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»Beim Barte des Propheten!« schrie Abu Sef die Treiber plötzlich an. »Wir müssen weiter! Steht nicht rum, ihr Faulpelze! Nehmt die Peitschen und jagt sie auf, die schwarze Brut!«
Man kam seinem Befehl nach. Aber nicht gern. Die Peitschen wurden so gut wie gar nicht benutzt.
Na wartet, dachte er, ihr könnt in Zukunft sehen, wie ihr euer Geld verdient. Ich suche mir andere. Und den ändern werde ich sagen, was ihr für Feiglinge seid !
Wütend knirschte er mit den Zähnen.
Die Karawane setzte sich wieder in Bewegung. Fast eine Stunde war verloren. Die Neger hatten sich so einigermaßen erholt, obwohl sie nichts gegessen hatten. Zu trinken spendete der Himmel in überreichlichem Maße.
Unogi flüsterte seinem Vordermann zu :
»Was mögen das für Männer gewesen sein, diese drei?«
»Freundlich gingen sie mit den Schindern nicht um.«
»Ich dachte schon, sie wären gekommen, um uns zu befreien!«
»Zu befreien? Um uns diesen Schindern wegzunehmen und dann selbst zu schinden und zu verkaufen! Der eine mit dem langen Bart sah noch viel schlimmer aus als der, den sie Abu Sef nennen.«
Eine Stunde verging und noch eine.
Abu Sefs Stirn umwölkte sich mehr und mehr. Es schien ihm, als kämen sie gar nicht vom Fleck.
Die Neger gingen. Kein einziger Araber hob seine Peitsche, um sie zu schnellerem Lauf anzutreiben.
Wieder eine Stunde. Der Regen wurde heftiger. Er fiel jetzt in großen Tropfen. Abu Sefs Turban wurde immer schwerer. Wie eine Zentnerlast, vollgesogen von Wasser, saß er auf seinem Kopf.
Heute noch, vor Einbruch der Dunkelheit, hatten sie die Gefährten erreichen wollen, die mit den Pferden auf sie warteten. Es würde bei diesem Tempo einen halben Tag länger dauern.
»Schejtan«, zischte Abu Sef vor sich hin. Er überlegte sich, daß sie auf diese Weise zehn Tage bis zur Küste brauchen würden statt fünf Tage. Zehn Tage aber bedeutete für die Sklaven : verhungern !
Was aber hatte er davon, wenn sie verhungerten? Dann konnte er sie geradeso gut hier wieder laufen lassen. Also mußte man größere Pausen einlegen, um zwischendurch auf Jagd zu gehen.
Dann würden fünfzehn Tage daraus werden. In fünfzehn Tagen hätten sie zwei Jagden mit doppelt soviel Gefangenen und doppelt soviel Gewinn machen können.
»Nein«, murrte Abu Sef vor sich hin. Und »nein!« schrie er plötzlich wütend, wandte sich um und schlug auf die Unglücklichen ein, die ihm gerade am nächsten waren.
Von Leiter zu Leiter lief er und prügelte in der rohesten Weise. Dabei schrie er in Kisuaheli :
»Lauft, ihr Hunde, ihr habt euch genug ausgeruht!Lauft ! Lauft ! Sonst prügle ich euch, bis euch das Blut vom Rücken springt !«
Und wirklich, er erreichte es, daß sich die ersten wieder in Trab setzten.
Jetzt wurden auch die Treiber wieder mutiger, als sie sahen, daß sich weit und breit kein Racheengel Allahs sehen ließ.
Bald befand sich die Karawane wieder im vollen Dauerlauf, begleitet vom Johlen und Schreien ihrer Antreiber.
Fast übergangslos kam die Dunkelheit. Aber im letzten Dämmer — es war gerade noch Büchsenlicht — peitschten vom Wald her vier Schüsse auf, denen zwei Schreie folgten.
Zwei Araber stürzten hin, umfaßten die Unterschenkel und begannen zu schreien.
Das Tempo der Karawane verlangsamte sich. Aber Abu Sef tobte:
»Weiter! Weiter! Wenn jemand stehenbleibt, erschieße ich ihn!«
Zwei andere Araber blieben zurück und sahen nach ihren wimmernden Gefährten.
»Wo seid ihr getroffen?« fragte der eine.
»Ins Bein«, kam die Antwort.
»Wir können nicht mehr laufen«, stöhnte der andere. »Und es ist noch weit bis zu den Pferden!«
Die Zurückgebliebenen standen unschlüssig.
»Wir müssen Abu Sef verständigen«, meinte der erste.
»Er wird nicht haltmachen.«
Ein Verwundeter jammerte:
»Er kann uns doch nicht hier liegen lassen!«
Der erste setzte sich in Trab und erreichte nach einigen hundert Metern den Anführer.
»Zwei sind verwundet, Sayd.«
»Allah verdamme sie. Wir können nicht hier bleiben, bis sie wieder gesund sind!«
»Aber sie sind in die Beine getroffen! Sie können nicht laufen!«
Abu Sef platzte fast vor Wut.
»Tragt sie«, schrie er. »Nehmt euch ein paar Neger. Aber laßt sie nicht entkommen!«
Aus der letzten Leiter wurden vier Schwarze befreit. Um Tragbahren herzustellen, fehlte die Zeit. So mußten sie die Verwundeten zwischen sich nehmen, die Hände verschränken, und im Dauerlauf ging es weiter.
Es war noch schwerer, als in der Leiter zu gehen. Aber hinter ihnen drohten ständig zwei Gewehrläufe.
Die ganze Nacht wurde nicht Rast gemacht. Erst als der erste Morgenstrahl erschien, gab Abu Sef das Kommando zum Halten.
Die Neger, die die Verwundeten hatten tragen müssen, fielen um und blieben liegen. Die Besinnung schwand ihnen. Sie waren zu nichts mehr fähig. Abu Sef betrachtete sie, zog eine Pistole und erschoß zwei von ihnen.
Aus zweihundert Kehlen stieg in diesem Augenblick Wehklagen zum Himmel empor.
Da krachte vom Waldrand abermals ein Schuß, der jedoch fehl ging.