158078.fb2 Die Entscheidung: Kapit?n Bolitho in der Falle - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 8

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Eines Mannes Schaden…

Konteradmiral Sir Evelyn Christie erhob sich hinter seinem Tisch, der mit Dokumenten beladen war, und beugte sich vor, um ihm die Hand zu reichen.

«Willkommen. «Er wies auf einen Stuhl.»Freut mich, Sie wiederzusehen.»

Bolitho setzte sich und beobachtete den Admiral, als dieser zur Heckgalerie hinüberging. Es war drückend heiß, und obwohl eine stete Brise über Sandy Hook strich, war die Luft in der Prunkkajüte des Flaggschiffs stickig.

Christie setzte abrupt hinzu:»Es tut mir leid, daß Sie so lange warten mußten. Aber die hohe Politik ist nichts für einen jungen Kapitän. «Er lächelte.»Ihr Mut ist über jeden Zweifel erhaben, doch hier in New York würde man Sie am liebsten lebendig fressen!»

Bolitho versuchte, sich zu entspannen. Drei Tage, nachdem er Anker geworfen hatte, war er praktisch auf seinem Schiff arretiert worden. Nachdem er seinen Bericht an das Flaggschiff gegeben und seine Verwundeten zur weiteren Pflege an Land hatte bringen lassen, ließ man kaum Zweifel an seiner eigenen Lage. Es war kein eigentlicher Befehl ausgegeben worden, aber der Wachoffizier hatte ihm mitgeteilt, daß seine Anwesenheit an Bord im Interesse aller wünschenswert sei, bis der Admiral sich geäußert hätte.

Er begann:»Wenn ich unrecht getan habe, dann.»

Christie blickte ihn erstaunt an.»Unrecht? Genau das Gegenteil. Aber Sie haben diesmal den Fuchs unter die Gänse gelassen. «Er zuckte die Schultern.»Doch Sie sind nicht an Bord gekommen, um zu hören, was Sie schon wissen. Ihre Aktion gegen die Five Sisters, die Tatsache, daß Sie gewisse Dokumente an sich bringen konnten, ehe ihr Besitzer sie vernichten konnte, überwiegen bei weitem das Unbehagen anderswo.»

«Danke, Sir. «Er war immer noch nicht sicher, worauf Christies Ausführungen abzielten.

«Es scheint jetzt festzustehen, daß der Kommandant der Brigantine, ein gewisser Matthew Crozier, die Absicht hatte, entweder einem feindlichen Schiff oder einem Spion entlang der Küste Informationen weiterzugeben. Das würde erklären, warum er sich so weit ab vom Kurs befand, eher als seine Entschuldigung, einer spanischen Fregatte aus dem Wege gegangen zu sein. Es kann aber über seine hauptsächliche Mission keinen Zweifel geben. Bei seiner Fahrt nach Jamaika sollte er dem Compte de Grasse in Martinique eine Botschaft bringen. Meine Leute haben die Depesche sehr sorgfältig untersucht. «Er blickte Bolitho voll an.»Sie fanden darin alle Details unserer Abwehr und alle verfügbaren Kriegsschiffe. Truppenaufmärsche, sowohl zur See als auch an Land, bis zur Angabe unserer Truppenstärke unter Cornwallis«. Er nahm ein Dokument auf und las einige Sekunden darin.»So oder so, an dieses Jahr werden wir uns erinnern!»

Bolitho bewegte sich unruhig in seinem Stuhl.»Wie konnte ein Freibeuter wie Crozier für die Engländer arbeiten?»

Christie lächelte schief.»Ihm gehörte die Brigantine. Sie wurde zweifelsohne von seiner Partei gekauft. Die Mannschaft war zusammengesucht, der Abschaum von einem Dutzend Häfen und fast genauso vielen Ländern. Da kleine Schiffe so gefragt sind, war die Täuschung nicht so schwierig. Selbst auf seinen offiziellen Fahrten schmuggelte er ganz offensichtlich. «Er drehte sich um, seine Schultern wurden plötzlich steif.»Meist für die, die in New York an der Macht sind!»

«Darf ich fragen, ob sie bestraft werden?»

