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Allah wird ihnen beistehen.«
Die Gesichter der vier anderen wurden hart. Einer sagte:
»Deine Eigensucht ist so groß wie deine Hartherzigkeit ! Seit fünfzehn Jahren jagen die meisten von uns mit dir die Wilden ! Seit fünfzehn Jahren hast du das meiste dabei verdient! Und nun, in der Not, willst du die, denen dudeinen Reichtum verdankst, verderben lassen! Schande über dich, Abu Sef! Wir werden nie mehr Sklaven für dich fangen !«
»Schwächlinge«, sagte Abu Sef verächtlich. »Ihr seidmir viel zu zart besaitet für spätere Jagden!
Bleibt hier und krepiert mit den anderen! Ich reite.«
Er wandte sein Pferd und trabte davon.
Die vier ritten zu den Verwundeten und erklärten was vorgefallen war. Ein Wutgeheul stieg auf.
Alle schworen dem Anführer Rache.
»Wir werden mit Allahs Hilfe versuchen«, sagte der Sprecher von vorhin, »die anderen Pferde oder wenigstens ein paar von ihnen einzufangen.«
Und so geschah es. Die Verwundeten suchten die ganze Gegend ab. Als die Nacht kam, hatten sie sechs weitere Pferde eingefangen. Aus Gestrüpp und dem blauen Seidenzelt Abu Sefs stellten sie einige Tragen her, die sie zwischen je zwei Pferden befestigten. In diese Tragen legten sie, als sie am kommenden Morgen ein Gebet zu Allah geschickt hatten, diejenigen Kameraden, die nicht reiten, also auch nicht zu zweit auf einem Pferd sitzen konnten. Dann setzte sich der Zug in Bewegung. Langsam aber stetig ging es voran.
Und nach drei Tagen hatten sie völlig erschöpft Tanga erreicht, das damals noch ein kleiner arabischer Küstenort war. Von den Fischern, die hier wohnten, hörten sie, daß Abu Sef einen Tag früher in erbarmungswürdigem Zustand angekommen war, sich aber keine Zeit zur Pflege seiner eiternden Wunde gelassen hatte, sondern mit einer arabischen Dhau sofort nach Sansibar weitergesegelt war.
»Der Hund«, knirschte Hassan, der Junge, den das Wundfieber schüttelte.
So waren die vierzehn ohne Geldmittel zu besitzen, allein auf die Gnade der Fischer angewiesen.
Aber sie schworen sich angesichts ihrer Not, nicht zu ruhen, bis sie sich an Abu Sef gerächt hätten.
Abd el Ata, der älteste von ihnen, übernahm jetzt die Führung des Sklavenjägerhaufens, der sich von diesem Tage an einen Namen gab, wie ihn Geheimbünde trugen. Sie nannten sich die
»Dreizehn Verlassenen«, und Abu Sef würde wahrscheinlich noch manchesmal den Tag verfluchen, an dem er seine Leute hartherzig im Stich gelassen hatte.
43
Der Pfeifer hatte ein Donnerwetter über die Träger und ihren Führer niedergehen lassen. Die Burschen hatten während der Tage, in denen sie hinter den Sklavenjägern herjagten, nur gefaulenzt und reichlich von den Vorräten gegessen, die bis zum »Berg der bösen Geister« reichen sollten. Sie hatten vor Langeweile soviel vertilgt, daß Michel gezwungen war, die Bantu-Neger und ihren Häuptling Baluba, der trotz seines Alters die Strapazen überstanden hatte, um Maismehl zu bitten.
Die Dankbarkeit der Naturkinder war so groß, daß sie sich auch selbst geschlachtet hätten, um ihren Befreiern Nahrung zu geben. Baluba ließ Michel zu sich ins Zelt bitten.
