158087.fb2
Ojo stand ganz vorn am Bugspriet und starrte auf den
Gegner. Die Kanoniere hockten hinter den Buggeschützen und warteten auf den Feuerbefehl.
Er kam.
Mit diesem plötzlichen Überfall hatte man drüben nicht mehr gerechnet. Hassan, der sich an Bord befand, war so erschrocken, daß er zunächst stumm in die feindlichen Mündungsfeuer blickte.
Und die Kugeln der »Trueno« saßen haargenau. Man zielte gar nicht erst auf die Aufbauten.
Niemand hatte Lust, den Gegner auf Piratenweise zu entern. Jeder war begierig darauf, ihn so schnell wie möglich in den Grund zu bohren.
Fünf-, sechsmal schoß Hassans Schiff noch. Dann stieg Geschrei auf und Ojo sah, wie es sich zur Seite neigte.
Ein paar Minuten später war es versunken.
Auch diesmal hatte die »Trueno« gesiegt.
15
Als Hassan von See aus die Schlacht eröffnet hatte, richtete sich naturgemäß die Aufmerksamkeit aller auf diesen Überfall. Nicht ein einziger hatte sich um den kranken Fernando und Taitscha, die Tochter des Inselkönigs, gekümmert.
Der erste Schuß zauberte ein freudiges Erschrecken auf das Gesicht des schönen Mädchens. Jetzt begann die große Abrechnung. Und jetzt begann auch Taitscha zu leben.
Als die ersten Aufbauten zusammenstürzten, als das Durcheinander begann, zerrte die Eingeborene mit kräftigen Armen Fernando von seinem Lager. Er wehrte sich nicht. Er schien sogar die Lage zu erfassen. Seine brennenden Blicke hingen an ihr. Aber es stand keine Frage darin, nur eine große Verwunderung.
Taitscha riß ihn aus der Kabine in den Gang. Abwartend blieb sie für Sekunden stehen und horchte. Durch den Lärm vernahm sie das Knarren und Quietschen des Ankerspiels. Sie wußte zwar nicht, was das war, witterte aber instinktiv, daß etwas geschah, was ihr die Flucht von Bord vielleicht abschneiden konnte.
So sprang sie, den willenlosen Fernando immer mit sich ziehend, die Stiege empor und erreichte das Oberdeck.
Sie sah das Mündungsfeuer der Landgeschütze. Auf dieser Seite war es zu hell.
So zog sie Fernando nach drüben, stieß ihn, ohne viel Federlesens über Bord und sprang sofort hinterher. Immer in enger Verbindung mit ihm, erreichte sie das jenseitige Ufer, zog sich und ihn empor und suchte Deckung hinter einem Gebüsch. Trotz der Nässe ertrug sie die kühle Nachtluft, ohne zu frieren.
Fernandos Zähne schlugen im Frost aufeinander. Er lag im Gras neben ihr wie ein hilfloses, krankes Baby neben seiner Mutter.
Taitscha wartete ab, wie sich die Schlacht entwickelte.
Sie unterdrückte einen Triumphschrei, als die »Mapeika« auf Grund ging. Heftig zuckten ihre Lippen, und freudige Erregung stand in ihren Augen, als die Pulverkammer auf der »Dimanche« explodierte und das Schiff wie eine riesige lodernde Fackel auf dem Fluß stand. Das war ein grandioses Feuerwerk!
Sie wartete voller Ungeduld auf das Ende des dritten Schiffes. Deutliche Enttäuschung malte sich auf ihrem Gesicht, als dieses über die Kanonen an Land Sieger blieb.
Aber nun lief es aus. Draußen war Tuan Hassan. Er würde auch ihm den Rest geben.
Das Mädchen spürte jetzt die Wärme der Feuersbrunst von der »Dimanche« bis zu sich herüber.
Sorgend schob sie den ohnmächtigen Geliebten in die Nähe des brennenden Schiffes, damit auch er sich wärmen könne.
Das Mondlicht wurde immer heller.
16
Tunatatschi hatte noch vor dem Transport der Kanonen seine treuesten Krieger um sich versammelt. Lange sprach er mit seiner gutturalen Stimme zu ihnen.
»Und, meine Brüder«, endete er dann, »wenn ihr seht, daß es Hassans Feuerrohren gelungen ist, den Sieg zu erringen und die Weißen auf den Schiffen zu vernichten, so stürzt euch auf die Araber und schlagt sie alle tot. Wenn Hassans Schiff morgen früh an die Küste kommt, werden wir ihn und seine Männer mit Blumenranken begrüßen, derweil ein Teil von euch, hinter Gebüsch verborgen, die Blasrohre ansetzt, um sie zu erschießen. Dann sind wir die Herrscher.