Christie drehte sich um und zuckte die Schultern.»Wenn Sie General Blundell meinen, so können Sie versichert sein, daß er Amerika sehr bald verlassen wird. Ich bin ebenso sicher, daß er durch Einfluß und mächtige Freunde daheim gerettet werden wird. Entfernung und Zeit sind wichtige Hilfskräfte, was die Schuldigen betrifft. Andere aber werden sicherlich an die Wand gestellt werden, und es ist mir gesagt worden, daß die Militärregierung Ihre Entdeckung dazu benutzen will, um sich zumindest teilweise von den Parasiten zu befreien, die schon zu lange von ihr gelebt haben.»

Er lächelte über Bolithos ernstes Gesicht.»Schenken Sie Madeira nach. Er wird uns beiden guttun. «Er fuhr im selben ruhigen Ton fort:»Admiral Graves ist mit Ihnen sehr zufrieden. Er hat den Schoner Lucifer nach Antigua gesandt, um Admiral Rodney über die Situation hier zu informieren. Es wurden Patrouillen nach Newport beordert, die die Schwadron von de Barras beobachten sollen, obwohl es, wie Sie sehr gut wissen, schwierig ist zu beurteilen, was dort geschieht. In der Tat wird mit den zur Verfügung stehenden Kräften alles getan, um die lokalen Gewässer zu bewachen, damit man weiß, woher der Tiger angreifen wird.»

Er nahm ein Glas aus Bolithos Hand und frage:»Ist die Sparrow in gutem Zustand?»

Bolitho nickte. Es fiel ihm immer noch schwer, mit dem kleinen Admiral Schritt zu halten.»Mein Zimmermann hat die Reparaturen an der Reling fast fertiggestellt und..

Christie nickte kurz.»Das kann auch auf See erledigt werden. Ich möchte, daß Sie für mindestens drei Monate Vorräte aufnehmen. Mein Flaggkapitän hat das in der Hand.

Es könnte sogar sein, daß er für Sie einige Seeleute findet, um die in der Schlacht gefallenen zu ersetzen. Ich habe die Heran wieder nach Süden gesandt, aber meine anderen Küstenpatrouillen sind zu sehr auseinandergezogen, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. Ich benötige jedes verfügbare Schiff, besonders Ihres. «Er lächelte.»Und Sie.»

«Danke, Sir. «Er setzte sein Glas ab.»Wieder nach Newport?»

Der Admiral schüttelte den Kopf.»Sie werden zu Farr und seiner Heran stoßen.»

Bolitho starrte ihn an.»Aber, Sir, ich dachte, Sie benötigen Schiffe, um de Barras zu bewachen?»

Christie nahm die Karaffe auf und betrachtete sie gedankenverloren.»Vielleicht später. Aber im Augenblick möchte ich Sie aus Sandy Hook heraus haben. Weg von denen, die versuchen werden, Sie unterzukriegen. Sie haben sich durch Ihre Handlungsweise Feinde gemacht. Wie ich eben schon sagte, Sie sind den gewundenen Pfaden der Politik nicht gewachsen.»

«Ich bin bereit, das Risiko auf mich zu nehmen, Sir.»

«Aber ich nicht!«Christies Stimme war hart, wie damals beim Kriegsgericht hier in derselben Kajüte.»Für Sie sind Ihr Schiff und dessen Angelegenheiten das Wichtigste. Ich muß in größeren Dimensionen denken, und meine Vorgesetzten in noch größeren. Wenn es ratsam ist, daß Sie meine ganze Schwadron gegen de Barras führen, dann wird es so geschehen. Und wenn Ihr Schiff geopfert werden muß wie ein Tier in der Falle, dann wird auch das befohlen werden. «Er hielt inne.»Vergeben Sie mir. Das war unverzeihlich. «Er zeigte auf seine Seekarten.»Der Feind ist mächtig, aber doch nicht so, daß er überall zugleich angreifen könnte. Er kann gegen New York ziehen, denn ohne die Stadt haben wir keine Regierung in Amerika. Oder er kann sich gegen die Armee von General Cornwallis wenden, denn ohne die Landstreitkräfte sind wir genauso verloren. Auf jeden Fall wird es zum Kampf kommen, und meiner Meinung nach wird eine Seeschlacht unser Schicksal entscheiden — und die Geschichte der nächsten Jahre.»

Füße hasteten über Deck, und Bolitho hörte Kommandogeschrei, das Scheuern der Taljen und Blöcke. Sogar die alte Parthian wurde zum Auslaufen fertiggemacht, um zu zeigen, daß sie zu allem bereit war.

Bolitho erhob sich.»Wann kann ich meine Befehle erwarten, Sir?»

