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»Omr, bring Kaffee und fülle die Tschibuks! Aber nimm nicht meinen Tabak!«
Der war ihm wahrscheinlich zu schade für die Fremden.
Tscham und Ojo blickten auf Michel. Und der war selbst unschlüssig. Er konnte schlecht die Gastfreundschaft des Arabers in Anspruch nehmen und nachher die Freilassung der Sklaven fordern. Abu Sef würde ihn für verrückt erklären und ihn obendrein noch für undankbar halten; denn was er tat, war ja nicht verboten.
Der Sklavenhandel war eine ganz legale Sache. Weder die Weißen noch die Araber betrachteten zu dieser Zeit den Neger als gleichwertigen Menschen. Ja, die Überheblichkeit der Zivilisierten und Halbzivilisierten ging so weit, daß sie den Schwarzen, der weder etwas von Allah noch vom Christengott wußte, überhaupt nicht der Kategorie des Menschen zuzählten. Nach ihrer Meinung war er geschaffen, um wie ein wildes Tier gefangen und gezähmt zu werden, damit er dann nützliche Arbeit verrichten konnte. Neger und Affen standen fast auf einer Stufe, nur daß es bequemer war, einen Neger abzurichten als einen Affen.
Michels Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
»Ich will deinen Kaffee nicht. Ich rauche auch nicht deinen schlechten Tabak!«
Das war eine Beleidigung, die man normalerweise nur durch Blut wieder gutmachen konnte.
Abu Sef sprang dann auch auf und stand starr. Als er sich das, was der Fremde gesagt hatte, noch einmal vergegenwärtigte, fuhr seine Hand zur Burnusschärpe und umklammerte den Messerknauf.
»Hund!« schrie er. »Weißt du überhaupt, was du da gesagt hast?«
Michel blieb ruhig und nickte.
»Du bist eine gefährliche Schlange, die man zertreten sollte«, sagte er ungerührt. »Du fängst Menschen und spannst sie in deine Leitern! Du reißt Familien auseinander und verkaufst sie ! Du mordest die Schwachen und läßt sie den Hyänen zum Fraß! Du stiehlst die Starken und nimmst ihnen die Kraft! Du bist eine schlimmere Bestie als alle wilden Tiere des Urwalds!«
Abu Sef, der alles erwartet hatte, nur nicht eine solche Strafpredigt, wußte darauf nicht gleich etwas zu erwidern. Er, dessen Schatz an Schimpfworten sonst unerschöpflich schien, konnte gegen eine solche Zornrede keine Argumente hervorbringen.
Und in dem Fremden war etwas Gebietendes, dem er sich nicht entziehen konnte.
»Was hast du darauf zu antworten?« fragte Michel.
»Ich - ich - bei Allah - ich -«
»Rufe nicht den Namen Allahs an! Allah will nicht, daß der eine Mensch dem ändern Böses tut.«
»Aber — aber — woher weißt du das? Du tust, als seiest du der Prophet!«
»Ich bin nicht der Prophet; aber ein vom Propheten zur Erde gesandter Rachegeist. Und ich sage dir, bevor noch drei Tage vergangen sind, werden alle deine Männer und du selbst verdorben sein!«
»Willst du uns vielleicht töten?« fragte Abu Sef. Er erhielt langsam seine Fassung wieder.
»Ich töte nicht.«
»So, dann bin ich beruhigt, du Geist der Rache! Nun eile, daß du fortkommst, sonst drehen wir den Spieß um und töten dich.«
»Alberner Schwätzer!«
Abu Sef kochte jetzt vor Zorn.
»Warte!« schrie er. »Ich werde dir beweisen, daß ich kein Schwätzer bin.«
Er riß das Krummesser aus dem Gürtel und zückte esgegen den immer noch zu Pferde sitzenden Pfeifer. Ehe er sichs versah, traf ihn Michels Fußspitze am Kinn. Er fiel zusammen wie ein Mehlsack und hielt sich stöhnend das Gesicht.
Jetzt nahmen die anderen, die längst einen Kreis um die drei gebildet hatten, eine drohende Haltung an.
Abu Sef hatte sich schnell wieder erholt und schrie nun:
»Packt ihn, den Schejtan! Ich werde ihn auspeitschen!«
Sie drangen auf den Pfeifer ein.
Von dessen Lippen kamen einige Triller und ein paar schrille, schnelle Kadenzen. Die Araber stutzten. Ojo brauchte nicht erst einzugreifen, obwohl er schon sein Gewehr beim Lauf gepackt hielt.
»Gebt acht, Burschen«, rief Michel. »Euer Anführer drohte mir mit dem Tod. Ich will euch zeigen, daß mir hundert von eurer Sorte nicht gewachsen sind! Seht ihr den dünnen Baum dort am Rand des Waldes?«
Aller Augen folgten seiner ausgestreckten Hand.
»Nun, so gebt gut acht! In weniger als einer halben Minute werdet ihr fünf Löcher darin finden, die ich hineinschieße.«
Die Sklavenjäger sahen einander an. Man erkannte deutlich, daß sie sich nur mit Mühe das Lachen verbissen. Aber sie waren sportlich genug, um dieses Spiel zur Ausführung kommen zu lassen. Verprügeln konnten sie den Frechling dann immer noch.
»Hahaha!« lachte Abu Sef. »Du mußt wirklich verrückt sein, wenn du uns mit solchem Unsinn schrecken willst.«
Michel riß die Villaverdische Muskete an die Wange, drückte ab, schob blitzschnell den Laufkranz weiter, drückte wieder ab und jagte die fünf Schüsse in ganz kurzen Abständen hinaus.
Zuerst herrschte Totenstille. Dann traten die Araber zurück und starrten mit erschrockenen Augen auf das Gewehr.
»Geht hin und seht nach, ob ich die Wahrheit gesprochen habe!«
Keiner rührte sich vom Fleck.
»So geht doch«, rief Abu Sef eifrig. »Er wird uns ein chinesisches Feuerwerk vorgemacht haben!
Da gibt es solche Dinger, die noch öfter als fünfmal knallen. Aber sie sind ungefährlich. Es kommt keine Kugel dabei heraus.«
»Und wenn nun doch Kugeln kommen?« fragte unsicher einer der Umstehenden.
»Dann werdet ihr die Löcher im Baum finden.«
»Und wenn er auf uns schießt, während wir die Löcher suchen?«
»Ich töte nicht«, sagte Michel, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich werde während der nächsten Minuten das Gewehr nicht anlegen.«
Die ersten zwei gingen zögernden Schrittes davon. Es waren vielleicht sechzig Meter bis zu dem Baum am Waldrand.
Michel hoffte sehr, daß alle gehen würden; denn er wollte unauffällig seine abgeschossenen Läufe wieder laden. Doch die Blicke der anderen hingen mißtrauisch an seinem Gewehr. Sie achteten auf jede seiner Bewegungen, um die beiden Mutigen warnen zu können, wenn er das Gewehr etwa hob.
Doch dann war es soweit.
Die beiden hatten die Löcher im Baum gefunden. Und zwar saß eines immer genau zwei Handbreit unter dem anderen. Allein die Leistung des Zielens beeindruckte dieMänner so stark, daß sie laut hinüberriefen, was sie sahen.