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Der Schwarze machte große Augen.
»Zwei in fünf Tagen? Und du nicht lügen?«
Michel zählte vierzig Gulden ab.
»Wir wollen reichlich rechnen«, sagte er. »Nehmen wir an, wir brauchen für den Hin- und Rückweg hundert Tage. Ich gebe dir vierzig Gulden im voraus. Und wenn wir wiederkommen, nochmals vierzig als Belohnung.«
Ugawambi rollte die Augen. Seine Blicke streiften dabei ängstlich seine Frau und seine Schwiegermutter und um seine Lippen zuckte es.»Du mir geben nur dreißig jetzt«, meinte er schnell.
»Warum?« fragte Michel erstaunt.
»Du mir geben zehn, ich nachher dich begleiten zu deine Wohnung.«
Aha, Ugawambi hatte Angst, daß ihm Frau und Schwiegermutter auf der Stelle alles abnehmen würden. Dreißig wollte er ihnen freiwillig überlassen. Aber zehn Gulden Taschengeld mußten für ihn dabei abfallen. Es war eine Summe, wie er sie nur ganz selten einmal verdiente.
»Und du nicht sagen«, fuhr er besorgt fort, »daß du mir noch einmal soviel Goldstücke versprochen, wenn zurückkommen.«
»Sei unbesorgt«, lächelte der Pfeifer. »Ich kann dich gut verstehen. Nur noch eine Frage. Wirst du auch drei Träger für uns anwerben können?«
»Wenn du bezahlen?«
»Wieviel für jeden?«
»Fünf Goldstücke für ganze Reise und zwei für midi, machen zusammen sieben für eine Träger, Bwana[1]!«
»Du bist ein guter Geschäftsmann«, meinte Michel. »Hier hast du die dreißig Gulden für dich.
Und willst du auch die einundzwanzig für die Träger sogleich haben?«
»Nein, nein«, wehrte Ugawambi entsetzt ab, »erst draußen.«
Als die Weiber sahen, daß der Pfeifer von den abgezählten vierzig Gulden zehn wieder in den Beutel tat, erhoben sie ein großes Geschrei. Ihren wilden Bewegungen entnahm Michel, daß sie ihn für einen Geizkragen hielten. Er störte sich aber nicht daran; denn er sah die Befriedigung darüber in Ugawambis Augen.
Dieser hatte die dreißig Gulden kaum in der Hand, als beide Frauen auf ihn losfuhren und sie ihm wieder entrissen. Er tat, als wollte er noch etwas für sich retten und schimpfte in seiner Sprache wie ein Rohrspatz. Das Palaver dauerte eine ganze Weile. Dann hatte er von den dreißig noch zwei für sich erbeutet.
Nachdem alle vier Männer die Hütte und Madagaskartown verlassen hatten, gab Michel dem Schwarzen den Rest der vereinbarten Summe und die einundzwanzig Gulden zur Anwerbung der Träger.
Bevor sie auseinandergingen, fragte er:
»Wann wirst du so weit sein? Wann kann unsere Reise beginnen?«
Ugawambi betrachtete zufrieden die Gulden.
»Wenn Mond voll sein, Massa.«
»Du lieber Gott. Das wäre ja erst in zehn Tagen.«
Ugawambi nickte.
»Das ist zu spät«, schaltete sich Tscham ein. »Geht es nicht übermorgen oder in drei Tagen?«
»Du kommen in drei Tagen in meine Hütte. Dann ich sagen.«
Er ging. Er schien es sehr eilig zu haben.
»Weshalb braucht der Kerl so lange Zeit, um sich vorzubereiten?«
»Wir werden sehen«, sagte Michel. »Es kommt auf ein paar Tage nicht an.«
29
Wie verabredet erschienen Michel, Tscham und Ojo drei Tage später in der Hütte Ugawambis.
Aber er war nicht da.
Dafür erhoben die Weiber, kaum daß sie die drei zu Gesicht bekommen hatten, ein Geschrei, als sollte es ihnen an den Kragen gehen. Die jüngere, die Frau des Führers, stürzte wie eine Furie auf den Pfeifer zu, heulte und tobte, daß dieser nicht wußte, wie er sich verhalten sollte.
»Ugawambi«, sagte er und deutete auf sich. »Wir zu Ugawambi!«
Wieder sprudelte ein Regen von unverständlichen Lauten auf ihn nieder. Endlich schien die Frau zu begreifen.
»Ugawambi«, krächzte sie, »Ugawambi!«
Sie nahm Michel bei der Hand und zerrte ihn aus der Hütte. Draußen lief sie mit ihm ein Stück die schmutzige Gasse zwischen den Lehmhütten hinunter, die sich ohne Fortsetzung in einer Wiese verlief. Sie stolperte über diese Wiese, bis sie ein Gebüsch erreichte. Hier bog sie die Zweige auseinander, deutete auf vier an der Erde liegende Gestalten und kreischte :
»Ugawambi!«
Michel trat näher.
Tatsächlich gab es keinen Zweifel. Der Lange, der dort friedlich zwischen den anderen Burschen schlief, war Ugawambi. Eine Wolke von Alkoholdunst hing zwischen ihnen.
Die Frau machte die Gebärde des Geldzählens und des Trinkens, was wahrscheinlich bedeuten sollte, daß sie Michel die Schuld am Rausch der Siebenschläfer gab.
Michel wandte sich an seine Freunde.
»Jetzt wißt ihr, weshalb Ugawambi so lange braucht, um unsere Reise vorzubereiten.«
Er trat zu dem Langen und rüttelte ihn.
Der sagte irgend etwas auf Kisuaheli. Michel verstand nichts. Aber seine teure Ehehälfte schien sich angesprochen zu fühlen. Mit einem Wutschrei stürzte sie sich auf ihn und ohrfeigte ihn nach Strich und Faden, bis er sich langsam aufrichtete. Mit einem Ruck schüttelte er seine Frau ab und fuhr sich stöhnend mit den Händen zum Kopf.
»Na, wie ist's?« fragte Michel.
»Uahh —, uahh«, gähnte der Lange.
Er hatte im Schlaf die Perücke verloren und merkte es jetzt. Hastig drehte er sich um, nahm sie auf und stülpte sie sich mit zufriedenem Gesicht wieder auf den Hinterkopf. Dann stand er mühselig vollends auf und schimpfte auf die Frau, bis diese sich widerwillig trollte.