«Vor Sonnenuntergang. Ich würde Ihnen empfehlen, Ihre — äh anderweitigen Interessen bis zu einem späteren Zeitpunkt zurückzustellen. «Er drückte seine Hand.»Das Herz ist eine feine Sache, aber ich würde es vorziehen, wenn Ihre Entscheidungen vom Verstand gefällt würden.»

Bolitho trat ins Sonnenlicht hinaus, sein Kopf brummte von allem, was Christie gesagt hatte, und dem größeren Teil, den er nicht ausgesprochen hatte. Es war alles so unfair. Ein Seemann stand in der Schlacht bei seinem Geschütz, bis ihm etwas anderes befohlen wurde. Oder er kämpfte sich durch einen pfeifenden Sturm, zitterte vor eisiger Gischt und fürchtete sich halb zu Tode. Aber er gehorchte. So lagen die Dinge, oder waren es wenigstens Bolithos Erfahrung nach gewesen. Bis jetzt.

Denn die Leute von Blundells Art ignorierten derartige Maximen, konnten und wollten ihre Autorität zu eigenem Vorteil ausnützen, selbst wenn das Land um sein Leben kämpfte. Es war kein Wunder, daß solche Typen wie Crozier gediehen und bessere Resultate erzielten als eine ganze Armee von bezahlten Spionen. Crozier hatte seine Pflicht auf die einzige Art getan, die er kannte. Da er die Gefahren ignorierte, hatte Blundell praktisch Verrat begangen.

Bolitho hielt an der Schanzkleidpforte inne und starrte mit plötzlicher Besorgnis auf die wartende Gig. Warum hatte er Christie nichts von der Gegenwart Croziers in Blundells Haus erzählt? Dieser hätte dem Vorwurf der Verschwörung nicht mehr entgehen können, wäre diese Neuigkeit bekanntgeworden. Er fluchte zwischen den Zähnen und gab Stockdale ein Zeichen.

Narr! Vielleicht hätte er es ihr zuerst sagen sollen, damit sie Zeit bekam, sich von den Angelegenheiten ihres Onkels zurückzuziehen.

Der Flaggkapitän kam zu ihm an die Pforte.»Ich habe die Leichter mit Süßwasser zur Sparrow hinübergeschickt. Ein weiterer wird innerhalb einer Stunde längsseits gehen. Wenn Ihre Leute mit anpacken, können Sie alle Vorräte vor Anbruch der Dämmerung an Bord haben.»

Bolitho betrachtete ihn neugierig. Eine so ruhige Sicherheit, und doch hatte dieser Kapitän nicht nur sein eigenes Schiff und die verschiedenen Wünsche des Admirals zu berücksichtigen, er mußte sich auch mit den Bedürfnissen jedes Offiziers und Seemannes im Geschwader befassen. Diese Entdeckung erschütterte ihn. Es war, als ob er Christies Karten auf dem Kajüttisch liegen sähe. Für alle anderen außer ihm selbst waren die Sparrow und ihre Mannschaft nur ein winziger Teil des Ganzen.

Er lüftete seinen Hut zum Schrillen der Pfeifen und Blitzen der Bajonette und kletterte in die Gig hinunter. Er sagte nichts, als das Boot zum Ankerplatz pullte, und diesmal schien Stockdale es zufrieden, ihn in Ruhe zu lassen.

Er war in seiner Kajüte und sprach mit Lock die letzten Ergänzungen der Vorräte durch, als Graves eintrat und meldete, daß ein weiterer Leichter mit Frischwasser angekommen sei.

Als der Zahlmeister davonschlurfte, um die Fässer zu begutachten, bevor sie in die Laderäume hinabgesenkt wurden, sagte Bolitho:»Ich wollte mit Ihnen sprechen, Mr. Graves. «Er sah, wie der Leutnant sich versteifte, wie seine Finger sich in seinen Mantel krallten. Armer Graves. Er sah aus wie ein alter Mann, und selbst seine Bräune konnte nicht die Schatten unter seinen Augen verbergen, die scharf eingegrabenen Linien zu beiden Seiten des Mundes. Wie stellte man es an, einen Offizier zu fragen, ob er ein Feigling sei? Bolitho fügte hinzu:»Haben Sie irgendwelchen Kummer?»

Graves schluckte.»Mein Vater ist tot. Er starb vor einigen Wochen — ich habe soeben einen Brief erhalten.»

