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»Was ist?« fragte Ugawambi.
»Ein Stamm — der — der das Dorf besetzt«, stammelte der Träger. Plötzlich hörten sie eine Stimme :
»Ugawambi! Ugawambi — wo bist du?«
»Doch der Massa«, sagte Ugawambi und atmete auf. Er ging hinaus. Michel stand am Rand des Dorfes und sah das fröhliche Treiben der Wiederkehr mit innerer Zufriedenheit. Ojo und Tscham hielten neben ihm.
Ugawambi eilte zu ihnen.
»Hier ich sein, Massa. Was das hier mit viele Schwarze?«
Michel maß ihn mit einem langen Blick. Der Kerl war zu frech. Er hatte offene Ablehnung in seine Frage gelegt.
»Das geht dich nichts an. Ihr habt die Hütten nicht instand gesetzt. Weshalb nicht?«
»Du müssen Träger fragen. Ugawambi sein Führer. Nicht Hüttenbauer.«
»Du scheinst dir noch etwas auf deine Faulheit einzubilden. Wo ist die kleine Frau?«Ugawambi grinste.
»Nicht wissen. Ich nicht anrühren. Ich aufheben für Massa.«
Michels Brauen bildeten einen harten Strich auf seiner Stirn.
»Bring sie sofort her.«
»Ja, Massa. Ugawambi suchen.«
Er ging fort. Nach einer Weile kam er mit dem Mädchen wieder, dessen Augen furchtsam an dem Pfeifer hingen. Wahrscheinlich hatte ihr Ugawambi eingeredet, daß sie nun die Geliebte des weißen Massa werden müsse.
Mit hängenden Schultern stand sie vor Michel. Ugawambi grinste und harrte der Dinge, die da seiner Meinung nach kommen mußten.
Sie kamen; aber ganz anders, als der Führer sich das vorgestellt hatte. Von irgendwo her tauchte plötzlich ein großer, gut gewachsener, noch sehr junger Eingeborener auf.
»Zapa«, schrie er glücklich, »meine kleine Zapa!«
Das Mädchen erstarrte vor freudigem Schreck.
»Unogi!« Es war wie ein Hauch, wie ein ganz zarter Windzug. Sie konnte das große Glück immer noch nicht voll erfassen.
Erst als Unogi sie in den Armen hielt, verstand sie, daß sie ihn wiederhatte.
Die drei Freunde drückten ihren Pferden die Hacken in die Seiten und ritten ins Dorf.
»Glotz nicht so dumm«, fuhr Michel Ugawambi an. »Zeig mir, wo die Träger sind, und sage ihnen, daß sie sich zum Abmarsch vorbereiten sollen! Morgen früh brechen wir auf.«
42
Als die befreiten Sklaven mit ihren Befreiern fortgezogen waren, verwünschte Abu Sef laut fluchend Allah und den Propheten, so daß ihn seine Männer ob der Gotteslästerung erschrocken ansahen.
Einige hielten sich die Ohren zu, um das Fürchterliche nicht hören zu müssen.
Hassan, der Junge, der neben dem Anführer lag, hatte den Mut, ihn zu unterbrechen.
»Du versündigst dich, Sayd! Du darfst solches nicht sagen, oder die Dschehenna wird dein Los sein.«
Abu Sefs Gesicht war fahl. Die Stirnadern unter dem Turban hatten kaum noch Blut und lagen schlaff unter der Haut. Das war der gefährlichste Zustand, in dem sich Abu Sef befinden konnte.
Denn meistens schoß nach solchen Augenblicken der völligen Leere das Blut mit doppelter Schnelligkeit durch die Adern und verursachte in dem jähzornigen Araber Explosionen, vor denen sich alle, die ihn kannten, fürchteten.
Und so auch jetzt.
Er wandte sich Hassan zu, ganz langsam. Man sah, wie sein Gesicht rot anlief. Und dann kam es aus seinem Munde:
»Verflucht sei Allah, der Schejtan soll ihn holen samt dem Propheten und den Marabuts. Ich wünsche ihm, daß er diesem Rachegeist im siebenten Himmel begegnen möge!«
»Halt ein«, schrie Hassan. »Das ist zuviel! Allahs Blitz wird uns alle treffen! Was Allah tut, ist wohlgetan! Es ist Schicksal, Kismet, gegen das wir nicht ankönnen.«
»Ah, halt's Maul, du blöder Kerl! Man kann alles abwenden. Wollt ihr vielleicht wegen des Kismets gar hier liegenbleiben und warten, bis euch Allah seinen Schutzengel schickt?«
Er rappelte sich stöhnend hoch, hielt sich an einem Baumstamm fest und stand auf einem Bein.
»Wir müssen sehen, daß wir die Küste erreichen! Die verdammten Wilden haben unsere Waffen mitgenommen ! Unsere Pferde treiben sich irgendwo herum. Unsere Vorräte reichen höchsten noch vier Tage. Und keiner von uns ist mehr heil.«
»Ganz richtig«, sagte ein grimmig aussehender Komplize. »So frag ich dich dann, wie wir uns fortbewegen sollen. Keiner von uns kann auf zwei Beinen stehen, geschweige denn laufen.
Manche können sich gar nicht erheben.«
Schweigen.
Viele sahen erst jetzt ihre mißliche Lage voll ein. Wenn sie folgerichtig dachten, mußten sie zu dem Schluß kommen, daß nur ein Wunder Rettung bringen konnte.
Plötzlich kümmerte sich niemand mehr um den lästernden Abu Sef. Die Männer warfen sich mit den Gesichtern zur Erde und beteten inbrünstig zu Allah um Errettung aus höchster Not.
Und das Wunder geschah.
Bis gegen Abend hatten sich fünf der verlorenen Pferde eingefunden. Hassan bemerkte sie zuerst. Es waren stallgewöhnte Tiere, die die Nähe der Menschen suchten. Sie standen, als wäre nichts geschehen, in dem Korral, dessen Zaun sie am Abend zuvor im Schrecken niedergetrampelt hatten. Sie standen da und grasten. Und sie stoben auch nicht von dannen, als die wenigen Männer, die nur Fleischwunden davongetragen hatten, zu ihnen humpelten. Zu diesen gehörte auch Abu Sef.
Unter Schmerzen gelang es ihnen, sich in die Sättel zu arbeiten. Aber als das gelungen war und Abu Sef spürte, daß er die Schmerzen, die das Reiten verursachte, ohne weiteres ertragen konnte, hatte er sofort wieder Oberwasser.
Zu den vieren, die außer ihm noch die Pferde mit Beschlag belegt hatten, sagte er:
»Wir reiten so schnell wie möglich nach Tanga und holen Hilfe von dort.«
»Aber das geht nicht«, sagte einer, »wir brauchen in unserem Zustand mindestens zwei Tage hin.
Und bis die Helfer da sind, vergehen vier oder fünf Tage. Indessen liegen die anderen fast bewegungslos auf der Stelle festgebannt, sind schutzlos dem Regen ausgesetzt, und manche von ihnen werden vielleicht sterben. Nein, das geht nicht!«