Was Baluba sagte, war etwa folgendes:
»Wir wissen nicht, was unsere großen Freunde nun vorhaben. Wir möchten ihnen aber nach besten Kräften helfen. Die »Pfeifende Donnerbüchse«« — damit war Michel gemeint — »möge uns sagen, was wir für ihn tun können.«
Der Pfeifer ließ sagen, daß sie ausgezogen seien, um weiter im Innern des schwarzen Erdteils einen Berg zu suchen, auf dem der ewige Schnee liege.
Der Häuptling sah ihn mit tiefem Erschrecken an. Seine Antwort war hastig und unzusammenhängend. Michels Eröffnung schien ihn furchtbar aufzuregen.
»Ihr dürft nicht dorthin«, übersetzte Ugawambi. »Jeder, der sich in die Nähe der bösen Geister wagt, ist ein Kind des Todes.«
»Wir müssen aber hin. Es ist gar nicht anders möglich«, sagte Michel mit Bestimmtheit, um nicht erst eine große Debatte aufkommen zu lassen.
Baluba schüttelte den Kopf.
»Wir werden euch also nie wiedersehen! Keiner von uns hat es je gewagt, in die Nähe der bösen Geister zu kommen. Aber wir wissen, daß der Berg von Riesen bewacht wird, die in lieblichen, verführerischen Tälern wohnen, in denen das Korn reift wie sonst nirgendwo auf der Erde. Sie hüten diese Täler eifersüchtig. Jeder, der ihr Paradies betritt, ist dem Tode geweiht.«
»Woher wißt ihr das, wenn noch niemand von euch da war?« fragte Michel lächelnd.
»Man erzählt es. Schon unsere Großväter haben es erzählt.«
»Es nützt nichts«, ließ Michel antworten. »Wir müssen dorthin. Und wenn es den Berg wirklich gibt, so kommen wir auch hin. Und wir kommen auch wieder. Daran kann es keinen Zweifel geben.«
»Wir bewundern deine Kühnheit. Aber wir fürchten die Vermessenheit«, sagte Baluba.
»Ich bin nicht vermessen«, verteidigte sich Michel gegen den versteckten Vorwurf. »Ich weiß zuverlässig, daß vor vielen, vielen Jahren einmal ein sehr frommer Mann auf diesen Berg gestiegen ist. Er hat dort etwas zurückgelassen. Und das müssen wir holen.«
»Was hat er zurückgelassen?«
»Steine«, sagte Michel. »Sehr seltene Steine.«
»Steine«, erwiderte Baluba und schüttelte den Kopf. »Gibt es nicht überall auf der Welt Steine?
Müßt ihr deshalb auf den Berg der bösen Geister klettern?«
»Es gibt diese Steine nur dort.«
Baluba schwieg. Er sah, daß er die »Pfeifende Donnerbüchse« nicht von diesem gewagten Vorhaben abbringen konnte.
Nach einer Weile aber ließ er fragen:
»Sind deine Träger zuverlässig? Werden sie nicht fliehen, wenn sich die Riesen auf sie stürzen?«
»So weit wird es nicht kommen. Wenn sie sich genau nach meinen Vorschriften richten, wird ihnen nichts geschehen.«
»Du bist sehr zuversichtlich.«
»Ich war auch zuversichtlich, als ich mit meinen beiden Freunden die Sklavenjäger bekämpft habe.«
Der alte Baluba schwieg beschämt. Dann nickte er.
»Ich wollte dich nicht kränken. So ziehe denn zum Berg des ewigen Schnees und kehre gesund zurück!«
»Danke. Und was wird aus euch?«
»Was soll werden? Wir werden uns im Gebrauch der erbeuteten Waffen üben.«
»Das wird euch nicht viel helfen. Wenn die Sklavenjäger auf Fang ausziehen, werdet ihr die ersten sein, die sie holen. Abu Sef wird allen Menschen erzählen, wie es ihm ergangen ist. Viele werden kommen, aber dann bin ich nicht da, um euch zu schützen.«
»Was sollen wir tun?«