«Das tut mir leid, Mr. Graves. «Bolitho sah ihm mit plötzlichem Mitleid ins Gesicht.»Es ist schwerer zu ertragen, wenn man so weit weg ist.»

«Ja. «Graves blinzelte nicht einmal.»Er war seit einiger Zeit krank.»

Die Tür wurde aufgerissen, und Tyrell hinkte geräuschvoll in die Kajüte. Er schien Graves nicht zu sehen, als er ausrief:»Bei Gott, Kapitän! Ich habe Neuigkeiten!«Er lehnte sich über den Tisch, seine ganze Aufregung und Freude strömten aus ihm heraus.»Meine Schwester… Es geht ihr gut, sie ist in Sicherheit! Ich habe einen Mann getroffen, der Jäger in der Grafschaft war. Er sagte, sie lebt bei unserem Onkel. Das ist ungefähr zwanzig Meilen nördlich unserer alten Farm. «Er grinste breit.»In Sicherheit! Ich kann kaum glauben, daß ich nicht träume!«Er drehte sich um und sah Graves erst jetzt.»Oh, zum Teufel! Tut mir leid. Ich habe mich vor lauter Aufregung vergessen.»

Graves starrte ihn blicklos an, seine Finger hatten die Mantelschöße in zwei feste Bälle gedreht.

Tyrell fragte:»Was ist los? Sind Sie krank oder so?»

Graves murmelte:»Ich muß gehen. Bitte entschuldigen Sie mich, Sir. «Er rannte fast aus der Kajüte.

Bolitho stand auf.»Das waren gute Neuigkeiten, Jethro. «Er blickte zur Tür.»Leider hat Graves gerade traurige gebracht. Sein Vater ist tot.»

Tyrell seufzte.»Tut mir leid. Ich dachte, es sei vielleicht etwas von dem gewesen, was ich sagte.»

«Wieso?»

Tyrell zuckte die Schultern.»Nicht wichtig. Er hat sich einmal Hoffnungen auf meine Schwester gemacht. «Er lächelte über eine geheime Erinnerung.»Dies scheint nun alles sehr lange her zu sein.»

Bolitho versuchte, nicht über Graves' versteinerten Gesichtsausdruck nachzudenken.

«Eines Tages werden Sie wieder zu Ihrer Schwester zurückkehren können. Das freut mich sehr für Sie.»

Tyrell nickte mit verträumten Augen.»Aye. Eines Tages.»

Er nickte entschiedener.»Jetzt fühle ich mich nicht mehr ganz so verloren.»

Fähnrich Fowler stieg vorsichtig über die hohe Schwelle und zog seinen Hut.»Der Leichtermann brachte Ihnen diesen Brief, Sir. «Er lispelte auffallend.»Er bestand darauf, daß ich Ihnen das Schriftstück persönlich übergebe.»

«Danke.»

Bolitho hielt ihn in der Hand. Wie der andere, den er in seinem Safe verschlossen hatte, trug er ihre Handschrift. Er öffnete ihn rasch und sagte dabei:»Ich werde ungefähr eine Stunde an Land gehen. Lassen Sie meine Gig rufen.»

Fowler rannte aus der Kajüte, seine scharfe Stimme rief nach der Bootsmannschaft.

Tyrell fragte ruhig:»Ist das denn klug, Sir?»

«Was, zum Teufel, meinen Sie damit?«Bolitho drehte sich nach ihm um, die Frage hatte ihn unvorbereitet getroffen.

Tyrell runzelte die Stirn.»Ich habe verschiedene Leute getroffen, als ich neues Tauwerk bestellte, Sir. Es ist in ganz New York bekannt, was Sie getan haben. Die meisten lachen sich halb krank, daß Ihre Tat diese verdammten Schufte und Verräter entlarvt hat. Aber einige glauben, daß Sie hier in wirklicher Gefahr sind. Es werden noch viele in ihren Betten zittern. Und sich fragen, was Sie noch entdeckt haben, und wann die Soldaten kommen werden, um an ihre Türe zu klopfen.»

Bolitho senkte die Augen.»Tut mir leid, daß ich so ärgerlich war. Aber fürchten Sie nichts. Ich habe nicht vor, meine Haut spazierenzutragen.»

Tyrell beobachtete ihn, als er seinen Hut ergriff und Fitch ungeduldig bedeutete, sein Degengehenk zu befestigen. Dann sagte er:»Mir wird wohler sein, wenn wir wieder auf See sind.»

