158086.fb2 Die Ratten von New York - читать онлайн бесплатно полную версию книги . Страница 7

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Der Mann namens Joe, offensichtlich der Wortführer der vier, war zugleich der Größte und Kräftigste von ihnen. Ein wahrer Riese, der selbst den hochgewachsenen Jacob noch um einen ganzen Kopf überragte. Seine Schultern waren noch breiter als die des Zimmermannes. Insgesamt war seine Figur massiger, wirkte aber nicht fett. Unter seinem schmutzigen Kattunhemd spannten sich muskulöse Oberarme von gewaltigem Durchmesser. Seine Hände waren so groß wie Schaufelblätter und dichtbehaart. Die Haare schimmerten rötlich.

Überhaupt schien Rot die vorherrschende Farbe bei Joe zu sein. Unter einer speckigen Mütze lugten Haare von einer feuerroten Farbe hervor, wie sie Jacob niemals zuvor bei einem Menschen gesehen hatte. Joes Kattunhemd war dunkelrot, und seine darunter hervorquellenden Brusthaare hoben sich kaum davon ab. Selbst Joes Gesicht war gerötet wie das eines Cholerikers oder eines Säufers, und seine Augen waren von unzähligen roten Äderchen durchzogen.

So wirkte der Ire wie ein Teufel, ein der Hölle entstiegener Titan.

Irene erschauerte und drückte ihren Sohn enger an sich.

»Was hast du?« fragte Jacob.

»Dieser riesige Mann dort macht mir angst. Er erinnert mich an Bob Maxwell. Sein Gesicht hat den gleichen brutalen, menschenverachtenden Ausdruck. Der Ausdruck eines Mannes, der seine überlegene Kraft dazu mißbraucht, andere zu quälen.«

»Bob Maxwell ist tot«, versuchte Jacob sie zu beruhigen. »Und mit diesem Kerl dort haben wir nichts zu schaffen. Vielleicht gefällt er sich einfach darin, anderen Angst einzujagen.«

Aber insgeheim mußte er Irene recht geben. Er dachte mit Abscheu an den narbengesichtigen Maxwell, den Ersten Steuermann der AL-BANY, der Irene Gewalt antun und Jacob töten wollte und dann im Gerangel mit einem seiner eigenen Gefolgsleute von einer tödlichen Kugel getroffen worden war. Erst ab diesem Zeitpunkt war auf der Bark wieder Ruhe eingekehrt. Auch der Ire namens Joe schien einer dieser Menschen zu sein, die überall, wo sie auftauchten, Unruhe und Angst verbreiteten und sich daran labten. Nur das schien der Lebensinhalt dieser im Grunde bemitleidenswerten Kreaturen zu sein.

Der Ober kehrte mit einem Tablett zurück, auf dem vier große Bierkrüge standen, die er vor den Iren auf den Tisch stellte. Kaum hatte er das getan, griffen die Männer auch schon nach den Krügen und führten sie zum Mund. Joe tat dies am schnellsten und knallte den Krug, nachdem er einen Schluck getrunken hatte, mit angewidertem Gesichtsausdruck so heftig auf die Tischplatte, daß der Inhalt überschwappte.

»Was ist denn das für ein Gesöff, Dutch?« raunzte er den Ober an, bevor der sich entfernen konnte.

»Bier, wie Sie es bestellt haben.«

»Das soll Bier sein?« Joes Blick glitt über seine Gefährten, deren Gesichter ähnlichen Abscheu ausdrückten wie sein eigenes. »Nennt ihr das Bier, Freunde?«

Sie schüttelten die Köpfe und taten lauthals ihren Unmut über das Getränk kund.

Jacob und Martin sahen sich an, und jeder las in den Augen des anderen dasselbe. Die Iren trieben ein abgekartetes Spiel mit dem Ober. Den beiden deutschen Einwanderern hatte das Bier hervorragend geschmeckt.

»Was ist das für ein Gebräu, Dutch?« fragte Joe und hielt seinen Krug hoch. »Etwa Gift, mit dem ihr Germans anständige Iren hinterhältig unter die Erde bringen wollt?«

Der Ober sah verzweifelt aus. »Nein, Sir. Dieses Bier schenken wir hier jedem aus.«

»Jedem anständigen Iren, wolltest du wohl sagen, was?«

»Wenn Ihnen das Bier nicht schmeckt, bezahlen Sie es nicht«, sagte der Ober und wollte schnell davongehen.

Aber Joe war fixer und streckte sein rechtes Bein aus, über das der junge Deutsche stolperte. Er schlug längs auf den Boden, und sein leeres Tablett schlitterte unter einen der freien Tische.

Die wenigen Gäste im Biergarten hatten den sich anbahnenden Streit mit wachsendem Unbehagen verfolgt. Jetzt legten sie schnell das geschuldete Geld auf die Tische und machten sich davon. Nur zwei Tische waren noch besetzt, der mit den Iren und der, an dem Jacob, Martin und Irene saßen.

Joe erhob sich, den Krug noch immer in der Rechten, und baute sich breitbeinig vor dem Ober auf, der sich umdrehte und den Iren ängstlich ansah.