Dann haben wir die Kanonen, und dann werden wir mit den Schiffen, die übriggeblieben sind, ausziehen, um die Welt zu erobern.«
In seiner Stimme war Feuer. Und auch die Ältesten des Stammes, die Väter des Rats, spürten nicht den Größenwahn in seinen Worten. In seiner Rede hatte er die Gestalten längst vergangener Epochen beschworen, hatte beschrieben, wie sie von den Weißen ausgerottet worden waren, und wie es nur wenigen gelang, diese Insel hier zu erreichen.
Wie ein moderner Politiker hatte er die Phrasen der Freiheit und Rache, von Heldentum und Sieg gebraucht. Und so geschah das Entsetzliche denn.
Zuerst waren die Eingeborenen willige Helfer der arabischen Kanoniere. Sie schleppten Kugeln herbei, brachten Lunten, trugen Pulverfässer während der Erwiderung des Feuers von einem Platz zum anderen, um sie vor Explosionen zu bewahren.
Sechzehn Kanonen standen zwischen den Hügeln und spien Tod und Verderben. Hinter jeder Bedienungsmannschaft aber lauerte der Meuchelmord.
Wenn sie drüben auf den Schiffen einen Treffer anbrachten, jubelten sie und freuten sich und dankten Allah.
Und die Eingeborenen freuten sich mit ihnen, schlugen ihnen auf die Schultern und hatten in der linken Hand bereits den vergifteten Pfeil, um ihn den bisherigen Freunden in die Haut zu bohren.
Dann ging die Schlacht ihrem Ende zu. Fast alle Kanonen waren ausgefallen. Nur die eine oder andere feuerte noch.
Aber die Toten neben den ausgefallenen Geschützen waren nicht alle das Opfer der gut gezielten Schüsse der »Trueno«. Die meisten hatten verkrampfte Gesichter. Irgendwo an ihrem Körper gab es eine kleine, unbedeutende Wunde, durch die das Pfeilgift aus Freundeshand ins Blut gedrungen war.
Als die »Trueno« um die Biegung des Flusses fuhr, gab es keinen lebenden Araber mehr.
Da Tunatatschi der festen Überzeugung war, daß er gesiegt hatte, ließ er seine Krieger zusammenrufen.
»Der erste Teil der Arbeit ist getan«, sprach er und deutete auf die toten Leute Hassans. »Nun fleht die Götter an, daß sie euch morgen eine ebenso sichere Hand geben. Der Sieg ist unser!«
Ein uralter Mann, ein Greis ließ sich von zwei Jungen in den Kreis geleiten und hob die Hand zum Zeichen, daß er sprechen wolle. Mit zittriger Stimme wandte er sich an die Versammelten.
»Ich habe euerm grauenvollen Spiel zugesehen. Ich will nicht darüber rechten, ob ihr die Kampfgefährten zu Recht tötet oder nicht. Aber eine Frage habe ich an den König unseres Volkes: was tut Tunatatschi, wenn das Schiff, das soeben fortgefahren ist, Sieger bleibt über Hassan, den Händler?«
»Es kann nicht mehr siegen«, schrie Tunatatschi empört. »Es hat nicht mehr die Kraft, sich mit einem ausgeruhten Adler zu messen. Hassan wird es zu den Fischen auf den Grund des Meeres schicken.«
»Gut, gut«, zeterte der Alte unzufrieden. »Aber was, wenn es nicht hinabtaucht?«
»Aaahh! Schweig, du alte Unke«, rief Tunatatschi, denn er wußte keine Antwort auf diese Frage.
Bis zu diesem Augenblick hatte er überhaupt nicht mit einer solchen Möglichkeit gerechnet.
»Ich schweige nicht; denn die Dämonen befehlen mir zu reden«, hub der Alte mit kreischender Stimme wieder an. »Du hast viele Fehler gemacht, Tunatatschi. Du sprachst davon, daß wir die Schiffe der Weißen erobern könnten, um die Welt mit ihnen zu unterjochen. Aber was ist nun aus diesem Plan geworden? Da — da liegen sie. Eines ist halb versunken und das andere steht in hellen Flammen. Das dritte wird nach deinen eigenen Worten zu den Fisdien gehen. Wo bleibt die Eroberung der Welt?«
»Ich habe Vorsorge getroffen«, erwiderte der König der Insel mit überlegener Stimme. »Wir werden die Schiffe da vorn wieder flott machen. Denkst du nicht an den Weißen, den meine Tochter behext hat, damit er bei uns bleibt? Er wird uns zeigen, wie man ein Schiff repariert.«
Beifälliges Murmeln erhob sich im Kreise.