Bolitho eilte an ihm vorbei.»Und das wird heute abend sein, mein vorsichtiger Freund. Also rühren Sie sich und achten Sie auf die Vorräte!«Er lächelte über Tyrells Besorgnis.»Aber passen Sie auf, es könnte sich ein Attentäter im Pökelfleisch versteckt haben!»

Tyrell brachte ihn an die Schanzkleidpforte, blieb aber noch eine ganze Weile an der Reling stehen, trotz der Sonne und der Schmerzen in seinem Bein.

Eine leichte Kutsche erwartete Bolitho am Ende des Piers. Sie war schäbig und nicht mit der zu vergleichen, die ihn zum Wohnsitz des Generals gebracht hatte. Aber der Kutscher war derselbe Neger, und sobald Bolitho eingestiegen war, schnalzte er mit der Peitsche und trieb die Pferde zu flottem Trab an.

Sie ratterten durch enge Gassen und dann in eine ruhige Straße, die von gedrungenen Häusern gesäumt war; die meisten schienen von Flüchtlingen bewohnt zu sein. Die Gebäude hatten den Hauch der Wohlhabenheit verloren, und wo einst Gärten gewesen waren, lagen jetzt Berge von leeren Kisten und standen traurig aussehende Fahrzeuge herum. Aus vielen Fenstern sah Bolitho Frauen und Kinder auf die Straße herunterstarren. Sie hatten den Blick entwurzelter Menschen, die nicht viel zu tun hatten, außer zu warten und zu hoffen.

Die Kutsche rollte durch zwei schiefhängende Torflügel auf ein weiteres dieser Häuser zu. Der einzige Unterschied war, daß dieses leerstand, die kahlen Fenster sahen in der Sonne aus wie tote Augen.

Einen Moment lang kam ihm Tyrells Warnung in den Sinn, aber als die Kutsche anhielt, sah er Susannah neben dem Haus stehen, ihr Kleid spiegelte sich in dem teilweise zugewachsenen Teich. Er eilte auf sie zu, das Herz schlug ihm bis zum Halse.»Ich bin so schnell ich konnte gekommen!«Er nahm ihre Hände in seine und betrachtete sie herzlich.»Aber warum müssen wir uns hier treffen?»

Sie warf den Kopf zurück, ihr Haar flog nach hinten, genauso wie er es in den Wochen ihrer Trennung in Erinnerung behalten hatte.

«Es ist besser so. Ich kann keine Zuschauer ertragen, diese Spötter hinter meinem Rücken. «Ihre Stimme ließ kaum eine Bewegung erkennen.»Wir wollen jetzt hineingehen. Ich muß mit Ihnen reden.»

Ihre Schritte klangen hohl auf den bloßen Böden. Es war ein schönes Haus gewesen, aber jetzt blätterte der Gips ab, und die Wände waren mit Spinnenweben bedeckt.

Susannah ging zu einem Fenster und sagte:»Mein Onkel ist in ernsthaften Schwierigkeiten, aber ich nehme an, daß Sie das wissen. Er war vielleicht dumm, aber nicht schlechter als viele hier.»

Bolitho schob die Hand unter ihren Arm.»Ich möchte nicht, daß Sie mit hineinverwickelt werden, Susannah.»

Sein Drängen oder die Verwendung ihres Namens veranlaßte sie, sich umzudrehen und ihn abzublicken.

«Aber ich bin hineinverwickelt, wie Sie es nennen.«»Nein. Das Schmuggeln und die anderen Vorwürfe können nichts mit Ihnen zu tun gehabt haben. Niemand würde es je glauben.»

Sie blickte ihn ruhig an.»Sie spielen auch keine Rolle. Aber ein Hinweis auf Ve rrat würde meinen Onkel ruinieren und alle, die mit ihm zu tun haben. «Sie grub die Finger in seinen Arm.»Dieser Crozier — haben Sie seine Anwesenheit in unserem Hause erwähnt? Bitte, ich muß es wissen. Denn wenn Sie weiterhin schweigen, kann noch alles gut werden.»

Bolitho wandte sich ab.»Glauben Sie mir, davor kann ich Sie retten. Ihr Onkel wird nach England geschickt werden, aber es gibt keinen Grund, warum Sie nicht hierbleiben könnten.»

«Hier?«Sie trat einen Schritt zurück.»Was sollte das für einen Zweck haben?»