»So einfach kommst du nicht davon, Dutch. Zur Strafe dafür, daß du uns vergiften wolltest, werden wir dir dein eigenes Gift zu schlucken geben!«

Mit diesen Worten leerte er langsam den Krug, indem er den Inhalt auf den Kopf des Obers goß. Joe lachte, und seine Begleiter stimmten darin ein.

»Kommt, Freunde«, rief er ihnen zu. »Laßt diesen verdammten Dutch sein eigenes Gift trinken! Was die Germans Bier nennen, ist für einen anständigen Iren eine Beleidigung!«

Die drei anderen Iren erhoben sich ebenfalls von ihren Plätzen und gesellten sich mit ihren Krügen um den noch immer am Boden liegenden Ober.

Als der erste damit begann, seinen Krug über dem Mann auszuleeren, verständigten sich Jacob und Martin mit einem kurzen Blick.

»Geh mit Jacob-Martin hinein ins Lokal, Irene«, sagte Jacob.

Sie sah ihn erschrocken an. »Ihr wollt euch doch nicht etwa mit diesen brutalen Kerlen anlegen?«

»Sollen wir nur zusehen?«

Die junge Frau nickte. »Ihr habt recht. Aber seid vorsichtig.«

Während sie mit ihrem Säugling eilig zum Eingang des Lokals ging, bewegten sich Jacob und Martin auf die Iren zu.

Gerade wollte der dritte von ihnen seinen Krug über dem Ober ausleeren, als Jacob laut und deutlich auf englisch sagte: »Ich denke, jetzt ist es genug!«

Ungläubig drehten sich die Iren um und blickten die beiden Deutschen an.

»Was hat der verdammte Dutch gesagt?« fragte der irische Wortführer.

»Ich weiß nicht, Joe«, sagte ein Mann mit rotem Vollbart. »Er hat so ein Kauderwelsch von sich gegeben, daß man schlecht sagen kann, in welcher Sprache er geredet hat.«

»Ich habe gesagt, es ist genug.« Jacob zeigte auf den nassen, vor Angst zitternden Ober. »Sie haben Ihren Spaß mit dem Mann gehabt. Jetzt sollten Sie ihn in Frieden lassen.«

Joe hob in einer Geste der Hilflosigkeit seine mächtigen Pranken. »Tut mir leid, Männer, aber ich kann das Gequassel von diesem Dutch einfach nicht verstehen. Vielleicht sollten wir ihm mal unsere Sprache beibringen!«

Er erntete das beifällige Gejohle seiner Gefährten.

»Diese Germans sind einfach zu blöd, um unsere Sprache zu lernen!«

»Die haben das Maul nur zum Fressen mitbekommen!«

»Zeig dem Dutch, welche Sprache wir sprechen, Joe!«

»Das werde ich!« versprach der rote Riese, machte einen großen Schritt auf Jacob zu, ballte gleichzeitig die Rechte zur Faust und schickte einen Schwinger in die Richtung seines Kopfes.

Jacob hatte so etwas erwartet und war deshalb vorbereitet. Er tauchte unter dem Schlag weg, griff gleichzeitig nach Joes Arm, packte ihn fest mit beiden Händen und riß den Iren nach vorn. Der Schwung seines eigenen Schlages brachte den Riesen aus dem Gleichgewicht, und nach ein paar stolpernden Schritten fiel er auf einen Tisch, der unter ihm zusammenbrach und zersplitterte.

Für ein paar Sekunden standen seine drei Begleiter ungläubig da und betrachteten die Szene. Dann stieß der Mann mit dem roten Vollbart einen lauten Schrei aus und stürzte sich auf Jacob. Einer seiner Begleiter tat es ihm gleich, während der andere Martin angriff.

Jacob schnappte sich einen Stuhl vom nächsten Tisch und warf ihn dem Rotbart in den Weg. Der Ire konnte nicht mehr ausweichen, geriet ebenfalls ins Stolpern und prallte mit dem Kopf gegen den mächtigen Stamm einer Linde, an dem er zu Boden rutschte.

Der ihm nachfolgende Ire landete einen Faustschlag an Jacobs linker Schulter, der den Deutschen zurücktaumeln ließ. Der Ire, ein untersetzter Dreißiger mit einem von Sommersprossen nur so übersäten Gesicht, setzte nach und schoß neue Faustschläge auf Jacob ab, die dieser in letzter

Sekunde abblocken konnte.

Jacob konterte und traf den Gegner mit einem Schlag an der Schläfe. Mit einem Aufstöhnen sackte der Sommersprossige zu Boden und rührte sich nicht mehr.

Jacob sah, daß Martin seinen Gegner ebenfalls zu Boden geschickt hatte.

Aber beiden Deutschen blieb wenig Gelegenheit zum Atemschöpfen. Joe und der Rotbart hatten sich inzwischen aufgerappelt. Letzterer bewegte sich langsam, vorsichtig geworden, auf Martin zu, während Joe wie ein wütender Stier gegen Jacob anrannte.