dann einen unterdrückten Schrei aus und hielt beim Fallen seinen Schenkel umfaßt.

Bolitho kniete neben ihm, hielt ihn an den Schultern fest, als weitere Kugeln Splitter vom Deck fetzten. Tyrell schaute zu ihm auf, die Augen dunkel vor Schmerzen.

«Schon gut. «Er knirschte mit den Zähnen.»Es ist nur das verdammte Bein!«Bolitho sah Dalkeith stolpernd über Deck rennen, einige seiner Männer hinter ihm.

Tyrell sagte schwach:»Ich wußte, daß man es abnehmen muß. Jetzt gibt's wohl keine Ausreden mehr, eh?«Dann wurde er ohnmächtig.

Vom splitterübersäten Geschützdeck aus sah Graves ihn fallen, obwohl er sich vor dem Lärm und dem Gestank des Todes duckte.

Er schrie:»Ausrennen!«und schlug nach einem Seemann mit wildem Blick.»Richten! Fertig!«Er blickte starr auf die aufragenden Segel des Transportschiffs, das dwars auftauchte.»Feuer!»

Das Deck bäumte sich unter ihm auf, und er sah, wie zwei Männer in blutige Stücke gerissen wurden; ihre Schreie verstummten, ehe sie das blutverschmierte Deck erreichten. Aber irgendwo dachte er in seiner Verwirrung an Tyrell. Er mußte tot sein, verdammt. Seine Schwester stand dann allein. Eines Tages, vielleicht früher, als die anderen erwarteten, würde er sie finden. Und sie sich nehmen.

Ein Feuerwerkersmaat blickte zu ihm auf, sein Mund war wie ein schwarzes Loch, als er brüllte:»Vorsicht, Sir! Um Himmels willen. «Seine Worte gingen unter im Krachen von Holz, als die Großbrahmstenge wie ein fallender Baum durch die Netze schlug. Sie grub sich in die Planken und noch tiefer bis ins nächste Deck. Als die mitgerissene Takelage zwischen die feuernden Geschütze donnerte, starb Graves, unter der gebrochenen Rah begraben.

Vom Achterdeck aus sah Bolitho ihn sterben, und er wußte, daß die vielen Monate Patrouillendienst, Stürme und Kämpfe die Rah schließlich doch gebrochen hatten, die sie, scheinbar vor tausend Jahren, nach einer Schlacht so sorgsam verlascht hatten.

Aber Heyward war da, seine Stimme trieb die Geschützmannschaften an, als das verankerte Transportschiff im Rauch verschwand, den Rumpf mit Einschlägen übersät.

Der Wind wehte den Rauch zur Seite, und fast ungläubig sah Bolitho die Klippen von Cape Henry zur Seite weichen wie eine riesige Tür; der Horizont dahinter glitzerte vielversprechend.

Fowler rutschte auf Blut aus und schluchzte:»Es hat keinen Zweck! Ich kann nicht…»

Bethune ging zu ihm hin.»Sie können und werden, verdammt noch mal!»

Der junge Fähnrich drehte sich blinzelnd um.

«Was?»

Bethune grinste, sein Gesicht vom Pulverdampf geschwärzt.»Sie haben mich gehört! Also los, mein Junge!»

«Mr. Buckle!«Bolitho zuckte zusammen, als ein paar verirrte Kugeln durch die Wanten pfiffen und noch mehr Segel herunterrissen.»Ich möchte.»

Aber der Steuermann reagierte nicht. Er saß mit dem Rücken zum Niedergang, die Hände auf der Brust wie zum Gebet gefaltet. Seine Augen waren offen, aber die immer größer werdende Blutlache um ihn herum erzählte ihre eigene Geschichte.

Glass und ein einzelner Seemann standen am ungeschützten Ruder, die Augen wild, die Beine zwischen Toten und Sterbenden eingekeilt.

Bolitho sagte scharf:»So hoch wie möglich. Das Wrack der Lucifer zeigt Ihnen, wo die Sandbank liegt.»

Als das Sonnenlicht die Korvette vom Bug bis zum Heck einhüllte und als die Rahen herumschwangen, um sie aus der Bucht zu tragen, sah Bolitho eine große Zahl Schiffe über den südlichen Horizont segeln und die See füllen. Es war ein phantastischer Anblick. Geschwader auf Geschwader schienen sich die Linienschiffe zu überlappen, als sie auf die Chesapeake Bay zustrebten.

Foley murmelte:»De Grasse. Eine solche Flotte habe ich noch nie gesehen.»

Bolitho riß seine Augen los und eilte zur Heckreling. Kein Anzeichen von Verfolgung aus der Bucht, er hatte es auch nicht erwartet. Die beiden Fregatten würden ihren neuen Ankerplatz halten und versuchen, einige Soldaten zu retten, die dem Blutbad der Sparrow entkommen waren. Er drehte sich zum Ruder um, an dem Heyward und Bethune standen und ihn beobachteten.

«Wir halsen sofort!«Er sah Dalkeith und rief:»Wie geht es?»

Dalkeith sah ihn traurig an.»Es ist überstanden. Er schläft jetzt. Aber ich bin zuversichtlich.»

Bolitho wischte sich das Gesicht ab und fühlte, wie Stockdale ihn am Arm stützte, als das Schiff im auffrischenden Wind stark krängte.

Es gab so viel zu tun. Reparaturen mußten ausgeführt werden, noch während sie der ankommenden Streitmacht Frankreichs zu entfliehen trachteten. Sie mußten Admiral Graves finden und ihm von der Ankunft des Feindes berichten. Die Toten bestatten. Er fühlte sich wie benommen.

Yule, der Feuerwerker, kletterte herauf und fragte heiser:»Sind hier ein paar Mann übrig? Ich brauche sie für die Pumpen.»

Bolitho sah ihn an.»Holen Sie sie woanders. «Er blickte sich unter den in den verschiedenen Haltungen des Todes erstarrten Körpern um.»Hier liegen nur die Tapferen.»

Erschreckt blickte er nach oben, als er hoch über dem Deck jemanden singen hörte. Über der zerfetzten Leinwand und der herunterhängenden Takelage, an der Stelle, wo die Großbrahmstenge abgesplittert war, die Graves tötete, sah er einen einsamen Seemann im Sonnenlicht arbeiten; sein Marlspieker blitzte, als er ein gebrochenes Stag spleißte. Die Geräusche der See und der schlagenden Segel waren zu laut, um die Worte verstehen zu können, aber die Weise schien vertraut und seltsam traurig.

Foley trat zu ihm und sagte ruhig:»Wenn sie nach dem, was sie eben erlebt haben, so singen können…«Er drehte sich um, da es ihm unmöglich war, Bolitho ins Gesicht zu sehen.»Dann, bei Gott, beneide ich Sie!»