«Ich — ich dachte, wenn Sie Zeit zu überlegen hätten, könnten Sie sich entscheiden, meine Frau zu werden. «In dem leeren Raum hallten seine Worte nach, als ob sie sich über ihn lustig machen wollten.

«Sie heiraten?«Sie strich sich das Haar aus der Stirn.»Meinen Sie das?»

«Ja. Ich hatte Grund zur Hoffnung. «Er betrachtete sie verzweifelt.»Sie deuteten an, daß…»

Sie antwortete scharf:»Ich habe niemals so etwas angedeutet, Kapitän! Wenn die Dinge sich so entwickelt hätten, wie ich es geplant hatte, dann vielleicht…»

Er versuchte es noch einmal.»Aber für uns muß sich doch nichts ändern.»

Sie fuhr fort, als ob er gar nicht gesprochen hätte:»Ich glaubte, daß Sie es mit Hilfe einiger meiner Freunde eines Tages zu etwas bringen könnten. Eine Stellung in London, vielleicht sogar ein Sitz im Parlament. Alles ist möglich, wenn man es wirklich will. «Sie hob die Augen wieder zu seinem Gesicht.»Haben Sie wirklich geglaubt, ich würde einen Seeoffizier heiraten? Jeden Tag darauf zu warten, daß sein Schiff Anker wirft? Es gibt andere Lebensarten außer Ihrem miserablen Dienst, Kapitän!»

«Er ist mein Leben. «Er fühlte, wie die Wände ihn einengten. Die Luft wurde aus seinen Lungen gepreßt, als müsse er ertrinken.

«Der Ruf der Pflicht. «Sie ging zum Fenster und blickte auf die Kutsche hinab.»Sie waren ein Narr, wenn Sie dachten, ich würde ein solches Leben mit Ihnen teilen. Und ein noch größerer, wenn Sie das weiterhin denken!«Sie drehte sich um, ihre Augen blitzten.»Das Leben besteht aus mehr, als e in paar arme Schmuggler in des Königs Namen zu fangen!»

Bolitho sagte:»Ich werde nichts davon erwähnen, daß Crozier bei Ihrem Onkel war. Aber es wird sicherlich herauskommen, ehe die Behörden ihre Untersuchungen beenden. «Er fügte bitter hinzu:»Die Ratten beißen einander, wenn das Futter knapp wird.»

Sie atmete langsam aus, eine Hand leicht auf ihr Herz gelegt.»Bleiben Sie noch einige Minuten, während ich zu meiner Kutsche gehe. Ich wünsche nicht, hier gesehen zu werden.»

Bolitho streckte die Arme aus und ließ sie dann wieder sinken. Er war besiegt. Er war es schon länger gewesen, als er gewußt hatte.

Doch als sie im dunstigen Sonnenlicht vor ihm stand und ihn mit ihren violetten Augen auf Distanz hielt, wußte er, daß er alles tun oder sagen könnte, um sie zu halten.

Sie ging auf die Tür zu.»Sie sind ein sonderbarer Mann. Aber ich sehe keine Zukunft für Sie. «Und dann war sie gegangen, ihre Schritte verhallten im Treppenhaus, und er war allein.

Er konnte sich nicht erinnern, wie lange er in dem leeren Raum gestanden hatte. Minuten? Eine Stunde? Als er schließlich die Treppe in den verwilderten Garten hinunterging, bemerkte er, daß die schäbige Kutsche verschwunden war. Er ging hinüber zum Teich und blickte auf sein eigenes Spiegelbild.

Wenn sie ärgerlich gewesen wäre oder ängstlich, dann hätte er vielleicht noch gewußt, was tun. Aber sie hatte nicht einmal Verachtung gezeigt. Sie hatte ihn einfach entlassen, genauso gedankenlos, wie sie einen nutzlosen Diener zurückgewiesen hätte.

Ein Fuß stieß an einen Stein, er fuhr herum und sah in dieser Sekunde vier dunkle Figuren aus den verwilderten Büschen springen.

«Langsam, Käpt'n!«Einer von ihnen hatte einen Degen gezogen, und er sah, daß auch die anderen gut bewaffnet waren.»Es ist sinnlos zu kämpfen!»

Bolitho wich an den Teich zurück, die Hand am Säbel.

Ein anderer Mann kicherte.»Aye, so ist's recht, Käpt'n. Wir wissen dann schon, wo wir Ihre Leiche verstecken, wenn wir mit Ihnen fertig sind. Praktisch — was, Kameraden?»

Bolitho blieb ganz ruhig. Er wußte, daß es sinnlos war, mit einem von ihnen reden zu wollen. Sie sahen aus wie berufsmäßige Kriminelle, Männer, die für Geld töteten, unabhängig davon, was es sie letztlich kosten würde. Er war plötzlich so gelassen, als ob ihre Ankunft seine Verzweiflung vertrieben hätte wie ein kalter Wind.

«Dann will ich wenigstens noch ein paar mitnehmen!»

Er zog seinen Säbel aus der Scheide und wartete auf ihren Angriff. Zwei hatten Pistolen, aber es waren wahrscheinlich Militärpatrouillen in der Nähe, und ein Schuß hätte sie aufmerksam gemacht.

Stahl stieß auf Stahl, und Bolitho sah, wie das Grinsen des Anführers zu einem angestrengten Stirnrunzeln wurde, als sich ihre Klingen kreuzten. Er duckte sich, als ein Mann nach seinem Nacken schlug, drehte seinen Säbel und fuhr ihm über das Gesicht, hörte ihn schreien, als er in die Büsche zurücktaumelte.

«Verdammt sollst du sein, elender Bastard!«Ein anderer warf sich nach vorne, sein Degen durchstieß Bolithos Deckung. Aber er sprang von seiner Gürtelschnalle ab, und er konnte ihn mit dem Griff wegschleudern; dann traf er den Gegner mit solcher Gewalt am Kiefer, daß es ihm fast den Säbel aus der Hand riß.

Der Garten schwamm in einem Nebel von Schmerzen, als ihn etwas heftig an der Stirn traf; er begriff, daß einer von ihnen einen Stein geworfen hatte. Er holte mit dem Säbel aus, fühlte aber, daß er nur in die Luft schlug. Jemand lachte, und ein anderer rief heiser:»Jetzt, Harry! Mach ihn fertig!«Doch da — Füße polterten durch die Büsche, Bolitho wurde von jemandem in blauem Rock beiseite geschoben, der schrie:»Auf sie, Kameraden! Haut sie nieder!»

Degen blitzten und klangen aufeinander, und ein Körper rollte um sich schlagend in den Teich, das Blut färbte die Oberfläche rot.

Bolitho kam unsicher auf die Beine; er sah, daß Heyward und Tyrell die beiden Angreifer zum Haus zurücktrieben, während Dalkeith wachsam danebenstand, seine beiden wundervollen Pistolen glänzten im Sonnenlicht.

Heyward zwang seinen Mann in die Knie und sprang zurück, um ihn auf sein Gesicht rollen zu lassen. So blieb er liegen.

Der einzige Überlebende warf seinen schweren Degen weg und schrie:»Gnade! Gnade!»

Tyrell trat ungeschickt auf seinem verkrüppelten Bein vor und sagte hart:»Keine verdammte Gnade!«Sein Degen traf den anderen in die Brust, einen endlosen Augenblick lang hielt er ihn an der Wand aufrecht, ehe er neben seinem Begleiter zusammensank.

Tyrell wischte seine Klinge ab und hinkte zu Bolitho hinüber.»Alles in Ordnung, Kapitän?«Er streckte die Hand aus, um ihm aufzuhelfen.»Gerade zur rechten Zeit, wie es scheint.»

Heyward stieg über eine der Leichen.»Jemand wollte Sie tot sehen, Sir.»

Bolitho blickte von einem zum anderen, die aufsteigende Rührung mischte sich mit Verstehen.

Tyrell grinste.»Sehen Sie, ich hatte recht.»

Bolitho nickte schwerfällig. Jemand wollte Sie tot sehen. Aber das Schlimmste war, daß Susannah die Gefahr, in der er schwebte, gekannt und nichts dagegen unternommen hatte. Er blickte auf die im Teich treibende Leiche.

«Was kann ich sagen? Wie soll ich Worte finden?»

Dalkeith murmelte:»Sagen wir einfach, es war auch für Rupert Majendie.»

Tyrell legte haltsuchend den Arm um Heywards schmale Schultern.

«Aye, das trifft's. «Er schaute Bolitho an.»Sie haben viel für uns getan. Und auf der Sparrow kümmern wir uns selber um unsere Leute!»

Zusammen gingen sie auf die Straße und die See zu.